Ausgangslage
Mit Schreiben vom 22.11.2022 beantragten die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, UwB und SPD zu einer „Spät-Nacht-Abschaltung“ der Straßenbeleuchtung im Gemeindegebiet Pettendorf.
Begründet wurde der Antrag mit der damaligen Krisensituation und den damit verbundenen Anforderungen an Energie- und Kosteneinsparungen. Der Vorschlag umfasste die Abschaltung in einem Zeitraum zwischen 1:00 Uhr und 5:00 Uhr. Gefahrenbereiche, z. B. Treppen oder Bereich Feuerwehr sollen nicht von der Sparmaßnahme betroffen sein.
Der Antrag wurde als Anlage beigefügt.
Mit 14 : 3 Stimmen wurde in der Sitzung am 01.12.2022 nachfolgender Beschluss gefasst:
Im Rahmen der Geschäftsordnung wird beantragt den ursprünglichen Beschlussvorschlag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, UwB und SPD wie folgt zu ändern:
Die Verwaltung wird beauftragt in Zusammenwirken mit den Netzbetreibern zu prüfen, inwieweit eine Spätnachtabschaltung technisch und zeitlich möglich ist und welche wirtschaftlichen Einsparungen erreichbar sind. Dem Gemeinderat zeitnah über das Ergebnis zu berichten.
BAYERNWERK
Im Gemeindegebiet Pettendorf sind derzeit 323 Leuchten des Bayernwerks im Einsatz. Diese sind alle mit LED-Technologie ausgestattet.
High-Tech LED mit Dimmung
241 Leuchten verfügen über hochwertige LED-Technik, davon 237 Leuchten, die bei 100%iger Leistung nur 17 Watt bis 26 Watt verbrauchen. Drei weitere High-Tech-Leuchten benötigen 38 Watt, eine Leuchte verbraucht 51 Watt. Alle diese Leuchten haben zusätzlich ein Dimmprofil, so dass zwischen 1 Uhr bis 5 Uhr morgens nur 50% Leistung abgerufen werden.
Retrofitmodule
Die restlichen 82 Leuchten des Bayernwerks sind sog. Retrofitmodule, die nachträglich mit LED-Leuchten ausgestattet wurden. Diese Leuchten sind nicht dimmfähig.
Von den 82 Leuchten sind 39 Lampen mit einer Leistung von 35 Watt und 43 Lampen mit einer Leistung von 23 Watt versehen.
Stromeinsparpotentials der Nachabschaltung im Bereich Bayernwerk (ohne Kostenbetrachtung):
Bei den High-Tech LEDs würde wegen der bereits erfolgten Dimmung für den Zeitraum zwischen 1 Uhr bis 5 Uhr morgens „nur“ ein zusätzliches Einsparpotential von ca. 3.520 KWh im Jahr erreicht.
Bei den Retrofitmodulen ergäbe sich ein Einsparpotential von ca. 3.440 kWh jährlich.
Insgesamt beträgt das Stromeinsparpotential 6.960 kWh.
Einsparpotential monetär (ohne Umrüstkosten):
Bei einer Nachtabschaltung im Zeitraum zwischen 1 Uhr und 5 Uhr morgens würde im Bereich des Bayernwerks eine Stromkostenersparnis für 6.960 kWh erreicht. Legt man den aktuellen Strompreis von 0,40 €/kWh zugrunde, ergibt sich ein Einsparpotential von 2.784 € jährlich.
Umrüstkosten
Um die 323 Leuchten des Bayernwerks für die Nachtabschaltung technisch vorzubereiten, müssen an den 12 Schaltstellen für die Beleuchtung Umrüstarbeiten ausgeführt werden. Diese werden mit ca. 150 € pro Schaltstelle veranschlagt. Diese entspricht 1.800 € einmalig.
Hinzu kommen Kosten für die Markierung der Brennstellen, da diese bei einer Nachtabschaltung mit einem sog. Laternenring zu versehen sind = Verkehrszeichen (394 "Laternenring") in der Straßenverkehrsordnung (Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Hierfür fallen Kosten in Höhe von 20 € pro Brennstelle an, entsprechend 6.460 € für 323 Leuchten.
Einsparpotential der Nachtabschaltung BAYERNWERK monetär bei Vollkostenbetrachtung
Bereich REWAG
Für den Bereich der REWAG liegt eine andere Ausgangslage vor, da hier zuerst eine umfassende Umstellung von 176 Leuchten auf LED-Technologie erfolgen muss.
