BauGB-Novelle 2021 (Baulandmobilisierungsgesetz)


Daten angezeigt aus Sitzung:  Bau-, Planungs- und Ortsentwicklungsausschuss, 25.10.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bau-, Planungs- und Ortsentwicklungsausschuss (Gemeinde Schäftlarn) Bau-, Planungs- und Ortsentwicklungsausschuss 25.10.2021 ö 6.1

Sachverhalt

Nach langer und intensiver Debatte ist das Baulandmobilisierungsgesetz (BauGB-Novelle 2021) am 23.06.2021 mit den nachfolgend dargestellten Zielsetzungen in Kraft getreten:
  1. Gemeindliche Vorkaufsrechte, §§ 24 ff. BauGB

Gemeinden können auf Basis einer Änderung des § 24 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ihr Vor­kaufs­recht an unbebauten Wohnbaugrundstücken nun auch ausüben, wenn diese zu erkennbar vorläufigen Zwecken bebaut sind. 
Ferner wurde ein neuer Tatbestand (§ 24 Abs. 1 Nr. 8 BauGB) geschaffen, nachdem im Einzel­fall Vorkaufsrechte auch an Grundstücken ausgeübt werden können, auf denen eine sogenannte „Schrottimmobilie“ steht oder sonst ein städtebaulicher Missstand im Sinne des § 136 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 vorliegt. 
In § 24 Abs. 3 BauGB wird nunmehr geregelt, dass auch eine Deckung des Wohnbedarfs in der Gemeinde dem Wohl der Allgemeinheit dienen kann. 
Weiterhin wird in § 25 BauGB eine neue Rechtsgrundlage für eine Vorkaufsrechtssatzung geschaffen, mit der das Vorkaufsrecht an unbebauten und brachliegenden Grundstücken begründet werden kann, wenn der Wohnungsmarkt dies erfordert. Die Vorschrift muss allerdings erst durch eine Landesverordnung aktiviert werden.* Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts wurde von zwei auf drei Monate erhöht. Schließlich wurden Verbesserungen bei der Ausübung des sogenannten preislimitierten Vorkaufsrechts geschaffen.

  1. Befreiungsmöglichkeit erweitert, § 31 BauGB

§ 31 Abs. 3 BauGB erweitert die Befreiungsmöglichkeiten von Bebauungsplänen, wenn dies der Schaffung von Wohnraum dient. Die Vorschrift ist allerdings bis zum 31.12.2026 befristet und sie muss erst durch eine Landesverordnung „aktiviert“ werden.* Schließlich darf die Landesverordnung und damit die Befreiungsmöglichkeit nur Gebiete umfassen, in denen ein angespannter Wohnungsmarkt im Sinne des neuen § 201a BauGB vorliegt.

  1. Sektoraler Bebauungsplan, § 9 Abs. 2d i. V. m. § 34 BauGB 

Mit dem neuen sogenannten sektoralen Bebauungsplan können Gemeinden - befristet bis Ende 2024 - künftig auch in unbeplanten Bereichen nach § 34 BauGB Flächen für eine Wohnbebauung festlegen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraum­förderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung einzuhalten.

  1. Verlängerung des § 13b BauGB 

§ 13b BauGB wurde verlängert. Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 gilt § 13a demnach wieder entsprechend für Bebauungspläne mit einer Grundfläche im Sinne des § 13a Absatz 1 Satz 2 von weniger als 10 000 Quadratmetern, durch die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen begründet wird, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach § 13b BauGB kann bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 förmlich eingeleitet werden; der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 zu fassen.

  1. Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, § 250 BauGB

In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt (§ 201a Satz 3 und 4 BauGB) können Städte und Gemeinde die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen für Gebäude mit mehr als fünf Wohneinheiten untersagen. Die Vorschrift muss allerdings durch eine Landesverordnung aktiviert werden, die spätestens mit Ablauf des 31.12.2025 wieder außer Kraft treten muss.*

  1. Städtebauliches Innenentwicklungskonzept, § 176a BauGB

Die Gemeinden können zukünftig ein städtebauliches Entwicklungskonzept beschließen, das Aussagen zum räumlichen Geltungsbereich, zu Zielen und zur Umsetzung von Maßnahmen enthält, die der Stärkung der Innenentwicklung dienen. Entsprechende städtebauliche Innenentwicklungskonzepte sollen dabei insbesondere der baulichen Nutzbarmachung auch von im Gemeindegebiet ohne Zusammenhang verteilt liegenden unbebauten oder brachliegenden Grundstücken dienen.

