Einführung einer Gebührenpflicht für Motorradstellplätze auf der Insel


Daten angezeigt aus Sitzung:  8. Sitzung des Stadtrates, 24.06.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat (Stadt Lindau) 8. Sitzung des Stadtrates 24.06.2021 ö beschließend 6

Sachverhalt

  1. Vorgeschichte
In der Vergangenheit wurde in Lindau bereits über die Einführung einer Gebührenpflicht für Motorradstellplätze (inkl. Roller und Mopeds) debattiert. Im Hauptausschuss im März 2017 schlug die Verwaltung dem Gremium vor, eine Gebührenpflicht einzuführen. Als Grund wurde hierfür wurde damals angebracht, dass Motorräder grundsätzlich nicht von einer Gebührenpflicht befreit sind und von einer Gebührenerhebung lediglich abgesehen werde, weil die Befestigung des Parkscheins häufig Probleme bereite. Allerdings könne die Gebührenpflicht dazu führen, dass Motorräder verstärkt in Seitenbereiche und auf Gehwege oder andere Ecken der Insel ausweichen. Dies müsste wiederum durch die KVÜ geahndet werden. Daraufhin wurde die Verwaltung beauftragt, die Einführung von Parkgebühren für Motorradfahrer nochmals näher zu prüfen. In der Hauptausschusssitzung im Juli 2017 wurde hierauf nochmals die Einführung einer Gebührenpflicht vorgeschlagen; der Beschluss hierüber wurde jedoch erneut vertagt. In weiteren Stadtratssitzungen zur notwendigen Beseitigung der Motorradstellplätze am Sina-Kinkelin-Platz und – auch in Folge – über diverse Ersatzstandorte auf der Insel wurde lediglich über Standortmöglichkeiten diskutiert.

  1. Aktuelle Entwicklung

Vor der erneuten Behandlung der Motorradstellplätze im Stadtrat am 28.10.2020 stellte die Bunte Liste folgenden Antrag: „Ergänzend zum TOP Ö4 der Stadtratssitzung am 28. Oktober 2020 zur Einrichtung von Motorradstellplätzen beantragt die Bunte Liste, für Motorradstellplätze auf der Insel Parkgebühren zu erheben.“ Zur Begründung wurde angebracht, dass für Motorräder als Kraftfahrzeuge grundsätzlich eine Parkgebühr erhoben werden kann. Außerdem würde bei der Parkraumbewirtschaftung generell durch ansteigende Tarife bei zunehmender Zentrumsnähe angestrebt, dass die Fahrzeuge möglichst peripher abgestellt werden. Hierdurch werde eine Reduzierung von Verkehr, Lärm- und CO2-Emissionen erreicht. Außerdem sei der knappe Raum im Zentrum etwas weniger umkämpft. Analog zu der Parkraumbewirtschaftungspraxis für PKW müsse daher bei zentrumsnahen Stellplätzen für Motorräder auch eine Parkgebühr erhoben werden. Weil die CO2-Emissionen vergleichbar hoch wie bei PKW’s seien – die Lärmemissionen sogar noch höher – bietet es sich an, dieselben Tarife wie für PKW zu verwenden.
Daraufhin beauftragte der Stadtrat am 28.10.2020 die Stadt, den Antrag der Bunten Liste zu prüfen und aufzuarbeiten.

Fachliche Bewertung

  1. Verkehrsrechtliche Betrachtung

  1. Rechtliche Voraussetzungen für eine Gebührenerhebung

Von einer durch Parkscheinautomat angeordneten Gebührenpflicht auf Grundlage des § 13 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) sind alle Arten von Kfz erfasst. Demnach darf an einem Parkscheinautomaten nur mit einem Parkschein, der am oder im Fahrzeug gut sichtbar angebracht sein muss, für die Dauer der zulässigen Parkzeit gehalten werden.

Damit wäre die Einführung von Parkgebühren für Motorräder rechtssicher möglich. Eine Anbringung des Parkscheins könnte beispielsweise mittels Klebestreifen erfolgen – sofern zur Hand. Eine Erfüllung der Gebührenpflicht könnte bei verlorenen oder gestohlenen Parkscheinen durch die Aufbewahrung des Kontrollabschnitts im Nachgang bewiesen werden. Unkompliziert wäre auch die Möglichkeit des Handyparkens umsetzbar.

