Bürgerbegehren "Keine Veräußerung städtischer Grundstücke für nicht-gewerbliche Zwecke" und Bürgerbegehren "Firmen in das Gewerbegebiet Vöhringen Nord"; 1, Entscheidung über die Zulässigkeit der Bürgerbegehren 2. Festsetzung des Tags der Abstimmung über die Bürgerentscheide


Daten angezeigt aus Sitzung:  Stadtratssitzung, 09.09.2015

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat Stadtratssitzung 09.09.2015 ö 1

Sachverhalt

Sach- und Rechtsdarstellung

Bürgerbegehren
Am 12. August 2015 stellte die Bürgerinitiative Pro Vöhringen und Umgebung
zwei Anträge auf Durchführung eines Bürgerbegehrens:
zum einen mit der Zielsetzung

„Keine Veräußerung städtischer Gewerbegrundstücke für nicht-gewerbliche Zwecke“,

zum anderen

„Firmen in das Gewerbegebiet Vöhringen Nord“

(siehe hierzu Anlage 1 und 2).


Zulässigkeit
Nach Artikel 18 a Absatz 8 der Bayerischen Gemeindeordnung hat der Stadtrat innerhalb eines Monats nach Einreichung dieser beiden Bürgerbegehrensanträge über deren Zulässigkeit zu entscheiden.

Ein Bürgerbegehren ist zulässig, wenn die mit ihm verlangte Maßnahme
zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinde gehört, die Angelegenheit nicht unter den Ausschlusskatalog des Artikel 18 a Absatz 3 der Bayerischen Gemeindeordnung fällt, die Unterschriftenlisten den formellen Anforderungen entsprechen, die erforderliche Unterschriftenzahl erreicht worden ist und vor allem die Fragestellung in materiell-rechtlich zulässiger Weise den Bürgerinnen und Bürgern zur Abstimmung unterbreitet werden kann.

Es handelt sich bei der Zulässigkeitsprüfung somit allein um eine rechtliche Prüfung.
Ein (kommunalpolitisches) Ermessen steht dem Gemeinderat als Entscheidungs-träger nicht zu.


1)
Ausreichende Unterschriftenzahl gemäß Artikel 18 a IV BayGO

Nach vorliegender Information wurden die Unterschriftenleister zu Hause, auf
der Straße, in Geschäften, …zwar großteils mit teilweise unrichtigen Tatsachenbe-hauptungen und Sachdarstellungen zur Unterschriftenleistung animiert.
Ferner hatte ein Großteil der Unterschriftenleister die Begründungen zu den jeweiligen Bürgerbegehren gar nicht gelesen.
Dies lässt sich jedoch nicht rechtssicher nachweisen.
Es ist somit nach weiterer lediglich formaler verwaltungsinterner Prüfung der Unterschriften davon auszugehen, dass die ausreichende Unterschriftenzahl gemäß Artikel 18 a VI Bay GO erreicht wurde.
Bei ca. 10.230 wahlberechtigten Bürgern wären grundsätzlich
mindestens 921 Unterschriften für jedes der beiden Bürgerbegehren notwendig.
Da die beiden Bürgerbegehren jeweils 1.707 und 1.662 Unterschriften erhalten haben, ist diese Voraussetzung des Artikel 18 a IV BayGO wohl grundsätzlich erfüllt.


2)
Rechtsgültigkeit der Begründungen zum Bürgerbegehren

Gemäß Art. 18a IV GO muss ein Bürgerbegehren eine Begründung enthalten.
Die rechtlichen Anforderungen hinsichtlich des Begründungserfordernisses hat die Rechtsprechung umfassend konkretisiert, namentlich dahingehend, dass die Unterzeichner eines Bürgerbegehrens zumindest in den Grundzügen wissen müssen, warum eine bestimmte Frage den Bürgern zur Abstimmung vorgelegt werden soll.
Es ist auch erforderlich, dass die Unterzeichner nicht nur mündlich durch die Unterschriftensammler, sondern durch eine der regelmäßig beengten räumlichen
und zeitlichen Situation angepasste knappe, einheitliche Begründung auf den Unter-schriftenlisten erfahren, wofür sie sich einsetzen.

