Zulässigkeit des Bürgerbegehrens der Initiative "Burgerfeld wird Bürgerfeld" Beratung und Beschlussfassung


Daten angezeigt aus Sitzung:  Marktgemeinderatssitzung, 22.02.2024

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Marktgemeinderat (Markt Markt Schwaben) Marktgemeinderatssitzung 22.02.2024 ö Beratung und Beschlussfassung 2

Sachvortrag

Gemäß Art. 18a Abs. 8 GO hat der Gemeinderat unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Einreichung des Bürgerbegehrens bei der Gemeinde über die Zulässigkeit zu entscheiden. Diese Prüfung umfasst neben den formellen Voraussetzungen auch die materiellen Anforderungen. Die Prüfung ist eine gebundene Entscheidung. Ermessen bei der Beurteilung der Zulässigkeit kommt dem Marktgemeinderat nicht zu.
Die Verwaltung hat die Kanzlei Döring Spieß Partnerschaftsgesellschaft München beauftragt, die materiell rechtliche Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu prüfen. Zudem hat die Verwaltung am 05.02.2024 die Rechtsaufsichtsbehörde am Landratsamt Ebersberg einbezogen und unter Bezug auf Art. 108 GO um eine ergänzende Stellungnahme zur Zulässigkeit gebeten. Sowohl die beauftragte Anwaltskanzlei als auch die Rechtsaufsicht kommt nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage mit Schreiben vom 09.02.2024 zu dem Ergebnis, dass das Bürgerbegehren vom Marktgemeinderat als unzulässig abzuweisen ist. Die Rechtsauffassung der Kanzlei Döring Spieß wird insoweit von der Rechtsaufsicht mitgetragen. Das Schreiben der Rechtsaufsicht vom 09.02.2024 ist als Anlage beigefügt. Frau Rechtsanwältin Kerstin Funk von der Kanzlei Döring Spieß ist in der Marktgemeinderatssitzung anwesend und steht für Fragen zur Verfügung. Im Einzelnen:

I. Prüfung der formellen Voraussetzungen, Prüfung der eingereichten Unterlagen (Art. 18a Abs. 4-6 GO)

Am 21.12.2023 wurde die Bürgerinitiative „Burgerfeld wird Bürgerfeld“ gegründet. Als Vertreter gemäß Art. 18a Abs. 4 GO wurden Herr Michael Kümpfbeck, Herr Andreas Stumptner, Herr Stefan Geisser bestimmt. Die Vorgenannten sind in Markt Schwaben wohnhaft.

Am 24.01.2024 beantragten die drei Vertreter des Bürgerbegehrens schriftlich die Durchführung eines Bürgerentscheids „Burgerfeld wird Bürgerfeld“. Die Fragestellung auf den Unterschriftenblättern lautet: „Sind Sie dafür, dass die Marktgemeinde Markt Schwaben planungsrechtliche Maßnahmen mit dem Ziel vornimmt, die ehemaligen ATRON-Gebäude Am Ziegenstadel 12 und 14 für andere Zwecke als die Unterbringung von Flüchtlingen / Asylbegehrenden zu nutzen?“
Das Unterschriftenblatt ist als Anlage beigefügt.

Am 24.01.2024 wurden 683 Unterschriftenblätter mit 1809 Unterschriften, am 01.02.2024 wurden 40 Unterschriftenblätter mit 78 Unterschriften und am 12.02.2024 wurden weitere 11 Unterschriftenblätter mit 21 Unterschriften eingereicht. 
In der Summe liegen damit 734 Unterschriftenblätter mit insgesamt 1908 Unterschriften vor. Die Prüfung der Unterschriften hat ergeben, dass 1795 Unterschriften im Sinne der Vorgaben des Art. 18a GO zugelassen werden können. Für ein erfolgreiches Bürgerbegehen sind bei Gemeinden mit einer Einwohnerzahl zwischen 10.000 und 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern die gültigen Unterschriften von 9 % der Wahlberechtigten erforderlich. Zum Stichtag 24.01.2024 waren in Markt Schwaben 9766 Wahlberechtigte gemeldet. Somit mussten mindestens 879 gültige Unterschriften eingereicht werden. 
Es wurden 1795 gültige Unterschriften gezählt, somit wurde das Bürgerbegehren von der erforderlichen Anzahl der Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürgern unterzeichnet.

