Durch Art. 12 des Steueränderungsgesetzes 2015 wurden die Regelungen zur Unternehmer-eigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf den Weg gebracht. Damit hat der Gesetzgeber den Unternehmerbegriff der öffentlichen Hand grundlegend neu gefasst. § 2 Abs. 3 UStG wurde aufgehoben und § 2b UStG neu in das Umsatzsteuergesetz eingefügt. Mit der gleichzeitig in Kraft getretenen Übergangsregelung konnten die juristischen Personen des öffentlichen Rechts gegenüber dem Finanzamt eine Erklärung abgeben, das bisher geltende Recht bis 31.12.2020 weiterhin anzuwenden (Optionserklärung, Beschluss vom 19.11.2016).
Kerninhalte des § 2b UStG sind insbesondere:
- Feststellung der Unternehmereigenschaft von öffentlichen Einrichtungen
- Handlungen auf privatrechtlicher Grundlage
- Nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen
- Nichtbesteuerung bei Ausübung öffentlicher Gewalt (z.B. Gebühren, Beiträge, sonstige Abgaben)
- Größere Wettbewerbsverzerrungen (§ 19 UStG: Umsätze gleichartiger Tätigkeiten über 22.000 €/Jahr)
Generell nichtsteuerbare Einnahmen sind unter anderem:
- Meldewesen
- Personenstandswesen
- Kinderbetreuung (grundsätzlich steuerbefreit § 4 Nr. 25 UStG)
- Leistungen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (Satzungen)
- Umsätze aus der Verpflegung von Kindern (grundsätzlich steuerbefreit § 4 Nr. 23 UStG)
- Grundsätzlich der Bereich Schule
- Feuerwehr, sofern Pflichtaufgaben
- Bestattungsleistungen (auch Leichenhaus)
- Schwimmbad (Schulschwimmen ist vom öffentlichen Bäderbetrieb zu trennen)
- Vermietung von Standflächen (grundsätzlich steuerbefreit § 4 Nr. 12 UStG)
- Verpachtung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen (steuerbefreit § 4 Nr. 12 UStG)
- Vermietung und Verpachtung (=Vermögensverwaltung und kein BgA)
- Grundstücksverkäufe
Einnahmen, die unter das Umsatzsteuergesetz fallen könnten und hinsichtlich der Unternehmereigenschaft bzw. Kleinunternehmereigenschaft überprüft werden müssen:
- Beglaubigungen (stehen im Wettbewerb mit Notaren, jedoch Grenze bis zu 22.000 €)
- Kopien gegen Entgelt (ab dem ersten Euro steuerbar)
- Holzverkauf (z.B. aus dem Gemeindewald)
- Bauhofarbeiten (Hilfeleistungen für Private oder Vereine gegen Entgelt)
- Feuerwehr (Hilfeleistungen für Private oder Vereine gegen Entgelt)
- Märkte und Feste (Wochenmärkte, Weihnachtsmärkte, jedoch Grenze bis zu 22.000 €)
- Einnahmen Schwimmbad im öffentlichen Betrieb (jedoch Grenze bis zu 22.000 €)
- Öffentlichkeitsarbeit (Verkauf von Heimatbüchern, Ortschroniken, Kalendern usw)
- Wasserversorgung (Umsatzsteuerrecht wird bereits angewandt)
- Energieerzeugung z.B. PV-Anlagen (Umsatzsteuerrecht wird bereits angewandt)
- Konzessionsverträge
Durch das Corona-Steuerhilfegesetz wurde den juristischen Personen des öffentlichen Rechts eine Verschnaufpause ermöglicht und die Verlängerung der Übergangsfrist bis zum 31.12.2022 beschlossen.
Der Bundestag beschloss am 02.12.2022 das Jahressteuergesetz 2022, worin auch geplant ist, die zwingende Erstanwendung des § 2b UStG auf den 01.01.2025 zu verschieben. Um in Kraft treten zu können, bedarf das Gesetz noch der Zustimmung des Bundesrats, der darüber am 16.12.2022 beraten wird.
Bis zur tatsächlichen Gesetzesänderung verbleibt es rechtlich bei der zwingenden Anwendung ab dem 01.01.2023. Noch nicht bekannt ist, ob die Verlängerung analog der letzten Verlängerung von 2021 auf 2023 (§ 27 Abs. 22a UStG) automatisch erfolgt oder ob ein gesonderter Antrag - wie erstmalig bis zum 31.12.2016 - gefordert werden wird.
Deshalb empfiehlt die Verwaltung die weitere Verlängerung der Übergangsfrist zur Anwendung des § 2b UStG bis Ende 2024 vorsorglich zu beantragen und das alte Umsatzsteuerrecht noch bis Ende 2024 weiterhin anzuwenden.
Weiterhin werden die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung des §2b UStG durch die Finanzverwaltung vorbereitet. Auch wenn die Verlängerung der Übergangsfrist wie erwartbar umgesetzt werden wird, könnte sich die Gemeinde durch Antrag bereits vorzeitig zur Anwendung der Neuregelung des § 2b UStG entscheiden. Dies kann insb. bei größeren Investitionen zu Vorteilen durch erhöhten Vorsteuerabzug führen. Hierbei ist jeweils der konkrete Einzelfall zu prüfen. Die Entscheidung kann jedoch nur einheitlich für die gesamte Gemeinde getroffen werden; nicht für einzelne Einnahmen. Die Kämmerei wird dies z. B. auf Schwimmbad aktiv prüfen.
Beschlussvorschlag:
Der Gemeinderat beschließt die weitere Inanspruchnahme der Verlängerung der Übergangsfrist zur Anwendung des § 2b UStG bis 31.12.2024. Die Verwaltung wird aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung des § 2b UStG vorzubereiten.