Nach Einleitung durch den Ersten Bürgermeister Herrn Hubert Wildgruber erteilt dieser dem Verwaltungsangestellten Herrn Reinhold Sammet das Wort.
Zum 01.01.2016 wurde § 2 b UStG neu in das Umsatzsteuergesetz eingefügt. Mit dieser Vorschrift wird die Unternehmereigenschaft von Körperschaften des öffentlichen Rechts (KdöR) neu geregelt (Inkrafttreten zum 01.01.2017).
Nach der bisherigen Rechtslage des § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) waren juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art umsatzsteuerpflichtig. Sowohl der hoheitliche Bereich als auch der Bereich der Vermögensverwaltung unterlag folglich bis dato nicht der Umsatzsteuer. Dies galt insbesondere auch für Kooperationen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (sog. „Beistandsleistungen“), die nach der bisherigen Verwaltungsmeinung in der Regel zu keinen umsatzsteuerpflichtigen Betrieben gewerblicher Art führten.
Der bisher gültige Grundsatz, dass die Gemeinde Oberaudorf nur im Rahmen ihrer (ertragsteuerlich relevanten) Betriebe gewerblicher Art Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist, gilt nach der Neuregelung nur noch bis 31.12.2016.
Zukünftig ist es unmaßgeblich ob ein Betrieb gewerblicher Art vorliegt oder nicht. Einnahmen aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen unterliegen grundsätzlich ab dem 1. Euro der Umsatzsteuer. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts wird grundsätzlich als Unternehmerin behandelt, es sei denn, es greift die im Gesetz geregelte Ausnahme nach § 2 b Abs. 1 UStG.
Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die KdöR eine Tätigkeit ausübt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt und die Nichtbesteuerung dabei nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt (§ 2 b Abs. 1 UStG). Größere Wett-bewerbsverzerrungen liegen aber auch dann nicht vor, wenn der Umsatz aus der gleichartigen Tätigkeit 17.500 € jährlich nicht übersteigt. Nicht steuerbar bleiben damit weiterhin insbesondere solche Umsätze, bei denen aus rechtlichen Gründen kein Wettbewerb mit Privaten denkbar ist bzw. es sich um hoheitliche Tätigkeiten handelt (z.B. im Bereich des Standesamtes, des Einwohnermeldeamtes oder des Pass- und Personalausweiswesens, aber auch die Abwasserbeseitigung oder die Friedhofsverwaltung). Auch ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Tätigkeit nach § 4 UStG von der Umsatzsteuer befreit ist. Hier sind z.B. Kindergartengebühren nach § 4 Ziffer 25 i.V. mit § 2 b Abs. 2 Ziff. 2 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Hier kann eine Wettbewerbsverzerrung nicht entstehen, weil durch die Steuerbefreiung auch Private keine Belastung durch die Umsatzsteuer haben.
Somit unterliegen zukünftig grundsätzlich auch sog. Beistandsleistungen (eine KdöR unterstützt eine andere KdöR bei deren hoheitlicher Tätigkeit) der Umsatzsteuer. Ausnahmen hierzu regelt § 2 b Abs. 3 UStG.
Damit die KdöR die von ihnen ausgeübten Tätigkeiten auf deren umsatzsteuerliche Auswirkung prüfen und ggf. „umorganisieren“ können, hat der Gesetzgeber eine Übergangsfrist bis 31.12.2020 eingeräumt. Auf Antrag können KdöR bis dahin nach der alten/bisherigen Rechtslage behandelt werden. Dazu ist erforderlich bis spätes-tens 31.12.2016 diesen Antrag beim zuständigen Finanzamt zu stellen (§ 27 Abs. 22 UStG).
Eine Option zur Fortführung des bisherigen Rechts ist nur für den kompletten Tä-tigkeitsbereich zulässig und kann nicht für einzelne Bereiche/Leistungen gestellt werden. Ist ein Antrag zur Fortführung der bisherigen Rechtslage gestellt worden, soll dann aber doch vor dem 1. Januar 2021 das neue Recht Anwendung finden, so besteht die Möglichkeit, den Antrag mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen. Zum jetzigen Zeitpunkt bestehen noch zahlreiche Rechtsunsicherheiten und die neuen Regelungen sind an vielen Stellen auslegungsbedürftig. Es werden im Jahr 2016 ff. Jahre nähere Erläuterungen erwartet. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass in den nächsten Schreiben alle für die Gemeinden praxisrelevanten Fragen abschließend und rechtssicher geklärt werden. Schon aus diesem Grund sollte die Options-erklärung an das Finanzamt Rosenheim gestellt werden. Je nach Anwendung der Rechtsquellen sind die Auswirkungen sowohl für die Bürger und Nutzer von Einrichtungen bzw. Dienstleistungen als auch für die Gemeinde Oberaudorf als Steuerpflichtiger erheblich. Eine Anpassung der Verwaltungsabläufe sowie die Buchhaltungssysteme an die geänderten steuerlichen Rahmenbedingungen werden erheblichen Zeitaufwand (Personal) und Kosten verursachen.
Solange also nicht feststeht, dass die neue Rechtslage Vorteile bietet, sollte der Antrag auf Fortführung der bisherigen Rechtslage auf alle Fälle gestellt werden. Dies empfiehlt auch der Bayerische Gemeindetag. Die gestellte Optionserklärung kann auch bis zum 31.12.2020 mit Beginn eines neuen Kalenderjahres einmalig widerrufen werden. Sollte sich also später – bei Zusammenstellung der Unterlagen für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung – herausstellen, dass die neue Rechtslage günstiger wäre, kann für das abgelaufene Jahr zur neuen Rechtslage gewechselt werden. Ein nochmaliges Wechseln zurück zur alten Rechtslage ist dann aber nicht mehr möglich. Unterlässt man hingegen die Optionserklärung bis zum 31.12.2016 besteht keine Möglichkeit mehr diese nachzuholen, so dass alle Umsätze ab dem Jahr 2017 den neuen Regelungen des Umsatzsteuerrechts unterworfen werden.
Auch sollte in Zukunft bei größeren Projekten stets eine umsatzsteuerrechtliche Betrachtung erfolgen. Es empfiehlt sich ferner bei vertraglichen Regelungen, bei denen die Umsatzsteuerthematik noch nicht sicher beurteilt werden kann, sog. Steuerklauseln aufzunehmen (z.B. Netto- oder Bruttovereinbarungen). Damit wird geregelt, ob der Leistungsempfänger oder der Leistungserbringer wirtschaftlich das Risiko der Steuerbarkeit trägt.