Daten angezeigt aus Sitzung:
9. Sitzung des Stadtrates, 28.09.2022
Beratungsreihenfolge
Sachverhalt
Die Warnung der Bevölkerung bei schwerwiegenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit ist ein wichtiges Anliegen der Gefahrenvorsorge und des Bevölkerungsschutzes und wird nicht zuletzt angesichts der durch den Klimawandel bedingten Gefahrenlagen (Starkregenereignisse, Sturm, etc.) zunehmend wichtiger. Dabei ist es zielführend, einen ausgewogenen Mix unterschiedlicher Warnsysteme (Sirenen, Apps, Rundfunk, Warn-SMS) zu haben, um auch im Falle einer Überlastung des Mobilfunks oder eines Stromausfalls gerüstet zu sein. Aus diesem Grund wird seit letztem Jahr aus bereitgestellten Mitteln des Bundeshaushaltes über das Sonderförderprogramm zur Verbesserung der Warninfrastruktur in Bayern (Sonderförderprogramm Sirenen) ein flächendeckender Ausbau des Sirenenwarnnetzes unterstützt. Das Sirenensignal soll die Bevölkerung bei schwerwiegenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit veranlassen, ihre Rundfunkgeräte einzuschalten und auf Durchsagen zu achten. Da die Sirenen aufgrund ihrer Akkupufferung auch bei Stromausfall noch mindestens vier Warn- und Entwarnungszyklen aussenden können und aufgrund ihres Weckeffektes, wird ihnen in der Warninfrastruktur eine große Bedeutung zugemessen.
Der Hauptausschuss der Stadt Lindau (B) hat mit Beschluss vom 15.03.2022 die Verwaltung beauftragt, in Abhängigkeit von einer Förderzusage aus dem „Sonderförderprogramm Sirenen“ bis zu 10 Sirenen im Stadtgebiet an dafür geeigneten Standorten zu errichten.
1. Sachstand Planung
Die beauftragte Fa. „accellonet GmbH“ aus Neu-Ulm hat bis zum aktuellen Zeitpunkt folgende Planungen durchgeführt:
- Standortsuche, Beschallungskonzept
Grobplanung der Standorte
Feinplanung zur optimierten Standortplanung
Detaillierte Planung der vorgesehenen Standorte
Die Planungen wurden mit Vertretern der Abteilung Hochbau, der Bauordnung und Bauverwaltung, der GWG, der Abteilung GT-Projekte bei der GTL, der Abteilung Liegenschaften und der Feuerwehr abgestimmt und das Einverständnis des Grundstückseigentümers eingeholt. Mit dem Projektleiter Digitale Alarmierung bei der ILS Allgäu hat ebenfalls ein erster fachlicher Austausch bzgl. der digitalen Ansteuerung der elektronischen Sirenen und des Anschlusses an das modulare Warnsystem des Bundes (MoWas) stattgefunden. Die denkmalrelevanten Sirenenstandorte wurden mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege besprochen, welches in Anbetracht des öffentlichen Gewichtes, das dem Bevölkerungsschutz zuzumessen ist, gewisse Bedenken der Denkmalpflege gegen die Aufstellung und Anbringung der Sirenenelemente zurückstellt.
Die erarbeitete Beschallungsübersicht (konzeptionelle Schallausbreitung) und eine Übersicht der für geeignet befundenen, beplanten und abgestimmten Sirenenstandorte (8 Sirenen in Dach-/Gebäudemontage, 2 Mastsirenen) sind dieser Vorlage beigefügt (Anlage 1 und Anlage 2). Herr Patrick Drews, der verantwortliche Projektleiter bei der accellonet GmbH, wird in der Sitzung per Videokonferenz zugeschaltet sein und die Planungsergebnisse kurz erläutern. Darüber hinaus wird er auch für Fragen aus dem Gremium zur Verfügung stehen.
Auf die Möglichkeit, an den Sirenenstandorten Sprachdurchsagen tätigen zu können, wurde verzichtet, da die erforderliche Sprachverständlichkeit eine Mehrung und Verdichtung der Sirenenstandorte bedeutet hätte.
