In den letzten beiden Jahren gingen im Stadtbauamt Lindau vermehrt Bauanträge und Anfragen zur Genehmigung von Ferienwohnungen für das gesamte Stadtgebiet ein. Die Zulässigkeit von Ferienwohnungen ist bereits für große Teile der Insel und für Teile von Schachen über Bebauungspläne geregelt. Nun soll auch für das Wannental in Reutin begonnen werden, Ferienwohnungen über Bebauungspläne zu regeln. Das Wannental wurde ausgewählt, da aufgrund der bevorzugten touristischen Lage bei guter Erschließung weitere Nutzungsänderungen erwartet werden.
Im Wannental liegt planungsrechtlich eine Mischung aus vier Bebauungsplänen und unbeplanten Innenbereichen (§34 BauGB) vor. Die rechtswirksamen Bebauungspläne sind:
- Bebauungsplan 55 „Westliches Wannental“
- Bebauungsplan 55a „Erweiterung westliches Wannental“
- Bebauungsplan 55b „2. Erweiterung westliches Wannental“
- Bebauungsplan Nr. 38 „Bäuerlinshalde“
Im Bebauungsplan Nr. 55b sind in einem Allgemeinen Wohngebiet Ferienwohnungen bereits ausgeschlossen. Hier muss daher nicht mehr gehandelt werden. Die drei anderen Bebauungspläne sollen geändert werden, um hier ebenfalls Ferienwohnungen auszuschließen. Für den bislang unbeplanten Innenbereich soll parallel der einfache Bebauungsplan Nr. 136 „Östliches Wannental“ aufgestellt werden.
- Bisheriges Planungsrecht
Der Ursprungsbebauungsplan stammt aus dem Jahr 1958, als es noch kein Bundesbaugesetz und keine bayerische Bauordnung gab. Er besteht aus einem zeichnerischem Teil und fünf textlich festgesetzten Baubeschränkungen. Betreffend der Art der baulichen Nutzung sind in der Planzeichnung Wohngebäude festgesetzt, in den textlichen Baubeschränkungen wird weiter konkretisiert, dass die Errichtung von Gebäuden für Produktions- oder Fertigungsbetriebe nicht zulässig ist. Der Einbau gewerblicher Räume kann zugelassen werden, soweit sich dieser mit dem Charakter eines bevorzugten Wohngebietes vereinbaren lässt.
- Bestandsaufnahme
Eine Bestandserhebung im Dezember 2022 ergab folgendes Bild:
Im Plangebiet gibt es derzeit ein Gebäude, in welchem mehrere Ferienwohnungen über verschiedene Internetportale angeboten werden. Eine Überprüfung aller Baugenehmigungsakten des Bauarchivs Lindaus ergab im Dezember 2022, dass diese wahrscheinlich keine entsprechende baurechtliche Genehmigung erhalten hatte.
- Planungsziele
- Stärken des Wohnens
Wohnen ist die Hauptnutzungsart der Gebäude im Geltungsbereich und soll es auch in Zukunft bleiben. Aus städtebaulicher Sicht genügt dazu das Überlassen der Wohnungen zu den Bedingungen des Immobilienmarktes bzw. der Vermietungspolitik der Eigentümer nicht. Es soll planungsrechtlich steuernd eigegriffen werden.
Ziel ist es einerseits, die bereits laufenden Verdrängungstendenzen von Wohnungen durch Ferienwohnungen aufzuhalten. Andererseits soll das Wohnen in seiner Anzahl, seiner Lage, seinem Ruhebedürfnis, seiner Erreichbarkeit und seinem Zugang zu den angrenzenden Freiräumen stabil bleiben. Reutin bzw. die Bereiche im Wannental sollen damit insgesamt als Wohnstandort mit hoher Lagegunst für das gesamte Stadtgebiet erhalten, gesichert und teilweise verbessert werden.
