Straßenbaumaßnahme Hummelbergstraße, Adlersberg; Vorstellung der geotechnischen Stellungnahme zum Schadensfall Hummelbergstraße 13, Adlersberg und Beratung und Beschlussfassung über die weitere Vorgehensweise


Daten angezeigt aus Sitzung:  11. Gemeinderat, 02.11.2023

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Gemeinde Pettendorf) 11. Gemeinderat 02.11.2023 ö beschließend 5

Sachverhalt

Der Sachverhalt ist aus diversen Berichterstattungen, Protokollen aus dem Straßen -& Umweltausschuss, sowie der Bürgerversammlung Pettendorf 2022 bekannt. Nachdem die Thematik jedoch öffentlich, unter anderem auch in der Bürgerversammlung Pettendorf aufgegriffen wurde, erfolgt hierzu eine detaillierte Darstellung des Sachverhaltes:
Erläutert werden muss, dass an dieser Stelle historisch öfter Überschwemmungen ins Anwesen erfolgten, allerdings bislang keinen Wohnraum betrafen. Deswegen war es das grundsätzliche Ziel, die Situation zum Schutz des benachbarten Schuppens im Rahmen des Straßenbaus mit baulichen Mitteln zu verbessern. Hierfür wurden auch Vorschläge vom Planungsbüro erbeten.
Bei einem aufgetretenen Starkregenereignis am Pfingstsonntag 2022 wurde durch Fontänen-haft austretendes Wasser aus dem Rasenbereich eine Kellerwohnung überflutet. Es entstand ein Schaden in Höhe von ca. 12.000 €.
Die Gemeinde meldete mit nachfolgendem Email den Schaden an die Versicherung:

Sehr geehrte Damen und Herren,

an Pfingsten gab es ein Regenereignis in Adlersberg – Gemeinde Pettendorf mit ca. 50 ltr/m².
In diesem Starkregenereignis lief  -  wie üblich – der Sickerschacht an der nordwestlichen Ecke  vor dem Anwesen Fl. Nr. 682/3 Gem. Pettendorf zunächst voll und dann  über, das Wasser entsprechend der westlichen Grundstücksgrenze entlang abhängig ins Feld. Dieser Schacht dient bereits historisch der Versickerung des Niederschlagswassers aus dem Einzugsgebiet. Bei Starkregen reicht die Kapazität allerdings nicht.Aus ungeklärter Ursache (bisher noch nicht aufgetreten) drückte das Wasser im Bereich des Kreuzes (Bild) fontänenartig aus der Erde und überflutete die westliche Kellerwohnung – Einliegerwohnung.

Abgesehen von der Haftungsfrage ist die Frage nach der Ursache von Relevanz. Ein Zusammenhang zum Schacht (Schichtenwasser …) ist aus Sicht der Gemeinde nicht auszuschließen.
Die Schadenshöhe dürfte aus meiner laienhaften Einschätzung < 5000 € sein. 
Die betroffene Geschädigte bittet um Mitteilung, wie das weitere Vorgehen abläuft: 

  • Schadensnummer
  • Sachverständiger
  • Beauftragung einer Trocknungsfirma




Am 13. Juni teilte uns die Versicherung mit, dass der Schadensfall geprüft wird und die Eigentümerin angeschrieben wurde.

Mit Schreiben vom 24.6.2022 beantwortete die Gemeinde einen Fragenkatalog der Versicherung:


Erst am 2. August informierte die Versicherung die Geschädigte über die Beauftragung einer Besichtigung.

Die von der Gemeinde eingeschaltete Versicherung lehnte die Haftung ab und begründete dies mit den Aussagen des Sachverständigenbüros awl, das der Geschädigten zeitgleich übermittelt wurde. Hier wurde nach Besichtigung die Bruttoschadenshöhe auf 9.500 € festgelegt:


Weiter wird von der Versicherung festgestellt, dass im Schadensfall grundsätzlich der Anspruchsteller den Nachweis erbringen muss.

