Fortschreibung des Mobilitätskonzeptes


Daten angezeigt aus Sitzung:  11. Sitzung des Stadtrates, 16.10.2024

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat (Stadt Lindau) 11. Sitzung des Stadtrates 16.10.2024 ö beschließend 4

Sachverhalt

1.        Grundlagen
Das KLiMo soll einerseits Mobilität ermöglichen und fördern, andererseits den Verkehr so stadt- und umweltverträglich wie möglich gestalten, um dadurch insgesamt ein Höchstmaß an Lebensqualität zu erreichen. Mit dem KLiMo lag das erste verkehrliche Gesamtkonzept vor, welches seit letztes Jahr als Mobilitätsmasterplan fortgeschrieben wurde.

Folgende Beschlüsse bilden die Grundlage für die Fortschreibung des Mobilitätskonzeptes:

  • Stadtrat vom 21.06.2017 Beschluss des KLiMo´s
  • Stadtrat vom 27.06. 2018 Beschluss Übergangslösung „Turbokreisel“
  • Stadtrat vom 21.07.2021 Ergebnis der Buergerbeteiligung Karl-Bever-Platz
  • Stadtrat vom 27.10.2021 Beschluss Klimaneutralität 2035
  • BUA vom 04.04.2022 Beschluss Stadtbus Optimierung
  • Stadtratsworkshop am 29.07.2022 mit dem Ziel, gemeinsam Kriterien für das neue Stadtbuskonzept, die städtebauliche Neugestaltung des Berliner Platzes und Mobilitätsdrehscheibe festzlegen

Die Fortschreibung des Mobilitätskonzepts wurden von der der Bietergemeinschaft PTV – Transport Consult GmbH" (Karlsruhe) und PwC – PricewaterhouseCoopers GmbH (Düsseldorf) durchgeführt.

Für die Bearbeitung der Aufgaben im inhaltlich-technischen Rahmen als auch im Rahmen des Beteiligungskonzeptes haben die Planungsbüros etwa 18 Monate im Anspruch genommen (März 2023- Sept 2024). Die Koordination der einzelnen Arbeiten untereinander und die sinnvolle und notwendige Abstimmung mit den Beteiligten über die Arbeitsgruppe hinaus macht das Projekt zeitintensiv. Die Fortschreibung des Mobilitätskonzeptes wurde von einer internen Arbeitsgruppe fachlich begleiten. Parallel dazu gabt es zwei öffentliche Beteiligungen über Adhocracy zum Thema Stadtbus und Auto freie Insel. 

Bei der Fortschreibung des KLiMo´s hat der Auftragnehmer auf eine Reihe schon bestehender Gutachten und Konzepte (z.B. Nahmobilitätskonzept, Logistikkonzept, usw.) zurückgegriffen. Dabei soll aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die Inhalte des bestehenden KLiMos teils neu konzipiert und überarbeitet wurden.
 
Die Fortschreibung des KliMos wird als Mobilitätsmasterplan betrachtet und teilt sich in drei große Themengebiete auf: 
  • Lindau vermeidet 
  • Lindau verlagert 
  • Lindau verbessert 

Jedem Baustein sind ein Unterkapitel und ein Steckbrief gewidmet. Manche Bausteine integrieren bestehende Planwerke und Konzepte in den Mobilitätsmasterplan, andere Bausteine werden in diesem Masterplan neu erarbeitet.


Neben diesen drei inhaltlichen Themenkomplexen, in denen die mit der Mobilität betroffenen Teilbereiche diskutiert und beplant wurden, existieren drei weitere Bausteine, die für den Mobilitätsmasterplan von Bedeutung sind. Dies ist zum einen das während der Bearbeitung notwendige Beteiligungsformat und zum anderen das in der Leistungsbeschreibung definierte Thema Querschnitte und das Thema Controlling / Evaluation der Maßnahmen.

