Die Gemeindewerke Oberaudorf und mehrere andere Stromversorgungsunternehmen beziehen ihren Strom von der KOS Energie GmbH. Aufgrund der in 2022 auf extreme Höhen angestiegenen und stark schwankenden Energiehandelspreise ist das Risiko von Zahlungsausfällen einzelner Marktakteure deutlich gestiegen. Daher fordern zwei Vorlieferanten der KOS Energie GmbH Bürgschaftserklärungen der belieferten Werke gegenüber der KOS für Forderungen aus Stromlieferungen der Vorlieferanten.
Strombezug der Gemeindewerke Oberaudorf
Die Gemeindewerke Oberaudorf beziehen den Strom für ihre rund 3.400 Vertriebskunden sowie den Strom für den Netzbetrieb (insbesondere Stromverluste) von der KOS Energie GmbH, bei welcher sie auch zu 5,56 % beteiligt sind. Aufgrund des sehr starken Anstieges der Stromhandelspreise sind die Beschaffungskosten der Gemeindewerke für den benötigten Strom seit Sommer 2021 deutlich angestiegen, wie das folgende Diagramm zeigt:

Für die Stromlieferungen von der KOS Energie GmbH an die Gemeindewerke Oberaudorf besteht ein Rahmenvertrag von 2014. In diesem ist bereits geregelt, dass der Kunde (GWO) verpflichtet ist, für die elektrische Energie, die er von der KOS bezieht, an diese mindestens diejenige Sicherheit zu stellen, die die KOS für die elektrische Energie, die sie vom Stromlieferanten (Vorlieferanten) bezieht und an den Kunden weitergibt, anteilig zu stellen hat. Nach diesem Rahmenvertrag ist die Sicherheit, welche der Kunde der KOS zu stellen hat, ggf. in Ergänzungsvereinbarungen zum Rahmenvertrag zu regeln.
Allerdings wurde in den vergangenen Jahren häufig auf die Ergänzungsvereinbarung verzichtet, da im Innenverhältnis kein zusätzlicher Klärungs- bzw. Regelungsbedarf bestand.
Axpo Deutschland GmbH
Die Axpo ist gemäß Stromliefervertrag mit der KOS für die erforderliche Residualstromlieferung (Reststromlieferung) im Rahmen der Bilanzkreiskooperation verpflichtet, den erforderlichen Mengenbedarf für die KOS am Spotmarkt einzudecken.
Für den Fall, dass Lieferanten ausfallen und keine Terminmarktmengen in die KOS-Bilanzkreise geliefert werden, besteht für die Axpo die Verpflichtung die gesamte Bedarfsmenge zu beschaffen. Diese Verpflichtung hat die Axpo aufgrund der Bilanzkreiskooperation zwischen KOS und AXPO auch gegenüber den Bilanzkreiskoordinatoren?? In Deutschland wird jedem Bilanzkreis ein Bilanzkreisverantwortlicher (BKV) zugeordnet. Ein Bilanzkreisverantwortlicher überwacht für seinen Bilanzkreis die eingespeiste und entnommene elektrische Leistung und somit deren Bilanz nach außen (positiv, negativ, ausgeglichen). Sie streben eine ausgeglichene Bilanz an, welche im Normalfall intern selten erreicht wird, da viele Bilanzkreise besonders verbraucher- oder erzeugerstark sind. Aus diesem Grund stehen die Bilanzkreisverantwortlichen mit den Bilanzkreiskoordinatoren (= Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB)) in ständigem Austausch. Die Bilanzkreiskoordinatoren sorgen für den Ausgleich von Energie zwischen den Bilanzkreisen, sodass eine ausgeglichene Gesamtbilanz im deutschen Netzregelverbund erreicht wird. Hierzu stellen die Bilanzkreisverantwortlichen Viertelstunden-Prognosen bereit, die sie bis kurz vor der Echtzeit anpassen dürfen.) für mindestens 2 Monate zu erfüllen. Auch wird das Ausgleichsenergierisiko durch die Verkettung der Bilanzkreise zunächst bei der AXPO aufschlagen.
Für den theoretischen Fall, dass sämtliche Lieferungen von Dritten ausbleiben, übernimmt die AXPO die komplette Vollversorgung.
Hierzu fordert die Axpo eine entsprechende Sicherheitsstellung.
Für dieses Extremszenario, dass die gesamte Lieferung über die AXPO zu hohen Marktpreisen erfolgt, ergibt sich aus Sicht der Axpo in Bezug auf die KOS Gesamtmenge von etwa 1,4 Mrd. kWh eine theoretische Risikoposition aktuell in Höhe von 120 Mio. Euro.
Berechnungsgrundlage:
2 Monate bzw. 1/6 der Jahresmenge x angenommener Marktpreis von ca. 50 ct/kWh
Die Gemeindewerke Oberaudorf haben einen Anteil von 1,0 % an der Liefermenge Strom und müssen somit einen entsprechenden Anteil an der Absicherung in Höhe von 1,2 Mio. Euro stellen.