Die Gemeinde beauftragte zur zusätzlichen Klärung des Sachverhaltes und zur Vorbereitung weiterer Schritte 
das Ing.-Büro Kehrer, eine Befassung mit dem Ereignis wurde nach den Pfingstferien in Aussicht gestellt.
Zusätzlich wurde wiederholt das bereits während der Baumaßnahme Hummelbergstraße angedachte Objekt zur Verbesserung der Einleitungssituation beim Ing-Büro angefragt: hier war zunächst ein Schachtbauwerk angedacht. Hierfür war allerdings noch Grunderwerb erforderlich.

Der Entwurf für diesen Absetzschacht wurde am 31. Oktober zugesandt, die Kosten hierfür auf 42.840 € brutto geschätzt.

Mit Email vom 7. November wurde dem Büro mitgeteilt, dass die vorgelegte Lösung aus Sicht der Gemeinde nicht zielführend ist, da hierdurch die zulaufende Menge zum Schacht noch erhöht würde und um einen zeitnahen Ortstermin gebeten. Sowohl am 3. Januar wie auch am 2. Februar wurde diesbezüglich nachgefragt. Am 2. Februar nachmittags erhielt die Gemeinde eine geänderte Planung, die aber im Grundsatz an dem vorherigen Entwurf festhielt.

Zusätzlich wurden Überlegungen geprüft, Leitungstrassen des Straßenbaus Hummelbergstraße könnten zu einer anderweitigen Wasserzuleitung zum Anwesen Hummelbergstraße 11 geführt haben. Hierfür wurde Bildmaterial vom Straßenbau angefordert.

Nachfolgend auf einen Ortstermin am 9.3.2023 mit dem Bauleiter der Straßenbaufirma, dem Planungsbüro Kehrer und der Gemeinde wurde festgelegt, mit Baugrunduntersuchungen weitere Erkenntnisse der Ursache, vor allem aber für eine zielführende Lösung zu erhalten. Es ist aus Sicht der Gemeinde nicht darstellbar, mit Aktionismus Maßnahmen und Kosten zu verursachen, deren Wirkung nicht gesichert erscheint.

Am 5. Januar stellt die Geschädigte einen Antrag bei der Gemeinde auf Übernahme des Schadens in Höhe von 9472,12 € und Beseitigung der weiterhin bestehenden Gefahr der Überflutung. Der Antrag wurde in nichtöffentlicher Sitzung behandelt. Hierbei wurde unterstellt, die Gemeinde hätte nicht wahrheitsgemäß Angaben zum Sachstand gemacht. Diese Unterstellung wird deutlich zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 17.3.3023 teilt die Gemeinde der Geschädigten mit, dass einer Kostenübernahme nicht zugestimmt wurde, da keine begründete Rechtsgrundlage vorliegt.
Allerdings wurde in selbigen Schreiben ebenfalls mitgeteilt, dass ein Bodengutachter beauftragt wurde, um die besonderen Verhältnisse und damit eine mögliche Erklärung des Fontänen-Phänomens zu ergründen und hierdurch geeignete Maßnahmen zum zukünftigen Schutz festlegen zu können. Gesprächsnotiz (Telefonat 20.3.2023) teilte die Geschädigte mit, dass Sie mit weiteren Untersuchungen auch in Ihrem Grundstück einverstanden ist.
Die Ergebnisse der Untersuchungen würden dem Gemeinderat dann vorgelegt, was in der heutigen Sitzung erfolgt. 
Nach etwas schwierigen Koordinationsabläufen mit der beauftragten Firma Crystal Geotechnik GmbH wurde die weiteren Untersuchungen (Bohrungen und Schürfen) sowie Sickerversuche am 6. Juli durchgeführt. Hierbei waren wieder die Arbeiten auf Fremdgrund, teilweise Stilllegungsflächen von Landwirten, zu klären.