Die Errichtung der Mobilitätsdrehscheibe am Berliner Platz ist als Schlüsselmaßnahme zu nennen, die eine Neubewertung einige Themen erfordert. Dazu gehört die Neukonzeptionierung des Stadtbusses, der auf dieser Mobilitätsdrehscheibe und damit auch dem Fernbahnhof Lindau-Reutin ausgerichtet werden soll. Gleichzeitig soll die Betriebsqualität stark verbessert werden. Der Mobilitätsdrehscheibe Berliner Platz soll eine große P+R-Anlage enthalten, die Kernstück eines neuen Parkraumkonzeptes ist. Parkraumkonzept und Optimierung des ÖPNV sind wiederum wichtige Voraussetzungen für die langfristige Strategie, eine autoarme Insel umzusetzen. 

Zu den wichtigen Themen Förderung Fuß- und Radverkehr, emissionsarme City-Logistik und Reduzierung der Verkehrsbelastung liegen schon umfangreiche Planungen vor, die sukzessive umgesetzt werden müssen. 

Schwerpunkt des Mobilitätsmasterplans war die Neugestaltung des ÖPNV in der Stadt Lindau. Vor dem Hintergrund der zu planen Mobilitätsdrehschiebe am Bahnhof Reutin wurde das gesamte ÖPNV-Angebot und Netz neu ausgerichtet und geplant. Zudem wurde der ÖPNV auf die neuen Anforderungen und Ziele ausgerichtet. Dabei wurde der ÖPNV aber nicht losgelöst von den anderen Mobilitätsarten geplant. 

2.        Neugestaltung des Stadtbusses
2.1        Grundlagen
Der Stadtbus ist seit den 1990er Jahren ein fester Bestandteil des Lindauer Alltags. Viele Bewohner der Stadt sind auf den Stadtbus angewiesen, sei es, um zur Arbeit oder in die Schule zu gelangen, sei es, die täglichen Erledigungen durchzuführen. 

Zudem ist der Stadtbus ein wichtiger Baustein zur Mobilitätswende und zur Minimierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) auf den ohnehin in der Sommersaison chronisch überlasteten Straßen der Stadt. Der Stadtbus hat auch das Potenzial, klimaneutrale Mobilität im Stadtgebiet anzubieten. 

Merkmale des Lindauer Stadtbusses sind das sehr gut ausdifferenzierte Liniennetz, die enge Haltestellendichte, der leicht merkbare 30 min-Takt und das Rendezvous-System. Dies ist für eine Stadt in der Größe Lindaus sicherlich bemerkenswert und bietet dem Fahrgast ein leicht zu durchschauendes und komfortables Liniennetz an, bei dem man mit einmaligem Umsteigen fast das gesamte Stadtgebiet erreichen kann und das ein Verpassen des Anschlussbusses ausschließt.

Da alle Busse am zentralen Umsteigepunkt (ZUP) aufeinander warten und nicht vorher abfahren, bis alle am ZUP eingetroffen sind, ist das Stadtbussystem aber auch anfällig für Verspätungen. Die Verspätungsanfälligkeit und daraus resultierende chronische Unpünktlichkeit ist eines von zwei Hauptproblemen, mit denen der Stadtbus und seine Fahrgäste immer mehr zu kämpfen haben. Die Gründe dazu sind vielfältig. Zum einen hat der MIV seit Gründung des Stadtbusses deutlich zugenommen, was insbesondere in der Sommersaison deutlich die Pünktlichkeit beeinträchtigt. In den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten konnte das grundlegende Parkplatzproblem, das v.a. durch den touristischen Verkehr während der Sommersaison auftritt, nicht nachhaltig gelöst werden. Die Etablierung eine „Mobilitätsdrehscheibe“ am Berliner Platz ist in jedem Fall entscheidend für jedwede Neuausrichtung bzw. Anpassung des Stadtbusnetzes, da nur durch die Verlagerung, d.h. weniger Verkehr im übrigen Straßennetz, die Pünktlichkeit des Stadtbusses aufrechterhalten werden kann. 

