Erstmalige endgültige Herstellung Spitzstraße - Bebauungsplanersetzender Abwägungsbeschluss gemäß § 125 Abs. 2 BauGB


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 20.06.2023

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Sitzung des Gemeinderates 20.06.2023 ö Beschließend 6

Sach- und Rechtslage

Für die Herstellung von Erschließungsanlagen, für die Erschließungsbeiträge erhoben werden sollen, ist gemäß § 125 Abs. 1 BauGB ein Bebauungsplan voraussetzend. Liegt kein Bebauungsplan vor, so dürfen diese Anlagen gemäß § 125 Abs. 2 BauGB nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen. Die Feststellung der Einhaltung der vorgenannten Anforderungen ist in einem sogenannten bebauungsplanersetzenden Abwägungsbeschluss gemäß § 125 Abs. 2 BauGB zu fassen. Dieser Beschluss ist voraussetzend für eine rechtssichere Erhebung von Erschließungsbeiträgen.   

Im Falle der erstmaligen Herstellung der Spitzstraße (siehe Anlage 1 Übersichtsplan) wurde aufgrund des Nichtvorliegens eines Bebauungsplanes ein bebauungsplanersetzender Abwägungsbeschluss durch den Gemeinderat in der Sitzung am 15.09.2020 gefasst (siehe Anlage 2 Beschluss vom 15.09.2020). Der Beschlussvorschlag wurde unter Hinzuziehung des von der Gemeinde beauftragten und mittlerweile verstorbenen Rechtsanwaltes Dr. Halter erstellt. 

In einem derzeit laufenden anhängigen Verfahren hat das Verwaltungsgericht München im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2023 festgestellt, dass der bebauungsplanersetzende Abwägungsbeschluss vom 15.09.2020 nicht den rechtlichen Anforderungen genügt. Ein schriftliches Urteil bzw. eine Urteilsbegründung stehen bis dato noch aus. 

Auf Anraten des Rechtsanwaltes Dr. Messerschmidt, der mit dem Sachverhalt neu betraut ist, sollte der bebauungsplanersetzende Abwägungsbeschluss wiederholt bzw. neu gefasst werden.

Aus dem bebauungsplanersetzenden Abwägungsbeschluss gemäß § 125 Abs. 2 BauGB muss hervorgehen, dass die erstmalige endgültige Herstellung der Spitzstraße den Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB entspricht. Die vorgenannte Vorschrift umfasst alle Aspekte der planungsrechtlichen Abwägung, die auch bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes abgearbeitet werden müssen. 

Im Einzelnen ist bei der erstmaligen endgültigen Herstellung der Spitzstraße in Bezug auf die Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB folgendes festzustellen: 

Belang 
Abwägung / Bewertung
§ 1 Abs. 4 BauGB
Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.
zu § 1 Abs. 4 BauGB:
Die Spitzstraße verläuft im Wesentlichen auf der schon früher vorhandenen Wegetrasse; es ist nicht ersichtlich, dass durch die jetzt erfolgte endgültige Herstellung Ziele der Raumordnung tangiert werden würden.