Das Gutachten zeigt folgende Ergebnisse:

Hinsichtlich der Fragestellungen, ob der Sickerschacht nachteilige Auswirkungen auf die hydrogeologischen
Verhältnisse im Umgriff des betrachteten Grundstücks hat und maßgeblich für
den Wasseraustritt im Hanggelände des Anwesens Hummelbergstraße 13 war und welche
Ursache der Wasseraustritt hatte, sind folgende Untersuchungsergebnisse maßgeblich:
1. Der vorhandene Sickerschacht endet in den Decklagen des Homogenbereiches B1, die
eine geringe Durchlässigkeit aufweisen. Der Sickerschacht ist nicht maßgeblich sickerfähig
und es tritt Wasser über die oberste Konusfuge und die gelochten Schachtringe in
der Hinterfüllung des Sickerschacht aus und tritt dann zutage.
Schlussfolgerung: Der Sickerschacht selbst ist nicht geeignet, größere Wassermengen dem
Untergrund zuzuführen und steht nicht in Verbindung mit durchlässigen
Schichten, die in Richtung des betrachteten Grundstückes führen. Der Sickerschacht
selbst ist dementsprechend nicht ursächlich.

2. Mit den, im Zuge des Straßenbaus und der Leitungsverlegung, ausgeführten Erdarbeiten
wurden nach derzeitigem Kenntnisstand weder die Decklagen des Homogenbereiches
B1, noch die Verwitterungsböden des Homogenbereiches B2 durchstoßen. Beide
Schichten weisen eine geringe Durchlässigkeit auf und verhindern den unkontrollierten
Wassertransport.
Schlussfolgerung: Über die neuen Leitungsgräben, die Frostschutzschicht und den gewachsene
Untergrund sind, für sich alleine, keine Wasserzuspeisungen zum betrachteten
Grundstück in maßgeblichen Mengen möglich. Die baulichen
Maßnahmen für sich sind dementsprechend nicht ursächlich.

3. Der vorhandene Kalksteinhorizont liegt, auch im Bereich des so bezeichneten fontänenartigen
Wasseraustritts, in einer Tiefe von ca. 3,6 m unter GOK mit bindiger Überdeckung.
Schlussfolgerung: Um einen hydraulischen Grundbruch auslösen zu können, muss im Kalksteinhorizont
auf Unterkante der Verwitterungsböden ein Wasserdruck von
mindestens 7 m Druckhöhe vorhanden sein, wobei dann auch zusätzlich
noch vertikale Wasserwegigkeiten erforderlich sind, um Wasser kurzzeitig
und schnell tatsächlich über die geringdurchlässigen Schichten zum
Gemeinde Pettendorf; Wasseraustritte Hummelbergstraße 13 Baugrunderkundung
CRYSTAL GEOTECHNIK Beratende Ingenieure und Geologen GmbH
Schustergasse 14 . 83512 Wasserburg 23
B235159-gts Pettendorf, Hangwasseraustritte Hummelbergstraße
Zeitpunkt des Regenereignisses zutage treten zu lassen. Aufgrund der erforderlichen
hydrostatischen Druckhöhen ist ein Einfluss aus dem Sickerschacht
bzw. aus den Schichten der Baumaßnahme ausgeschlossen.

4. Bei den Schurfarbeiten wurden entlang der Einfriedung des Grundstückes und im Bereich
des bestehenden Gartenhauses eine Vielzahl an Wühltiergängen (Rattenlöcher)
festgestellt, wobei auch lebende Ratten flüchteten. Zudem befindet sich auf dem Grundstück
ein ehemaliger Walnussbaum, der weit reichende Wurzeln aufweist, von denen
auszugehen ist, dass sie sich mittlerweile in einem mehr oder weniger starken Verrottungszustand
befinden und damit sowohl die Wühltiergänge als auch die Wurzelkanäle
Wasserwegigkeiten unter dem Gartenhaus und im Oberboden darstellen.
Schlussfolgerung: Bei den Wühltiergängen handelt es sich um den tatsächlichen Wasserzutrittspunkt,
über den das abfließende Oberflächenwasser in das Grundstück
und in den Oberboden eintreten konnte. Über die Wühltiergänge und
gegebenenfalls auch die Wurzelkanäle verteilte sich das Wasser und führte
aus geotechnischer Sicht zu dem beschriebenen Wasseraustritt im Gartengelände
des Anwesens Hummelbergstraße 13.