- Vorhalten von Wohnungen aller Größen, in allen Preislagen und im gesamten Geltungsbereich
Der Wohnungsmarkt war bisher gekennzeichnet durch eine gute Durchmischung hinsichtlich der Größe der verfügbaren Wohnungen und hinsichtlich der angebotenen Preise. Der Wohnungsmarkt bildet hierbei die bauliche Struktur der Gebäude ab, die relativ heterogen in ihrer Größe, Ausstattung und Zustand sind.
Werden Wohnungen zu Ferienwohnungen umgenutzt, so werden Wohnungen aller Größenklassen wie hier im Wannental bzw. im Umfeld der Bäuerlinshalde ausgewählt, mit der Konsequenz, dass diese dem Wohnungsmarkt meist dauerhaft oder zumindest langfristig entzogen sind. Der Nachteil, dass diese Wohnungen den Wohnungssuchenden nicht zur Verfügung stehen, soll aus Sicht der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung und aus Sicht der stabilen Bewohnerstrukturen gemäß § 1 (6) Nr. 2 BauGB nicht hingenommen werden. Es sollen Wohnungen zum Kauf oder zur Miete in allen Lagen und allen Preisstufen zur Verfügung stehen, damit alle Teile der Bevölkerung mit Wohnraum versorgt werden können.
- Konkretisierung der Art der baulichen Nutzung zu einem Allgemeinen Wohngebiet (WA)
Die bisherige Festsetzung der Art der baulichen Nutzung, welche aus einer Zeit vor der Baunutzungsverordnung stammt, wird an den Nutzungskatalog der BauNVO angepasst. Allgemeine Wohngebiete dienen laut BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Diese Hauptnutzung soll durch geeignete Nutzungen im Sinne der BauNVO ergänzt werden, um auch die Lebensbereiche Arbeiten und Freizeit eng zu verzahnen.
- Schaffen von Anreizen für das Erhöhen der Anzahl der Wohnungen
Lindau ist seit September 2022 eine Kommune mit angespanntem Wohnungsmarkt. Sie ist es auf der Basis einer Rechtsverordnung der Landessregierung. Grundlagen sind 556d Abs. 2 Satz 1 BGB, § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB und § 577a Abs. 2 Satz 2 BGB. Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist (§ 556d Abs. 2 Satz 2 BGB, § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB, § 577a Abs. 2 Satz 1 BGB).
Als städtebauliches Ziel wird formuliert, für das Wannental, bestehend aus dem Wirkungszusammenhang dreier zu ändernder Bebauungspläne (7. Änderung BP 55, 1. Änderung BP 55a, 1. Änderung BP 38) sowie dem neu aufzustellenden Bebauungsplan Nr. 136 Ferienwohnungen auszuschließen.
Für die 1. Änderung des Bebauungsplanes wird als Ziel formuliert, durch die teilweise vom Regelkatalog abweichende Bestimmung von allgemein zulässigen Nutzungen das Plangebiet anziehender für die Vereinbarkeit von Wohnen und Arbeiten vorzubereiten und damit als Wohnstandort im laufenden Generationswechsel attraktiver zu gestalten.
- Festsetzungen des Bebauungsplanes
Im Ursprungsbebauungsplan war kein Baugebiet nach BauNVO festgesetzt, da dieser aus einer Zeit vor dem Bundesbaugesetz mit Baugesetzbuch und Baunutzungsverordnung stammt.
In der 1. Änderung soll nun die bisherige zeichnerische und textliche Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung als WA gemäß Baunutzungsverordnung festgesetzt werden. Ziel ist es dabei, den aktuellen Anforderungen von wohnungsnahen Arbeitsmöglichkeiten und an wohnungsnaher Versorgung für eine umweltfreundliche Mobilität gerecht zu werden. Im Sinne der „Stadt der kurzen Wege“ sollen durch ein engeres Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten vermeidbare Wege verhindert bzw. verkürzt werden.
