Vorinformation zu einer Bauvoranfrage zum Neubau eines Speicherwerks am bestehenden Umspannwerk Jochenstein auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. 1517, Gemarkung Gottsdorf (Nahe Jochenstein)


Daten angezeigt aus Sitzung:  53. Sitzung des Marktgemeinderates, 16.10.2024

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Marktgemeinderat (Markt Untergriesbach) 53. Sitzung des Marktgemeinderates 16.10.2024 ö beschließend 4

Sachverhalt

Unter Darstellung der vorliegenden Vorplanung (Lageplan, Baubeschreibung und Produktvorstellung der Speicher) wird erläutert, dass die Ingenieurgesellschaft Lerch & Nicolay GmbH (Fürstenzell) Antrag auf Vorbescheid zum Neubau einer Batteriespeicheranlage am Umspannwerk Jochenstein auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. 1517, Gemarkung Gottsdorf (Bauort nahe Jochenstein) stellt. Im Rahmen der Bauvoranfrage soll geklärt werden, ob das Vorhaben am geplanten Standort grundsätzlich zulässig ist und ob die Genehmigung im Rahmen der Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 Ziffer 3 BauGB ohne vorherige Bauleitplanung genehmigt werden könnte („Vorhaben, das der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient“).

Geplant sei die Errichtung eines Speicherwerks direkt neben dem bestehenden Umspannwerk Untergriesbach-Jochenstein mit einer Leistung von ca. 100 MW und 200 MWh Speicherkapazität. Das Investitionsvolumen würde nach Darstellung der Antragstellerin rund 30 Mio. Euro betragen.

Nach Rechtsauffassung der Antragstellerin sei die Zulässigkeit derartiger Bauvorhaben nach § 35 Abs. 1 Ziffer 3 BauGB als privilegiertes Vorhaben einzuordnen und somit ohne gesondertes Bauleitplanungsverfahren zu genehmigen. Dieser Rechtsauffassung folgt nach Darstellung der Verwaltung auch die Regierung von Niederbayern, sofern die Anlage der sogenannten „mitgezogenen“ Privilegierung unterfällt. Das bedeute, dass die Anlage räumlich und zweckdienlich einer Energieerzeugungsanlage bzw. einem Umspannwerk zugeordnet ist und von dieser Hauptanlage mit Strom zur Speicherung versorgt wird. Nach Darstellung der Antragstellerin soll das Speicherwerk nicht benötigten Strom aus dem Umspannwerk Jochenstein aufnehmen, um das Netz zu entlasten und diesen dann zu Zeiten abgeben, zu denen mehr Strom benötigt wird, als er am Umspannwerk oder im Netz vorhanden ist.

Die Batteriespeicher würden in Containern geliefert und die gesamte Infrastruktur könne gemäß den Antragsunterlagen auf dem rund 17.000 m² großen Grundstück untergebracht werden. Die bisher rein landwirtschaftlich genutzte Fläche soll im Falle der Projektumsetzung komplett eingezäunt werden. Das Oberflächenwasser würde versickert, eine Schmutzwasserentsorgung sei nicht notwendig. Die Erschließung des Grundstücks ist nach Plandarstellung über die benachbarte Kreisstraße gegeben, die innere Erschließung würde im Zuge der Projektumsetzung auf dem Grundstück erstellt.

Aus Sicht der Verwaltung ergeben sich bezüglich der Beurteilung des Vorhabens nachfolgende Punkte, die bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind:

  1. Erfüllung des Tatbestands der Privilegierung

Gemäß der Vorschrift des § 35 Abs. 1 Ziffer 3 BauGB kann ein Vorhaben, das der der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität dient, den Tatbestand der Privilegierung erfüllen. Ein Speicherwerk für sich alleine dient jedoch nicht der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität. Eine Versorgung aus dem Speicherwerk kann nur erfolgen, wenn zuvor elektrische Energie in die Speicheranlage fließt, um diese gespeicherte Energie dann zu einem späteren Zeitpunkt im Bedarfsfall wieder in das Netz einspeisen zu können.

