Auf den Beschluss des Gemeinderats vom 02.11.2023 wird Bezug genommen.
Die Ausführungen zur Spätnachtabschaltung sind nachfolgend ausgeführt. Ergänzungen die sich seit der Sitzung am 02.11.2023 ergeben sind kursiv ergänzt worden.
Verkehrssicherungspflicht
Verkehrssicherungspflicht und die sicherheitsrechtliche Beleuchtungspflicht aus Art. 51 Abs. 1 BayStrWG belassen es weitgehend dem Ermessen der Gemeinden, wie und wie lange Straßen beleuchtet werden; auch das stundenweise Abschalten der Straßenbeleuchtung in der Nacht hängt vom Ermessen der Gemeinde ab.
Zunächst spricht das Bayerische Straßen- und Wegegesetz in Art. 51 Abs. 1 Satz 1 zwar von einer Beleuchtungsverpflichtung, relativiert wird dies jedoch durch die Einschränkung, dass es von der Leistungsfähigkeit der Kommune sowie den örtlichen Gegebenheiten (insb. die Bedeutung der Straße für den Verkehr) abhängt, ob eine dauerhafte Beleuchtung notwendig ist.
Durch die Nachtabschaltung im Zeitraum zwischen 1 Uhr und 5 Uhr wird objektiv eine deutliche Verdunkelung des öffentlichen Verkehrsraums erfolgen, dass – vor allem auch bei den im Herbst und Winter häufig vorhandenen Nebellagen - mit folgenden Nachteilen einhergehen kann:
- Subjektives Unsicherheitsempfinden
- Erhöhung von Unfallgefahren für den nächtlichen Verkehr, insbesondere für Fußgänger, z. B. Hundeführer, Spätheimkehrer, Berufstätige im Schichtdienst, Zeitungszusteller
- Gefahr der Desorientierung vor allem bei älteren Personen, da eine erhebliche Dunkelheit im ländlichen Siedlungsbereich zu erwarten ist
- Schlechtere Orientierung im Straßenverkehr, insbesondere auch für ortsfremde Rettungs- und Sicherheitskräfte, z. B. Notärzte, Krankenwagen, etc.
- (stat. unwahrscheinlich) Verschlechterung der objektiven Sicherheit für Eigentum und körperliche Unversehrtheit durch Einbruch, Diebstahl, sexuelle Übergriffe, etc.
Alles unter dem Vorzeichen einer grundsätzlichen Verkehrssicherungspflicht durch die Gemeinde auf Grundlage des Art. 51 BayStrWG.
Kritische Erfahrungen aus der Periode 2003 bis 2004
Im Übrigen wird auf die bereits in den Jahren 2003-2004 geführten emotional und sehr kontrovers geführten Diskussionen innerhalb der Bürgerschaft zu dieser Thematik verwiesen. In Neudorf und Mariaort wurden seinerzeit 700 Unterschriften gegen die Halbnachtabschaltung gesammelt. Seit 01.10.2005 wurde wieder auf Ganznachtschaltung umgestellt.
Ergänzungen
Die Haftungsfrage ergibt sich nach der Literatur grundsätzlich dann, wenn man im Rahmen der Entscheidung über die Abschaltung der Straßenbeleuchtung nicht ausreichend verkehrs- und sicherheitsrechtliche Rahmenbedingungen abgewogen hat und auch die individuelle Gefährdungssituation von Betroffenen nicht ausreichend würdigt. Insoweit ist es unabdingbar, bei besonderen Gefahrenstellen im Rahmen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung abzuwägen, ob eine Abschaltung gerechtfertigt ist. Auch bei Gefahr für den Individualverkehr (auch Fußgänger) ist es erforderlich abzuwägen, inwieweit eine zumutbare Möglichkeit zur Eigensicherung etc. gegeben ist.
Da die Rechtsgrundlage eine Sicherheitsvorschrift darstellt, die auf den Schutzbereich öffentliche Sicherheit und öffentliche Ordnung abstellt, muss der Begriff der „Aufrechterhaltung“ aus Art. 51 Abs. 1. Satz 1 BayStrWG mit einer Einschätzung der Gefahrenlage einhergehen. Dabei ist auf die abstrakte Gefahr abzustellen, die sich unter Berücksichtigung aller Rahmenbedingungen zu einer konkreten Gefahr verdichten würde.
Vereinfacht lässt sich ausführen, dass eine Abschaltung der Straßenbeleuchtung grundsätzlich keine haftungsrechtlichen Probleme nach sich ziehen würde, wenn im Vorfeld im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens konkrete Gefahren ausgeschlossen werden konnten.