Als Teil der Fortschreibung des Mobilitätskonzeptes wurden vier Netzvarianten ermittelt , wie das Netz an die sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen kann, um das Angebot weiter attraktiv zu halten und nicht noch mehr Fahrgäste zu verlieren bzw. Fahrgäste neu zu gewinnen. Wie oben bereits erwähnt ist ein funktionierender und attraktiver ÖPNV eine Schlüsselmaßnahme zur Verkehrswende und zum Klimaschutz. Alle vier Varianten erfüllen die Hauptanforderungen an das neue Stadtbuskonzept: Sie erlauben unter normalen Verkehrsverhältnissen einen stabilen Betrieb und sie binden den Bahnhof Reutin als neue Mobilitätsdrehscheibe Lindaus ein. 

Jedoch wird für große Stauereignisse, die sich regelmäßig während der Sommersaison ereignen, eine Lösung in Form von Busspuren, signalisierter Streckenregulierung, Sommerfahrplan mit Taktausdünnung, oder Busmehreinsatz benötigt.

2.2        Liniennetzvarianten
2.2.1        Grundlegende Annahmen für die Variantenermittlung
Unter Berücksichtigung der Analyseergebnisse und der Erkenntnisse aus der Beteiligung wurden insgesamt vier Varianten für das zukünftige Stadtbusnetz entwickelt. Dabei sind folgende Planungsprämissen eingegangen:
  • Berliner Platz wird neue Mobilitätsdrehscheibe (möglichst durch alle Linien zu bedienen)
  • wirtschaftliche Effizienz
  • betriebliche Stabilität (Reduzierung der Verspätung)
  • Erweiterung des Netzes in Nachbargemeinden optional ermöglichen
  • Einrichtung eines Bedarfssystems für nicht vom Linienverkehr abgedeckte Räume
Aus den Prämissen und Randbedingungen ergeben sich Merkmale, welche allen erarbeiteten Varianten gemein sind:

Aus der geringen Nachfrage und der Prämisse eines wirtschaftlich effizienten Angebotes ergibt sich die Notwendigkeit in einigen Varianten, dass die Streckenäste nach Unterreitnau, Motzach und auf der südlichen Insel nicht im Linienverkehr bedient werden. Die Festlegung eines 30 Minuten-Grundtaktes sowie die in einigen Varianten alternierende Bedienung der Endpunkte Rothkreuz und Gitzenweiler Hof ergeben sich ebenfalls aus der wirtschaftlichen Effizienz. Aufgrund des dringenden Wunsches aus der Bevölkerung und dem geringen betrieblichen Mehraufwand wurde die Haltestelle Zech Grenzsiedlung in allen Konzepten aufgenommen. Im Bereich Gewerbegebiet und Zech konnte in allen Varianten durch die Einrichtung eines Ringverkehrs ein Linienast eingespart werden. 

Die Einrichtung eines bedarfsgesteuerten Angebotes sowie die Umsetzung eines Rendezvouskonzeptes sind unabhängig von dem bevorzugten Netzentwurf möglich. Bei der Umsetzung eines Rendezvouskonzeptes wird grundsätzlich ein Fahrzeug mehr benötigt als ohne Rendezvouskonzept. Die Berechnung der Umläufe und die sich ergebende Anzahl benötigter Fahrzeuge erfolgten über die Sechstelregelung. Das bedeutet, dass ein Sechstel der benötigten Fahrzeit als Wendezeit aufgeschlagen wird. Diese Wendezeiten können Verspätungen ausgleichen und so die betriebliche Stabilität verbessern. Die Fahrzeiten wurden aus dem aktuellen Fahrplan entnommen. Zudem wurde eine Analyse der Fahrzeiten durchgeführt. Zwischen folgenden Haltestellen wurden die Fahrzeiten erhöht:
  • von Anheggerstraße nach Bodenseegymnasium um 1 Minute
  • von Kunert nach Metzeler um 2 Minuten
  • von Metzeler nach Bahlsen um 1 Minute
  • von der Therme nach Kamelbuckel um 1 Minute
  • von AOK zum Krankenhaus um 1 Minute
  • zwischen Jugendherberge/LIMARE und Bahnhof Reutin in beiden Richtungen um je 1 Minute 
  • zwischen Bahnhof Reutin und Josephskirche in beiden Richtungen um 1 Minute

Der Richtungsverkehr zwischen Friedrichshafener Straße und Holbeinstraße dient ebenfalls der betrieblichen Stabilisierung durch Meidung von staugefährdeten Streckenabschnitten und wird daher in allen Varianten wie im Ist-Zustand beibehalten.

