Familienarbeit in Poing; Antrag auf Erhöhung des Festzuschusses vom Familienzentrum Poing e.V.


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses - Haushalt, 05.11.2024

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Haupt- und Finanzausschuss Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses - Haushalt 05.11.2024 ö beschließend 3

Sachverhalt

Allgemein: Familienzentren allgemein sind niedrigschwellige Anlaufstellen im Sozialraum. Sie stellen inklusive und partizipative Angebote für Familien zur Verfügung und sie begleiten und entwickeln im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe gemäß § 16 SGB VIII, § 22 SGB VIII und 
§ 22a SGB VIII – „Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie“ diese Angebote weiter. Familienzentren leisten einen wichtigen Beitrag zur Familienbildung und sind erster Anlaufpunkt für Familien bei Beratungs- oder Unterstützungsbedarf. Sie funktionieren als Schnittstelle für Fach- und Beratungsstellen. Zudem bilden sie Netzwerke für Familien - auch generationsübergreifend. Des Weiteren bieten sie präventive und inklusive Angebote für Familien und Kinder an. Im Landkreis Ebersberg gibt es lediglich zwei Familienzentren. Deren Anzahl ist in den letzten Jahren von sieben auf zwei im Landkreis zurückgegangen. Zum Vergleich:  Im Landkreis München existieren acht Familienzentren. Die Partizipation von ehrenamtlichen Engagierten und die offenen Treffs bilden das Herzstück eines jeden Familienzentrums.

ZiM - Zentrum in der Mitte (Familienzentrum Poing e.V.): 
Der Familienzentrum Poing e.V. wurde im Jahr 1988 gegründet und ist seit Jahren stets ein zuverlässiger Partner im Bereich der Familienbildung, insbesondere auch in Krisensituationen 
(z. B. Ukrainekrise, Flüchtlingswelle etc.) und bot jedes Mal seine Unterstützung an bzw. reagierte bedarfsbedingt und setzte neue Angebote schnell um. Aktuell beträgt die Mitgliederzahl ca. 1184.
Im Zeitraum von November 2021 bis Januar 2024 erfolgte eine interne Neugliederung des Vereines. In diesem Zusammenhang wurde der Verein durch die fachliche Begleitung einer externen Organisationsberatung neu strukturiert und befindet sich fortwährend in der Weiterentwicklung von verschiedenen Bereichen (z. B. Ausbau der Angebote, Digitalisierung und Differenzierung der einzelnen Fachbereiche Kita - ZiM).

Mit Beschlussfassung vom 12.11.2013 (Haupt- und Finanzausschuss) wurde ein jährlicher Festzuschuss seitens des Gemeinderates in Höhe von 5.000 EUR unter Voraussetzung eines detaillierten Leistungskataloges bewilligt, der als Anlage beigefügt ist. 

Dieser Leistungskatalog ist bereits deutlich veraltet bzw. ist grundsätzlich abhängig von dem jeweiligen Bedarf der Familien und somit nicht fest planbar. Die stets weiterzuentwickelnden Angebote richten sich nach den Bedürfnissen der Familien, so dass eine Planbarkeit z. B. von Zwillingsstammtischen nur funktioniert, wenn der Bedarf wirklich besteht. U. a. erfolgen kurzfristige Angebote bei unvorhergesehenen Ereignissen wie z. B. integrative Gruppenangebote bei Flüchtlingswellen und/oder generationsübergreifende Projekte (Allianzpartner für das gemeindliche Demenzprojekt Vitamin-D). Auch ist der Second-Hand-Laden seit Jahren ein wichtiger Bestandteil des ZiM und eine zuverlässige niedrigschwellige Anlaufstelle für Familien in Poing, der durch Ehrenamtliche betreut wird (dreimal die Woche). Er ist jedoch bisher nicht im Leistungskatalog berücksichtigt worden. Soziale Arbeit ist grundsätzlich nicht messbar, daher sind „starre“ Vorgaben in einem Leistungskatalog für den sozialen Bereich nicht möglich bzw. nicht festlegbar, da die Bedürfnisse der Zielgruppen nicht planbar sind.
Mit der Neustrukturierung des Vereines wurde in Zusammenarbeit mit der Verwaltung in acht Abstimmungsterminen das pädagogische Konzept und die weitere Vorgehensweise erarbeitet (siehe Anlage: Pädagogisches Konzept). 
Grundsätzlich obliegt die Federführung und die Zuständigkeit gemäß dem Achten Sozialgesetzbuch allgemein bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, d. h. die Förderung von Familienzentren erfolgt grundsätzlich durch die Landkreise in Zusammenarbeit mit den Kommunen, bei dem durch den regelmäßigen Austausch die Bedürfnisse der Familien im Sozialraum beobachtet und die Angebote aktualisiert werden.