Ein Bürgerbegehren ist aber dann unzulässig, wenn dem Bürger ein unzutreffendes oder unvollständiges Bild von dem maßgeblichen Sachverhalt und seiner rechtlichen Beurteilung vermittelt wird, d.h. wenn tragende Elemente seiner Begründung unrichtig sind.
Die Abstimmenden müssen in der Lage sein, den Inhalt des Bürgerbegehrens
zu verstehen, seine Auswirkungen zu überblicken und die wesentlichen Vor- und Nachteile abzuschätzen.
Diesen Anforderungen genügt das Bürgerbegehren “Firmen in das Gewerbegebiet Vöhringen Nord” nicht.
Es kann bereits nicht von einer „einheitliche(n) Begründung auf den Unterschriftenlisten“ die Rede sein, aus der die unterzeichnenden Bürger hinreichend erkennen können, wofür bzw. wogegen sie sich einsetzen.




Vielmehr vermittelt die Begründung auf der Unterschriftenliste ein unzutreffendes, widersprüchliches Bild, sodass es ausgeschlossen ist, dass der durchschnittliche, regelmäßig juristisch überhaupt nicht vorgebildete Unterzeichner die Auswirkungen seiner Unterschrift überblickt und die wesentlichen Vor- und Nachteile abschätzen konnte.

„Ziel des Bürgerbegehrens ist es, dass der Stadt im Änderungsverfahren die Abwägung ermöglicht wird, ob Anlagen für kirchliche, kulturelle und soziale Zwecke grundsätzlich in dem Gewerbegebiet Vöhringen Nord erlaubt werden, ausnahmsweise erlaubt werden oder ausgeschlossen werden, um nur Gewerbeansiedlungen zu ermöglichen.
Unter anderem kann in dem Bebauungsplanverfahren geprüft werden, ob das Gewerbegebiet Vöhringen Nord der richtige Ort für kirchliche, kulturelle oder soziale Zwecke ist und ob auf Grund der wenigen Gewerbeansiedlungsmöglichkeiten die Gewerbegrundstücke den Gewerbebetrieben vorbehalten bleiben sollten.
Um der Stadt Vöhringen die Gelegenheit zu geben, in Ruhe in dem Bebauungsplanänderungsverfahren über die Änderung des Bebauungsplanes entscheiden zu können, ist nach dem Beschluss über die Änderung des Bebauungsplans der Erlass einer Veränderungssperre erforderlich, da nur so die Schaffung von vollendeten Tatsachen während des Bebauungsplanverfahrens verhindert werden kann. “

Der erste Teil der Fragestellung des Bürgerbegehrens bezweckt die Einleitung eines Planänderungsverfahrens mit dem eindeutigen Ziel, dass „Anlagen für kirchliche, kulturelle und soziale Zwecke im Gewerbegebiet ausgeschlossen werden. “
Es kann also keine Rede davon sein, dass Teil 1. der Fragestellung des Bürger­begehrens - wie in der Begründung behauptet - „die Abwägung ermöglicht (...), ob Anlagen für kirchliche, kulturelle und soziale Zwecke grundsätzlich in dem Gewerbegebiet Vöhringen Nord erlaubt werden, ausnahmsweise erlaubt werden oder ausgeschlossen werden, um nur Gewerbeansiedlungen zu ermöglichen“.
Das Ziel des ersten Teils der Fragestellung nimmt das Ergebnis der behaupteten Abwägung vorweg, nämlich in dem Sinne, dass die besagte Moschee bauplanungs-rechtliche gerade nicht mehr ausnahmsweise zulässig sein soll wie bisher.
Es soll gerade nicht - wie die Begründung vorgibt - im Änderungsverfahren geprüft werden, „(...) ob das Gewerbegebiet Vöhringen Nord der richtige Ort für kirchliche, kulturelle oder soziale Zwecke ist.“
Denn gemäß des ersten Teils der Fragestellung ist diese Prüfung schon dahingehend entschieden, dass das Gewerbegebiet Vöhringen Nord gerade nicht, und zwar auch nicht mehr wie bislang ausnahmsweise, der richtige Ort für kirchliche, kulturelle oder soziale Vorhaben ist.
Der erste Teil der Fragestellung des Bürgerbegehrens passt daher mit wesentlichen Punkten der Begründung des Bürgerbegehrens gerade nicht zusammen.
Insoweit werden die Unterzeichner objektiv in die Irre geführt.


Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich des Bürgerbegehrens „Keine Veräußerung städtischer Gewerbegrundstücke für nicht-gewerbliche Zwecke“.

Hier besteht kein Widerspruch zwischen der Fragestellung und deren Begründung.



