Zulässigkeitsprüfung nach § 34 und § 35 BauGB
Der östliche Grundstücksbereich (Reihenhaus 5-7), welcher ein zum Abbruch vorgesehenes Bestandsgebäude aufweist, liegt im unbeplanten Innenbereich gem. § 34 BauGB.
Nach § 34 Abs. 1 BauGB sind Vorhaben zulässig, wenn sie sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Die Erschließung muss gesichert sein.
Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem Baugebiet nach BauNVO, beurteilt sich gem. § 34 Abs. 2 BauGB die zulässige Art der baulichen Nutzung allein danach, ob es in dem entsprechenden Baugebiet allgemein zulässig wäre.
Der westliche Bereich (Reihenhaus 1-4 und 8-12) des Vorhabens liegt im planungsrechtlichen Außenbereich und wird nach § 35 BauGB beurteilt.
Planungsrechtliche Beurteilung
§ 34 BauGB:
Art der baulichen Nutzung
Das nähere Umfeld des betreffenden Grundstücks wird durch Wohngebäude und vereinzelt noch durch landwirtschaftlich genutzte Gebäude geprägt. Es entspricht somit einem Dorfgebiet nach § 5 BauNVO bzw. einem dörflichen Wohngebiete i.S.d. § 5a BauNVO. Die beabsichtigte Wohnnutzung wäre hier allgemein zulässig und das Vorhaben würde sich wohl gerade noch so hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung gem. § 34 Abs. 2 BauGB einfügen. Anzumerken ist hier jedoch, dass hier quantitativ eine kritische Verschiebung der baulichen Nutzungen Richtung Wohnen vorgenommen wird und ein ehemaliges landwirtschaftlich genutztes Gebäude beseitigt wird.
Maß der baulichen Nutzung
Das Maß der baulichen Nutzung beurteilt sich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Das östliche Gebäude, welches nach § 34 BauGB zu beurteilen ist, fügt sich hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
Bauweise
In der näheren Umgebung befinden sich hauptsächlich Einzelgebäude in offener Bauweise und teilweise Gebäude in halboffener Bauweise.
Grundstücksfläche, die überbaut werden soll
Durch Gebäude in der unmittelbaren näheren Umgebung besitzen ähnliche Grundflächen.
Erschließung
Die Erschließung erfolgt über die Straße „Unterreitnau“ und ist gesichert.
Freiflächengestaltungssatzung:
Die Freiflächengestaltungssatzung der Stadt Lindau (B) ist zu beachten.
Das nord-östliche Gebäude (Nr. 5, 6, 7) wäre somit als Einzelvorhaben planungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 BauGB zulässig.
§ 35 BauGB:
Das Vorhaben stellt gem. § 35 Abs. 1 BauGB keine privilegierte Nutzung im Außenbereich dar. Das Vorhaben wird daher nach § 35 Abs. 2 BauGB beurteilt.
Nach § 35 Abs. 2 BauGB können sonstige Vorhaben, im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
Das Maß einer außenbereichsverträglichen Bebauung (Gebäudeabmessung in Länge, Breite, Höhe, Situierung und versiegelte Fläche) ist in der bereits genehmigten Planung (Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern mit jeweils 6 Wohneinheiten, BVZ 244/2019) maximal ausgenutzt. Das nun beantragte Bauvorhaben, welches größere und mehrere Baukörper mit Dachaufbauten, EG-Anbauten, weit auskragende Balkone über alle Stockwerke, Abgrabung des Geländes und die Errichtung von mehreren Carports vorsieht, kann planungsrechtlich nicht genehmigt werden und ist daher nicht zulässig. Bei der vorliegenden Planung wird die Grundfläche und überbaute Grundstücksfläche der genehmigten Planung deutlich überschritten, insbesondere im südlichen Gebäude (Reihenhauselement 8), sowie durch den Technikraum und das Reihenhauselement 4. Die geplante Bebauung überschreitet den Rahmen des Ermessens nach § 35 Abs. 2 BauGB, wodurch dieses nicht mehr außenbereichsverträglich ist und öffentliche Belange Beeinträchtigt werden.
Das Vorhaben ist somit bauplanungsrechtlich nicht zulässig, da mehrere öffentliche Belange beeinträchtigt werden. Unter anderem sind die Belange des Denkmalschutzes und die des Naturschutzes bei einer Bebauung in diesem Umfang mit dieser versiegelten Fläche beeinträchtigt, welcher einer Abhandlung mittels Bauleitplanverfahrens bedarf. Am östlichen Grundstücksrand ist derzeit keine Eingrünung dargestellt. Eine ausreichende Ortsrandeingrünung ist zwingend erforderlich, muss aber mit der unteren Naturschutzbehörde und dem Denkmalschutz abgestimmt werden, da im Bereich des Bauvorhabens ein Bodendenkmal liegt. Durch die erforderlichen Eingriffe in das Bodendenkmal für die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen und zur qualitativen Eingrünung des Gesamtvorhabens entstehen Konflikte, welche nicht im Baugenehmigungsverfahren zu bewältigen sind. Grundsätzlich sieht der § 35 BauGB keine Abwägung öffentlicher Belange gegeneinander vor. Eine solche Abwägung ist der Bauleitplanung vorenthalten.
Aufgrund der Anzahl an verschiedenen Gebäudeformen und der Situierung lässt das Bauvorhaben ebenfalls die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten und somit eine ungeordnete städtebauliche Entwicklung befürchten, was städteplanerisch nicht erwünscht ist. Darüber hinaus fügt sich das Bauvorhaben, insbesondere die Reihenhausgebäude Nr. 1 bis 4 und Nr. 8 bis 12 hinsichtlich der Kubatur nicht in den Ortsteil Unterreitnau ein und würde neue, städtebaulich ebenfalls nicht erwünschte Maßstäbe, hinsichtlich der Baumasse setzen, welche eine negative Präzedenzwirkung auf den gesamten Ortsteil hätte.
Zulässigkeit nach BauGB
Das Vorhaben ist als Gesamtvorhaben gem. § 35 Abs. 2 BauGB in der dargestellten Form bauplanungsrechtlich unzulässig und kann daher nicht genehmigt werden. Die Grenzen des Ermessens des § 35 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Beeinträchtigung öffentlicher Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB sind durch die vorliegende Planung überschritten.