Der Freistaat Bayern hat im Jahr 2021 eine entsprechende Förderrichtlinie zur strukturellen Weiterentwicklung kommunaler Familienbildung und von Familienstützpunkten erlassen, wobei dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe Fördermittel zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang ist es seitens des Gesetzgebers ausdrücklich gewünscht, bestehende Familienzentren vor Ort einzubinden und diese dafür finanziell zu unterstützen. Nach Aktenlage ist der Landkreis Ebersberg einen anderen Weg gegangen und hat mit Konzept vom Mai 2019 die Entwicklung der Familienstützpunkte in eigener Hand bzw. in eigener Umsetzung geplant. 
Aktuell besteht ein Beratungsangebot im Bürgerhaus vom Landkreis Ebersberg mit jeweils einer Stunde pro Woche. Die Erweiterung des Angebotes ist auch in diesem Fall abhängig von einer guten Personaldecke.  

Anmerkung: zum Konzept: Die im Familienstützpunktkonzept seitens des Landkreises Ebersberg beschriebenen Maßnahmen (Ausnahme Fachberatungen) werden teilweise vom ZiM bereits seit Jahren angeboten (Angebote der Familienbildung und Beratungen, Familienfreizeit und -erholung), hierzu erfolgen auch bereits Kooperationen mit Fachstellen.

Etwaige Zuschüsse bzw. Kooperationen seitens des Landkreises Ebersberg an freie Träger sind bisher auf spezifische Angebote bzw. Kooperationen bezogen, vorausgesetzt der Bedarf ist gegeben. 

Im Vergleich dazu werden im Landkreis München die Personalkosten und Sachkosten mit jeweils 50 Prozent vom Landkreis und 50 Prozent von der Kommune für Familienzentren gefördert. Im Landkreis Ebersberg existiert eine vergleichbare Förderrichtlinie bisher nicht. Auf Anfrage seitens der Verwaltung, ob eine entsprechende Förderrichtlinie seitens des Landkreises geplant sei, wurde mitgeteilt, dass es vorerst bei den Einzelfördermaßnahmen bleibe. 

Mitgliedsbeiträge ZiM: 
Die Mitgliedsbeiträge des Vereines wurden letztmalig zum 01.01.2019 von 24,00 Euro auf 30,00 Euro/Familie/Jahr erhöht. Alleinerziehende zahlen 15,00 Euro/Jahr. Der Vereinszugang soll laut der Rahmenbedingungen des Bundesverbandes der Familienzentren e.V. niedrigschwellig bleiben, um allen Familien aus allen sozialen Schichten den Zugang zu gewährleisten. Eine Mitgliedspflicht für die Inanspruchnahme der offenen und niedrigschwelligen Angebote besteht grundsätzlich nicht. U. a. gibt es im offenen Treff auch keinen Verzehrzwang; weitere offene Angebote beispielhaft genannt: Alleinerziehenden-Treff, Stilltreff, Dialoggruppe, Familienfeste, Bazare usw., kostenfreie Bastelangebote im offenen Treff, Kinderfasching etc.  
Grundsätzlich sollen Mitgliedsbeiträge für Mütter- und Familienzentren weiterhin niedrigschwellig bleiben, um vor allem sozialschwächere Familien erreichen zu können. 

Offener Treff: 
Gerade der offene Treff ist das Herzstück eines jeden Familienzentrums. Durch den Landesverband Mütter- und Familienzentren in Bayern e.V. wird nochmals die Bedeutung eines offenen Treffs durch eine staatliche Förderung deutlich gemacht. In den Richtlinien wird der offene Treff wie folgt definiert: feste offene Anlaufstelle zum gegenseitigen Kenntnis- und Erfahrungsaustausch in Erziehungs- und Lebensfragen, gegenseitige Hilfen im Laienprinzip sowie ergänzende soziale Dienstleistungen (z. B. Betreuung von Kindern parallel zum offenen Treff). Die Förderung erfolgt pro geleistete Ehrenamtsstunde (derzeit rund 3,80 EUR) als Festbetrag ohne etwaige Mehrkosten abzudecken.
Der Bedarf für weitere Öffnungszeiten hat sich in Poing gesteigert, so dass der Verein bereits seit Jahren an fünf Tagen in der Woche geöffnet hat. Auch hier sind förderbedingt die Preise niedrigschwellig zu halten. Die Besucherzahl im offenen Treff/pro Monat liegt aktuell bei 400 Personen, die Besucherzahlen sind nach der Coronakrise wieder stetig ansteigend.