Die REWAG kalkuliert hierfür mit Kosten in Höhe von 157.920,03 € netto (187.924,84 € brutto) für die LED mit Reduzierung der Lichtleistung von 22 Uhr bis 6 Uhr um 50 % bis zu 169.466,46 € netto (=201.665,09 € brutto) mit Reduzierung von 22 Uhr bis 6 Uhr und Halbnachtschaltung (=Spätnachtabschaltung) von 0 Uhr bis 5 Uhr.
Um die Entscheidung über die Spätnachtabschaltung losgelöst von der Entscheidung zur Umstellung auf LED-Technologie treffen zu können, wird nachfolgend davon ausgegangen, dass in 2024 alle REWAG-Leuchten auf LED-Technologie umgestellt werden, d. h. es sind im Vermögenshaushalt 2024 losgelöst von der Thematik Spätnachtabschaltung ca. 188.000 € bereitzustellen. Bereits durch diese Umstellung würden für den Bereich der REWAG jährlich 25.569 kWh eingespart!
„Hypothese“ der Spätnachtabschaltung künftiger LED-Leuchten REWAG
Der Stromverbrauch bei LED-Technik liegt im „Standardbetrieb“ im Bereich REWAG bei 11.632 kWh. Bei einer zusätzlichen Halbnachtabschaltung wird dieser Verbrauch auf 6.287 kWh reduziert. Dies entspricht für den Bereich der REWAG ein Einsparpotential (max.) in Höhe von 5.345 kWh. Legt man zu Vergleichszwecken 0,40 €/kWh zugrunde, entspricht dies einem jährlichen Einsparpotential von 2.138 €.
Um die Halbnachtschaltung bzw. Spätabschaltung zu realisieren sind gegenüber der „einfachen“ LED-Umstellung Kosten in Höhe von 13.740,29 € brutto zusätzlich erforderlich. Für die Markierung wurden von der REWAG keine Kosten benannt. Jedoch fallen diese laut Auskunft der REWAG an, müssten jedoch kalkuliert werden. Zur Vereinfachung werden analog die Kosten des BAYERNWERKS angesetzt.
Einsparpotential der Nachtabschaltung REWAG monetär bei Vollkostenbetrachtung (ohne Umstellkosten)
Gesamtbetrachtung
Betrachtet man den Gewinn- und Verlustvortrag der Nachtabschaltung im Gesamtgebiet (REWAG u. BAYERNWERK), ist ab dem 7. Jahr ein Einspareffekt betriebswirtschaftlich zu erwarten.
Nichtmonetäre Aspekte der Nachabschaltung
Nichtmonetäre Nachteile
Verkehrssicherungspflicht
Verkehrssicherungspflicht und die sicherheitsrechtliche Beleuchtungspflicht aus Art. 51 Abs. 1 BayStrWG belassen es weitgehend dem Ermessen der Gemeinden, wie und wie lange Straßen beleuchtet werden; auch das stundenweise Abschalten der Straßenbeleuchtung in der Nacht hängt vom Ermessen der Gemeinde ab.
Zunächst spricht das Bayerische Straßen- und Wegegesetz in Art. 51 Abs. 1 Satz 1 zwar von einer Beleuchtungsverpflichtung, relativiert wird dies jedoch durch die Einschränkung, dass es von der Leistungsfähigkeit der Kommune sowie den örtlichen Gegebenheiten (insb. die Bedeutung der Straße für den Verkehr) abhängt, ob eine dauerhafte Beleuchtung notwendig ist.
Durch die Nachtabschaltung im Zeitraum zwischen 1 Uhr und 5 Uhr wird objektiv eine deutliche Verdunkelung des öffentlichen Verkehrsraums erfolgen, dass – vor allem auch bei den im Herbst und Winter häufig vorhandenen Nebellagen - mit folgenden Nachteilen einhergehen kann:
- Subjektives Unsicherheitsempfinden
- Erhöhung von Unfallgefahren für den nächtlichen Verkehr, insbesondere für Fußgänger, z. B. Hundeführer, Spätheimkehrer, Berufstätige im Schichtdienst, Zeitungszusteller
- Gefahr der Desorientierung vor allem bei älteren Personen, da eine erhebliche Dunkelheit im ländlichen Siedlungsbereich zu erwarten ist
- Schlechtere Orientierung im Straßenverkehr, insbesondere auch für ortsfremde Rettungs- und Sicherheitskräfte, z. B. Notärzte, Krankenwagen, etc.
- (stat. unwahrscheinlich) Verschlechterung der objektiven Sicherheit für Eigentum und körperliche Unversehrtheit durch Einbruch, Diebstahl, sexuelle Übergriffe, etc.
Alles unter dem Vorzeichen einer grundsätzlichen Verkehrssicherungspflicht durch die Gemeinde auf Grundlage des Art. 51 BayStrWG.