In dieser Tatsache ist die „mitgezogene“ Privilegierung begründet. Wenn ein Speicherwerk in unmittelbarer Nähe und im funktionalen Zusammenhang mit einer Energieerzeugungsanlage und/oder einem Umspannwerk errichtet wird, kann die Privilegierung angenommen werden. Zur Bestätigung des notwendigen engen Zusammenhangs muss jedoch der Betreiber der Energieerzeugungsanlage bzw. des Umspannwerks die Einspeisung von Energie in das Speicherwerk und den Nutzen der Anlage für die öffentliche Versorgung verbindlich bestätigen.

Vorliegend müsste die Donaukraftwerk Jochenstein AG bzw. die Verbund AG bestätigen, dass Energie in das geplante Speicherwerk eingespeist und zu einem späteren Zeitpunkt wieder abgegeben wird. Da sich aktuell das Planfeststellungsverfahren zur Genehmigung des Energiespeichers Riedl in der Entscheidungsphase befindet, ist nicht zu erwarten, dass die Kraft- und Umspannwerksbetreiber einem Speicherprojekt im räumlichen Geltungsbereich des Planfeststellungsverfahrens die Zusage zur Stromlieferung und späteren Einspeisemöglichkeit geben.

Hinsichtlich der Dimensionen der beiden Projekte kann dargestellt werden, dass das im Rahmen der Bauvoranfrage angedachte Speicherwerk eine Leistung von 100 MW und eine Speicherkapazität von 200 MWh erhalten soll. Der Energiespeicher Riedl ist mit einer Speicherkapazität von 3.600 MWh und einer Leistung von 2 mal 150 MW geplant. Der Energiespeicher ist somit mit der 18-fachen Speicherkapazität des angedachten Speicherwerks und der 3-fachen Maschinenleistung in Planung. Das Investitionsvolumen für den Bau des Energiespeichers wird mit rund 400 bis 500 Millionen Euro beziffert.


  1. Entgegenstehen öffentlicher Belange

Um die Privilegierung eines Vorhabens positiv beurteilen zu können, dürfen dem Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 BauGB keine öffentlichen Belange entgegenstehen.

Aus Sicht der Verwaltung ist hier durch die Baugenehmigungsbehörde zu prüfen, ob die Lage des Grundstücks im Landschaftsschutzgebiet Donauengtal Erlau-Jochenstein und das unmittelbare Angrenzen an das Naturschutzgebiet Donauleiten ein öffentlicher Belang ist, der dem Vorhaben entgegenstehen könnte. 

Zudem befindet sich aktuell die Planung und Errichtung einer Organismenwanderhilfe (Fischaufstiegshilfe) zur Herstellung der Durchlässigkeit der Donau am Kraftwerk Jochenstein im Planfeststellungsverfahren. Für diese Maßnahme ist das öffentliche Interesse an der Verbesserung der ökologischen Gewässerstruktur der Donau bereits festgestellt. Sofern die Planfläche Teil der Maßnahme bzw. des Planfeststellungsbeschlusses ist, dürften öffentliche Belange dem Vorhaben entgegenstehen.

Für die Beurteilung dieses Aspekts ist aus Sicht der Verwaltung das Landratsamt Passau, Bauwesen rechtlich, in Zusammenarbeit mit der verfahrensführenden Behörde im Planfeststellungsverfahren (Landratsamt Passau, Sachgebiet Wasserrecht) und der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Passau zuständig. 


