In den letzten beiden Jahren gingen im Stadtbauamt Lindau vermehrt Bauanträge und Anfragen zur Genehmigung von Ferienwohnungen für das gesamte Stadtgebiet ein. Die Zulässigkeit von Ferienwohnungen ist bereits für große Teile der Insel und für Teile von Schachen über Bebauungspläne geregelt. Nun soll auch für das Wannental in Reutin begonnen werden, Ferienwohnungen über Bebauungspläne zu regeln. Das Wannental wurde ausgewählt, da aufgrund der bevorzugten touristischen Lage bei guter Erschließung weitere Nutzungsänderungen erwartet werden.
Im Wannental liegt planungsrechtlich eine Mischung aus vier Bebauungsplänen und unbeplanten Innenbereichen (§34 BauGB) vor. Die rechtswirksamen Bebauungspläne sind:
- Bebauungsplan 55 „Westliches Wannental“
- Bebauungsplan 55a „Erweiterung westliches Wannental“
- Bebauungsplan 55b „2. Erweiterung westliches Wannental“
- Bebauungsplan Nr. 38 „Bäuerlinshalde“
Im Bebauungsplan Nr. 55b sind in einem Allgemeinen Wohngebiet Ferienwohnungen bereits ausgeschlossen. Hier muss daher nicht mehr gehandelt werden. Die drei anderen Bebauungspläne sollen geändert werden, um hier ebenfalls Ferienwohnungen auszuschließen. Für den bislang unbeplanten Innenbereich soll parallel der einfache Bebauungsplan Nr. 136 „Östliches Wannental“ aufgestellt werden.
- Bisheriges Planungsrecht des BP Nr. 55 „Westliches Wannental“
Der Ursprungsbebauungsplan aus dem Jahr 1969 setzt als qualifizierter Bebauungsplan größtenteils ein Reines Wohngebiet (WR) und im Süden einen kleinen Teil als Allgemeines Wohngebiet (WA) sowie eine mittig gelegene öffentliche Grünfläche mit Zweckbestimmung Spielplatz fest.
- Bestandsaufnahme
Eine Bestandserhebung ergab im Dezember 2022 folgendes Bild:
Vor Ort ließ sich aus dem öffentlichen Raum heraus ein Gebäude mit Ferienwohnungen über Werbung und Beschriftung erkennen. Auf der Seite der Lindau Tourismus und Kongress GmbH war im Dezember 2022 dasselbe Gebäude gelistet. Zusätzlich gibt es eine Vielzahl von privaten Anbietern auf diversen Internetseiten, auf denen zum Abfragezeitpunkt im Geltungsbereich der Bebauungsplanänderung in vier privaten Gebäuden Ferienwohnungen angeboten waren.
Insgesamt gibt es im Plangebiet daher mindestens fünf Gebäude, in denen dauerhaft eine oder mehrere Ferienwohnungen offeriert werden. Sie gruppieren sich im zentralen und nördlichen Bereich des Plangebietes. Im südlichen Plangebiet sind keinerlei Angebote zu verzeichnen.
- Planungsziele
- Stärken des Wohnens
Wohnen ist die Hauptnutzungsart der Gebäude im Geltungsbereich und soll es auch in Zukunft bleiben. Aus städtebaulicher Sicht genügt dazu das Überlassen der Wohnungen zu den Bedingungen des Immobilienmarktes bzw. der Vermietungspolitik der Eigentümer nicht. Es soll planungsrechtlich steuernd eigegriffen werden.
Ziel ist es einerseits, die bereits laufenden Verdrängungstendenzen von Wohnungen durch Ferienwohnungen aufzuhalten. Andererseits soll das Wohnen in seiner Anzahl, seiner Lage, seinem Ruhebedürfnis, seiner Erreichbarkeit und seinem Zugang zu den angrenzenden Freiräumen stabil bleiben. Reutin bzw. die Bereiche im Wannental sollen damit insgesamt als Wohnstandort mit hoher Lagegunst für das gesamte Stadtgebiet erhalten, gesichert und teilweise verbessert werden.
- Vorhalten von Wohnungen aller Größen, in allen Preislagen und im gesamten Geltungsbereich
Der Wohnungsmarkt war bisher gekennzeichnet durch eine gute Durchmischung hinsichtlich der Größe der verfügbaren Wohnungen und hinsichtlich der angebotenen Preise. Der Wohnungsmarkt bildet hierbei die bauliche Struktur der Gebäude ab, die relativ heterogen in ihrer Größe, Ausstattung und Zustand sind.
Werden Wohnungen zu Ferienwohnungen umgenutzt, so werden Wohnungen aller Größenklassen wie hier im Wannental bzw. im Umfeld der Steigstraße ausgewählt, mit der Konsequenz, dass diese dem Wohnungsmarkt meist dauerhaft oder zumindest langfristig entzogen sind. Der Nachteil, dass diese Wohnungen den Wohnungssuchenden nicht zur Verfügung stehen, soll aus Sicht der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung und aus Sicht der stabilen Bewohnerstrukturen gemäß § 1 (6) Nr. 2 BauGB nicht hingenommen werden. Es sollen Wohnungen zum Kauf oder zur Miete in allen Lagen und allen Preisstufen zur Verfügung stehen, damit alle Teile der Bevölkerung mit Wohnraum versorgt werden können.
