Energie(-Preis)-Krise / hier: Reaktion der Gemeinde Türkenfeld und Maßnahmen zur kurzfristigen Senkung des Energieverbrauchs


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 21.09.2022

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Gemeinde Türkenfeld) Sitzung des Gemeinderates 21.09.2022 ö beschließend 9

Pressetaugliche Texte

Auf den Punkt gebracht:
  • Steigende Energiepreise belasten Gemeinde massiv 
  • Strom und Gas kosten im Jahr 2023 bei gleichbleibendem Verbrauch 590.000 Euro und damit rund 450.000 Euro mehr als in den Vorjahren
  • eisernes Sparen notwendig, da alle Bereiche betroffen (auch Wasser + Abwasser!) 
  • kurzfristig Einsparungen von 30% + x angestrebt / wöchentliches Verbrauchsmonitoring aufgesetzt
  • langfristige Maßnahmen auf den Weg gebracht  

Was viele Privathaushalte derzeit erleben, trifft auch die Gemeinde mit voller Wucht - und teilweise aufgrund der Verbrauchsmengen und Vertragsstrukturen sogar noch deutlicher: Die massiv steigenden Energiepreise. 
Hinzu kommt, dass die Gemeinde aufgrund auslaufender Verträge gezwungen war, in diesem Jahr die Liefervereinbarungen für Gas und Strom neu auszuschreiben. Die Ergebnisse der Ausschreibungen stellen die Gemeinde vor große Herausforderungen, die ein sofortiges Handeln erfordern. 
Haben wir (bezogen auf alle gemeindlichen Liegenschaften, Kindergärten, Schule & Schwimmbad sowie Wasser und Abwasserversorgung, Straßenbeleuchtung & Co.) im Jahr 2021 noch rund 75.000 Euro für Gas bezahlt, werden es im Jahr 2023 vsl. um die 350.000 Euro sein (Jahresverbrauch: circa 1,3 Mio. KWH). Beim Strom zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Hier steigen die Kosten von 65.000 Euro auf 240.000 Euro (Jahresverbrauch: circa 325.000 KWH).
Die damit zu erwartenden Kostensteigerungen von 450.000 Euro stellen die Gemeinde vor große finanzielle Herausforderungen. Zum Vergleich. Mit diesem Geld könnten z. B. sieben Vollzeit-Stellen im Bereich Kindergarten/ Kinderkrippe finanziert werden. 
Auch wenn vertraglich für das Jahr 2024 wieder sinkende Preise mit den Versorgern vereinbart wurden, sind wir auch dann weit entfernt von „Normalwerten“. 

Bezahlt macht sich in dieser Situation, dass der Gemeinderat die Beschaffung dreier Photovoltaik-Anlagen beschlossen hat. Installiert sind diese Anlagen bereits auf den Dächern der Kindergärten Sumsemann und Pfiffikus. Die dritte Anlage soll im Herbst 2022 auf dem Dach des Türkenfelder Feuerwehrhauses entstehen und einen Teil des Stromverbrauchs von Feuerwehr und Rathaus abdecken. Ebenso hilft, dass um das Jahr 2010 herum das komplette Schulgebäude energetisch saniert wurde. Die Schule (und hier insb. das Schwimmbad) ist allerdings auch der größte Energieverbraucher (Anteil am Gasverbrauch der Gemeinde: rund 65% / Anteil am Stromverbrauch: rund 40%, wobei ein Teil des Stromverbrauchs der Schule auch durch die dort verbauten BHKWs zusätzlich selbst produziert wird). In einer von der Gemeindeverwaltung für alle gemeindlichen Gebäude erstellen Verbrauchsübersicht wird deutlich, wo Handlungsbedarf gegeben ist. 