In diesen Zusammenhang ist anzumerken, dass die Gemeinde bereits seit Jahren in der Kinder- und Jugendarbeit ein freiwilliges, niedrigschwelliges und offenes Angebot anbietet (Jugendzentrum) und zusätzlich seit 2022 im Bereich der Seniorenarbeit (offener Treff im Seniorencafé). Der Familienzentrum Poing e.V. schließt bereits seit Jahren die Lücke zwischen der Kinder- und Jugendarbeit sowie den Angeboten für Senioren und spricht damit den größten Teil der Poinger Bevölkerung mit ihren Angeboten an. Würde die Gemeinde eigenständig dieses Angebot durchführen, ist der finanzielle und personelle Aufwand um ein Vielfaches höher. 

Der Familienzentrum Poing e.V. stellte am 17.05.2024 einen Antrag auf Erhöhung des Festzuschusses, diesen ab Kalenderjahr 2023 auf 15.000 EUR zu erhöhen. Die Jahresrechnung und der Leistungskatalog für die zuschussfähigen Angebote wurden in diesem Zusammenhang vorgelegt und von der Verwaltung geprüft. 
Nach mehreren Abstimmungsgesprächen mit dem Verein und der Verwaltung wurde eine etwaige Anpassung des Festzuschusses in zwei Stufen vorbereitet, vorbehaltlich der Genehmigung des Gremiums: 

Erste Stufe für die Jahre 2023 und 2024: 
Durch die bereits erfolgte Anpassung/Erweiterung des Angebotes im ZiM soll der Festzuschuss um 5.000 EUR auf insgesamt 10.000 EUR für das Jahr 2023 rückwirkend angehoben werden. Begründung siehe auch Antragsschreiben und Vergleichstabelle, was der Verein seit 2013 bisher weiterentwickeln konnte. Der bisher festgelegte Zuschuss in Höhe von 5.000 EUR wurde noch nicht an den Verein für das Jahr 2023 ausbezahlt. Die Auszahlung des Zuschusses erfolgt jeweils nach Jahresschluss. Mit der ersten Stufe der Erhöhung soll der Erweiterung der Angebote bzw. bisher nicht berücksichtigten Angebote (wie der Secondhandladen) seitens des Vereines Rechnung getragen werden, gerade auch in den letzten Jahren, in denen die Kostensteigerungen (Inflation) jeden betroffen haben.

Zweite Stufe ab dem Jahr 2025: 
Ab dem Jahr 2025 soll eine Kooperationsvereinbarung mit der Verwaltung befristet abgeschlossen werden und den bisherigen Leistungskatalog dadurch ablösen. Die Kooperationsvereinbarung soll eine gemeinsame Orientierung mit Beibehaltung von Flexibilität und situationsangemessenen Handlungsspielräumen darstellen, ebenso soll für beide Kooperationspartner eine Verbindlichkeit mit strukturellen Rahmen Sicherheit bieten. Die Kooperationsvereinbarung liegt als Muster der Beschlussvorlage anbei.
Bei der zweiten Anhebung des Festzuschusses auf 15.000 EUR wird eine erste kommunale Bedarfserhebung im Bereich Familienbildung zeitnah umgesetzt (1. Quartal Anfang 2025), so dass der Bestand am bisherigen Angebot und der Bedarf der Poinger Familien überprüft werden kann (Ist-Bestandsanalyse). 

Die Verwaltung stellt sicher, dass die Weiterentwicklung des Konzeptes bzw. der örtliche Bedarf regelmäßig überprüft werden. Die Verwaltung kann somit prozessbegleitend dem Verein zur Seite stehen. Hierzu werden ab 2025 mindestens zweimal pro Jahr Abstimmungstermine mit der Verwaltung stattfinden. Des Weiteren wird seitens der Verwaltung versucht, den Landkreis Ebersberg nach und nach enger einzubinden.