Nicht störende Handwerksbetriebe, Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke sowie Räume für freie Berufe ergänzen und konkretisieren den bisherigen Nutzungskatalog des Bebauungsplanes. Für wohnungsnahe Läden und Gastronomie haben die vorhandenen Straßen nicht die nötige Aufnahmekapazität und es fehlen teils geeignete größere Stellplatzmöglichkeiten. Daher werden nur nicht störende Handwerksbetriebe vorgesehen, die nicht so einen starken Kundenverkehr aufweisen wie Läden und Gastronomie.
Als nicht zulässig wurden Betriebe des Beherbergungsgewerbes, Läden, Gastronomie, Gartenbaubetriebe und Tankstellen festgesetzt, die sich mit dem Charakter des Wohngebietes an dieser Stelle nicht vereinbaren lassen. Die Erschließung wäre für all diese Nutzungen wegen der Topografie (Hanglage) und der geringer dimensionierten Erschließungsstraßen nur sehr erschwert möglich und würde einen städtebaulichen Mangel hervorrufen. Größere zusammenhängende Grundstücke sind außerdem als räumliche Voraussetzung im Bestand nicht vorhanden sind und können perspektivisch auch nicht geschaffen werden.
Ferienwohnungen und Ferienräume sollen im Plangebiet nicht zugelassen werden. Ziel ist es, keine weiteren Wohnungen an den gewerblichen Sektor der Vermietung von Ferienwohnungen zu verlieren, um den festgestellten Wohnungsmangel entsprechend der oben dargestellten städtebaulichen Ziele nicht weiter zu verschärfen. Jegliche Form von Dauerwohnen soll stadtweit auch planungsrechtlich geschützt und gesichert werden.
Nebenwohnungen:
Für die Nutzung von Räumen in Wohngebäuden oder Beherbergungsbetrieben als Nebenwohnung besteht eine Genehmigungspflicht bei der Baugenehmigungsbehörde der Stadt Lindau, wenn die Räume insgesamt an mehr als die Hälfte der Tage eines Jahres unbewohnt sind. Der Nachweis der Belegung der Wohnung ist über mindestens ein Jahr zu führen und vorzulegen.
Die Stadt Lindau wird hierbei auf der Grundlage mehrerer räumlicher Ziele aktiv, um die Nebenwohnungen zu steuern. Zum einen soll entsprechend der Anpassungspflicht aus § 1 Abs. 4 BauGB ein übergeordnetes raumplanerisches Ziel des Regionalplans Allgäu umgesetzt werden: „2.3. (Z) Es soll darauf hingewirkt werden, dass die Region von der Errichtung überwiegend eigengenutzter Ferienwohngelegenheiten (Zweitwohnungen) freigehalten wird.“
Zum anderen hat der Stadtrat der Stadt Lindau im Juni 2023 einen „Grundsatzbeschluss einschließlich Verfahrensgrundsätzen für die Bauleitplanung und den Verkauf städtischer Grundsätze - zugleich Konzept zur Stärkung der Innenentwicklung nach § 176 BauGB“ (kurz SoBoN) gefasst. In Abschnitt D, 3. Ausschluss von Zweitwohnungen in Bebauungsplänen ist festgelegt: „Die Stadt wird bei Aufstellung und Änderung von Bebauungsplänen Zweitwohnungen grundsätzlich ausschließen.“
Dies wurde aufgenommen und Nebenwohnungen bzw. Zweitwohnungen sollen ausgeschlossen werden, um weiterhin Angebote für wechselnde touristische Gäste gemäß des genehmigten Bestandes vorhalten zu können. Außerdem sollen aus städtebaulicher Sicht keine weiteren Nebenwohnungen genehmigt werden, wenn dadurch eine Dauerwohnung bzw. ein genehmigtes touristisches Übernachtungsangebot entfällt bzw. eine Dauerwohnung nicht geschaffen wird.
- Wahl des Bebauungsplanverfahrens
Der Bebauungsplan wird im Regelverfahren aufgestellt, da insgesamt festgesetzte Grundflächen vorliegen, die größer sind, als die im § 13a BauGB aufgeführten Werte.