Neuregelung der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 19.10.2016

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Gemeinde Schäftlarn) Sitzung des Gemeinderates 19.10.2016 ö beschliessend 10

Sachverhalt

Auf Grund von Diskrepanzen zwischen dem EU-Recht (Mehrwertsteuersystemrichtlinie) und dem nationalen Umsatzsteuerrecht war die Bundesregierung gezwungen, die deutsche Gesetzeslage an das EU-Recht in Bezug auf das Umsatzsteuerrecht anzupassen. Dies hat weitreichende Folgen für die zukünftigen steuerlichen Pflichten der Kommunen. 

1. Derzeitige und alte Rechtslage (§ 2 Abs. 3 UStG) 
Nach bisheriger Gesetzeslage wurde die Umsatzsteuerpflicht von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) (u.a. Gemeinden) rein nach dem Vorliegen eines Betriebs gewerblicher Art (§ 2 Abs.3 UStG a.F. i.V. mit § 4 KStG) hin beurteilt. 
Voraussetzungen dafür war das Vorliegen einer Einrichtung, welche eine wirtschaftliche aber keine hoheitliche Tätigkeit ausübt. Des Weiteren müssen Einnahmeerzielungsabsichten vorliegen, der Betrieb nachhaltig betrieben werden und eine wirtschaftliche Bedeutsamkeit vorhanden sein (derzeitige Umsatzhöhe 35.000 €).

Im EU-Recht gelten Gemeinden nicht als Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Umsätzen Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben, vorausgesetzt eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger führt zu Wettbewerbsverzerrungen.

2. Neue Rechtslage ab 01.01.2017
Der Wegfall der Voraussetzungen zum Vorliegen eines Betriebs gewerblicher Art führt nun dazu, dass sämtliche Leistungen der Gemeinde auf privatrechtlicher Ebene grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig werden, d.h. jede Leistungserbringung gegen Entgelt unterliegt künftig der Umsatzsteuerbesteuerung. Als Beispiele hierfür kann z.B. der Verkauf von Ortschroniken, Stammbüchern, eine Inrechnungstellung von Umtrünken im Anschluss an Trauungen, eine Leistungserbringung des Bauhofs gegen Entgelt oder Einnahmen aus dem Verkauf von Abfällen (Papier, Alteisen,…) genannt werden. Die Grenze der Umsatzsteuerpflicht wird zum 01.01.2017 auf einem Umsatz von 17.500 € für gleichartige Tätigkeiten herabgesetzt. Ob Teile der Gemeinde Schäftlarn hierbei betroffen sind, muss erst noch genauer geprüft werden, was mit zusätzlichem Personalaufwand verbunden ist.

Die Anwendung des neuen Umsatzsteuerrechts mit der entsprechenden Steuerpflicht der Gemeinde hat aber auch den Vorteil, dass in den Bereichen, welche künftig der Umsatzbesteuerung unterliegen ein Vorsteuerabzug erfolgen kann. Aus Sicht der Finanzverwaltung wird dies bei den derzeitigen anstehenden Projekten (Bauhof, Feuerwehrhaus, Wohnungsbau, Turnhallensanierung) nicht von Bedeutung sein, da es sich hierbei entweder um rein hoheitliche Aufgaben handelt, bzw. die Vermietung an nicht Gewerbetreibende weiterhin steuerfrei erfolgt. Diese Bereiche sind von der neuen Regelung ausgenommen.
§ 2b Abs. 1 UStG besagt, dass Tätigkeiten von jPdöR, die Ihnen im Rahmen der öffentli­chen Gewalt obliegen (hoheitliche Handlungen), grds. nicht der Umsatzsteuer unterlie­gen, auch wenn in diesem Zusammenhang Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Ab­gaben erhoben werden. Eine Umsatzsteuerpflicht kann hierfür dennoch bestehen, wenn diese Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

§ 2b Abs. 2 UStG definiert, wann keine größere Wettbewerbsverzerrungen vorliegen, nämlich insbesondere dann, wenn der von der jPdöR im Kalenderjahr aus gleichartigen Tätigkeiten erzielte Umsatz voraussichtlich 17.500 € jeweils nicht übersteigt oder wenn vergleichbare auch privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht einer Steuerbefreiung unterliegen.

