- Ziel und Zweck der Planung, Art der Verfahrensbearbeitung
- Anlass zur Änderung des Bebauungsplanes
Im Stadtbauamt Lindau gehen vermehrt Bauanträge und Anfragen zur Genehmigung von Ferienwohnungen für das gesamte Stadtgebiet ein. Für die beiden größten Straßen im Plangebiet Schachener Straße und Enzisweilerstraße sind für 2019 und 2020 allein vier baurechtliche Anträge nur mit dem Titel „Nutzungsänderung von … zu Ferienwohnungen“ im Bauantragssystem zu finden. Hierbei sind Neubauten, Um- oder Anbauten mit dem Ziel des Schaffens von Ferienwohnungen nicht enthalten.
Eine Bestandserhebung ergab im Plangebiet im Juni 2020 folgendes Bild: Aus dem öffentlichen Raum heraus ließ sich ein Gebäude mit Ferienwohnungen über Werbung und Beschriftung erkennen. Auf der Seite der Lindau Tourismus und Kongress GmbH waren im Juni 2020 zusätzlich drei Gebäude gelistet. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von privaten Anbietern auf diversen Internetseiten, auf denen acht in privaten Gebäuden Ferienwohnungen anboten. Eine Abfrage auf www.google.de bestätigte im Vergleich all diese vorgefundenen Ferienwohnungen und ergab außerdem ein neues Angebot (Abfrage am 01.06.2021).
Insgesamt gibt es im Plangebiet daher mindestens elf Gebäude, in denen dauerhaft eine oder mehrere Ferienwohnungen offeriert werden. Sie gruppieren sich alle im Bereich Schachener Straße / Enzisweilerstraße / Kapellenweg. Im östlichen Plangebiet sind keinerlei Offerten zu verzeichnen.
- Welche stadtplanerischen Gefahren bestehen durch die Ferienwohnungen?
Ferienwohnungen gehören zur klassischen Angebotspalette einer Ferienregion wie der Stadt Lindau und sind eine wichtige Erwerbsgrundlage. Diese privaten Belange sind im Rahmen der 11. Änderung dieses Bebauungsplanes nach § 1 (7) BauGB mit den öffentlichen Belangen gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
Im vorliegenden Fall besteht eine konkrete städtebauliche Gefahr in der vergleichsweise hohen Anzahl und der räumlichen Häufung der Ferienwohnungen im Plangebiet.
Durch Ferienwohnungen wird das Angebot an zu mietenden oder zu erwerbenden Dauerwohnungen kleiner. Ein kleineres Angebot erhöht die Preise und führt dazu, dass Haushalte mit kleineren und mittleren Einkommen keinen angemessenen Wohnraum mehr finden können. Nimmt die Anzahl dauerhaft bewohnter Wohnungen ab, wird gleichzeitig die soziale Infrastruktur weniger ausgelastet. Weniger Einwohner können z.B. zu weniger Nachfrage für Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen führen. Damit würden den Trägern dieser Einrichtungen langfristig das Vorhalten, die Planbarkeit und die personelle Ausstattung dieser Einrichtungen erschwert.
Eine größere Anzahl von Ferienwohnungen in enger Nachbarschaft zu den noch verbliebenen Dauerwohnungen birgt ferner die Gefahr von Verlärmung, da die Lebensrhythmen in Arbeitszeit und Ferienzeit unterschiedlich sind. Schließlich besteht die Gefahr von saisonaler Verödung der Straßenräume, da die Ferienwohnungen in der Winterzeit häufig nicht belegt sind.
Es bestehen demnach zusammenfassend im Rahmen der Änderung des Bebauungsplanes zu berücksichtigende Belange der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gemäß § 1 (6) Nr. 2 BauGB, soziale und kulturelle Bedürfnisse der Bevölkerung gemäß § 1 (6) Nr. 3 BauGB und Belange der Erhaltung zentraler Versorgungsbereiche gemäß § 1 (6) Nr. 4 BauGB.