Gas Versorgung Süddeutschland GmbH
Zwischen der KOS und der GVS besteht ein Strom- sowie ein Erdgas-Rahmenvertrag über den Kauf und die Belieferung mit Strom bzw. Erdgas. Die KOS kauft bei GVS am Terminmarkt Strom und Gasprodukte für die Lieferjahre bis drei Jahre im Voraus ein.
Die GVS betrachtet derzeit lediglich das Kreditausfallrisiko, d. h. das Risiko, dass die GVS für bereits gelieferte Energiemengen kein Geld bekommt. Die Höhe der Bürgschaft als Absicherung der Zahlungsansprüche bemisst sich am zu zahlenden Betrag für die Energiemenge für etwa zwei Liefermonate.
Berechnungsgrundlage: 1/6 Jahresbestellmenge (= 2 Monate) x EK-Preis
Strom 1/6 x 350.000.000 kWh x 14 ct/kWh = 8 Mio. Euro
Die Gemeindewerke Oberaudorf haben einen Anteil von 1,0 % an der Liefermenge Strom und müssen somit einen entsprechenden Anteil an der Absicherung in Höhe von 80.000 Euro stellen (Bürgschaftsbetrag).
Bei dieser Betrachtung ist allerdings kein Marktpreisrisiko berücksichtigt. Die Ermittlung der Höchstbeträge basiert auf einer Risikokalkulation auf Basis der aktuellen Marktsituation, sodass bei einer drastischen Marktveränderung die Höchstbeträge ggf. anzupassen sind.
Mit der GVS war ursprünglich ein bedingter Vertragsschluss vereinbart, der auch von allen unterzeichnet wurde. Allerdings akzeptiert die GVS für neue Strom- und Gasgeschäfte den bedingten Vertragsschluss nicht mehr, sondern fordert zur Absicherung der Energielieferungen eine Bürgschaftserklärung. Die Bürgschaftserklärung ersetzt den bedingten Vertragsschluss, der dann aufgehoben wird.
Damit die KOS Energie GmbH im Stromhandel wettbewerbsfähige Preise für ihre Kunden (Stromversorgungsunternehmen) erzielen kann, sind Verträge mit mehreren Energielieferanten (Vorlieferanten der KOS) erforderlich. Die GVS würde ohne die geforderten Sicherheiten keine Energie mehr verkaufen und somit als Vorlieferant ausfallen.
Ausfallrisiko der KOS Energie GmbH
Die KOS Energie GmbH (KOS) wurde im Februar 1999 gegründet. Sie ist eine Kooperationsgemeinschaft von 12 mittelständischen Stadt- und Gemeindewerken aus dem südbayerischen Raum. Zentrale Geschäftsfelder sind die bedarfsoptimierte Strom- und Gasbeschaffung, das Energiedatenmanagement sowie weitere energienahe Dienstleistungen.
Die KOS ist der Vertragspartner der Lieferanten. Die Gemeindewerke Oberaudorf verbürgen sich für die KOS für den Fall, dass die KOS als Vertragspartner und damit Zahlungsverpflichteter ausfällt.
Die KOS macht in „normalen“ Jahren einen Umsatz von gut 100 Mio. € (2021: 131 Mio. €; 2020: 113 Mio. €).
Die Bilanzsumme beläuft sich zum 31.12.2021 auf 19,1 Mio. €. Das Eigenkapital auf 3,4 Mio. €, d.h. die Eigenkapitalquote beträgt ca. 18 %. Die KOS erwirtschaftet durchgehend positive Jahresergebnisse (2021: 242 T€; 2020: 551 T€).
Die Geschäftslage und die Geschäftsdaten sind somit positiv und lassen eine Inanspruchnahme der Stadt- und Gemeindewerke nicht erwarten. Die Bonitätsbewertung der KOS bei der Creditreform erreicht die Einstufung „sehr gute Bonität“.
Durch die extrem gestiegenen Energiepreise steigt der Umsatz der KOS in 2023 auf 454 Mio. €. Es wird in 2023 ein positives Ergebnis von ca. 1,4 Mio. € erwartet.
Durch die hohen Energiepreise und deren starke Schwankungen werden aber alle Teilnehmer am Energiemarkt vorsichtiger und versuchen sich gegen alle potentiellen Risiken abzusichern:
Stromhandelspreise der vergangenen 12 Monate (Terminmarkt 2024, 2025 und 2026):
Die von der KOS eingekauften Energiemengen dienen der Belieferung der Gesellschafter im Rahmen der Daseinsvorsorge sowie der Versorgung weiterer öffentlicher Energieversorgungsunternehmen. D.h. die von der KOS eingekauften Energiemengen werden an die Stadt- und Gemeindewerke geliefert und von diesen bezahlt.