3)
Vertretungsfrage, Artikel 18 a IV Bayerische Gemeindeordnung

Beide Bürgerbegehren enthalten u.a. eine Ermächtigung zu Gunsten der Vertreter,
das Bürgerbegehren bis zum Beginn der Versendung der Abstimmungsbenachrichtigungen gemeinschaftlich zurückzunehmen.
Eine Zurücknahme nur durch einen der Vertreter ist hiernach ausgeschlossen.
Es erscheint fraglich, ob dieser in den Bürgerbegehren vorgesehene Ausschluss, das Bürgerbegehren durch Erklärung nur eines einzigen Ver­treters zurückzunehmen, mit dem Sinn und Zweck von Art. 18 a IV der Bayerischen Gemeindeordnung vereinbar ist.
Art. 18 a IV 1 der Bayerischen Gemeindeordnung verlangt, dass ein Bürgerbegehren „(...) bis zu drei Personen benennen,“ muss, um „die Unterzeichnenden zu vertreten.“
Der Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist augenscheinlich:
Durch die Möglichkeit, bis zu drei Personen zu benennen, die das Bürgerbegehren vertreten können, soll gewährleistet sein, dass eine Vertretung der Unterzeichner des Bürgerbegehrens auch dann gewährleistet ist, wenn einer oder zwei der Vertreter z.B. erkrankt, verstorben oder im Urlaub sind.
Die Vorschrift will mithin eine dauerhafte Vertretung der Unterzeichnenden sicherstellen, was auch durch das Recht nach Art. 18a IV 2 der Bayerischen Gemeindeordnung, zusätzlich stellvertretende Personen zu benennen, zum Ausdruck gebracht wird.
Durch die Beschränkung, dass eine Zurücknahme der Bürgerbegehren nur gemeinschaftlich erfolgen darf, wird dieser Zweck jedoch unterlaufen.



4)
Rücknahmemöglichkeit der(s) Bürgerbegehren(s) „bis zum Beginn der Versendung der Abstimmungsbenachrichtigungen“

Bei beiden Bürgerbegehren wurden die Unterzeichner gezwungen, mit ihrer Unterstützungsunterschrift unter die jeweilige Fragestellung und Begründung des Bürgerbegehrens die Vertreter zur Rücknahme des Bürgerbegehrens auch noch „bis zum Beginn der Versendung der Abstimmungsbenachrichtigungen“ zu ermächtigen.

Schon aus Art. 18 a IX Bayerische Gemeindeordnung ergibt sich, dass die Gemeindeordnung eine Rücknahme eines Bürgerbegehrens nicht verbietet.

Wenn z.B. rechtliche Verpflichtungen der Gemeinde i. S. v. Art. 18 a IX, 2. HS Bayerische Gemeindeordnung bestehen und die Gemeinde aus diesem Grunde eine dem Bürgerbegehren entgegenstehende Entscheidung vollzieht („Fakten schafft“) bzw. kraft Gesetzes sogar vollziehen darf, wird man den Vertretern des Bürger-begehrens eine Rücknahme des Bürgerbegehrens kaum verwehren können.
Letzteres schon deshalb, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung die Durchführung eines Bürgerentscheids verbietet, wenn ein - im Sinne der Initianten positiver - Bürgerentscheid nicht mehr vollziehbar wäre
Art. 18 a Bayerische Gemeindeordnung regelt jedoch ersichtlich nicht abschließend, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen ein Bürgerbegehren zurückgenommen werden darf, sondern setzt in einigen Fällen die Möglichkeit der Rücknahme, wenn auch nicht expressis verbis, voraus.
Mithin muss es der Gemeinde nach Art. 18 a XVII 1 Bayerische Gemeindeordnung grundsätzlich gestattet sein, hinsichtlich einer etwaigen Rücknahme eines Bürgerbegehrens „das Nähe­re durch Satzung“ zu regeln.
Die Stadt Vöhringen hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und in
§ 4 IV ihrer Bürgerbegehrenssatzung ausdrücklich geregelt, dass der Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids (nur) bis zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zurückgenommen werden kann.
Eine solche Regelung begegnet keinen Bedenken, insbesondere ist insoweit kein Verstoß gegen Art. 18 a Bayerische Gemeindeordnung ersichtlich.
Denn aus Art. 18 a Bayerische Gemeindeordnung kann nicht gefolgert werden,
dass eine Rücknahme auch über den Zeitpunkt der Zulässigkeitsentscheidung hinaus durch die Gemeinden gewährleistet werden muss.
Es ist daher vom Ermessen, welches Art. 18 a XVII Bayerische Gemeindeordnung der Gemeinde einräumt, gedeckt, wenn die kommunale Satzung den spätestens Zeitpunkt für eine Rücknahme des Bürgerbegehrens auf den Zeitpunkt „bis zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens“ festlegt.
Die beiden vorliegenden Bürgerbegehren verstoßen jedoch gegen diese zeitliche
Begrenzung, die § 4 IV Bürgerbegehrenssatzung vorschreibt.
Die in den Bürgerbegehren erteilte Ermächtigung für die Vertreter, auch noch bis zum Beginn der Versendung der Abstimmungsbenachrichtigung das Bürgerbegehren zurücknehmen zu dürfen, verstößt daher gegen § 4 IV der Bürgerbegehrenssatzung der Stadt Vöhringen und ist somit rechtlich unzulässig.



