Teilnahme an Stadtratssitzungen mittels Ton-Bild-Übertragung (Hybridsitzungen)


Daten angezeigt aus Sitzung:  8. Sitzung des Stadtrates, 24.06.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat (Stadt Lindau) 8. Sitzung des Stadtrates 24.06.2021 ö beschließend 3

Sachverhalt

  1. Zulassung und Regelungsmöglichkeit von Hybridsitzungen:

Nach einer Änderung der Gemeindeordnung (Art 47a GO) können Stadtratsmitglieder an den Sitzungen des Stadtrats mittels Ton-Bild-Übertragung teilnehmen, soweit der Stadtrat dies in der Geschäftsordnung zugelassen hat. Der Beschluss bedarf einer Zweidrittelmehrheit der abstimmenden Stadtratsmitglieder.

Der Stadtrat kann die Anzahl der in einer Sitzung zuschaltbaren Stadtratsmitglieder zahlen- oder quotenmäßig begrenzen. Er kann die Zuschaltmöglichkeit auch von weiteren Voraussetzungen abhängig machen, insbesondere von einer Verhinderung an der Teilnahme im Sitzungssaal. Bei einer Zuschaltung mittels Ton-Bild-Übertragung ist eine Teilnahme an Wahlen nicht möglich.

Der Stadtrat kann auch festlegen, ob er Hybridsitzungen nur für das Vollgremium (Stadtrat) oder auch für Ausschusssitzungen zulassen will. Er kann die Zuschalt-möglichkeit für bestimmte Beratungsgegenstände (z.B. Grundstücksangelegenheiten, Auftragsverfahren) ausschließen oder auf die öffentliche Sitzung beschränken.

Hat der Stadtrat Hybridsitzungen zugelassen, steht die Entscheidung, ob ein Stadtratsmitglied virtuell oder physisch (in Präsenz) an der jeweiligen Sitzung teilnehmen will, allein ihm zu. Will ein Stadtratsmitglied mittels Ton-Bild-Übertragung an der Sitzung teilnehmen, hat es dies der Oberbürgermeisterin vorab schriftlich oder elektronisch mitzuteilen.

Eine reine Online-Sitzung ist nicht möglich. Zumindest die Vorsitzende (Oberbürgermeisterin) muss persönlich im Sitzungssaal anwesend sein und die Sitzung von dort leiten.

Die Ermächtigung des Art. 47a GO ist (zunächst) bis Ende des Jahres 2022 befristet. In diesem Zeitraum können Hybridsitzungen erprobt werden.


  1. Wahrnehmbarkeit der Teilnehmer:

Die Oberbürgermeisterin und die Stadtratsmitglieder müssen sich in der Sitzung gegenseitig optisch und akustisch wahrnehmen können. In öffentlichen Sitzungen müssen per Ton-Bild-Übertragung teilnehmende Stadtratsmitglieder zudem für die im Sitzungssaal anwesende Öffentlichkeit entsprechend wahrnehmbar sein. Für diese Zwecke ist die Übertragung von Bild und Ton der an der Sitzung teilnehmenden Personen unabhängig davon zulässig, ob sie in die Übertragung einwilligen.


  1. Verantwortungen und Folgen:

Die Stadt hat dafür Sorge zu tragen, dass in ihrem Verantwortungsbereich die technischen Voraussetzungen für eine Zuschaltung mittels Ton-Bild-Übertragung während der Sitzung durchgehend bestehen. Beschränkt sich die Stadt darauf, die technische Grundausstattung mithin die Plattform (Videokonferenzsystem) zur Verfügung zu stellen und es den Stadtratsmitgliedern zu überlassen, die technischen Voraussetzungen (Hard- und Software) für sich zu beschaffen und anzuwenden, beschränkt sich der Verantwortungsbereich der Stadt auf die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Plattform und der technischen Grundausstattung im Sitzungssaal.

Kommt eine Zuschaltung aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich der Stadt liegen, nicht zu Stande oder wird sie unterbrochen, hat dies keine Auswirkung auf die Wirksamkeit eines ohne das betroffene Stadtratsmitglied gefassten Beschlusses. Ist entweder mindestens ein Stadtratsmitglied zugeschaltet oder bestätigt ein Test, dass eine Zuschaltmöglichkeit besteht, wird vermutet, dass der Grund für eine Nichtzuschaltung eines Stadtratsmitglieds nicht im Verantwortungsbereich der Stadt liegt.