Ein „eisernes Sparen“ von Strom und Gas muss darum kurzfristig das Gebot der Stunde sein. Folgende Maßnahmen wurden auf den Weg gebracht:
1.        Die Gemeinde wird sich vollumfänglich den staatlichen Vorgaben zur Absenkung von Raumtemperaturen in öff. Gebäuden unterwerfen. Unsere Hausmeister werden mit den zuständigen Heizungsbaufirmen für den Herbst Termine vereinbaren, um die Anlagen noch zielgerichteter Steuern zu können. Darüber hinaus wurde ab 1.9. ein wöchentliches Verbrauchs-Tracking aufgesetzt.
2.        In sämtlichen gemeindlichen Liegenschaften finden Begehungen statt um verzichtbare Stromverbraucher zu identifizieren und mindestens zeitweise vom Netz zu nehmen.
3.        Bereits deaktiviert wurde die nächtliche Beleuchtung der Ortsplan-Tafeln; in den nächsten Wochen um eine Zeitsteuerung ergänzt wird die Grund-Beleuchtung an und um das Linsenmanngebäude sowie die Eingangstüre zum Rathaus. 
4.        Das Schwimmbad öffnet im September wie geplant, wird dann aber im Dezember (und damit mit Beginn der Heizperiode) bis auf Weiteres geschlossen. Mit der Schule ist vereinbart, dass in den Monaten September bis November verstärkt Schwimmunterricht (teilweise auch als Blockunterricht) angeboten wird. Hierzu fand aufgrund der Dringlichkeit des Themas ein einvernehmlicher Austausch im Gemeinderats-Kollegium während der Sommerferien in enger Abstimmung mit dem Rektor statt. Parallel zur Schließung des Schwimmbads laufen die Planungen für eine (energetische) Sanierung der Anlage. Kostenschätzungen hierfür sind im Frühjahr 2023 zu erwarten. Im Licht dieser Erkenntnisse muss der Gemeinderat dann über weitere Schritte entscheiden.
Eine Herausforderung ist die Beheizung der Schönbergaula bei heruntergefahrenem Schwimmbad-Betrieb (= Schwimmbad war bisher eine Art „Bodenheizung“ für die Halle). Nach Aussage eines beteiligten Fach-Ingenieurs ist dieses mögliche Problem beherrschbar; ein Ortstermin wurde vereinbart und selbst eine Alternativbeheizung der Aula ist deutlich günstiger als ein Weiterbetrieb des Schwimmbads.  
5.        Alle gemeindlichen Beschäftigten und Nutzer öffentlicher Räume inkl. Schule, etc. wurden  einem Anschreiben aufgefordert, Energie zu sparen bei der Nutzung öff. Gebäude. 

Angestrebt wird, durch die oben genannten kurzfristigen Maßnahmen mind. 30% Energie (= Gas & Strom) im Jahr 2023 einzusparen. Gelingt das, könnte die Gemeinde knapp 180.000 Euro sparen. Geld, das andernorts deutlich besser angelegt ist. 

Über folgende kurzfristige zusätzliche Maßnahme i. B. auf die Straßenbeleuchtung soll der Gemeinderat heute entscheiden:
Eine Prüfung hat ergeben, dass eine Komplettabschaltung der nächtlichen Straßenbeleuchtung wohl haftungsrechtlich nicht ratsam und auch im Hinblick auf das Sicherheitsbedürfnis vieler Bürgerinnen und Bürger nicht verhältnismäßig erscheint (Stellungnahmen Versicherung, Gemeindetag, … wurden eingeholt). 
ABER: Andere Gemeinde im Landkreis (z. B. Maisach) planen, die Straßenbeleuchtung jeweils 30 Minuten später anzuschalten und 30 Minuten früher als bisher auszuschalten. Eine solche Maßnahme hält die Verwaltung für zweckmäßig und gleichzeitig bürgerfreundlich. Gleichzeitig könnten so circa 4.000 – 6.000 kwh Strom (kalkuliert mit dem im Jahr 2023 geltenden Strompreis von rund 75 cent = 3.750 EUR Einsparung im Mittel) eingespart werden. 


Langfristige Maßnahmen:
Schon im Frühjahr 2022 hat der Gemeinderat die Generalsanierung der Straßenbeleuchtung beschlossen. Förderanträge sind gestellt, Planungen und die notwendigen Bescheide werden zeitnah erwartet. 
Die Heizanlage des Kindergarten Sumsemann soll - den Vorschlägen des Arbeitskreises Energie folgend - auf Wärmepumpen-Technik umgestellt werden. Erste Angebote hierzu sind angefordert und werden für den Herbst erwartet.
Die Gemeindeverwaltung hat zudem einen Antrag auf Aufnahme in ein Pilotprogramm gestellt, in dem mit staatlicher Hilfe ein Energiekonzept für den Gebäudeverbund „Rathaus / Feuerwehrhaus / Linsenmannhaus“ (inkl. Umsetzung) auf den Weg gebracht werden soll.
Hinzu kommen verschiedene weitere Vorschläge des Arbeitskreises Energie, die entweder bereits umgesetzt sind oder schrittweise umgesetzt werden. Ebenfalls initiiert wurde ein Projekt zum Austausch bzw. der Modernisierung aller Pumpen im Bereich Wasser und Abwasser (vgl. entsprechende Gemeinderatsbeschlüsse). 

Exkurs Bereich Abwasser:
Auch der Abwasserzweckverband (AZV) rechnet mit deutlich steigenden Energiekosten im Jahr 2023, die sich direkt auf die Gemeinde Türkenfeld niederschlagen. Im Kern bedeutet dies, dass im Jahr 2023 mind. 100.000 Euro an Mehrkosten in diesem Bereich zu erwarten sind (= Anteil Gemeinde Türkenfeld). Rechnet man weitere Inflationseffekte hinzu, ist von Betriebskosten f. d. Gemeinde Türkenfeld i. H. v. 500.000 Euro im Jahr 2023 auszugehen (bislang um die 350.000 Euro). Die im Frühjahr 2022 beschlossenen Gebühren-Anpassungen werden dadurch zu einem Gutteil „aufgefressen“. 2023 sinkt der Strompreis auch im Bereich Abwasser wieder. 
Einsparmöglichkeiten im Bereich Abwasser bestehen kurzfristig nicht; eine Sanierung der Anlage aber bereits beschlossen. 