Des Weiteren wurde nach Abwägung des Für und Wider von einer regenerativen Energieversorgung (z.B. Solar) der Sirenenstandorte Abstand genommen. Der ungefähre, jährliche Stromverbrauch bei den Sirenen liegt bei ca. 100 KWh pro Standort, so dass es bei diesem geringen Stromverbrauch unverhältnismäßig wäre, eine eigene Stromversorgung mit regenerativer Energie aufzubauen. Dies würde nur bei exponierten Standorten Sinn machen, an welchen keine Stromversorgung vorzufinden ist und massive Arbeiten für die Verlegung von Strom notwendig wären. Dies ist jedoch bei den ausgewählten Standorten nicht der Fall.
2. Sachstand zum „Sonderförderprogramm Sirenen“ und Förderantrag
Die Zuwendung aus Mitteln des Bundeshaushaltes wurde mit Erhalt der Bescheide am 07.09.2022 in der beantragten Höhe über die Regierung von Schwaben bewilligt. Für die geplanten Sirenentypen beläuft sich der Zuwendungsbetrag auf insgesamt 121.500 Euro.
Der Förderzeitraum für das „Sonderförderprogramm Sirenen“ läuft zum 31.12.2023 aus. Bis dahin muss die Sirenenanlage betriebsbereit und die Maßnahme bereits bis Oktober 2023 kassenwirksam abgeschlossen sein. Die Beauftragung (unbedingter Vertragsabschluss) einer für die Errichtung und Inbetriebnahme einer Sirenenanlage qualifizierten Firma hat gemäß Zuwendungsbescheid bis 31.12.2022 zu erfolgen und ist durch Vorlage bei der Regierung von Schwaben nachzuweisen.
Die notwendige Ausschreibung wäre daher schnellstmöglich durchzuführen.
Fachliche Bewertung
1. Kostenschätzung und Finanzierung
Für die Errichtung der geplanten Sirenen ergibt sich eine grobe Kostenkalkulation auf Basis der aktuellen Material-/Handwerker-/Baupreise in Höhe von ca. 350.000 Euro (inklusive ca. 12.000 Euro für einen Wartungsvertrag über die ersten 5 Jahre). Gemäß den derzeit vorherrschenden Lieferengpässen bei bestimmten Bauteilen sowie den allgemeinen Preissteigerungen beim Material aber auch wegen der gestiegenen Nachfrage bzgl. Sirenen liegt die Kostenschätzung damit weit über der zunächst angenommenen Investitionssumme.
Der Eigenanteil für die Stadt Lindau (B) beläuft sich abzüglich der Fördersumme auf ca. 230.000 Euro.
Da die reservierten Haushaltsmittel in der Rücklage für den zu erwartenden Investitionsbedarf aktuell nicht ausreichen, werden eine Verpflichtungsermächtigung über 350.000 Euro im Jahr 2022 und entsprechende Ansätze im Haushalt 2023 benötigt. Eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung nach Art. 67 Abs. 5 GO darf laut Stadtkämmerei überplanmäßig oder außerplanmäßig eingegangen werden, wenn 1. ein dringendes Bedürfnis besteht (Voraussetzung ist eine zeitliche und sachliche Unabweisbarkeit) und 2. der in der Haushaltssatzung festgesetzte Gesamtbetrag der Verpflichtungsermächtigungen nicht überschritten wird.
Das dringende Bedürfnis kann dadurch begründet werden, dass das Innenministerium einen Ausbau des Sirenenwarnnetzes als wichtig und dringlich ansieht. Mithilfe des Sonderförderprogramms Sirenen sollen die Kommunen darin unterstützt werden, den Ausbau zeitnah anzugehen.
Die Deckung kann dadurch sichergestellt werden, dass an anderer Stelle die Verpflichtungsermächtigung „Zuschüsse an Kitas“ nach aktuellem Stand nicht in der veranschlagten Höhe in Anspruch genommen wird.
Nach aktuellem Stand der verwaltungsinternen Vorberatungen zum Haushalt 2023 ist von einer angespannten Haushaltslage im Jahr 2023 auszugehen. Sollte die Fortführung des Projektes beschlossen werden, reduzieren sich die Finanzierungsspielräume in anderen Bereichen. Aus Sicht der Stadtkämmerei wäre es daher ratsam, die Maßnahme zu verschieben.
2. Weitere Umsetzung des Projekts, Abwägung, Ausblick Sirenenausbau
Es ist zu entscheiden, ob unter den aktuell gegebenen Rahmenbedingungen die Errichtung fest stationierter Sirenen weiterhin befürwortet wird.