Der jeweils genannte Fahrzeugbedarf bezieht sich auf den Einsatz im Linienbetrieb und wird in jeder Variante durch vier Fahrzeuge Verstärker (Schulbetrieb und Ausfallreserve) und drei Fahrzeuge Werkstattreserve ergänzt.

2.2.2        Vorstellung der geprüften Varianten

PLAN VARIANTE 1: Starke Achse zur Insel
Im Variantenvergleich nimmt die Variante 1 bei den Kosten eine mittlere Position ein. Sie bietet eine starke Achse zwischen Bahnhof Reutin und Insel. Aus Richtung Westen und Norden kann bereits in Aeschach in Richtung Insel umgestiegen werden. Dafür entfallen allerdings die Haltestellen Musikschule und Lärche. Die westliche Insel wird weiter bedient. Die Äste Glitzenweiler Hof und Weißensberg sowie Krankenhaus und Gstäudweg werden alternierend bedient, so dass dort jeweils nur noch ein Stundentakt vorliegt. 

PLAN VARIANTE 2: Ringlinie zur Feinerschließung
Für Variante 2 ist mit den höchsten Kosten zu rechnen. Dafür bietet sie mit dem Ringverkehr eine verbesserte Erschließung der zentralen Bereiche Lindaus und bietet eine gute Verknüpfung der Linien auch ohne Rendezvouskonzept, allerdings mit teilweise vielen Umstiegen. Jedoch wird die Ringlinie ohne Lösung der Stauproblematik stark verspätungsanfällig sein. Die Äste Alwind, Glitzenweiler Hof und Weißenfels werden nur noch stündlich bedient. 


PLAN VARIANTE 3: Minimalvariante
In Variante 3 erfolgt die Umsetzung der Planungsprämissen auf die effizienteste Art und Weise. Jedoch wird in dieser Variante die Achse Bahnhof Reutin – Insel nicht gestärkt. Fahrgäste aus Richtung Norden und Westen müssen zunächst zum Berliner Platz fahren, wenn sie in Richtung Insel umsteigen wollen. Die Äste Oberhochsteg, Alwind, Glitzenweiler Hof und Weißenfels, die Therme sowie der Bereich Gstäudweg/Krankenhaus werden nur noch stündlich bedient. 

PLAN VARIANTE 4: Optimierung des bestehenden Stadtbusnetzes

Bei Umsetzung der Variante 4 entsteht in Summe ein zusätzlicher Fahrzeugbedarf von zwei Fahrzeugen im Vergleich zum Status quo. Viele Vorteile des heutigen Netzes bleiben bestehen, bei höherer Zuverlässigkeit. Die Achse Reutin Bhf - Insel wird jedoch nicht wesentlich gestärkt. Bestehende Ringverkehre wie in Weißensberg/Motzach und Zech werden weiter verstärkt. Eine bessere Erschließung der Gemeinde Weißensberg erfolgt nicht.

Einrichtung Bedarfsverkehr (On-Demand-Verkehr)
Die Einrichtung eines Bedarfsverkehrs ist obligatorisch für die in den Varianten 1 bis 3 zukünftig nicht durch den Linienverkehr bedienten Gebiete Unterreitnau und Motzach. Zudem können durch einen Bedarfsverkehr auch heute vom ÖPNV nicht erschlossene Gebiete wie beispielsweise Streitelsfingen und Oberengersweiler bedient werden. Eine Einbindung der Nachbargemeinden ist nur mit Bedarfsverkehr möglich.