Nach der Verwaltungsvorschrift zu § 13 StVO sind Parkscheinautomaten aber vor allem dort anzuordnen, wo kein ausreichender Parkraum vorhanden ist und deshalb erreicht werden muss, dass möglichst viele Fahrzeuge nacheinander für möglichst kurze und genau begrenzte Zeit parken können. Die Einführung einer Gebührenpflicht kann auf Grund der zwischenzeitlichen Erkenntnis, dass die eigentlich für Motorräder angedachten 38 Stellplätze am Karl-Bever-Platz P3 weniger als erwartet in Anspruch genommen werden und allenfalls in der Hochsaison einmal ausgelastet sind, letztlich nicht mehr uneingeschränkt empfohlen werden. Hierfür kämen demnach tatsächlich eher nur die Motorradstellplätze auf der Insel unmittelbar vor der Altstadt im Bereich „Auf dem Wall“ in Betracht (8 im Bestand und akt. Erweiterung um weitere 13 Stellplätze).
Von diesen 21 Stellplätzen aus könnten kurze Ausflüge und Erledigungen auf der Insel bequem erledigt werden. Gleichzeitig sollten im dortigen Bereich aber auch Stellplatzmöglichkeiten für Motorräder von Inselbewohnern angeboten werden, da die nächsten Stellplätze erst am Reichsplatz zur Verfügung stehen.

  1. Ausdehnung der Bewirtschaftungszone

Aus Sicht der Verwaltung ist es bei einer Gebührenerhebung unumgänglich, die Parkplätze ordnungsgemäß und auch für Auswärtige deutlich als solche erkennbar zu kennzeichnen. Eine „inoffizielle“ Ausweisung ohne Beschilderung widerspricht einer Gebührenpflicht, denn gerade diese soll eine Fluktuation erreichen. Daher sollten die nur für Einheimische am Kleinen See zur Verfügung gestellten Motorradstellplätze beim BRK weiterhin nicht beschildert / in eine Gebührenpflicht einbezogen werden.

  1. Grundsätzliche Vor- und Nachteile einer Gebührenpflicht

  1. Vorteile

Für die Einführung der Gebührenpflicht auf der Insel im Bereich „Auf dem Wall“ in Kombination mit einer etwaigen Höchstparkdauer von 90 Minuten sprechen grundsätzlich folgende Aspekte:

  • Die Gebührenpflicht für Motorräder im Bereich „Auf dem Wall“ würde vielleicht einen Teil der Motorradfahrer dazu bewegen, doch eher auf dem Karl-Bever-Platz zu parken.

  • Der im Bereich „Auf dem Wall“ eher knapp bemessene Parkraum wird – je nach Festlegung einer Höchstparkdauer – durch eine höhere Fluktuation auf den Stellplätzen besser genutzt. Ein „Dauerabstellen“ der Motorräder wird unterbunden. Besucher, die nur kurz auf der Insel verweilen möchten, erhalten die Möglichkeit, die Parkplätze für kurze Zwischenstopps in direkter Inselnähe zu nutzen.


  1. Nachteile

Gegen die Einführung einer Gebühr für die Motorradfahrer sprechen folgende Gesichtspunkte:

  • Es besteht die Gefahr, dass eine Gebührenerhebung für Motorradfahrer angesichts der allgemeinen Verwaltungspraxis gebührenfreier Motorradstellplätze in der Umgebung nicht akzeptiert wird. So ist es in den meisten Städten Deutschlands Praxis, das Motorradstellplätze kostenlos zur Verfügung gestellt werden, so z.B. in der näheren Umgebung auch in Kempten, Ravensburg, Wangen, Friedrichshafen.
In Konsequenz der mangelnden Akzeptanz der Gebührenpflicht könnte ein häufigeres verbotswidriges Abstellen der Motorräder in Ecken, an Fahrradständern und auf Gehwegen zu beobachten sein wird.

  • Die Gebührenpflicht könnte dazu führen, dass der eine oder andere Motorradfahrer dann womöglich auf den PKW umsteigt und somit der ohnehin knappe Parkraum weiterhin strapaziert wird.

  • Die Festlegung einer Höchstparkdauer erhöht zwar den Umschlag vor Ort, damit einhergehend aus immissionschutzrechtlicher Sicht aber auch wieder die Zahl der an-/abfahrenden Motorräder.

  • Der KVÜ entsteht durch die Kontrolle der Parkscheine und von Falschparkern ein zusätzlicher Mehraufwand. Der Mehraufwand wäre auch beim Innendienst zu erwarten, da ein häufiger Verlust der Parkscheine durch Ablösen vom Motorrad durch die Witterungsverhältnisse oder durch „Diebstahl“ zu erwarten ist.

  • vgl. auch 3.