Gemeinsam mit dem Verein werden regelmäßige Elternbedarfserhebungen (turnusgemäß alle 3 Jahre) durchgeführt. Die gemeinsame Erhebung standardisierter Daten und die daraus folgenden Auswertungen (Elternbefragung) sollen zu einer Qualitätssicherung beitragen. Unabhängig davon hat der Verein die Ideenbörse geschaffen, sodass auch kurzfristige Bedarfe seitens der Familien wahrgenommen werden können. 
Die Kooperationsvereinbarung wird vorerst auf drei Jahre befristet geschlossen, im Anschluss erfolgt eine Evaluierung hinsichtlich der Entwicklung der Familienarbeit, diese wird 
dem Haupt- und Finanzausschuss vorgestellt. Je nach Ergebnis erfolgt eine weitere Verlängerung um drei Jahre. Eine kürzere Laufzeit ist im Bereich sozialer Arbeit nicht sinnvoll, da gerade Beziehungsarbeit, Strukturveränderungen und Zielgruppenarbeit eine gewisse Anlaufzeit benötigen, um sich zu etablieren. 
Des Weiteren obliegt der Verwaltung ein Prüfungsrecht bei den Verwendungsnachweisen. 

Zusammenfassung und Empfehlung der Verwaltung: 
Gemäß der Einwohnerprognose Poing wächst die Gemeinde Poing auf ca. 20.000 Einwohner weiterhin an. Gerade die Bevölkerungsstruktur in den neuen Wohngebieten besteht überwiegend aus Familien mit unterschiedlichen Bedürfnissen jedoch vermehrt ohne familiäre Wurzeln im Ort. 
Die Gemeinde Poing ist/wird im Vergleich zu den größeren oberbayerischen Gemeinden gemäß dem Bayerischen Landesamt für Statistik bis zum Jahr 2039 die jüngste Bevölkerung im Landkreis Ebersberg mit einem Durchschnittsalter von 41,7 Jahren haben (Demographie-Spiegel im August 2021 – Bayerisches Landesamt für Statistik).
Die Verwaltung sieht die Notwendigkeit, dass ein zentraler wohnortnaher Anlaufpunkt in der Gemeinde für alle, jedoch insbesondere für Familien, weiterhin sichergestellt und nach Bedarf ausgebaut werden soll. Der Verwaltung ist bewusst, dass dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe in erster Linie die Zuständigkeit obliegt, jedoch ist es gerade in einer familienfreundlichen Gemeinde wie Poing weiterhin wichtig, einen zuverlässigen Partner im Bereich der Familienarbeit an der Seite zu haben und finanziell zu unterstützen, um den Bedarf der Familien zuverlässig abzudecken. Daher empfiehlt die Verwaltung, die Anhebung des Festzuschusses in zwei Stufen. 

Beschlussvorschlag

  1. Der Erhöhung des Festzuschusses in Höhe von 10.000 EUR für die Kalenderjahre 2023 und 2024 wird zugestimmt/nicht zugestimmt.

  1. Der befristeten Kooperationsvereinbarung ab dem Kalenderjahr 2025 mit einem Festzuschuss in Höhe von 15.000 EUR wird zugestimmt/nicht zugestimmt.

Finanzielle Auswirkungen

HH-Stelle 46200.678000; die Mittel sind im Haushaltjahr 2024 mit Vermerk „vorbehaltlich Beschlussfassung“ veranschlagt worden. Durch die Auszahlungsumstellung ab 2025 muss einmalig ein Betrag von 25.000 EUR veranschlagt werden, da die Abrechnung für 
das Jahr 2024 noch nicht erfolgt ist. Für die Haushaltsjahre 2026 und 2027 erfolgt jeweils eine Mittelveranschlagung in Höhe von 15.000 EUR.

Auswirkungen auf den Klimaschutz

       ja, positiv
       ja, negativ
X        nein

Beschluss 1

Der Erhöhung des Festzuschusses in Höhe von 10.000 EUR für die Kalenderjahre 2023 und 2024 wird zugestimmt.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 10, Dagegen: 1

Beschluss 2

Der befristeten Kooperationsvereinbarung ab dem Kalenderjahr 2025 mit einem Festzuschuss in Höhe von 15.000 EUR wird zugestimmt.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 10, Dagegen: 1

Datenstand vom 28.11.2024 23:03 Uhr