Kritische Erfahrungen aus der Periode 2003 bis 2004
Im Übrigen wird auf die bereits in den Jahren 2003-2004 geführten emotional und sehr kontrovers geführten Diskussionen innerhalb der Bürgerschaft zu dieser Thematik verwiesen. In Neudorf und Mariaort wurden seinerzeit 700 Unterschriften gegen die Halbnachtabschaltung gesammelt. Seit 01.10.2005 wurde wieder auf Ganznachtschaltung umgestellt.
Nichtmonetäre Vorteile
Mögliche Reduzierung der Lichtverschmutzung
Licht, welches auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkt, ist eine Immission nach § 3 Abs. 2 BImSchG. Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind Immissionen, also auch Licht, schädliche Umwelteinwirkungen, wenn sie nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Straßenbeleuchtung de jure keine unzulässige (Licht)Immission im Sinne des BImSchG darstellt, soweit sie nach dem Stand der Technik (=Zustand in Pettendorf) aufgeführt wurde.
Die Stadt Wien, die derzeit eines der größten Projekte Europas zum Thema „Reduzierung der Lichtverschmutzung“ durchführt, informiert im Rahmen ihres Projektes zur Lichtverschmutzung wie folgt:
Lichtverschmutzung bezeichnet die Aufhellung des Nachthimmels durch künstliches Licht. Das kann negative Auswirkungen auf Flora und Fauna sowie die Gesundheit von Menschen haben.
Die Ursachen der Lichtverschmutzung reichen von der Straßenbeleuchtung, der Anstrahlung von Denkmälern und Gebäuden, der Geschäftsbeleuchtung bis hin zu den Lichtquellen aus privaten Gebäuden.
Die Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf die Menschen sind vielfältig. Der Hell-Dunkel-Rhythmus ist wichtig für den Schlaf des Menschen. Kommt es hier zu Störungen, kann der Hormonhaushalt beeinträchtigt werden. Schlafstörungen können Mitauslöser für Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht sein.
Konsequenterweise lässt sich die Situation einer 1,8 Millionen-Einwohner-Metropole nicht mit Pettendorf vergleichen, jedoch geht auch von der Straßenbeleuchtung in Pettendorf unstrittig eine „Lichtbelastung“ aus, die sich auf die Umwelt auswirken kann.
Einsparung von CO2
Die Erzeugung einer Kilowattstunde Strom verursachte 2022 durchschnittlich 363 Gramm CO2 (Quelle REWAG).
Dies entspricht für den Bereich der Straßenbeleuchtung Bayernwerk einem Einsparpotential von 2.526.480 Gramm CO2, entsprechend 2,526 Tonnen CO2 im Falle der Nachtabschaltung. Vergleichbar ist dieses Einsparpotential mit dem CO2-Ausstoß von zwei Kleinwagen (PKW) im Jahr.
Für den Bereich der REWAG liegt das Einsparpotential bei Umsetzung der Halbnachtschaltung (Variante 4) bei 11 Tonnen jährlich.
Insgesamt werden ca. 13,5 Tonnen CO2 eingespart. Zum Vergleich - ein Vier-Personen-Haushalt stößt bei einem Heizölverbrauch von 3.000 Liter im Jahr ca. 8,5 Tonnen CO2 aus.
Fazit
Die Spätnachtabschaltung ist sowohl für den Bereich des BAYERNWERKS als auch der REWAG technisch möglich. Einsparpotentiale sind nachweisbar.
Die Umstellung auf die Spätnachtabschaltung ist nur dann sinnvoll und möglich, wenn dies für das gesamte Gemeindegebiet erfolgt. Eine selektive Umstellung wie im ursprünglichen Antrag angedacht (Ausnahme von z.B. Treppenanlagen, Feuerwehrbereichen etc.) wurde aufgrund der Komplexität nicht betrachtet. Daher müssen zuerst alle Straßenlampen auf LED umgestellt werden. Im ersten Schritt sind daher investive Ausgaben in Höhe von ca. 201.000 € für den Bereich der REWAG erforderlich.
Im Haushaltsplan 2023 sind für die Erneuerung der Straßenbeleuchtung 50.000 € bereitgestellt worden. Diese Mittel reichen nicht aus, die notwendige technische Umstellung zu finanzieren. Auch stehen der Gemeinde keine Restmittel zur Verfügung, eine überplanmäßige Ausgabe von 150.000 € zu finanzieren.
Es wäre daher auch erforderlich eine Entscheidung zur Umsetzung der Straßenbeleuchtung für den Bereich REWAG auf LED herbeizuführen und diese Mittel im Haushalt 2024 einzuplanen. Hierfür ist die Einholung eines aktualisierten Angebotes erforderlich und ist für die Behandlung im Dezember 2023 vorgesehen.