Bezugnehmend auf die subjektiven und objektiven Gefährdungslagen lässt sich ergänzend feststellen, dass eine länderübergreifende, durchgeführte Metaanalyse von 21 Studien unter dem Titel „Effectiveness of street lighting in preventing crime in public places“ zeigt, dass durch die Verbesserung der Straßenbeleuchtung ein Rückgang von Straftaten zu verzeichnen war. Einschränkend muss jedoch angeführt werden, dass die Studien ausschließlich in UK, USA, Brasilien und Südkorea durchgeführt wurden.
Des Weiteren kann auf Grundlage durchgeführter Befragungen in Kommunen festgestellt werden, dass sich das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung negativ entwickelt. Es ist auch in 2023 nicht davon auszugehen, dass eine komplette Abdunkelung auf größere Begeisterung in der Bevölkerung stößt, wie in den Jahren 2003 bis 2004.
Kritisch gesehen wird die Abdunkelung auch im sicherheits- und rettungsdienstlichen Bereich. Hier ist auch durch die modernste Navigationstechnologie nicht auszuschließen, dass durch Dunkelheit keine Probleme beim Finden von Personen, Hausnummern, etc. auftreten.
Beschlussvorschlag:
Der Gemeinderat stimmt der Nachtabschaltung der Straßenbeleuchtung zwischen 1 und 5 Uhr zu.
Umstellung der REWAG-Leuchten
Betrachtet man zum Zwecke der Amortisation den Bereich REWAG für das gesamte Gemeindegebiet, ergibt sich bei einer Umstellung auf LED mit 50 % Dimmung bei einem Strompreis von 0,40 € netto = 0,476 € brutto nachfolgendes Bild für die Variante 22:00 bis 6:00 Uhr:
Die Umstellung der Straßenbeleuchtung im Bereich REWAG würde für das gesamte Gemeindegebiet ca. 178.165 € kosten. Die jährliche Stromkosteneinsparung von derzeit 12.170 € führt zu einer Amortisation nach Ablauf von 14 Jahren. Die Einsparpotentiale C02 können der Tabelle REWAG entnommen werden.
Wichtiger Hinweis: Durch die Reduzierung der Stromkosten ab 2024 wird sich die Amortisationszeit konsequenterweise verlängern, so dass z. B. bei einem Rückgang der Stromkosten auf 0,24 € eine Verdoppelung der Laufzeit resultiert.
Die REWAG hat die Umstellung der Beleuchtung gebietsweise betrachtet, so dass eine sukzessive Umstellung, ortsteilbezogen, vorgesehen werden kann.
Die Umsetzung erfolgt nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und soll in 2024 mit dem Ortsteil Reifenthal begonnen werden.
Ergänzung Umstellung Retrofit Bayernwerk
In der Gemeinde sind im Bereich Bayernwerk 82 „Retrofits“ im Einsatz, die nicht gedimmt werden können.
Würde man die 82 „Retrofits“ auf dimmbare Systeme umrüsten, ergeben sich Kosten in Höhe von 35.085,13 €.
Amortisation
Die Amortisation ist hier mit einem Strompreis von 50 Cent gerechnet. Das Einsparpotential liegt entsprechend bei 1.626,97 € jährlich. Bei längerem Profil bei 2.440,46 €.
Berücksichtigt wird ein Dimmprofil von 50% im Zeitraum von 1 bis 5 Uhr morgens.
Selbst längeren Profil (50% im Zeitraum von 22 bis 5 Uhr) liegt die Amortisationszeit bei 13,3 Jahren.
Die Einsparung bei der Wartung von 487,90 €/Jahr ergibt sich aus dem nicht mehr erforderlichen Austausch der Leuchtmittel im Turnus.
Die Lehner Zylinder in der letzten Zeile könnten evtl. für ca. 350 € mit einem LED-Nachrüstsatz ausgestattet werden, dann wären diese dimmfähig.
Einsparung Strom
Der Stromverbrauch sinkt um 3.254 kWh/Jahr. Dies entspricht bei 0,50 € pro kWh 1.626,97 € jährlich.
Gemessen am tatsächlichen Einsparpotential ist die Umstellung der Retrofits auf LED nicht wirtschaftlich. Auch der Einspareffekt an CO2 von ca. 1.200 kg ist gering, so dass die Umstellung der Retrofitleuchten auf dimmbare LED nicht vorrangig verfolgt werden sollte.
Allgemeine technische Hinweise:
Sowohl im Gebiet der REWAG als auch des Bayernwerks sind einheitliche Schaltzeiten vorgesehen und technisch möglich. Die individuelle Steuerung einzelner Lampen müsste gesondert untersucht werden und verursacht teilweise hohe Zusatzkosten.