Ergebnis: Das Bürgerbegehren ist somit formell ordnungsgemäß durchgeführt worden.

II. Prüfung der materiellen Voraussetzungen

Ein Bürgerbegehren ist materiell rechtlich zulässig, wenn 
  1. die Angelegenheit nicht unter den Ausschlusskatalog des Art. 18a Abs. 3 GO fällt und 
  2. die mit ihm verlangte Maßnahme zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinde gehört und auch sonst mit der Rechtsordnung vereinbar ist.

Zu 1. Angelegenheit fällt nicht unter den Ausschlusskatalog
Über die Angelegenheiten die kraft Gesetz der ersten Bürgermeisterin oder dem ersten Bürgermeister obliegen, über Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung, über Rechtsverhältnisse der Gemeinderatsmitglieder, der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und der Gemeindebediensteten und über die Haushaltssatzung kann kein Bürgerentscheid stattfinden.
Diese Punkte sind vom vorliegenden Bürgerbegehren nicht betroffen.

Zu 2. Verlangte Maßnahme gehört zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinde und ist auch sonst mit der Rechtsordnung vereinbar

Das Bürgerbegehren „zum Erhalt des Charakters des Viertels Burgerfeld/Am Ziegelstadel in Markt Schwaben" ist materiell-rechtlich unzulässig, da es auf ein rechtlich unzulässiges Ziel gerichtet ist. Die Fragestellung des Bürgerbegehrens lautet wie folgt:

„Sind Sie dafür, dass die Marktgemeinde Markt Schwaben planungsrechtliche Maßnahmen mit dem Ziel vornimmt, die ehemaligen ATRON-Gebäude Am Ziegelstadel 12 und 14 für andere Zwecke als für die Unterbringung von Flüchtlingen / Asylbegehrenden zu nutzen?“

Obgleich die Fragestellung nur pauschal von „planungsrechtlichen Maßnahmen“ spricht und hier dem Grunde nach auch eine Unbestimmtheit der Fragestellung im Raum stünde, kann der Inhalt dieser Fragestellung angesichts der diesbezüglichen Erläuterungen in seiner Begründung, wonach der Markt Schwaben konkret einen Bebauungsplanaufstellungsbeschluss fassen und zur Absicherung eine Veränderungssperre erlassen könne, hinreichend bestimmt ermittelt werden. Das Bürgerbegehren ist im Kern darauf gerichtet, mit den Mitteln des Bauplanungsrechts die Nutzung des ehemaligen ATRON-Gebäudes für andere Zwecke als für die Unterbringung von Flüchtlingen zu sichern und damit die geplante Nutzung als Flüchtlingsunterkunft zu verhindern.

Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann auch die Bauleitplanung, die als Teil der kommunalen Planungshoheit zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden zählt, grundsätzlich Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein (vgl. etwa grundlegend BayVGH vom 13.12.2010 - 4 CE 10.2839; BayVGH vom 28.5.2008 - 4 BV 07.1981), wobei allerdings in jedem Fall zu prüfen ist, ob die konkrete Fragestellung mit den gesetzlichen Vorschriften des Baurechts vereinbar ist.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Positive Voraussetzung für den Erlass eines Planaufstellungsbeschlusses und des späteren Bebauungsplanes ist das Bestehen einer (planungsrechtlichen) Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB (BayVGH vom 13.12.2010 – 4 CE 10.2839). Danach haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Ordnung erforderlich ist. Eine Bauleitplanung ist immer dann erforderlich, wenn sie vernünftigerweise geboten ist, wobei es für diese Beurteilung maßgebend auf die planerische Konzeption der Gemeinde ankommt (vgl. BVerwG vom 1.11.2007 - 4 BN 43/07; BayVGH vom 13.12.2010 – 4 CE 10.2839).