Nach aktueller Gesetzeslage, muss das neue Recht grundsätzlich ab 01.01.2017 angewandt werden. Es besteht jedoch die Möglichkeit die Anwendung der Gesetzesänderung bis zum 01.01.2021 hinauszuschieben. Dies geschieht durch Abgabe einer sog. Optionserklärung gegenüber dem Finanzamt bis spätestens 31.12.2016. Es bleibt dann bei der aktuellen Gesetzeslage mit der derzeitigen „BgA-Regelung“. Auf Grund derzeitiger sehr schwammiger Gesetzeslage, fehlenden Anwendungshinweisen der Finanzbehörden und derzeit noch unbekannt hohem Verwaltungsaufwand, empfiehlt der Bayerische Gemeindetag, diese Optionserklärung abzugeben und zunächst auf weitere Informationen oder Klarstellungen zu warten. Eine Anwendung des neuen Rechts kann jederzeit durch Abgabe einer neuen Erklärung wieder gegenüber dem Finanzamt mit Wirkung ab 01.Januar des Folgejahres erfolgen. Es ist derzeit noch unklar, ob dies auch rückwirkend für das jeweilige laufende Kalenderjahr möglich sein wird. Sobald sich einmal für das neue Recht entschieden wurde, gibt es kein Zurück mehr zur derzeitigen Gesetzeslage.

Die Abgabe der Optionserklärung bzw. die Anwendung des neuen Rechts ab 01.01.2017 kann nur einheitlich für die Gemeinde erfolgen und nicht nur für Teile davon.

3. Informationsfluss und Umstellungskonzept innerhalb der Verwaltung
Die Finanzverwaltung wird die Führungskräfte über die aktuelle und zukünftige steuerliche Rechtslage informieren und zur Mitwirkung auffordern (Mitwirkungspflicht).

Die oben aufgeführten Änderungen im Steuerrecht erfordern einen hohen Umstellungsaufwand. So müssen zunächst sämtliche Verträge/Vereinbarungen der Gemeinde Schäftlarn gebündelt an die Finanzverwaltung (Kämmerei) zusammengefasst werden, die dann alle Verträge im Hinblick auf die neue Gesetzeslage prüft. Ggf. müsse Verträge in der Überganszeit umgestellt oder um entsprechende Steuerklauseln ergänzt werden. Bei neuen Handlungsfeldern und Vereinbarungen ist die Kämmerei zukünftig zu beteiligen.

Eine zuverlässige Mithilfe der weiteren Organisationseinheiten der Gemeinde ist unumgänglich. Vor der Anwendung des neuen Rechts sind auch noch EDV-technische Änderungen bzw. Anpassungen der Fachverfahren erforderlich, was mit finanziellen Mitteln verbunden ist.

Die oben aufgeführten Änderungen im Steuerrecht erfordern einen hohen Umstellungsaufwand und eine Neuorganisation der gesamten steuerlichen Daten- und Sachverhaltserfassung. Dieser Mehraufwand könnte in den nächsten Jahren einen erhöhten Personalbedarf und den Aufbau eines dafür spezialisierten Steuerfachbereichs innerhalb der Finanzverwaltung erfordern.
Dem steuerlichen Beratungsbedarf der öffentlichen Hand wird in Zukunft noch eine stärkere Bedeutung zukommen als bisher, um alle steuerrelevanten Sachverhalte ordnungsgemäß zu erfassen und beurteilen zu können. Wie bisher wird sich die Gemeinde dabei der Unterstützung des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes bedienen. Allerdings wird dies zu nicht unerheblichen Beratungskosten führen.

Beschluss

1.        Der Gemeinderat beschließt, dass
a) die Gemeinde Schäftlarn als juristische Person des öffentlichen Rechts von der Optionsregelung nach §27 Abs. 22 UStG, für sämtliche von ihr ausgeübten Tätigkeiten für die bisherige maximale Laufzeit der Option und bei einer möglichen Verlängerung auch darüber hinaus Gebrauch macht, und 
b) der § 2 Abs. 3 UStG in der am 31.12.2015 geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem 01.01.2021 ausgeführten Leistungen weiterhin angewendet wird.
2.        Der Bürgermeister wird im Vollzug dieses Beschlusses dazu ermächtigt, die Option auf Anwendung der Übergangsregelung gemäß § 27 Abs. 22 UStG gegenüber den Finanzbehörden bis spätestens zum 31.12.2016 zu erklären.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 18, Dagegen: 0

Datenstand vom 15.02.2024 15:21 Uhr