Exkurs Bereich Wasser:
Die steigenden Strompreise bedeuten im Jahr Mehrkosten i. H. v. 27.000 Euro. Zu erwarten sind zudem höhere Bezugspreise seitens der Gemeinde Grafrath, weil das Pumpen des Wassers, etc. ebenfalls Strom benötigt. 

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Nachrichtlich / ergänzend: 

Ausschreibung Strom-Liefervertag: Die Ergebnisse der Ausschreibung werden dem Gemeinderat zur Kenntnis gegeben (siehe Anhang); eine Rücksprache mit anderen Körperschaften hat ergeben, dass diese teilweise zu noch schlechteren Konditionen abschließen mussten, was kein Trost sein kann. 


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Stellungnahme einer namhaften Versicherungsgesellschaft zum Ansinnen, die Straßenbeleuchtung ggf. komplett abzuschalten:

(…) wir beziehen uns auf Ihre Anfrage, die wir wie folgt beantworten können:
Trotz der in Art. 51 Abs. 1 BayStrWG normierten Beleuchtungspflicht, besteht diese gegenüber dem Fahrverkehr nur ausnahmsweise. Sie ist abhängig von der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Kommune und besteht nur insoweit, als eine Beleuchtung dringend erforderlich ist, um ansonsten bestehende Gefahren wirkungsvoll abzuwehren.
Grundsätzlich muss jeder Kraftfahrer selbst für eine ordnungsgemäße Beleuchtungsanlage seines Fahrzeugs sorgen und seine Fahrweise den gegebenen Sichtverhältnissen anpassen. Es kann insoweit nach der Rechtsprechung nicht verlangt werden, dass auf allen Straßen auch nachts für die gleichen Sichtverhältnisse gesorgt wird wie tagsüber. Insofern bestehen keine allgemeinen Regeln für den Umfang und die Dauer der Straßenbeleuchtung. Das Maß der Beleuchtung ist vielmehr abhängig von den örtlichen Bedürfnissen und den sonstigen örtlichen Verhältnissen, insbesondere von der Bedeutung der Straße für den Verkehr.
So bestehen Beleuchtungspflichten immer dann, wenn besondere Gefahrenquellen geschaffen wurden, die auch mit ordnungsgemäßen Scheinwerfern oder angepasster Fahrweise nicht bzw. nicht ohne weiteres erkannt werden können (z.B. zur Verkehrsberuhigung aufgestellte Pflanzkübel oder in die Straße hineinragende Baustellen).
Eine Pflicht zur Beleuchtung besteht auch Fußgängern gegenüber nur ausnahmsweise. Ob und inwieweit eine Beleuchtung im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich nach den jeweiligen Gegebenheiten und Verhältnissen, letztlich aber auch danach, welche Erwartungen man nach der Verkehrsanschauung insoweit stellen kann. Grundsätzlich muss jeder Fußgänger, wenn er nicht über eine Taschenlampe verfügt, sich sehr vorsichtig und notfalls tastend bewegen, um bei Dunkelheit ein Stürzen zu vermeiden. Dies gilt erst recht für Hindernisse, mit deren Vorhandensein stets gerechnet werden muss. Nur dort, wo mit erheblichem Fußgängerverkehr zu rechnen ist, sind gefährliche und überraschende Stolperfallen (etwa durch Baustellen auf belebten Gehwegen) zu beleuchten.
Das OLG München hat dementsprechend ausgeführt, dass ein unterschiedsloses und ungeprüftes Abschalten der gesamten Ortsbeleuchtung selbst zur Verfolgung des hehren Zieles der Stromeinsparung im Hinblick auf den Klimawandel, ein Organisationsverschulden darstellen und zu einer Haftung der Gemeinde führen kann, wenn es als ursächlich für einen Fußgängersturz anzusehen ist.
Ihre Frage lässt sich demgemäß wie folgt beantworten:
 
- Ein gänzliches Abschalten zwischen 1 Uhr und 5 Uhr nachts ist möglich, wenn keine Gefahrenstellen für Kraftfahrer oder Fußgänger vorliegen, die eine Beleuchtung erforderlich machen.
   Da die Beleuchtungspflicht im Gesetz geregelt ist, handelt es sich um eine Amtspflicht der Gemeinde, so dass auch diese aus Amtshaftungsgesichtspunkten hierfür haftet.

Beschluss 1

Der Gemeinderat nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis und unterstützt alle ergriffenen Maßnahmen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 11, Dagegen: 0

Beschluss 2

Der Gemeinderat beschließt, die Straßenbeleuchtung jeweils 30 Minuten später an- und 30 Minuten früher abzuschalten. 

Abstimmungsergebnis
Dafür: 11, Dagegen: 0

Datenstand vom 27.10.2022 17:44 Uhr