Vor Eintritt in den Tagesordnungspunkt entscheidet der Gemeinderat über die persönliche Beteiligung der Ratsmitglieder Gerhard Müller und Michael Schneller.
Vgl. Artikel 49 Ausschluß wegen persönlicher Beteiligung / Bayerische Gemeindeordnung
(1) Ein Mitglied kann an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen, wenn der Beschluss ihm selbst, einem Angehörigen (Art. 20 Abs. 5 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes) oder einer von ihm vertretenen natürlichen oder juristischen Person oder sonstigen Vereinigung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. 2Gleiches gilt, wenn ein Mitglied in anderer als öffentlicher Eigenschaft ein Gutachten abgegeben hat.
(3) Ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, entscheidet der Gemeinderat ohne Mitwirkung des persönlich Beteiligten.
Abstimmungsergebnis:
JA:
NEIN:
***
Der Bürgermeister hat im Rahmen der Januar-Sitzung 2024 eine aus dem Jahr 2017 stammende Projektidee vorgestellt, wonach eine sinnvolle Nachnutzung der ehem. Kiesabbauflächen direkt angrenzend an bestehende Gewerbestrukturen im Bereich „An der Kälberweide“ geprüft werden sollte. Nachdem der Gemeinderat beschlossen hat, dass das Projekt weiterverfolgt werden soll, haben Bürgermeister und Verwaltung verschiedene Schritte in die Wege geleitet und Gespräche geführt.
In einem ersten Schritt wurde das Projekt den zuständigen Stellen im Landratsamt vorgestellt (unter Rückkopplung auch mit der Regierung von Oberbayern). Für den Auftakt-Termin wurde das Projekt wie folgt skizziert:
(…) Wie Ihnen bekannt ist, leidet meine Gemeinde aufgrund der speziellen topografischen/ geografischen Lage an einem eklatanten Mangel an potentiellen Gewerbeflächen. Gleichzeitig ist sich der Gemeinderat seiner großen Verantwortung i. B. auf Landschaftsschutz & Co. bewusst. Wir wollen damit weiterhin wenn irgend möglich an der Maxime festhalten, keine neuen Gewerbeflächen „auf der unberührten Wiese“ auszuweisen. Wir haben uns darum Gedanken gemacht, wie wir ohnehin schon „beschädigte“ Flächen, die unmittelbar an die vorhandenen Gewerbestrukturen anschließen, hierfür einer guten Nachnutzung zuführen können.
Unser Plan: Wir wollen die ehem. Kiesabbauflächen (Fl. Nr. 278/0 und angrenzend) direkt angrenzend an das schon bestehende Gewerbegebiet für gewerbliche Entwicklungen nutzen.
- Die Fläche ist KEIN Deponie-Areal: Es wurden – anders als auf dem Gelände des angrenzenden Großen Wertstoffhofes – keine Altlasten nachgewiesen. Vielmehr handelt es sich um eine größtenteils ausgebeutete Kiesgrube (größtenteils Gemeindegrund, anteilig Privatgrund).
- Die Fläche grenzt direkt an vorhandene Gewerbestrukturen; eine circa 2.500 m² große Teilfläche wurde bereits gewerblich bebaut. Alle notwendigen Infrastruktur-Komponenten sind vorhanden oder liegen an.
- Ein Punkt, der uns umtreibt: Diese Flächen sind heute teilweise als Lebensraum u. A. f. d. Gelbbauchunke kartiert. Darum haben wir uns einen anerkannten Experten an Bord geholt, der die Naturschutzbelange intensiv begleiten soll.
- Hinzu kommt: De facto bestehendes Gewohnheitsrecht für die hinterliegenden Waldgrundstücke, die Kiesgrube als Zufahrt zu ihren Flächen zu nutzen (was auch aktiv getan wird, nachdem es keine anderen Zufahrtsmöglichkeiten gibt). Hier müssen wir eine Antwort geben, wie – unabhängig von der Flächennutzung – die Zufahrt geregelt werden kann. Die Anlieger nutzen Teilbereich auch noch für den marginalen Kies-Abbau.
Für uns bietet das Projekt die Chance, ohne auf die grüne Wiese zu gehen nennenswerte Gewerbeflächen zu schaffen. Wir meinen, dass das ein in vielerlei Hinsicht nachhaltiger Ansatz sein kann, der es verdient, näher betrachtet zu werden. Immer unter Beachtung der Naturschutzbelange. Hier bin ich zuversichtlich, dass es mit fachlicher Begleitung gute Lösungen geben kann, zumal direkt an das Areal rund 8ha Gemeindewald und –Wiesen anschließen, wo wir mit Toteislöchern, natürlicher Waldverjüngung, Waldlehrpfad & Co. zeigen, was möglich ist (Zitat Ende).