Auf Seite 24 werden konkrete Verbesserungen zur Ablaufsituation gegeben. Das vorgeschlagene Rückhaltebecken lässt allerdings offen, wohin der Überlauf geleitet werden soll. Auch steht hierfür bisher das Grundstück nicht zur Verfügung.

Aus Sicht der Gemeinde ist sowohl durch die Aussagen des Versicherers wie auch durch das Gutachten klargestellt, dass die Gemeinde kein Verschulden trifft. Die grundsätzliche Situation ist bekannt verbesserungswürdig, kann aber nicht durch bisher angedachte Bauwerke kurzfristig gelöst werden.  Die Auflassung des Sickerschachtes wäre denkbar. Er trägt laut Gutachten nicht zu einer Verschlechterung des benachbarten Anwesens bei.
Der bisherige Zustand sollte aber aus Sicht der Verwaltung erst im Rahmen einer anderen Lösung geändert werden.

Nachdem jedoch die Gemeinde für das komplette Gemeindegebiet in der heutigen Sitzung das sogenannte Integrale Konzept zum kommunalen Sturzflut-Risikomanagement beauftragt, sollte die Ergebnisse hierzu abgewartet werden. Insbesondere sind hieraus entwickelte Maßnahmen auch förderfähig, was bei einer Maßnahme dieser Größenordnung durchaus von Belang ist.

Diskussionsverlauf

Bürgermeister Obermeier erläutert den Sachverhalt. Eingangs ist festzuhalten, dass der als „ursächlich verdächtigte“ Sickerschacht auch im Rahmen des Straßenbaus nicht verändert wurde. Es stellte sich daher die Frage, warum es zum fontänenartigen Austritt kam. Vorausgegangene Beurteilungen der Versicherung machten deutlich, dass keine Verantwortung seitens der Gemeinde vorlag. 

Unter Berücksichtigung der nun von der Gemeinde Pettendorf zusätzlich beauftragten, umfangreich durchgeführten Untersuchung durch einen Sachverständigen kann zusammenfassend festgestellt werden, dass der Schacht nicht ursächlich war, auch andere Kanäle und Leitungen sind nicht verantwortlich. Dies wurde im Gutachten ausreichend dargestellt. Als mögliche Ursachen kristallisierten sich altes Wurzelwerk, das verfault war und die Gräben von Wühltieren heraus, die das abfließende Wasser bei dem Starkregenereignis ungünstig zu dem Grundstück leiteten.  

Da gemeindliche Systeme nicht ursächlich waren, sind rein rechtlich betrachtet eigene Maßnahmen der Grundstückseigentümerin zum Eigenschutz vordringlich zu verfolgen.  

Um insgesamt eine Verbesserung herbeiführen, könnte die Gemeinde zusätzlich ein Rückhaltebecken ausführen und so den Wassereintrag reduzieren. Dafür fehlt neben der rechtlichen Verpflichtung der Gemeinde auch der notwendige Grund und Boden, zudem muss auch der Überlauf eines Rückhaltebeckens geregelt abgegeben werden, was entsprechende Möglichkeiten voraussetzt. Gleichzeitig möchte sich die Gemeinde einer möglichen Verbesserung der Situation durch eigene Maßnahmen nicht dauerhaft verschließen. 

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ein schuldhaftes Verhalten seitens der Gemeinde nicht vorliegt. Auch würde übertriebener Aktionismus keine sachgerechte Lösung liefern. Aus diesem Grund sollen nun die Ergebnisse des Sturzflutrisikomanagements abgewartet werden. Dies hätte den Vorteil, dass die Gesamtsituation des Bereichs hinsichtlich des Sturzflutrisikos bewertet wird und ggf. empfohlene und sinnvolle technische Maßnahmen der Gemeinde und der Grundstückseigentümer im Einzelfall durch den Freistaat Bayern gefördert werden könnten. 

Beschluss

Nach Vorliegen der Ergebnisse des Integralen Sturzfluten-Management werden weitere Maßnahmen zur Verbesserung umgesetzt.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 16, Dagegen: 0

Datenstand vom 04.01.2024 16:17 Uhr