Auf der einen Seite ist wie dargestellt die Sirenen-Ausstattung sinnvoll, um im Gefahrenfall eine schnelle Warnung mit hohem Erreichungsgrad zu gewährleisten und damit Schäden möglichst abzuwenden. Andererseits trifft die Stadt Lindau (B) auf Basis ihrer örtlichen Gegebenheiten (u.a. Autobahn, Schiene, Seenähe) und des Risikopotenzials (u.a. Klimawandelstudie) im Rahmen ihrer gemeindlichen Alarm-/Notfallplanung selbst die Entscheidung, ob Sirenen für den Ereignisfall vorgehalten werden.
Der flächendeckende Ausbau der Sireneninfrastruktur wird vom Bayerischen Innenministerium nachhaltig gewünscht. Es besteht deshalb theoretisch die Wahrscheinlichkeit, dass von Bund oder Land weitere Förderprogramme aufgelegt werden. Ob diese ggf. höhere Förderbeträge beinhalten könnten bzw. ob die Stadt Lindau evtl. später eine Förderung bewilligt bekäme, lässt sich an dieser Stelle nicht beantworten. Gleichsam lässt sich nicht abschätzen, zu welchen Konditionen die Maßnahme in Zukunft realisierbar wäre.
Sollte der Lindauer Stadtrat der Fortführung des Projekts unter den dargestellten Rahmenbedingungen positiv gegenüberstehen, müssten folgende Beschlüsse gefasst werden:
- Die Ausschreibung nach VOB ist schnellstmöglich durchzuführen.
Es wird im Haushalt 2022 eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 350.000 Euro bei Haushaltsstelle 11000.94000 beschlossen.
Im städtischen Haushalt 2023 wird bzgl. des zu erwartenden Investitionsbedarfs für den Ausbau der Sirenen ein Haushaltsansatz in Höhe von 350.000 Euro eingestellt.
Für die Wartung der Sirenen werden jährliche Wartungskosten in Höhe von ca. 2.400 Euro sowie jährliche Stromkosten in Höhe von ca. 300 Euro im städtischen Haushalt veranschlagt.
Die Fa. accellonet GmbH wird umgehend beauftragt folgende Leistungen zu erbringen:
1. Vorbereitung der Ausschreibung (inkl. Erstellen eines produktneutralen Leistungsverzeichnisses) und Begleitung bei der Vergabe.
2. Bauüberwachung (Oberbauleitung) bis zur Inbetriebnahme, Abnahme und Übergabe an den Betreiber
Sollte der Lindauer Stadtrat eine Fortführung des Projekts unter den dargestellten Rahmenbedingungen nicht befürworten, wäre eine Warnung der Bevölkerung im Ereignisfall mit den bestehenden bzw. althergebrachten Warnmitteln/-methoden (Rundfunk, Internet, Warn-Apps, Lautsprecherdurchsagen von Polizei und ggf. Feuerwehr, mobile Sirene, gezielte Benachrichtigungen besonders schützenswerter Einrichtungen, Kirchenglocken) sowie noch zu erprobenden, neuen Warnmethoden wie das sog. „Cell Broadcast“ durchzuführen. Auf Sirenen könnte im Ernstfall nicht zurückgegriffen werden.
Zu bedenken ist, dass Polizei und Feuerwehr mittels Lautsprecherdurchsagen bzw. mobiler Sirene nur bedingt eine Warnung der Bürger vor Gefahren übernehmen können, wenn tatsächlich Kapazitäten verfügbar sind und diese Institutionen nicht schon anderweitig gebunden sind. Außerdem ist damit ein hoher Personal- und Fahrzeugaufwand sowie ein großer Zeitaufwand für ein relativ kleines Gebiet verknüpft. Lautsprecherdurchsagen und mobile Sirene wirken nur mit Verzögerung und haben eine eingeschränkte Reichweite.
Finanzielle Auswirkungen
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einmalig
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laufend
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350.000 Euro
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300 € Strom/Jahr +2.400 € Wartung/Jahr (ab 2029)
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Mittel stehen (nicht) zur Verfügung
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Haushaltsstelle/
Deckungsvorschlag
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Diskussionsverlauf
Stadtrat Jäger spricht sich dafür aus, am Warnsystem festzuhalten. Nur digital zu warnen, ist seiner Meinung nach zu wenig.
Stadtrat Nüberlin merkt an, dass es zu Problemen kommt, wenn Sirenen längerfristig ausfallen.