Das Gespräch im März 2024 mit den zuständigen Stellen lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Alle Beteiligten stehen einer Nachnutzung der ehem. Kiesabbaufläche grds. offen gegenüber.
- Die für die sog. „räumliche Planung“ Zuständigen bitten dringend darum, den Umfang des Projektes zu reduzieren und auf das unten dargestellte Gebiet zu konzentrieren. Der Grund: Die Regierung von Oberbayern hat einen Großteil der Türkenfelder Wälder als sog. „regionalen Grünzug“ klassifiziert. Diese Klassifizierung bedingt, dass Eingriffe in den Wald de facto ausgeschlossen werden bzw. die Hürden hierfür extrem hoch sind. Alle Beteiligten kamen überein, dass die Erfolgsaussichten für ein räumlich zurückhaltender gehaltenes Projekt deutlich höher sind.
=> wurde so aufgenommen und der Lösungsraum bzw. Geltungsbereich deutlich reduziert.
- Die Untere Naturschutzbehörde hat den Untersuchungsumfang für die sog. „Besondere Artenschutzrechtliche Prüfung“ bestätigt; der Bürgermeister hat daraufhin am 22.03.2024 das Büro Dr. Schuler mit der Begutachtung beauftragt. Diese läuft nun an und wird ein Jahr dauern.
- Mit Mail vom 09.04.2024 signalisiert auch die Regierung von Oberbayern Zustimmung, sofern ein „kleinerer Ansatz“ (vgl. Grafik) forciert wird und keine anderen Gründe dem Vorhaben entgegenstehen.
Der aktualisierte Planungsansatz stellt sich nun wie folgt dar:
Notarielle Verträge mit weiteren Grundstückseigentümern geschlossen.
Nachdem teilweise auch Privateigentümer von der Entwicklung betroffen sind, hat der Bürgermeister im Auftrag des Gemeinderats mit allen beteiligten Parteien Gespräche geführt. Schlussendlich führten diese Gespräche dazu, dass alle Betroffenen mit einem Flächenverkauf bzw. Flächentausch einverstanden sind, sodass die Gemeinde alleinige Eigentümerin der neu entstehenden Gewerbeflächen wäre. Entsprechende Verträge wurden notariell beurkundet und sind vom Gemeinderat genehmigt worden.
Zwischenergebnis der sog. „Naturschutzfachliche Angaben zur artenschutzrechtlichen Prüfung bezüglich der Verbotstatbestände nach § 44 BnatSchG für den B-Plan: Erweiterung Gewerbegebiet Süd Gemeinde Türkenfeld“:
Auf Anraten des Landratsamtes hat die Gemeinde ein umfangreiches Gutachten zur Kartierung naturschutzfachlicher Sachverhalte auf der Fläche Anfang 2024 in Auftrag gegeben. Das vorläufige Ergebnis inkl. vorgeschlagener Ausgleichsmaßnahme wurde den Fachbehörden am 19.12.2024 vorgestellt. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass für dort lebende Tiere auf angrenzenden Flächen ein nachhaltiger (Ersatz)-Lebensraum schaffen lässt, der dem Klimawandel deutlich besser Stand hält als bspw. tiefere Pfützen in der ehem. Kiesgrube, die mehr und mehr austrocknen in trockenen Witterungsperioden. Es wurde verabredet, dass das naturschutzfachliche Konzept in Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem Büro Dr. Schuler weiter verfeinert wird.
GESAMTFAZIT:
- Die Gemeinde hat die Chance, durch eine sinnvolle Nachnutzung von Flächen, in die durch den Kiesabbau nennenswert eingegriffen wurde, rund 10.000 m² Gewerbeflächen zu schaffen, die direkt an vorhandene Gewerbeflächen angrenzen.
- Die Zustimmung der betroffenen privaten Grundstückseigentümer liegt vor.
- Ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang mit Natur- und Artenschutz-Themen ist dabei wichtig, wobei die gutachterliche Bewertung eine Realisierbarkeit des Projekts ausdrücklich unterstreicht.
- Alle beteiligten Fachbehörden stehen dem Projekt weiter grds. positiv gegenüber, wobei eine schlussendliche Beurteilung erst im Rahmen eines Bauleitverfahrens stattfinden kann.
- Alle beteiligten Privateigentümer haben dem Projekt zugestimmt und sich mittels notarieller Verträge daran gebunden.