- Bestehendes Planungsrecht
Der Ursprungsbebauungsplan aus dem Jahr 1988 setzte als qualifizierter Bebauungsplan großflächig Wohnbereiche (WA und WR) und östlich große zusammenhängende Flächen für die Landwirtschaft fest. Er regelte auf diese Art und Weise das Verhältnis von Bauflächen, Grünflächen und Flächen für die Landwirtschaft und verzahnte dabei beide Nutzungen mit dem Ergebnis eines heute intakten Orts- und Landschaftsbildes. Vom Hoyerberg aus betrachtet sind hinsichtlich ihrer Dachform und Materialität gut in den Landschaftraum eingebettete Siedlungsbereiche zu erkennen. Sie sind durch Grünflächen, ihre privaten Gärten und Ortsrandeingrünung optimal in die Topografie der Niederungen des Bodensees (nacheiszeitliche Seeablagerungen und Torfgebiete) eingefügt.
Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung wurden der Festsetzungskatalog der §§ 3 und 4 BauNVO unverändert übernommen und um Regelungen zu Ferienwohnungen ergänzt.
Die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und zu bauordnungsrechtlicher Festsetzungen bleiben unverändert erhalten und werden bei der Beurteilung von Bauvorhaben herangezogen.
- Empfehlungen des ISEK
Das integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) aus dem Jahr 2016 gab Hinweise zum Ausschluss in Teilbereichen, zum Erheben finanzieller Abgaben und zur Kartierung aller Angebote. Hintergrund war der stadtweit festgestellte Mangel an Wohnungen, der in Ziele zum verstärkten Neubau und zum Schutz der vorhandenen Wohnungen mündete. Insofern besteht mit den Zielen des ISEK auch ein im Rahmen des § 1 (6) Nr. 11 BauGB zu berücksichtigendes Entwicklungskonzept.
- Planungsziele
Mit der Aufstellung des Bebauungsplanes werden folgende städtebauliche Ziele verfolgt:
Stärken des Wohnens
Wohnen ist die Hauptnutzungsart der Gebäude im Geltungsbereich und soll es auch in Zukunft bleiben. Aus städtebaulicher Sicht genügt dazu das Überlassen der Wohnungen zu den Bedingungen des Immobilienmarktes bzw. der Vermietungspolitik der Eigentümer nicht. Es soll planungsrechtlich steuernd eigegriffen werden. Ziel ist es einerseits, die bereits laufenden Verdrängungstendenzen von Wohnungen durch Ferienwohnungen aufzuhalten. Andererseits soll das bisher “ungefährdete” Wohnen in seiner Anzahl, seiner Lage, seinem Ruhebedürfnis, seiner Erreichbarkeit und seinem Zugang zu Freiräumen stabil bleiben. Schachen soll damit als Wohnstandort mit hoher Lagegunst für das gesamte Stadtgebiet erhalten und gesichert werden.
Vorhalten von Wohnungen aller Größen, in allen Preislagen und im gesamten Geltungsbereich
Der Wohnungsmarkt war bisher gekennzeichnet durch eine gute Durchmischung hinsichtlich der Größe der verfügbaren Wohnungen und hinsichtlich der angebotenen Preise. Der Wohnungsmarkt bildet hierbei die bauliche Struktur der Gebäude ab, die relativ heterogen in ihrer Größe, Ausstattung und Zustand sind.
Werden Wohnungen zu Ferienwohnungen umgenutzt, so werden zunächst die mittelgroßen bis großen Wohnungen in gehobeneren Lagen ausgewählt, mit der Konsequenz, dass diese dem Wohnungsmarkt dauerhaft oder langfristig entzogen sind. Der Nachteil, dass diese Wohnungen den Wohnungssuchenden nicht zur Verfügung stehen, soll aus Sicht der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung und aus Sicht der stabilen Bewohnerstrukturen gemäß § 1 (6) Nr. 2 BauGB nicht hingenommen werden. Es sollen Wohnungen zum Kauf oder zur Miete in allen Lagen und allen Preisstufen zur Verfügung stehen, damit alle Teile der Bevölkerung mit Wohnraum versorgt werden können.