Aus diesem Grund wäre ein Ausfall der KOS nur denkbar, wenn entweder ein Kunde (= Stadt- bzw. Gemeindewerk) der KOS ausfällt oder ein Lieferant der KOS seinen Lieferverpflichtungen nicht nachkommt und eine Wiederbeschaffung durch die KOS nicht oder nicht zu wirtschaftlichen Bedingungen möglich ist. Diesen Fall erachten wir für insgesamt wenig wahrscheinlich.
Dennoch verlangen die Lieferanten der KOS Sicherheiten auch für diesen wenig wahrscheinlichen Fall.
Notwendigkeit der Bürgschaften
Die unabdingbare Notwendigkeit der Stellung dieser Bürgschaften ergibt sich aus der Tatsache, dass sonst die KOS Energie GmbH und damit die Gemeindewerke nicht mehr als Vertragspartner akzeptiert werden.
Dies hätte bei der GVS Gasversorgung Süddeutschland zur Konsequenz, dass wir dort keinen Strom mehr beschaffen können. Im momentan sehr engen Markt heißt dies, dass wir zuerst einen Lieferanten und damit eine Option auf gute Preise sowie perspektivisch den Marktzugang verlieren. D. h. mittelfristig (ca. 2 - 3 Jahre) ist ohne die Stellung von Bürgschaften mit einem Ausscheiden der Stadt- und Gemeindewerke aus dem Markt des Strom- und Gasvertriebes zu rechnen.
Bei der AXPO hat die derzeit fehlende Sicherheit (Bürgschaft) bereits die Konsequenz, dass die Gemeindewerke Oberaudorf nicht mehr am Bilanzkreisverbund der AXPO teilnehmen können. Dies bedeutet ein höheres Risiko aus dem Bilanzkreismanagement und damit die Gefahr, dass höhere Kosten für Ausgleichsenergie entstehen.
Zudem entstehen höhere Abwicklungskosten seitens AXPO und KOS. Diese schlagen sich derzeit mit 0,67 €/MWh nieder. Dies bedeutet für die Gemeindewerke Oberaudorf einen Mehraufwand von jährlich ca. 8.000 €.
Prüfung der Bürgschaften durch die Rechtsaufsicht des Landratsamtes Rosenheim
Nach Art. 72 Abs. 2 GO bedürfen Bürgschaften, die Eigenbetriebe übernehmen, zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung durch die Rechtsaufsicht.
Die ursprünglich, Stand Oktober 2022, von den beiden Vorlieferanten Axpo und GVS geforderten selbstschuldnerischen Bürgschaftserklärungen wurden von den kommunalen Rechtsaufsichtsbehörden nicht genehmigt. Daraufhin konnte die KOS Energie GmbH das Thema und dessen Bedeutung für Energieversorger mit dem bayerischen Innenministerium erörtern. Das Staatsministerium unterstrich die Auffassung, dass kommunale Eigenbetriebe keine gesamt- sowie selbstschuldnerische und auch keine unbegrenzte Bürgschaft stellen dürfen. Gleichwohl wurde das Einkaufsmodell von Stadt- und Gemeindewerke - Kooperationen und die Vorteile einer gemeinsamen Beschaffungsgesellschaft positiv bewertet. Auch wurden die Forderungen der Energielieferanten, dass die Stadt- und Gemeindewerke für die Zahlungen der Energielieferungen einstehen, als nachvollziehbar betrachtet.
Das Staatsministerium brachte deshalb die Ausfallbürgschaft ins Gespräch und bat darum, diese Form der Bürgschaft gegenüber den Lieferanten anzubieten bzw. entsprechend zu begründen, da Städte und Kommunen und damit auch Stadt- bzw. Gemeindewerke als kommunale Eigenbetriebe als Sicherheitsgeber einen besonderen Stellenwert haben.
Daraufhin konnte die KOS bei der Axpo und der GVS erreichen, dass diese bei den Eigenbetrieben eine Ausfallbürgschaft mit Höchstbetrag akzeptieren.
Die jetzt vorliegenden Bürgschaftserklärungen sind Ausfallbürgschaften, ohne Verzicht auf die Einrede der Vorausklage bzw. nicht selbstschuldnerisch.
Die Rechtsaufsicht des Landratsamtes Rosenheim prüft derzeit die von AXPO und der GVS vorliegenden Bürgschaftserklärungen. Nachdem der Rechtsaufsicht alle angeforderten Prüfunterlagen übermittelt wurden, wurde uns am 16.02.2023 telefonisch in Aussicht gestellt, dass die beiden Ausfallbürgschaften der Gemeindewerke Oberaudorf gegenüber der KOS Energie GmbH genehmigungsfähig sind, die abschließende Prüfung jedoch noch etwas Zeit benötigt. Vergleichbare Bürgschaftserklärungen prüft das Landratsamt parallel für die Stadtwerke Wasserburg, welche ebenfalls den Strom über die KOS bezieht.