3.        Elektrifizierung des Stadtbussystems mit 100 % Ökostrom (ëPNV)
3.1        Erläuterung des Modells
Für den busgebundenen ÖPNV gilt seit 2021 die Clean Vehicle Directive (EU-Richtlinie, Deutschland. Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz vom 9. Juni 2021). Dieses Gesetz schreibt den Beschaffungsanteil von »emissionsarmen« und »emissionsfreien« Neufahrzeugen vor. Ab 2025 sollen 22,5% aller neubeschafften Fahrzeuge im ÖPNV einen emissionsarmen und 22,5% einen emissionsfreien Antrieb besitzen. Der Anteil soll bis 2030 auf jeweils 32,5% erhöht werden. Als emissionsfreie Antriebe werden nach der o.g. Richtlinie batterieelektrische und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge angesehen. 

Vor dem Hintergrund der gesetzlich geforderten Umstellung hat die Stadt Lindau die Power2Move GmbH & Co. KG / Hochschule Kempten beauftragt den Infrastrukturbedarf für die Realisierung von unterschiedlichen emissionsfreien ÖPNV-Betriebsvarianten aufzuzeigen. Zudem wurde untersucht, ob die Betriebsvarianten mit eigener Stromerzeugung aus Photovoltaikanlagen betrieben werden können. Als mögliche Flächen für den Ausbau der Photovoltaikanlagen wurden der Betriebshof in der Robert-Bosch-Straße sowie das geplante Parkhaus am Busbahnhof Reutin untersucht.

Die Power2Move hat mit einer eigenen Softwareentwicklung eine Simulation für die PV-Erzeugung und Aufladung der Busse erstellt. Basis für die dynamische Energiefluss-Simulation liefern reale Wetterdaten vergangener Jahre der Standorte, an denen Buslinien oder Logistikfahrzeuge betrieben werden. Hieraus lassen sich der Energiebedarf der Fahrzeuge, der auch maßgeblich durch die Außentemperatur beeinflusst wird, genauso simulieren wie mögliche Erträge aus regenerativen Energien. Die historischen Wetterdaten werden von Wetterstationen bezogen. 

Für die Simulation wurden Gesamtkonzepte in der Software abgebildet. Hierfür wurden die Fahrzeuge mit ihren Batterien im System hinterlegt und den entsprechenden Linienfahrplänen zugeordnet. Darüber hinaus wurden Ladepunkte, regenerative Erzeugersysteme (Photovoltaikanlagen), Blockheizkraftwerke oder auch stationäre Pufferbatterien mit ihren technischen Leistungsdaten hinterlegt. 

Abschließend wurde ein ganzes Jahr stundengenau simuliert. Die Ergebnisse der Simulation können stundenweise gestoppt und analysiert werden. Es kann somit geprüft werden, wie das eingepflegte Konzept über das Jahr hinweg funktioniert hätte. Schwachstellen können so aufgedeckt und analysiert werden. Zudem lässt sich das Gesamtkonzept hinsichtlich der unterschiedlichen Parameter optimieren und die einzelnen Teilsysteme wie stationäre Batteriespeicher, Ladesäulen, Netzanschlussleistung, etc. bedarfsgerecht auslegen. 

Der Vorteil der Umstellung des Stadtbusses auf eigenerzeugte PV liegt in folgenden Punkten:

  • Der Stadtbus kann klimaneutral betrieben werden - ÖPNV-Betrieb mit 100% CO2-neutralem Betrieb (ca. 80 % aus eigenerzeugtem PV-Strom und 20 % aus Wasserkraft der VKW Illwerke).
  • Betriebskostenstabilität: die eigene Stromproduktion ermöglicht geringe und preisstabile Betriebskosten und erhöht die Unabhängigkeit gegenüber geopolitischen Konflikten.
  • Ein Anteil an emissionsfreien Bussen ist für das Jahr 2025 gesetzlich vorgeschrieben.
  • Der Betrieb von e-Bussen ist die effizienteste und wirtschaftlichste Möglichkeit, um einen emissionsfreien ÖPNV-Betrieb zu realisieren.

Die Elektrifizierung des Stadtbusses soll in zwei Stufen erfolgen 

3.2        Umsetzungsvorschlag Stufe 1: Ausstattung am Betriebshof

Bis zum Fertigstellung des Mobility Hubs am Bahnhof Reutin soll das Stadtbussystem zunächst zu 50 % elektrifiziert werden. Die erste Stufe kann somit als Übergangsszenario betrachtet werden.