Fällt eine Nichtzuschaltung in den Verantwortungsbereich der Stadt, darf die Sitzung nicht beginnen oder sie ist unverzüglich zu unterbrechen. Ein Verstoß wäre unbeachtlich, wenn die zunächst nicht zugeschalteten Gemeinderatsmitglieder rügelos an der Beschlussfassung teilnehmen.

Die Klärung, in wessen Verantwortungsbereich eine eventuelle technische Störung fällt, kann zu einem verzögerten Sitzungsverlauf führen.


  1. Pflichten bei nicht-öffentlichen Sitzungen:

Wird eine Zuschaltung mittels Ton-Bild-Übertragung auch bei nicht-öffentlichen Sitzungen zugelassen, haben die zugeschalteten Stadtratsmitglieder dafür Sorge zu tragen, dass die Übertragung in ihrem Verantwortungsbereich nur von ihnen wahrgenommen werden kann.

Fachliche Bewertung

  1. Entscheidungsspielraum:

Art. 46a GO eröffnet die Möglichkeit, Hybridsitzungen zuzulassen. Es obliegt der Entscheidung der Stadt, ob und wie von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht wird.

Hybridsitzungen stärken den Gesundheitsschutz (z.B. Corona- oder Erkältungsviren), können die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder fördern und bieten die Möglichkeit einer Teilnahme bei beruflicher oder privater Verhinderung. Hybridsitzungen sind ein Baustein im digitalen Fortschritt.

Neben den Kosten für die technische Ausstattung und die Betreuung während der Sitzung, können technische und rechtliche Probleme auftreten (Ist der Beschluss gültig?), die Sitzungsleitung und Ermittlung des Abstimmungsergebnisses ist aufwändiger. Technische Störungen können zu einer Unterbrechung der Sitzung führen. Das Diskussionsverhalten kann sich verändern. Die unmittelbare Interaktion, die gegenseitige Wahrnehmbarkeit und der gegenseitige Diskurs soll zwar erhalten bleiben, ist aber durch die Technik eine andere.


  1. Ausgestaltung der Hybridsitzungen:

Will der Stadtrat Hybridsitzungen zulassen, sollten die Möglichkeiten bei Stadtratssitzungen weitestgehend ausgeschöpft werden d.h. dies für öffentliche und nicht-öffentliche Sitzungen zuzulassen, keine quoten- oder zahlenmäßige Einschränkung oder die audiovisuelle Teilnahme nicht von Hinderungsgründen (z.B. Krankheit, berufliche Verhinderung) abhängig zu machen.

Die Vorbereitung und Durchführung von Hybridsitzungen ist mit einem erhöhten organisatorischen Aufwand verbunden. Bei Ausschusssitzungen könnte es wegen der geringeren Teilnehmerzahl und einer möglichen Vertretung im Verhinderungsfall bei Präsenzsitzungen verbleiben.


  1. Technische Umsetzung:

Bei Sitzungen in der Inselhalle wäre eine ausreichende Internetanbindung und der Einsatz eines Videokonferenz- und Präsentationssystems gewährleistet. Es müsste lediglich eine angepasste Lizenz erworben werden. Sollten Sitzungen wieder im Alten Rathaus stattfinden oder in andere Räumlichkeiten verlegt werden, müssten dort die technischen Voraussetzungen erst geschaffen werden.

Die gesetzliche Regelung erfordert nicht, dass jedes im Sitzungssaal anwesende oder zugeschaltete Mitglied stets in Großaufnahme zu sehen sein muss. Es ist ausreichend, wenn die zugeschalteten Mitglieder die Vorsitzende und die im Saal anwesenden Mitglieder mittels eine Übersichtsaufnahme optisch wahrnehmen können. Um Mitglieder im Saal bei einem Wortbeitrag einzeln im Bild zeigen zu können, bräuchte es entweder eine Extrakamera mit personeller Betreuung oder jedes Mitglied müsste an seinem Platz über sein privates Endgerät an das Videokonferenzsystem angeschlossen sein.

Über das Videokonferenzsystem wären die audio-visuell zugeschalteten Stadtrats-mitglieder auch für die im Sitzungssaal anwesende Öffentlichkeit wahrnehmbar.

Wortmeldungen, Wortbeiträge und die Abstimmung der zugeschalteten Stadtrats-mitglieder erfolgen über das Videokonferenzsystem. Es ist sowohl namentliche Abstimmung nach Aufruf, als auch Abstimmung per Handzeichen zulässig. Zusätzlich sind Abstimmungstools (z.B. im Rahmen einer Chat-Funktion) zulässig, wenn das Abstimmungsverhalten der Stadtratsmitglieder für die Sitzungsteilnehmer auf dem Bildschirm im Sitzungsaal und im Rahmen der Ton-Bild-Übertragung sichtbar gemacht wird (vgl. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GO). Die Abstimmung nur per Handzeichen genügt den gesetzlichen Anforderungen, wenn sämtliche zugeschaltete Stadtratsmitglieder zum Zeitpunkt ihrer Stimmabgabe auf dem Bildschirm im Sitzungssaal sichtbar sind. Allerdings stellt diese Form der Abstimmung besondere Anforderungen an die Dokumentation und die Feststellung des Abstimmungsergebnisses.