  1. Gebührenhöhe

Entsprechend des Antrags der Bunten Liste soll für die Motorradstellplätze die volle Gebühr in gleicher Höhe wie für PKW-Stellplätze erhoben werden (derzeit 2,20 Euro pro Stunde). Begründet wird dies mit dem laut Antrag gleichen bzw. teilweise höheren CO2- Emissionsausstoß bzw. den noch höheren Lärmemissionen.
CO2-Ausstoß bzw. Lärmemissionen können aber nicht Bemessungsgrundlage für die Höhe von Parkgebühren sein; diese ergibt sich gegebenenfalls hinsichtlich der Nutzung / Wertigkeit des begrenzten öffentlichen Raums.
Die Verwaltung gibt zu bedenken, dass bei gleicher Tarifhöhe Motorradfahrer auf Parkplätze im Inselkern ausweichen könnten, die eigentlich für PKW vorgesehen sind. Dies wäre bei entsprechend fehlender Einschränkung der Parkflächen nur auf PKW auch zulässig. Es wäre dann zu befürchten, dass einige PKW-Parkplätze zukünftig von Motorradfahrern belegt würden, was angesichts der Knappheit des Parkraums auf der Insel nicht zu befürworten wäre. Weiterhin ist der Platzbedarf bei einem Motorradparkplatz wesentlich geringer als bei einem PKW-Parkplatz. Es würde daher dem allgemeinen Verständnis zuwiderlaufen, wenn für Motorräder dieselbe Parkgebühr wie für PKW verlangt würde.

  1. Höchstparkdauer

Da der Parkraum auf der Insel eine knappe Ressource ist, sollte ggf. die Festlegung einer Höchstparkdauer angedacht werden. Die Verwaltung schlägt für den Bereich „Auf dem Wall“ deshalb eine maximale Höchstparkdauer von 90 Minuten mit Parkscheibe vergleichbar den Regelungen für Pkw vor. Der Markt bietet derartige Möglichkeiten für Motorradfahrer an:
Bewohner der Insel können Ausnahmegenehmigungen erwerben.
Außerdem sollte ein Teil der Motorradstellplätze nur für E-Roller ausgewiesen werden. Das Thema „Stellplätze für E-Roller“ soll in der nächsten Hauptausschusssitzung behandelt werden.

  1. Kosten

Im Bereich der neu geplanten Motorradstellplätze auf der Insel ist bereits ein Parkscheinautomat vorhanden. Dieser müsste lediglich auf die neue Gebühr umprogrammiert werden. Außerdem müsste der Tarif beim Handyparken erfasst werden. Des Weiteren muss die Beschilderung entsprechend ergänzt und angepasst werden. Es wäre mit Kosten i.H.v. ca. 400 - 500 Euro zu rechnen.

Diskussionsverlauf

Stadtrat Brombeiß spricht sich gegen die Einführung von Parkgebühren für Motorräder / Roller aus. Er führt aus, dass hier auch viele Jugendliche, die einen Roller besitzen, ihr Taschengeld hierfür ausgeben müssten. Zudem würde die Insel als Lehrstellenort an Attraktivität verlieren.

Stadtrat Müller findet, dass der Aufwand für die Einführung einer Parkgebührenpflicht zu hoch ist. Er sieht vielmehr in jedem Rollerfahrer, der auf die Insel fährt, einen Autofahrer weniger. Andere Städte haben auch keine Parkgebührenpflicht für Motorräder, Lindau sollte hier nicht einzigartig sein. Vielmehr würden die Roller dann an anderen Stellen abgestellt werden.

Stadtrat Prof. Dr. Schöffel lobt die gute Vorlage der Verwaltung.

Stadtrat Obermayr spricht sich für die Einführung der Parkgebührenpflicht aus. Zudem merkt er an, dass der Platz Auf dem Wall nicht geeignet ist, um Motorräder abzustellen.

Der Leiter der Polizeiinspektion Herr Steur berichtet, dass es für Motorräder grundsätzlich nicht verboten ist, sich auf einen Parkplatz zu stellen und ein Parkticket zu lösen. Durch ein Zusatzschild könnte dies verhindert werden. Das Problem aus Sicht der PI ist, dass sich der Parkschein am Motorrad schwieriger anbringen lässt und zum Nachweis der Abriss aufbewahrt werden müsste.

Für Stadtrat M. Kaiser ist dies ein Zeichen der analogen Welt, welches durch Handyparken einfach zu lösen ist.

Beschluss

Der Antrag der Bunten Liste wird abgelehnt.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 23, Dagegen: 7

Datenstand vom 07.07.2021 10:16 Uhr