In Stufe 1 werden die ersten acht e-Fahrzeuge (von 16 Bussen) neu beschafft und alte Dieselbusse ersetzt. Vor etwa 2 Jahren wurde bereits ein Teil der Fahrzeugflotte durch neue Diesel-Hybrid-Busse ersetzt, so dass ein stufenweises Vorgehen sachgerecht ist. 
Für die acht neu beschafften e-Busse soll der Betriebshof des Stadtbusses umfassend mit PV-Anlagen und Ladeinfrastruktur ausgestattet werden, so dass diese Stadtbusse dort aufgeladen werden können. Der Betriebshof steht im Eigentum der SWLi, wodurch die Installation und Stromerzeugung kurzfristig möglich ist. Konkret müssen hierfür die vorhandenen Dächer mit PV-Anlagen nachgerüstet werden, gleichzeitig sollen neue Überdachungen mit PV-Anlagen wie folgt installiert werden. Stromüberschüsse sollen in stationären Batteriespeichern im Betriebshof zwischengespeichert werden. 

3.3        Umsetzungsvorschlag Stufe 2: Ausstattung an der Mobilitätsdrehscheibe 

In Stufe 2 soll die zweite Hälfte der Busflotte, also die restlichen acht Stadtbusse elektrifiziert werden. Mit Errichtung der Mobilitätsdrehscheibe am Berliner Platz und der Schaffung des dortigen Busbahnhofs werden fünf weitere Ladestationen und einen Spreicher installiert. 

 Die Simulationsergebnisse der Power2Move haben ergeben, dass der Photovoltaik-Ausbau auf dem Betriebshof und am Mobilitätsdrehscheibe ausreichend sind, um ca. 80% (ca. 1,6 GWh/a) des Strombedarfs aus dem Busbetrieb direkt über eigene Photovoltaikerträge zu decken.
 
Abbildung : Ertragssimulation MWh / Monat 
Der restliche Strombedarf kann über ein eigenes BHKW oder über direkten Netzbezug gedeckt werden. Hier muss herausgestellt werden, dass in Lindau der Netzbezug aus hundertprozentigem Ökostrom (Wasserkraftwerke Vorarlberg / VKW Illwerke) bereitgestellt wird. 

Unter Berücksichtigung einer Gesamtförderquote von ca. 40% (aktuelle Förderquote) amortisieren sich die Investitionskosten für jede Variante in deutlich unter 10 Jahren und somit wirtschaftlich vorteilhaft gegenüber dem Diesel-Busbetrieb. 

Fachliche Bewertung

1.        Zusammenfassen der Erkenntnisse
Die Fortschreibung des Mobilitätskonzeptes hat umfangreichende Erkenntnisse vor allem zum Thema Stadtbus Weiterentwicklung des Stadtbusses gebracht.

Die Erkenntnisse lassen Sich wie folg kurz zusammenfassen:

  • Der Status Quo ist am Wirtschaftlichsten. Aber auf Grund von Übergeordneten politischen Vorgaben und aktuellen Stadt – und Verkehrsentwicklungen kann der Status Quo nicht beibehalten werden. Der Status Quo ist mit hohen Risiken bzw. Grenzkosten verbunden.


Übergeordnete Politische Vorgaben:
  • Ein Anteil an emissionsfreien Bussen ist für neue Busbeschaffunten gesetzlich vorgeschrieben (CVD). Dazu müssen folgende Parameter für die Stadt Lindau Berücksichtigt werden:

    • Der Betrieb von eBussen ist die effizienteste und wirtschaftlichste Möglichkeit, um einen emissionsfreien ÖPNV-Betrieb zu realisieren.

    • Die eigene Stromproduktion ermöglicht geringe und preisstabile Betriebskosten und erhöht die Unabhängigkeit gegenüber geopolitischen Konflikten.