5)
Verstoß der Bürgerbegehren gegen vorvertragliche zivilrechtliche Verpflichtun­gen der Gemeinde - Verstoß gegen § 7 IV Nr. 4 der Bürgerbegehrenssatzung

Gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann ein Bürgerbegehren auch dann rechtlich unzulässig (geworden) sein, wenn es gegen zivilrechtliche Verpflichtungen der Gemeinde verstößt.

Vorliegend wurde der notarielle Kaufvertrag mit der
DITIB Türkisch-Islamische Gemeinde zu Vöhringen e.V. und der Stadt Vöhringen zwar noch nicht beurkundet.
Jedoch existiert bereits ein Stadtratsbeschluss zur Veräußerung des Grundstückes.
Ferner befinden sich die künftigen Vertragsparteien, d.h. die Gemeinde Vöhringen und die DITIB-Gemeinde, bereits vor Einreichung der Bürgerbegehren in abgeschlossenen Vertragsverhandlungen.
Vor allem aber hat das Landratsamt Neu-Ulm zu Gunsten der
DITIB-Gemeinde bereits einen Bauvorbescheid erlassen (siehe Anlage 3),
sodass die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bereits geklärt ist.
Mithin wäre die Verweigerung der notariellen Beurkundung durch die Gemeinde, sollten die Bürgerbegehren zugelassen werden und die Bürgerentscheide im Sinne der Initiatoren positiv ausgehen, treuwidrig.
Ein Vollzug dieses Bürgerentscheids auf legalem Wege wäre mithin nicht mehr möglich.
Somit kann keine Rede davon sein, dass die vom Bürgerbegehren geforderten „Maßnahmen und die verfolgten Ziele mit der Rechtsordnung in Einklang stehen.

Soweit das Bürgerbegehren auf die Verhinderung der Grundstücksveräußerung abzielt, handelt es sich ersichtlich um ein „auf ein rechtswidriges Ziel gerichtetes Bürgerbegehren(...)“, das unzulässig ist.
Der Vorbescheid hat Bindungswirkung.
Er entscheidet über das, was Gegenstand der Prüfung des Vorbescheidsverfahrens war, abschließend.

§ 7 IV Nr. 4 der Bürgerbegehrenssatzung der Stadt Vöhringen kodifiziert insoweit lediglich die einschlägige Rechtsprechung, was unproblematisch vom gemeindlichen Satzungsermessen, das Art. 18 a XVII 1 Bayerische Gemeindeordnung einräumt, gedeckt ist.
Somit verstößt das Bürgerbegehren gegen den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, wonach über nicht mehr vollziehbare Bürgerbegehren
kein Bürgerentscheid mehr stattfinden darf und auch gegen § 7 IV Nr. 4 Bürger-begehrenssatzung, der die (vor)vertraglichen Bindungen der Gemeinde im Zeitpunkt der Zulässigkeitsentscheidung des Gemeinderates schützt.



6)
Verstoß gegen Art. 18 a III Bayerische Gemeindeordnung

Beide Bürgerbegehren verstoßen ferner gegen Art. 18 a III der Bayerische Gemeindeordnung.
Diese Vorschrift nimmt insbesondere Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung aus dem Anwendungsbereich der kommunalen direkten Demokratie heraus.

Unter den Begriff der „inneren Organisation“ fallen neben den Geschäftsordnungs-
fragen des Gemeinderats und seiner Ausschüsse sowie neben der Aufgaben-gliederung und der Durchführung allgemeiner Dienst- und Geschäftsanweisungen vor allem Fragen der Aufbau-, Ablauf- und Behördenorganisation in der Gemeinde, die insbesondere auch die Zusammenlegung und Abschaffung von Ämtern umfassen können.