  1. Gemeindliche Planungshoheit

Allein aufgrund der beabsichtigten Größe des Vorhabens, der Anzahl und Kapazität der geplanten Speichereinheiten sowie der Größe des Grundstücks und der Auswirkungen auf die Umgebung, kann es aus Sicht des Marktes nicht Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 35 Abs. 1 BauGB mit den diesen Artikel ergänzenden Bestimmungen sein, die gemeindliche Planungshoheit durch eine Privilegierung auszuhebeln. Für vergleichbare Vorhaben wie zum Beispiel Freiflächenphotovoltaikanlagen, die tatsächlich und eigenständig der Versorgung mit Elektrizität dienen, gilt die Vorgabe, dass diese Anlagen in der Regel ab einer gewissen Größe einer Bauleitplanung bedürfen. Ein Speicherwerk, das eine Fläche von fast 17.000 m² umfasst und somit im Vergleich zur angrenzenden Ortschaft Jochenstein in etwa die Hälfte der Größe der Ortschaft einnimmt, soll aber ohne Bauleitplanverfahren genehmigungsfähig sein. Eine derartige Auslegung der Rechtslage berührt das Recht des Marktes Untergriesbach auf kommunale Planungshoheit derart, dass die Möglichkeit einer Genehmigung im Rahmen der Privilegierung jedenfalls im Zuge der Baugenehmigung alle Belange der Kommune berücksichtigen muss, die andernfalls im Bauleitplanverfahren berücksichtigt würden.


Eine Rücksprache mit dem Landratsamt Passau (Herrn Emmer) am 14.10.2024 hat nach Bericht des Bürgermeisters ergeben, dass die Antragstellerin den Antrag auf Bauvorbescheid um die konkrete Darstellung ergänzen müsse, ob der Anschluss des Speicherwerks an das Umspannwerk oder die vorbeiführende Hochspannungsleitung erfolgen solle und könne. Zudem müsse TenneT als Betreiber des überregionalen Übertragungsnetzes einem Bau der Anlage zustimmen, da gegebenenfalls die bestehende Freileitung einen Schutzstreifen auf dem Plangrundstück erfordere. Bis zu konkreten Aussagen zu diesen Punkten, kann eine verbindliche Aussage zur Privilegierung und zu möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Belangen nicht getroffen werden.

Eine Beschlussfassung zu diesem Tagesordnungspunkt ist erst für eine der beiden kommenden Sitzungen geplant.

In der Diskussion wird herausgestellt, dass man diese Bauvoranfrage nicht ohne kritische Prüfung positiv beurteilen dürfe. Im Falle der Feststellung der Privilegierung und einer Zustimmung des Marktes Untergriesbach gebe man wesentliche Teile des Mitbestimmungsrechts ab, ob und wie diese Anlage errichtet werden könne. Insbesondere mögliche Nachteile für die Ortschaft Jochenstein und die dort lebende Bevölkerung seien auszuschließen. Zudem müsse der Markt darauf achten, dass die weiteren öffentlichen Belange wie z.B. Natur- und Landschaftsschutz, Erholungswert der Landschaft, vorbereitende Bauleitplanung nicht zu gering bewertet werden. Bei einem Vorhaben dieser Größenordnung sei ein Bauleitplanverfahren aus Sicht des Gremiums die bessere Alternative.

In der Diskussion wird jedoch auch angemerkt, dass man der Planung nicht von Grund auf mit einer negativen Bewertung gegenüberstehen dürfe. Man fordere und ermögliche immer wieder die Errichtung von Photovoltaikanlagen und wünsche sich auch den notwendigen Netzausbau, da müsse man auch sinnvollen und passenden Speicherkonzepten Raum geben. Ob genau diese Planung am Ende sinnvoll und passend sei, haben ohnehin die Fachleute zu entscheiden. Ein derartiges Projekt solle daher auch mit den Verantwortlichen des zu gründenden Regionalwerks besprochen werden.

Dass derartige Anlagen wirtschaftlich zu betreiben seien, erkenne man bereits daran, dass vergleichbare Planungen aktuell vielerorts beabsichtigt und vorangetrieben werden. Die Betreiber erhalten meist Geld für die Abnahme des Überschussstroms und bei der Rückeinspeisung ergibt sich eine attraktive Vergütung.

Auf Basis der diskutierten Punkte sei das finale Konzept abzuwarten und die Voranfrage dann konkret zu bewerten.

Datenstand vom 31.10.2024 14:43 Uhr