    • Stadtrat vom 27.10.2021 Beschluss Klimaneutralität 2035


Stadt – und Verkehrsentwicklungen:
  • Inbetriebnahme Zwei-Bahnhofslösung ->Bedarf ZUP Verlagerung (Ein ZUP am Berliner bietet mehrere Vorteile):
    • Nahtlose Verbindungen: Reisende können einfach zwischen Fernzügen und Bussen umsteigen, was die Reisezeit verkürzt und den Komfort erhöht.
    • Zentraler Knotenpunkt: Ein zentraler Verkehrsknotenpunkt erleichtert die Planung und Koordination von Zeitplänen, was zu einer besseren Nutzung der Verkehrsmittel führt.
    • Reduzierung des Verkehrsaufkommens: Durch die Bündelung von Verkehrsmitteln an einem Ort kann das Verkehrsaufkommen in der Stadt reduziert werden, was zu weniger Staus und einer besseren Luftqualität führt.
    • Wirtschaftliche Vorteile: Ein gut geplanter Verkehrsknotenpunkt kann die lokale Wirtschaft ankurbeln, wodurch er den Zugang zu Geschäften und Dienstleistungen verbessert

  • Erweiterung Lindaupark und Wohnentwicklung 4-Lindenquartiert


2.        Pro und Contra: WARUM JETZT ENTSCHEIDEN? 
Pro (Zeit drängt)
Contra (große Unsicherheit)
  • Aufgabenträgerschaft muss verlängert werden bis zum 31.12.2025
  • Busse müssen erneuert werden (bis 12/2026, dann sind die Busse 16 Jahre alt)  
  • Berliner Platz muss geplant werden (mit/ohne ZUP, Anzahl Busse)
  • Liniengenehmigung nur noch bis 10/2028, ab 6/2025 muss Prozess zur Liniengenehmigung gestartet werden: wird max. für 10 Jahre erteilt. 
  • Fördermittel für die Elektrifizierung im begrenzte formt verfügbar. (Kann sein, dass später keine Zuschüsse mehr da sind)
  • Nach Gesetzeslage muss aktuell bei Neubeschaffung bestimmte Quote an sauberen Fahrzeugen eingehalten werden
  • Große Politik legt sich nicht fest bzgl. E-Mobilität und Verbrenner-Aus – enorme Unsicherheiten.
  • Unklar, ob es Kontingente / Sanktionen bei CVD geben wird (Bayern noch nicht geregelt)
  • Finanzierungsbeiträge Landkreis / Stadt derzeit noch in Diskussion 
  • Status Quo aktuell am Wirtschaftlichsten

3.        Abschließende Bewertung

Aus Sicht der Mobilitätsplaung und SVL soll die Var. 4 „Optimierung des bestehenden Stadtbusnetzes“ weiter verfolgt werden. Diese Variante ist erst mit Verlegung des ZUP zum Bahnhof Reutin möglich. Bei Umsetzung dieser Variante entsteht in Summe ein zusätzlicher Fahrzeugbedarf von zwei Fahrzeugen im Vergleich zum Status quo. Die Variante ist im Vergleich zur Variante 1 kostenneutral. Diese Variante ist in der Lage, durch ein besseres Angebot, v.a. Verbesserungen bei der Pünktlichkeit Fahrgäste zurück in den Stadtbus zu holen und ihn so attraktiv weiterzuentwickeln.

Variante 4: Optimierung des bestehenden Stadtbusnetzes
Vorteile
  • Saubere Fahrzeuge + ZUP am Berliner Platz
  • Resistent gegenüber Verspätungen durch Fahrzeitpuffer und ausreichend Wendezeit
  • Rendezvousprinzip wird aufrechterhalten
  • Gewohnte Bedienungsqualität
  • Kein Bedarfsverkehr nötig
Nachteile
  • Nur eine Linie zur Insel, mit Stichfahrt zur westlichen Insel
  • Ringverkehr im Bereich Weißensberg/Motzach bleibt bestehen
  • Umstieg zur Insel aus Richtung Norden und Westen erst am Bf Reutin möglich
  • Keine bessere Erschließung von Weißensberg



Als alternative kostgünstige Variante wird die Var. 3 „Minimalvariante“ empfohlen. Diese Variante bildet die minimal zu erbringende Leistung ab und ist hinsichtlich der Betriebskosten optimiert. Es gibt kaum Überlagerungen von Linien und daher nur wenige Umsteigemöglichkeiten. Aus diesem Grund ist für ein gutes Angebot die Einrichtung eines Rendezvous-Treffens unerlässlich. Es werden keine zusätzlichen Fahrzeuge im Vergleich zum Status quo benötigt. Diese Variante reagiert also auf die aktuellen Rahmenbedingungen, d.h. eingetretene Fahrgastverluste und die Herausforderungen in seiner künftigen Finanzierung.