- Ändern der Art der baulichen Nutzung von Reinen Wohngebiet (WR) zu Allgemeinen Wohngebiet (WA)
Reine Wohngebiete dienen laut BauNVO dem Wohnen, Allgemeine Wohngebiete vorwiegend dem Wohnen. Diese Hauptnutzung soll durch geeignete Nutzungen im Sinne der BauNVO ergänzt werden, um auch die Lebensbereiche Arbeiten und Freizeit eng zu verzahnen. Reine Wohngebiete sind nicht mehr zeitgemäß, da sie ein Nebeneinander von Wohnen, Arbeiten und Versorgung nicht vorsehen und nicht zulassen. Es besteht das Ziel, den aktuellen Anforderungen von wohnungsnahen Arbeitsmöglichkeiten und an wohnungsnaher Versorgung für eine umweltfreundliche Mobilität gerecht zu werden. Außerdem kommen reine Wohngebiete mit Immissionsschutzkonflikten wie auch hier (Landwirtschaft, Verkehrslärm) eher schlecht zurecht.
- Schaffen von Anreizen für das Erhöhen der Anzahl der Wohnungen
Lindau ist seit September 2022 eine Kommune mit angespanntem Wohnungsmarkt. Sie ist es auf der Basis einer Rechtsverordnung der Landessregierung. Grundlagen sind § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB, § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB und § 577a Abs. 2 Satz 2 BGB. Ein Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist (§ 556d Abs. 2 Satz 2 BGB, § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB, § 577a Abs. 2 Satz 1 BGB).
Als städtebauliches Ziel wird formuliert, für das Wannental, bestehend aus dem Wirkungszusammenhang dreier zu ändernder Bebauungspläne (7. Änderung BP 55, 1. Änderung BP 55a, 1. Änderung BP 38) sowie dem neu aufzustellenden Bebauungsplan Nr. 136 Ferienwohnungen auszuschließen.
Für die 7. Änderung des Bebauungsplanes wird als Ziel formuliert, durch die teilweise vom Regelkatalog abweichende Bestimmung von allgemein zulässigen Nutzungen das Plangebiet anziehender für die Vereinbarkeit von Wohnen und Arbeiten vorzubereiten und damit als Wohnstandort im laufenden Generationswechsel attraktiver zu gestalten.
- Festsetzungen des Bebauungsplanes
Im Ursprungsbebauungsplan war als WA nur der am südlichen Rand liegende Bereich zwischen Steigstraße und Rickenbacher Straße festgesetzt. Die übrigen Teile des Geltungsbereiches, die überbaut werden sollten, waren als Reine Wohngebiete (WR) nach § 3 BauNVO festgesetzt. Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung wurden der Festsetzungskatalog der §§ 3 und 4 der BauNVO von 1968 unverändert übernommen.
Es werden zwei Kategorien von Allgemeinen Wohngebieten festgesetzt. Im südlichen WA 1 sollen versorgende Läden, Gastronomie und Handwerksbetriebe regelmäßig zulässig sein. Im nördlichen WA 2 sollen Läden, Gastronomie und Hotels nicht zugelassen werden können, denn die Erschließung in Hanglage kann den Mehrbedarf hierfür nicht aufnehmen.
In beiden Unterkategorien werden Gartenbaubetriebe und Tankstellen als nicht zulässig festgesetzt, da sie sich mit dem Charakter des Wohngebietes an dieser Stelle nicht vereinbaren lassen.
Ebenso sollen Ferienwohnungen und Ferienräume im Plangebiet nicht zugelassen werden. Ziel ist es, keine weiteren Wohnungen an den gewerblichen Sektor der Vermietung von Ferienwohnungen zu verlieren, um den festgestellten Wohnungsmangel entsprechend der städtebaulichen Ziele nicht weiter zu verschärfen.
Nebenwohnungen:
Für die Nutzung von Räumen in Wohngebäuden oder Beherbergungsbetrieben als Nebenwohnung besteht eine Genehmigungspflicht bei der Baugenehmigungsbehörde der Stadt Lindau, wenn die Räume insgesamt an mehr als die Hälfte der Tage eines Jahres unbewohnt sind. Der Nachweis der Belegung der Wohnung ist über mindestens ein Jahr zu führen und vorzulegen.
Die Stadt Lindau wird hierbei auf der Grundlage mehrerer räumlicher Ziele aktiv, um die Nebenwohnungen zu steuern. Zum einen soll entsprechend der Anpassungspflicht aus § 1 Abs. 4 BauGB ein übergeordnetes raumplanerisches Ziel des Regionalplans Allgäu umgesetzt werden: „2.3. (Z) Es soll darauf hingewirkt werden, dass die Region von der Errichtung überwiegend eigengenutzter Ferienwohngelegenheiten (Zweitwohnungen) freigehalten wird.“
Zum anderen hat der Stadtrat der Stadt Lindau im Juni 2023 einen „Grundsatzbeschluss einschließlich Verfahrensgrundsätzen für die Bauleitplanung und den Verkauf städtischer Grundsätze - zugleich Konzept zur Stärkung der Innenentwicklung nach § 176 BauGB“ (kurz SoBoN) gefasst. In Abschnitt D, 3. Ausschluss von Zweitwohnungen in Bebauungsplänen ist festgelegt: „Die Stadt wird bei Aufstellung und Änderung von Bebauungsplänen Zweitwohnungen grundsätzlich ausschließen.“
Dies wurde aufgenommen und Nebenwohnungen bzw. Zweitwohnungen sollen ausgeschlossen werden, um weiterhin Angebote für wechselnde touristische Gäste gemäß des genehmigten Bestandes vorhalten zu können. Außerdem sollen aus städtebaulicher Sicht keine weiteren Nebenwohnungen genehmigt werden, wenn dadurch eine Dauerwohnung bzw. ein genehmigtes touristisches Übernachtungsangebot entfällt bzw. eine Dauerwohnung nicht geschaffen wird.
- Wahl des Bebauungsplanverfahrens
Der Bebauungsplan wird im Regelverfahren aufgestellt, da insgesamt festgesetzte Grundflächen vorliegen, die größer sind, als die im § 13a BauGB aufgeführten Werte.