§ 1 Abs. 5 BauGB
Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten.
zu § 1 Abs. 5 BauGB:
Es ist nicht ersichtlich, dass die Herstellung der Straße einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung entgegenstehen könnte. Die Maßnahme dient der Erschließung der angrenzenden Grundstücke, darunter auch einem gemeindlichen Projekt des geförderten Wohnungsbaus. 
§ 1 Abs. 6 BauGB
Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:
zu § 1 Abs. 6 BauGB:
Es sind keine der Herstellung der Spitzstraße entgegenstehenden Belange aus dem Katalog des § 1 Abs. 6 BauGB ersichtlich.
1.        allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung
Die Herstellung der Straße wurde entsprechend den anerkannten Regeln der Technik ausgeführt und stellt eine Verbesserung der Wohn- und Arbeitssituation dar (geringere Lärm-/Staubbelastung als vor der endgültigen Herstellung). 
2.        die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung
Die Herstellung der Straße dient der Erschließung aller angrenzenden Wohnbaugrundstücke.
3.        die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung
Eine Berührung des Belangs durch die Herstellung der Straße ist nicht ersichtlich.
4.        die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche
Mit der Herstellung der Straße geht eine verbesserte Erschließung für die angrenzenden Wohnbaugrundstücke sowie eine optimierte Anbindung an die Ortslage Hechendorf einher.
5.        die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes
Eine Berührung denkmalschutzrechtlicher Belange ist nicht ersichtlich. Mit der Herstellung der Straße ist eine optische Aufwertung des Ortsbildes verbunden. 
6.        die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge
Eine Berührung des Belangs durch die Herstellung der Straße ist nicht ersichtlich.
7.        die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a.        die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b.        die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c.        umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d.        umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e.        die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f.        die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g.        die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h.        die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i.        die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j.        unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
Infolge der bereits vorhandenen Wegeführung bestanden bereits vor der erstmaligen endgültigen Herstellung der Straße Belastungen bzw. ein in naturschutzfachlicher Sicht sehr geringwerter Ausgangszustand der Fläche. Eine zusätzliche Verschlechterung ist durch die Maßnahme nicht ersichtlich. 
In Bezug auf Lärmimmissionen konnte durch den Ausbau und die befestigte Oberfläche sogar eine Verbesserung erzielt werden. 
Bei der Herstellung wurde auf eine Minimierung des Versiegelungsgrads geachtet. 
Schutzgebiete sind durch die Maßnahme nicht betroffen.
Eine Berührung oder Beeinträchtigung der übrigen genannten Belange durch die Herstellung der Straße ist nicht ersichtlich.
8.        die Belange
a.        der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b.        der Land- und Forstwirtschaft,
c.        der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d.        des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e.        der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f.        der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
Durch die Straße verlaufen Ver- und Entsorgungsleitungen, die im Zuge der Herstellung der Straße entsprechend gesichert wurden. 
Eine Berührung der übrigen Belange ist nicht ersichtlich.
9.         die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
Die Herstellung der Straße ist für die gesicherte und ausreichende Erschließung der angrenzenden Grundstücke erforderlich. Der zur Ausführung gelangte Ausbau ist auf diesen Umstand ausgelegt und beschränkt sich auf die Abwicklung des Anwohnerverkehrs. Eine Beeinträchtigung der angeführten Belange ist nicht ersichtlich.
10.        die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
Eine Berührung des Belangs durch die Herstellung der Straße ist nicht ersichtlich.
11.        die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
Zum Zeitpunkt der Planung lag kein von der Gemeinde beschlossenes städtebauliches Entwicklungskonzept vor. Hinsichtlich des nach Herstellung der Straße beschlossenen Leitlinienkonzeptes „Seefeld 2035“ gibt es keine Anhaltspunkte, dass die Maßnahme dem Konzept entgegenstehen könnte.
12.        die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
Eine Berührung des Belangs durch die Herstellung der Straße ist nicht ersichtlich.
13.        die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
Eine Berührung des Belangs durch die Herstellung der Straße ist nicht ersichtlich.
14.        die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.
Die Herstellung der Straße wurde auf den erforderlichen Querschnitt gemäß den anerkannten Regeln der Technik beschränkt. Angrenzende Grün- und Freiflächen bleiben von der Maßnahme unberührt.
§ 1 Abs. 7 BauGB
Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
zu § 1 Abs. 7 BauGB:
Im Zuge der Planung der erstmaligen endgültigen Herstellung der Spitzstraße wurden die Anlieger frühzeitig über die Planung informiert und mit einbezogen (siehe Informationsveranstaltung vom 06.07.2017).

Sitzungsverlauf

Die rechtlichen Hintergründe sowie die Erforderlichkeit einer erneuten Beschlussfassung werden von Herrn Bürgermeister Kögel und der Verwaltung erläutert. 

Auf die rechtlichen Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB, deren einzelne Aspekte und Belange dezidiert in der Sach- und Rechtslage zur Beschlussvorlage erläutert werden, wird eingegangen. 

Der Gemeinderat folgt mehrheitlich der Auffassung, dass die zur Umsetzung gelangte Planung der erstmaligen endgültigen Herstellung der Spitzstraße den Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB entspricht.  

Beschluss 1

1.         Der Gemeinderat fasst für den in der Anlage 1 (Übersichtsplan) beigefügten Bereich der Spitzstraße den bebauungsplanersetzenden Beschluss gemäß § 125 Abs. 2 BauGB. Die Anlage 1 (Übersichtsplan) ist Bestandteil des Beschlusses. 

Abstimmungsergebnis
Dafür: 17, Dagegen: 1

Beschluss 2

2.         Der Gemeinderat stellt fest, dass die erstmalige endgültige Herstellung der Spitzstraße den Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB entspricht.  

Abstimmungsergebnis
Dafür: 17, Dagegen: 1

Datenstand vom 16.08.2023 10:42 Uhr