Variante 3: Minimalvariante
Vorteile:
  • Saubere Fahrzeuge + ZUP am Berliner Platz
  • Resistent gegenüber Verspätungen durch Fahrzeitpuffer und ausreichend Wendezeit
  • Rendezvousprinzip wird aufrechterhalten
  • Bessere Erschließung von Weißensberg

Nachteile:
  • Oberhochsteg, Alwind, Therme, Krankenhaus/Aeschach, Gstäudweg, Weißensberg, Glitzenweiler Hof nur noch stündlich bedient
  • Unterreitnau und Motzach nur mit Bedarfsverkehr bedient
  • Nur eine Linie zur Insel
  • Umstieg zur Insel aus Richtung Norden und Westen erst am Bf Reutin möglich

Auswirkungen auf die Klimaziele der Stadt Lindau

Der Stadtbus ist für das Erreichen der Klimaziele unerlässlich. Ohne einen attraktiven ÖPNV sind weitere Fahrgastverluste unausweichlich. Diese Fahrten werden v.a. auf das Auto verlagert. Dies wird negative Auswirkungen auf das Lindauer Verkehrsnetz haben und den CO2-Ausstoss des Lindauer Verkehrs erhöhen statt zu reduzieren.

Dagegen kann eine Elektrifizierung des Stadtbusses signifikante CO2-Reduzierungen erreichen. Die Fahrleistung eines Stadtbusses liegt bei von rund 1 Mio. km/Jahr. Dieser Ausstoß kann völlig vermieden werden.

Sowohl Liniennetzvariante 3 und 4 wirken sich positiv auf die Lindauer Klimaziele aus.

Finanzielle Auswirkungen

Siehe Vorlage Weiterentwicklung Stadtbus

Beschluss 1

  1. Der Stadtrat erkennt den Handlungsbedarf an und sieht, dass der Status Quo des Stadtbus nicht zukunftsfähig ist (wegen des Sauberen-Fahrzeuge-Gesetz + Verlegung des ZUP).

Abstimmungsergebnis
Dafür: 24, Dagegen: 0

Beschluss 2

  1. Der Stadtrat stellt fest, dass die ausgearbeiteten Liniennetzvarianten 1 und 2 für die Stadt nicht finanzierbar und/oder mobilitätspolitisch nicht gewollt sind.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 24, Dagegen: 0

Beschluss 3

  1. Für die Zwecke des städtebaulichen Wettbewerbs beauftragt der Stadtrat das Bauamt zugrunde zu legen, dass der ZUP an den Bahnhof Reutin verlegt wird. 

Abstimmungsergebnis
Dafür: 19, Dagegen: 5

Beschluss 4

  1. Eine finale Entscheidung zwischen den Varianten 3 und/oder 4 sowie über die Elektrifizierung des Stadtbusses gemäß dem Konzept der HsK- Power2Move soll/kann erst erfolgen, wenn eine Klärung der Finanzierungsbeteiligung zwischen Stadt und Landkreis erfolgt ist und die Öffentlichkeit Gelegenheit zur Meinungsbildung hatte.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 24, Dagegen: 0

Beschluss 5

  1. Der Stadtrat beschließt die Fortschreibung des Mobilitätskonzeptes mit Stand vom Oktober 2024. 

Abstimmungsergebnis
Dafür: 20, Dagegen: 4

Dokumente
20240925_Mobilitätsmasterplan_Lindau_Anlagen (.pdf)
20241008_Mobilitätsmasterplan_Lindau (.pdf)

Datenstand vom 20.11.2024 15:45 Uhr