Grundsätzlich ist in der Gemeinde Vöhringen für die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach der Geschäftsordnung der Bau- und Verkehrsausschuss zuständig.
Dies folgt aus Artikel 45 I Bayerische Gemeindeordnung i.V.m. Artikel 32 II, III 1 der
Bayerischen Gemeindeordnung i.V.m. § 8 Nr. 2, 3, GOV i.V.m. § 9 Ziff. 1.2.1 GOV.
Gemäß Art. 18 a XIII Bayerische Gemeindeordnung hat der auf ein Bürgerbegehren folgende Bürgerentscheid die Wirkung eines Beschlusses des Gemeinderates, d.h. die Wirkung eines Plenumsbeschlusses.

Beide Bürgerbegehren zielen mithin darauf ab, anstelle des für die Erteilung oder Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens zuständigen Bau- und Verkehrs­ausschusses die Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses herbeizuführen.
Mithin sollen durch die Bürgerbegehren die innergemeindliche Zuständigkeit vom Gemeinderatsausschuss auf das Plenum verlagert werden.
Daher betreffen die Bürgerbegehren sowohl Geschäftsordnungsfragen des Gemeinderates und seiner Ausschüsse als auch die Ablauforganisation innerhalb der Gemeinde.
Beide Bürgerbegehren verstoßen daher gegen die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze und damit gegen Art. 18 a III der Bayerischen Gemeinde-ordnung.



7)
Verstoß des Bürgerbegehrens „Firmen in das Gewerbegebiet Vöhringen Nord“
gegen das bundesrechtlich vorgeschriebene kommunale Abwägungsgebot des
§ 1 VII BauGB

Das Bürgerbegehren „Firmen in das Gewerbegebiet Vöhringen Nord“ verstößt
zudem gegen den Grundsatz des bundesrechtlich vorgeschriebenen kommunalen Abwägungsgebotes aus § 1 VII BauGB.

Durch den ersten Teil der Fragestellung des Bürgerbegehrens sollen kirchliche, kulturelle und soziale Zwecke im aufzustellenden Bebauungsplanänderungsverfahren ausgeschlossen werden.
Die Frage lässt gerade keine Abwägung mehr zu, sondern schreibt dem Gemeinderat, der die Bebauungsplanänderung initiieren soll, das Endergebnis der Abwägung vor.

Die entscheidende und alleinige maßgebliche Festsetzung des aufzustellenden
und zu beschließenden Änderungsbebauungsplans bietet keinerlei Möglichkeit zur planerischen Abwägung; zudem enthält die Fragestellung keinerlei positive Zielsetzung.
Somit liegt auch ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot aus § 1 VII BauGB vor.



8)
Ungültigkeit der „Abänderungsermächtigung“ zu Gunsten der Vertreter
der Bürgerbegehren und Ungültigkeit der „Weitergeltungsklausel“ für die nach
Änderung der Bürgerbegehren verbleibenden Teile

Beide Bürgerbegehren enthalten vor dem Unterschriftenteil eine vorformulierte Ermächtigung der Vertreter, zur Begründung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens Änderungen vornehmen zu dürfen, soweit diese nicht den Kern des Antrages berühren, und zwar bis zum Beginn der Versendung der Abstimmungsbenach-richtigungen.
Ferner sollen die Unterschriften der Unterzeichner jeweils für die verbleibenden zulässigen bzw. nicht erledigten Teile beider Bürgerbegehren fortgelten, falls Teile des jeweiligen Bürgerbegehrens unzulässig sein oder sich erledigt haben sollten.

Dass der in den Bürgerbegehren enthaltene Satz

„Die Vertreter werden ermächtigt, zur Begründung der Zulässigkeit des Bürgerbegeh­rens Änderungen vorzunehmen, soweit diese nicht den Kern des Antrages berühren, sowie das Bürgerbegehren bis zum Beginn der Versendung der Abstimmungs-benachrichtigungen gemeinschaftlich zurückzunehmen.“

bereits deshalb rechtswidrig ist, weil die Vertreter ermächtigt werden, die Bürgerbegehren auch noch nach einer Zulässigkeitsentscheidung zurückzunehmen, wurde bereits oben dargelegt.