  1. Neue Gebietskategorie „Dörfliches Wohngebiet“ eingeführt, § 5a BauNVO

Eine Änderung der Baunutzungsverordnung schafft eine neue Gebietskategorie: Die neuen sogenannten Dörflichen Wohngebiete dienen dem Wohnen sowie der Unter­bringung von land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen und nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben. Die Nutzungsmischung muss hierbei nicht gleich­­gewichtig sein.

*Es ist derzeit nicht absehbar, ob und ggf. wann eine entsprechende Landesverordnung in Bayern in Kraft gesetzt werden wird. Aufgrund der zeitlich engen Befristung wäre der Anwendungszeitraum ohnehin nur als sehr begrenzt anzusehen.


  1. Sonstige Änderungen

Auch im Belangekatalog des § 1 Abs. 6 BauGB sowie im Festsetzungskatalog des § 9 BauGB sind durch das Baulandmobilisierungsgesetz Änderungen erfolgt:

8.1 Mobilfunk (§ 1 Abs. 6 Nr. 8 BauGB)

Im Zusammenhang mit den Belangen des Post- und Telekommunikationswesens soll insbesondere der Mobilfunkausbau bei der Bauleitplanung berücksichtigt werden (§ 1 Abs. 6 Nr. 8 BauGB). Das insoweit verfolgte Ziel besteht darin, im Kontext der neuen Technik des 5G-Netzausbaus, eine flächendeckende Mobilfunkversorgung zu stärken. Mit der vorgenommenen Hervorhebung des Mobilfunkausbaus kommt dem Mobilfunk in der Bau­leitplanung ein höheres Gewicht zu.

8.2 Elektromobilität (§ 1 Abs. 6 Nr. 9 BauGB)

Die in § 1 Abs. 6 Nr. 9 BauGB enthaltene Berücksichtigung der Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität werden „im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität“ ergänzt. Die Bestimmung steht im direkten Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB, einer ebenfalls im Sinne der Berücksichtigung der Elektromobilität erfolgten Erweiterung. Hervorgehoben wird die Elektromobilität als Bestandteil einer nachhaltigen Mobilität, jedoch ist die Vorschrift offengehalten, so dass auch weitere Entwicklungen berücksichtigt werden können (z.B. Wasserstoffantriebe oder Brennstoffzellen).

8.3 Grünflächen (§ 1 Abs. 6 Nr. 14 BauGB)

Nach dem neuen § 1 Abs. 6 Nr. 14 BauGB muss bei der Bauleitplanung auch eine ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen berücksichtigt werden. Dieser auf eine nachhaltige Stadtentwicklung54 abstellende Belang stellt gewissermaßen einen Gegenpol zu einer zu hohen Verdichtung dar und trägt überdies auch pandemischen Erfordernissen im Hinblick auf die Ausstattung mit Grün- und Freiflächen Rechnung.

8.4 Flächen für Ladeinfrastruktur für Elektromobilität (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB)

Die in § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB enthaltene Festsetzungsmöglichkeit für Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung wird dahingehend erweitert, dass neben den bislang bereits möglichen Zweckbestimmungen nunmehr auch „Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge“ umfasst sind. Die Regelung greift damit die tatsächliche Entwicklung im Bereich der Elektromobilität auf und schafft eine Rechtsgrundlage für die Fest­setzung von Flächen für Ladeinfrastrukturen. Eine Änderung der Plan­zeichenverordnung wurde nicht vorgenommen, so dass zusätzlich zur zeichnerischen Festsetzung der Flächen ergänzend auf überlagernde Festsetzungen in textlicher Form zurückgegriffen werden muss.

8.5 Flächen für Naturerfahrungsräume (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB)

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB können im Bebauungsplan Grünflächen mit unterschiedlichen Zweckbestimmungen festgesetzt werden. Hier erfolgte eine Erweiterung um „Naturerfahrungsräume“. Da auch diesbezüglich die Planzeichenverordnung nicht geändert worden ist, sind hierfür nur überlagernde textliche Festsetzungen möglich. Natur­erfahrungsräume können sowohl als öffentliche (wohl deutlich überwiegend) als auch als private Grünflächen festgesetzt und abgegrenzt werden. Letzteres ist insbesondere im Zusammenhang mit privaten Kinder- und Jugendbetreuungseinrichtungen wie Kinder­tagesstätten, Kindergärten denkbar. Sie beziehen sich auf naturnahe Freiflächen, auf denen Kinder und Jugendliche ohne die Inanspruchnahme von Geräten und auch ohne Auf­sicht spielen können. Die regelmäßig im direkten Wohnumfeld vorzusehenden Flächen dienen Kindern und Jugendlichen zur Sammlung eigenständiger Natur­er­fahrungen und sind daher für die Persönlichkeits- und Sozialentwicklung sowie der Herausbildung eines eigenen Umweltbewusstseins gedacht.

Datenstand vom 14.02.2024 17:18 Uhr