- Die Gemeinde hat die Chance, durch die Schaffung der oben skizzierten Gewerbefläche nennenswerte Einnahmen durch den Verkauf der Gewerbefläche sowie spätere Gewerbesteuer-Einnahmen zu generieren (Einmal-Ertrag: ~ 2,5 Mio. EUR). Hierdurch könnten wichtige Projekte wie z. B. die Schwimmbad-Sanierung finanziert werden. Gleichzeitig wurde bewiesen, dass eine Entwicklung auch ohne den klassischen „Grüne-Wiese-Ansatz“ unter Nachnutzung vorhandener Flächen gelingen kann.
NÄCHSTER SCHRITT:
In einem nächsten Schritt ist nach Ansicht der Verwaltung ein förmliches Bauleitverfahren einzuleiten. Dieses soll formell als „Änderung des Bebauungsplans Gewerbegebiet Süd“ geführt werden. Parallel hierzu muss auch der rechtswirksame Flächennutzungsplan der Gemeinde Türkenfeld geändert werden, nachdem dieser bislang auch noch nicht für den gesamten Bereich eine Darstellung von gewerblichen Bauflächen vorsieht
EXKURS:
Am 15.01.2025 fand ein Termin mit dem Büro Dr. Schuler und der Unteren Naturschutzbehörde statt. Dabei wurden konkrete Maßnahmen besprochen, wie für die von der Maßnahme potentiell betroffenen Arten Ersatzlebensräume geschaffen werden können. Das Treffen kann als ausdrücklich konstruktiv beschrieben werden. Stand heute erscheint es so, als könnten höherwertige und dauerhaft bestehende Lebensräume entstehen – noch dazu in größerer Dimensionierung als bisher.
Am 17.01.2025 fand eine weitere Abstimmung mit dem Landratsamt statt.
Dabei wurde besprochen, dass die Gemeinde parallel zum Bauleitverfahren die notwendigen Genehmigungen zur Verfüllung des Grubenbereichs i. R. eines förmlichen Verfahrens einholen sollte. Eine solche Verfüllung ist ohnehin perspektivisch notwendig (vgl. Auflagen im Bereich der Grube Zankenhausen). Im Rahmen dieses Verfahrens wird dann mit allen Fachstellen geklärt, wie die Verfüllung der Grube abzulaufen hat. Dabei fließen neben wasserrechtlichen Aspekten auch naturschutzrechtliche Belange u. V. m. ein. Für die Planung der Verfüllung der Grube werden Planungsleistungen zu erbringen sein, die im hier genannten Budget-Ansatz enthalten sind. Es wird Stand heute davon ausgegangen, dass die Verfüll-Tätigkeit als solche für die Gemeinde kostenneutral ablaufen kann. Dies deshalb, weil Dritte dafür bezahlen, nachweislich unbelastetes Material bei der Verfüllung ehem. Kiesgruben „kippen“ zu können. Sollten für die eigentliche Grubenverfüllung erwartbar Kosten anfallen, erfolgt eine erneute Gemeinderatsbefassung.
***
Historische Darstellung der ehem. Kiesabbaufläche => auf der Aufnahme (~ 1960) ist deutlich erkennbar, dass das komplette Areal zum Kiesabbau herangezogen wurde:
Haushaltsrechtliche Auswirkungen:
Planungskosten i. H. v. 75 TEUR, eingestellt im Haushalt 2025 ff.
Beschlussvorschlag:
A) Der Gemeinderat der Gemeinde Türkenfeld beschließt die 2. Änderung des Bebauungsplanes „Gewerbegebiet Süd“ für den Bereich der Grundstücke Flur Nrn. 278 und 278/2 sowie auf Teilflächen der Grundstücke Flur Nrn. 280/1, 1518, 1542, 1544, 1545, 1546, 1547, 1548, 1549, 1550 und 1551, jeweils Gemarkung, sowie die dazugehörige Flächennutzungsplanänderung.
B) Die Verwaltung wird beauftragt, ein geeignetes Planungsbüro mit den notwendigen Arbeiten (inkl. notwendiger Gutachten, etc.) zu beauftragen.
C) Gemäß Vorabsprache mit dem Landratsamt beauftragt der Gemeinderat, die förmlichen Verfahrensschritte für eine Verfüllung der Kiesgrube in die Wege zu leiten (vsl. „Abgrabungsantrag nach dem Bayerischen Abgrabungsgesetz“). Bürgermeister und Verwaltung werden beauftragt bzw. ermächtigt, entsprechende Anträge zu stellen und notwendige Planungsleistungen sowie Gutachten zu beauftragen. Im Falle der zu erwartenden Kostenneutralität der eigentlichen Verfüllungsarbeiten beauftragt der Gemeinderat die Durchführung der Maßnahme nach Vorlage notwendiger Genehmigungen.