Stärken der Unterzentrums Bad Schachen
Der Bereich um die Leonhardskapelle bildet ein kleines Unterzentrum in Hoyren und versorgt die angrenzende Wohnbevölkerung mit Dienstleistungen, Kita und Waren täglichen Bedarfs. Um die nötige Auslastung dieser Angebote und Einrichtungen dauerhaft sicher zu stellen, soll im Umfeld ausreichend Wohnbevölkerung im Dauerwohnen vorhanden sein.
- Festsetzungskonzept
Im reinen Wohngebiet (WR) werden die Festsetzungen des Ursprungsbebauungsplanes nicht verändert. Da im WR grundsätzlich keine Ferienwohnungen als gewerbliche Nutzungen zulässig sind ergibt sich auch kein Handlungsbedarf.
Für (auch ausnahmsweise) nicht zulässig festgesetzt wurden jedoch sogenannte „kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes“, weil das nach § 13a Satz 2 BauNVO auch Ferienwohnungen sein können.
Für den erweiterten Bestandsschutz sollen bestehende und baurechtlich genehmigte kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes ausnahmsweise erweitert werden können. Grundrissänderungen, Erneuerungen und untergeordnete Nebenanlagen wären damit ausnahmsweise zulässig.
Zentrale Bereiche des Plangebietes sind als Allgemeines Wohngebiet (WA) festgesetzt. Lage und Kerninhalt des WA bleiben unverändert. Nur das ehemalige Areal der Post an der Grenze des Plangebietes zu Bodolz wird als Allgemeines Wohngebiet neu hinzugenommen, da anstelle der Post in der Fläche für Gemeinbedarf bereits ein Wohngebäude genehmigt wurde.
Im WA wurde festgesetzt, dass nur in großen Mehrfamilienhäusern ab vorhandenen sieben Wohnungen eine Wohnung davon eine Ferienwohnung sein darf. Sind Mehrfamilienhäuser mit dreizehn Wohnungen vorhanden, so dürfen zwei davon als Ferienwohnung vorhanden sein. Diese Festsetzung soll nur für aktuell bestehende Wohnungen gelten. Werden neue Wohnhäuser gebaut (z.B. auf der Wiese gegenüber der Haltestelle Schwesternberg) gilt das nicht.
Die Ausnahmen wurden festgesetzt, um räumlich begrenzt und in der Anzahl kontrolliert, eine Minimalmenge an Ferienwohnungen zu ermöglichen. Bei Mehrfamilienhäusern kann die zeitweise entstehende Unruhesituation durch den Bettenwechsel wegen des ohnehin höheren allgemeinen Zu- und Abgangsverkehrs vernachlässigt werden. Besitzerinnen und Besitzern größerer Wohnanlagen soll im Gegenzug des Vorhaltens mehrerer Dauerwohnungen eine ergänzende wirtschaftliche Einnahmequelle zum Unterhalt und zur Erneuerung der Gebäude (z.B. für Anforderungen der Barrierefreiheit, der energetische Sanierung) ermöglicht werden. Aus städtebaulicher Sicht sind Ferienwohnungen in Mehrfamilienhäusern verträglicher und die städtebauliche Auswirkungen, z.B. auf die Stellplatzsituation, nicht so weitreichend wie in einem Bereich mit freistehenden Einfamilienhäusern.
Mit den Ausnahmen sollen die Belange der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung nach § 1 (6) Nr. 2 BauGB in einem Teilbereich mit den Belangen der Erholung des § 1 (6) Nr. 3 BauGB verknüpft werden.
- Angaben zum Geltungsbereich
Das Plangebiet liegt im südlichen Bereich des Stadtteiles Hoyren. Es hat eine Größe von ca. 18,93 ha. Nördlich des Plangebietes grenzen teilweise die Nachbargemeinde Bodolz und der Lindauer Bereich Giebelbach an, östlich die Giebelbachwiesen. Den südlichen Abschluss bildet die Schachener Straße. Im Westen befindet sich der Nachbarort Bodolz.
- Art der Verfahrensbearbeitung
Der Bebauungsplan wird im Regelverfahren aufgestellt, da insgesamt festgesetzte Grundflächen vorliegen, die größer sind als die in § 13a Abs. 1 Satz 2 BauGB aufgeführten Werte.