Nach Prüfung des Sachverhalts bestehen seitens der Kanzlei Döring Spieß, welche die Erarbeitung der ersten Grundsatzvereinbarungen begleitet hat, keine Bedenken.
Das Rechtsamt gab folgende Bewertung ab:
Die von der Bahn geänderten Vereinbarungsversionen sollte auf folgenden Gründen zu einer erneuten zustimmenden Beschlussfassung dem Stadtrat vorgelegt werden:
- Der Sachverhalt rund um diese Grundsatzvereinbarungen wurde mit der Bahn ausverhandelt. Die juristischen Abteilungen sowie die Beschlussgremien der verschiedenen Bahntöchter bestehen auf der neuen Fassung.
- Im Ergebnis kann aus Sicht des Rechtsamtes auch die jeweils geänderte Fassung unterzeichnet werden.
- In jedem Fall sollte die geänderte Fassung erneut dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden, da die jeweils neue Fassung (Reutin und Insel) qualitative Änderungen enthält, die im Vergleich zur ersten Fassung eine Verschlechterung bedeutet.
Der inhaltliche Unterschied und die damit einhergehende Verschlechterung für die Stadt ist in dem Umstand begründet, dass sich der Charakter der alten Vereinbarung bei einer Auslegung im Streitfall als Vertrag mit gegenseitigen Pflichten hätte auslegen lassen, was nun durch die Verwendung von anderen Begrifflichkeiten im Zweifel wohl nicht mehr möglich wäre. Im gesamten Dokument wurde nämlich die Bezeichnung „Vertragspartner“ durch die Bezeichnung „Beteiligte“ ausgetauscht. Zudem wurde der Begriff „Vertragsgebiet“ durch den Begriff „Vereinbarungsgebiet“ ausgetauscht. Wenn die finale rechtliche Prüfung der Bahn und der Beschlussgremien diese Änderungen vorgenommen hat und darauf besteht, ist das wahrscheinlich auch der von der Bahn beabsichtigte juristische Hintergrund.
Die Änderungen wurden bei beiden Vereinbarungen (Reutin und Insel) identisch vorgenommen.
Die folgenden Paragraphenangaben beziehen sich aber auf die neue Vereinbarungsfassung Lindau-Reutin.
Die Grundsatzvereinbarung enthält viele „Pflichten“ der Bahn
- zur Betreibung des Freistellungsverfahrens (§ 1 Nr.3)
- zur Regelung zu den Modalitäten des Verkaufes der Bahngrundstücke (§ 3 Nr. 7)
- die Anerkennung einer grundsätzlichen Pflicht zur Übernahme der Folgekosten in § 3 Nr.8 c);
- dieser Passus wurde in der neuen Fassung deutlich umformuliert und geschmälert in „Der Bahn ist bekannt, dass die Kosten…grundsätzlich von ihr zu tragen sind. Die Bahn strebt den frühzeitigen Verkauf der Flächen an, so dass diese Kosten vom Investor getragen werden.“
Das, was in der alten Fassung der Vereinbarung also auslegungsgemäß Pflichten mit Vertragscharakter gewesen wären, wären nunmehr bei einer Auslegung in der Gesamtschau wohl nur unverbindliche Absichtserklärungen, was ein Nachteil im Vergleich zur vorherigen Fassung ist.
Durch die Verwendung anderer Begrifflichkeiten, insbesondere der Vermeidung des Begriffes „Vertragspartner“ wurden hier nämlich mögliche Unklarheiten in diesem Zusammenhang beseitigt.
Zu der Auslegung, dass die neue Vereinbarung nur noch den Charakter einer Absichtserklärung hat, würde man auch aus folgenden Erwägungen kommen:
In der alten Fassung der Vereinbarung steht zwar in § 1 Nr. 1 auch schon, dass die Absichtserklärung von 2014 durch die vorliegende Grundsatzvereinbarung ergänzt wird. Da in § 5 Nr. 2 aber steht, dass es sich bei der Vereinbarung um eine rechtlich nicht bindende Fixierung der zeitlichen Abhängigkeiten zwischen den jeweiligen aus städtebaulicher und eisenbahnfachplanerischer Sicht erforderlichen Maßnahmen und Verfahrensschritten handelt, würde man bei der Frage, ob die alte Vereinbarung Vertragscharakter mit der Begründung von Rechten und Pflichten hat, wahrscheinlich bei einer Gesamtschau dazu kommen, das zu bejahen, da die Unverbindlichkeit nur für bestimmte Bereiche (Zeitschiene, städtebauliche/ eisenbahnfachplanerische Erwägungen, beispielsweise nicht jedoch für finanzielle Fragen der Kostentragung etc.) festgelegt wurde und da die Parteien als Vertragspartner bezeichnet wurden.
Durch den Austausch des Begriffe „Vertragspartner“ gegen „Beteiligte“ wird diese Unklarheit nun beseitigt und man würde bei einer Auslegung aus Sicht des Rechtsamtes nun wohl dazu kommen, dass es sich bei der neuen Vereinbarung eher nur um eine unverbindliche Absichtserklärung wie die von 2014 handelt.
Dieser Umstand und die Tatsache, dass die Regelung zur Tragung der Folgekosten zum Nachteil umformuliert wurde, bedeuten eine inhaltliche, nachteilige Veränderung, die eine erneute Beschlussfassung durch den Stadtrat aus Sicht des Rechtsamtes notwendig macht.
Was die Frage der notwendigen neuen Beschlussfassung durch den Stadtrat angeht, kommt noch hinzu, dass die Vereinbarung gem. § 6 Abs. 5 unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch den Stadtrat und der Bahngremien steht. Da aus den vorgenannten Gründen ein qualitativer Unterschied zwischen alter und neuer Fassung besteht, ist für die neue Fassung noch keine Stadtratsgenehmigung erteilt.
Das Stadtbauamt nimmt dazu wie folgt Stellung:
Grundsätzlich wurde in der Erarbeitung der Grundsatzvereinbarungen stets von Grundsatzvereinbarungen ausgegangen, die den gleichen informellen bzw. unverbindlichen rechtlichen Charakter wie die erste Vereinbarung von 2014 hat. Auf dieser Grundlage wurden bis zum heutigen Tag die 2-Bahnhofs-Lösung für Lindau sowie die Entwicklung der Hinteren Insel (Wettbewerb und Rahmenplan) erarbeitet. Das erheblichste inhaltliche Thema der vorliegenden überarbeitenden Fassung sind die Regelungen zur sozialgerechten Bodennutzung. Diese werden aber ohnehin im Folgekostenkonzept konkretisiert und dann in Form einer verbindlichen Vereinbarung festgelegt, so dass in dieser Vereinbarung insbesondere relevant ist, dass der Bahn bekannt ist, dass sie Folgekosten zu tragen hat, die nachfolgend, wie bisher auch, aufgeführt sind.
Daher kann auch Sicht des Stadtbauamtes dieser Vereinbarung zugestimmt werden.