  1. Technische Störungen:

Die Stadt würde die Plattform zur audiovisuellen Zuschaltung bereitstellen (Video-konferenzsystem). Bereits jetzt zahlt die Stadt den Stadtratsmitgliedern einen Geldbetrag für die Anschaffung der Hard- und Software (Technikpauschale, vgl. § 6 Abs. 3 der Haupt-satzung). Für die Anschaffung und Betreuung der Hard- und Software sind die Stadtratsmitglieder verantwortlich. Entsprechend Art. 47a Abs. 4 Satz 5 GO ist damit der Verantwortungsbereich der Stadt beschränkt. Die Nichtzuschaltung eines Stadtratsmitglieds fällt daher nicht in den Verantwortungsbereich der Stadt, wenn mindestens ein Stadtratsmitglied zugeschaltet ist oder ein Test bestätigt, dass eine Zuschaltmöglichkeit besteht.

Ist die gegenseitige optische und akustische Wahrnehmbarkeit der Sitzungsteilnehmer untereinander sowie bei öffentlichen Sitzungen auch für die Saalöffentlichkeit zu Beginn einer Sitzung nicht gegeben oder entfällt sie im Verlauf einer Sitzung über einen mehr als nur unschädlichen Zeitraum, darf die Sitzung nicht beginnen bzw. ist sie unverzüglich zu unterbrechen. Es sei denn, es steht fest oder es wird vermutet, dass der Grund hierfür nicht im Verantwortungsbereich der Stadt liegt (s.o.).

Auch wenn die gegenseitige Wahrnehmbarkeit grundsätzlich durchgehend bestehen muss, ist nicht jede Störung beachtlich. Ein kurzer Bildausfall bzw. Bildstörung ist unschädlich, soweit sie die Beratung und Beschlussfassung nicht beeinträchtigt. Die Äußerungen sollen von allen anderen wahrgenommen werden können.


  1. Geschäftsordnung / Belehrung

Will der Stadtrat Hybridsitzungen zulassen, ist die Geschäftsordnung zu ändern. Die Stadtratsmitglieder müssen eine schriftliche Erklärung über die Belehrung insb. im Hinblick auf Datenschutz (Vertraulichkeit) und Datensicherheit abgeben.

Finanzielle Auswirkungen


einmalig
laufend
Finanzielle Auswirkungen:
     
     
Mittel stehen (nicht) zur Verfügung
Haushaltsstelle/
Deckungsvorschlag
   




Bei Stadtratssitzungen in der Inselhalle entstünden durch die Hybridform geringe Sachkosten (Lizenz für Plattform, Gerätemiete), jedoch ein personeller Mehraufwand für den Aufbau und die Betreuung der Plattform während der Sitzung. An anderen Sitzungsorten müssten die technischen und personellen Voraussetzungen erst geschaffen werden.

Diskussionsverlauf

Stadtrat Hummler ist der Meinung, dass noch nicht alle im 21. Jahrhundert angekommen sind und nicht jeder mit den unterschiedlichen Medien umgehen kann. Dennoch ist es für ihn sinnvoll, in diese Richtung zu gehen, aber nicht in jeder Sitzung. Mit der Technik in der Inselhalle wären Hybridsitzungen möglich.

Stadtrat Brombeiß findet, dass es vor Ort eine andere Diskussionsqualität hat.

Für Stadtrat Prof. Dr. Schöffel ist es schwer vorstellbar, wie kontrolliert werden kann, dass bei nicht-öffentlichen Beratungen tatsächlich niemand unberechtigtes dabei ist. Zudem kann man bei Diskussionen nur schwer die Reaktion seines Gegenübers erkennen.

Für Stadtrat Jöckel sind Onlinetermine zum Austausch ok, aber nicht für Sitzungen.

Auch Stadträtin Rundel spricht sich für eine Zurückstellung der Entscheidung über die Zulassung von Hybridsitzungen aus.

Beschluss

Der Stadtrat stellt die Entscheidung über die Zulassung von Stadtratssitzungen in Hybridform zunächst zurück.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 27, Dagegen: 3

Datenstand vom 07.07.2021 10:16 Uhr