Im vorliegenden Fall soll die durch das Bürgerbegehren in Gang gesetzte Bauleitplanung ersichtlich ausschließlich dazu dienen, die bevorstehende Nutzung des ATRON-Gebäudes zur Unterbringung von Flüchtlingen zu verhindern.

Hierin liegt nach der einschlägigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung gerade kein zulässiges Planungsziel. Vielmehr handelt es sich um eine unzulässige Negativplanung, bei der planerische Festsetzungen nur das vorgeschobene Mittel sind, um eine bestehende Nutzung zu durchkreuzen.
Ebenso wie in hierzu bereits ergangenen Entscheidungen (insbesondere VG Augsburg, Beschluss vom 05.07.2011, Az. Au 7 E 11.825, bestätigt durch BayVGH, Beschluss vom 11.08.2011, Az. 4 CE 11.1619) lässt das vorliegende Bürgerbegehren keinerlei positives Planungsziel erkennen. Weder in der Fragestellung noch in der Begründung wird ein positives städtebauliches Ziel angesprochen. Es mangelt an der Darstellung einer positiven städtebaulichen Alternativnutzung, die durch Bauleitplanung gesichert werden soll. Die Begründung des Bürgerbegehrens selbst spricht lediglich davon, dass eine „andere Nutzung“ rechtlich zu gestalten sei.

Sowohl der Text der Fragestellung des Bürgerbegehrens als auch die beigefügte Begründung lassen damit eindeutig erkennen, dass mit dem neu aufzustellenden und durch Veränderungssperre abzusichernden Bebauungsplan die Nutzung des ATRON-Gebäudes als Flüchtlingsunterkunft verhindert werden soll. Ein positives städtebauliches Ziel ist der Unterschriftenliste nicht zu entnehmen. Schon aus der Bezeichnung des Bürgerbegehrens durch die Initiatoren „Keine Sammelunterkunft für Asylbewerber mitten im Wohngebiet“ sowie aus den Erläuterungen des Anschreibens (erste Seite der Unterschriftenlisten) wird ersichtlich, dass es dem Bürgerbegehren im Kern ausschließlich um die Verhinderung dieses konkreten Einzelprojektes geht („Die Inbetriebnahme der geplanten Asylbewerber-Sammelunterkunft könnte kurz- und wohl auch langfristig gestoppt werden“). Weder aus der Fragestellung des Bürgerbegehrens, noch aus der begleitenden Begründung wird auch nur im Ansatz ersichtlich, welche positiven Planungsziele mit dem Bebauungsplan verfolgt werden sollen.

Ein solches Bürgerbegehren verstößt gegen das Verbot der Negativplanung.

Nach der einschlägigen Rechtsprechung des BayVGH (Beschluss vom 11.08.2011, Az. 4 CE 11.1619) muss das Bürgerbegehren selbst ein positives Planungsziel benennen. Es kann nicht - wie vorliegend - der Gemeinde überlassen werden, sich ein solches positives Planungsziel erst anlässlich des geforderten Aufstellungsbeschlusses selbst auszudenken. Eine solche Vorgehensweise würde letztlich zwangsläufig von Anfang an mit dem Makel einer reinen Verhinderungsplanung behaftet sein, da der Gemeinderat aufgrund des Bürgerentscheids verpflichtet wäre, einen Bebauungsplan aufzustellen, der die Flüchtlingsunterkunft verhindert.

Die Grenze der Zulässigkeit eines auf eine reine Verhinderungsplanung gerichteten Bürgerbegehrens ist jedenfalls dann erreicht, wenn sich - wie vorliegend - der Fragestellung auch in Verbindung mit der Begründung des Bürgerbegehrens nicht einmal im Ansatz positive Planungsziele, die Gegenstand der Bauleitplanung sein sollen, entnehmen lassen.

Beschluss

Es wird festgestellt, dass das Bürgerbegehren unzulässig ist und ein Bürgerentscheid nicht durchgeführt wird.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 19, Dagegen: 6

Datenstand vom 18.03.2024 10:30 Uhr