Stadtrat Freiberg berichtet, dass andere Gemeinden ähnliche Probleme haben und Drohnen sowie Lautsprecher einsetzen. Seiner Auffassung nach könnten diese von Feuerwehr, THW und GTL zentral gesteuert werden.
Für Stadtrat Reich ist es wichtig, am Thema dran zu bleiben. Er zeigt sich jedoch bezüglich der Finanzierung besorgt.
Stadtrat Kaiser merkt an, dass eine Sirene lediglich warnt, jedoch nicht sagt, was zu tun ist.
Herr Drews berichtet, dass eine Sirene den Vorteil hat, schlafende Personen aufmerksam zu machen. Grundsätzlich ist ein Warnmittelmix sinnvoll.
Für Stadtrat Hummler ist es wichtig, dass Bürger sofort informiert werden, wenn etwas passiert. Er möchte wissen, ob es nächstes Jahr noch die Förderung gibt.
Die Leiterin des Bürger- und Rechtsamtes, Frau Maucher, antwortet, dass die Aufträge an Baufirmen in diesem Jahr vergeben werden müssen.
Dem Kommandanten der Feuerwehr, Herrn Witzigmann, ist es wichtig, dass man im Zuge einer Gefahrenabwehr kurzfristig auf Sirenen der Feuerwehr zugreifen kann. Dennoch sind die Sirenen der Feuerwehr nicht für den Katastrophenschutz gedacht. Seiner Meinung nach ist die Zeit zu knapp, um alle Aspekte vernünftig abzuwiegen. Sein Vorschlag ist es, die Sirenenwarnung zu verfolgen, aber heute keine ad hoc Entscheidung zu treffen.
Für Stadtrat Reich macht eine Verschiebung keinen Sinn, wenn es jetzt Fördermittel dafür gibt.
Herr Drews merkt an, dass Drohnen nur im Sichtbereich fliegen dürfen und es daher keine Alternative darstellt.
Oberbürgermeisterin Dr. Alfons fasst zusammen, dass über folgendes nun Beschluss gefasst wird:
- Die Ausschreibung nach VOB ist schnellstmöglich durchzuführen.
Es wird im Haushalt 2022 eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 350.000 Euro bei Haushaltsstelle 11000.94000 beschlossen.
Im städtischen Haushalt 2023 wird bzgl. des zu erwartenden Investitionsbedarfs für den Ausbau der Sirenen ein Haushaltsansatz in Höhe von 350.000 Euro eingestellt.
Für die Wartung der Sirenen werden jährliche Wartungskosten in Höhe von ca. 2.400 Euro sowie jährliche Stromkosten in Höhe von ca. 300 Euro im städtischen Haushalt veranschlagt.
Die Fa. accellonet GmbH wird umgehend beauftragt folgende Leistungen zu erbringen:
1. Vorbereitung der Ausschreibung (inkl. Erstellen eines produktneutralen Leistungsverzeichnisses) und Begleitung bei der Vergabe.
2. Bauüberwachung (Oberbauleitung) bis zur Inbetriebnahme, Abnahme und Übergabe an den Betreiber
Beschluss
- Die Ausschreibung nach VOB ist schnellstmöglich durchzuführen.
Es wird im Haushalt 2022 eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 350.000 Euro bei Haushaltsstelle 11000.94000 beschlossen.
Im städtischen Haushalt 2023 wird bzgl. des zu erwartenden Investitionsbedarfs für den Ausbau der Sirenen ein Haushaltsansatz in Höhe von 350.000 Euro eingestellt.
Für die Wartung der Sirenen werden jährliche Wartungskosten in Höhe von ca. 2.400 Euro sowie jährliche Stromkosten in Höhe von ca. 300 Euro im städtischen Haushalt veranschlagt.
Die Fa. accellonet GmbH wird umgehend beauftragt folgende Leistungen zu erbringen:
1. Vorbereitung der Ausschreibung (inkl. Erstellen eines produktneutralen Leistungsverzeichnisses) und Begleitung bei der Vergabe.
2. Bauüberwachung (Oberbauleitung) bis zur Inbetriebnahme, Abnahme und Übergabe an den Betreiber
Abstimmungsergebnis
Dafür: 10, Dagegen: 15
Dokumente
Endgültige Liste Sirenenstandorte (.pdf)
Feinplanung_Sirenennetz_Lindau (.pdf)
Präsentation_Stadtrat_Lindau (.pdf)
Datenstand vom 14.10.2022 14:14 Uhr