Darüber hinaus sind dieser Satz und die nachfolgende „Weitergeltungsklausel“ auch deshalb ungültig, weil sie namentlich das Transparenzgebot und die Abstimmungs-freiheit der Unterzeichner verletzen.
Sie ist trotz der Benennung des Kerns des Bürgerbegehrens so weit gefasst, dass sie einer Blankovollmacht sehr nahe kommt
Darüber hinaus steht die Ermächtigung im Zusammenhang mit einer sehr komplexen Fragestellung.
Für die Unterzeichner der ursprünglichen Fragestellung und der Ermächtigung
war und ist in keiner Weise abschätzbar, welche Veränderungen der ursprünglichen Fragestellung, die verschiedene Gesichtspunkte (wohl unzulässigerweise) miteinander verbunden hatte, sich zwangsläufig aufdrängen würden, damit die Fragestellung des Bürgerbegehrens ohne Verfälschung des Willens der Unterzeichner zulässig werde.

Die vorformulierten Sätze in den vorliegenden Bürgerbegehren gestatten
den Vertretern die inhaltliche Änderung des Bürgerbegehrens, um dessen rechtliche Zulässigkeit zu erreichen, gerade nicht nur in Ausnahmefällen, sondern im nahezu unbegrenzten Umfang.
Dies auch deshalb, weil die hiesigen Fragestellungen ebenfalls durchaus als komplex einzustufen sind, erst recht, wenn man die umfangreichen (juristisch teilweise unzulässigen Begründungen in die Betrachtung mit einbezieht.



9)
Keine ordnungsgemäße Einreichung der Unterschriftenlisten bei der Gemeinde
i.S.v. Art. 18 a I, IV Bayerische Gemeindeordnung

Nach Art. 18 a I, IV der Bayerischen Gemeindeordnung muss jedes Bürgerbegehren bei der Gemeinde durch Bürger der Gemeinde eingereicht werden.
Beide Bürgerbegehren nebst Unterschriftenlisten wurden – wie oben dargestellt –
jeweils mit Schreiben vom 12. August 2015, eingegangen noch am gleichen Tag beim Vöhringer Rathaus, eingereicht.
Beide Schreiben vom 12. August 2015 wurden (nur) unterschrieben von Herrn
Stefan Heiß in seiner Eigenschaft als „Vorstand Bl Pro Vöhringen und Umgebung“.
Als Absender des schriftlichen Antrags ist bei beiden Schreiben jeweils die „Bürgerinitiative Pro Vöhringen und Umgebung Schleifweg 107 89269 Vöhringen“ angegeben.
Bei der Einreichung eines Bürgerbegehrens muss schon aus Gründen der Rechtssicherheit für die Gemeinde klar erkennbar sein, dass das Bürgerbegehren nebst Unterschriftenlisten von einem Vertreter des Bürgerbegehrens eingereicht worden ist.
Vorliegend wurden die Bürgerbegehren nicht von den auf den Bürgerbegehren angegebenen Vertretungspersonen oder Stellvertretern bei der Gemeinde eingereicht.
Eingereicht wurden die Bürgerbegehren ersichtlich von der „Bürgerinitiative Pro Vöhringen und Umgebung“, vertreten durch den Vorstand.
Jedenfalls aber ist die Bürgerinitiative PRO Vöhringen und Umgebung (e.V.) kein Vertreter der beiden Bürgerbegehren.
Sowohl der Zusatz „Vorstand Bl Pro Vöhringen und Umgebung“ unter der Unterschrift des Herrn Heiß als auch vor allem der Absender „Bürgerinitiative Pro Vöhringen und Umgebung Schleifweg 107 89269 Vöhringen“ schließen es definitiv aus, dass hier die Privatperson Stefan Heiß als Vertreter des Bürgerbegehrens dieses bei der Gemeinde eingereicht hat.

Aufgrund der Vielzahl und auch der Schwere der rechtlichen Mängel, die beide Bürgerbegehren aufweisen, sind beide Bürgerbegehren für rechtlich unzulässig
zu erklären.

Herr Rechtsanwalt Dr. Uwe Lipinski, der seitens der Stadt Vöhringen mit der
rechtlichen Prüfung der Zulässigkeit beauftragt war, wird in der Sondersitzung
vom 9. September 2015, 17.00 Uhr, die Themenbereiche der rechtlichen Zulässigkeit noch näher erläutern.

Empfehlung

1. Der Antrag auf Durchführung eines Bürgerbegehrens
„Keine Veräußerung städtischer Grundstücke für nicht-gewerbliche Zwecke“
mit Schreiben vom 12. August 2015 wird zurückgewiesen.
Das Bürgerbegehren ist rechtlich unzulässig.

2. Der Antrag auf Durchführung eines Bürgerbegehrens
„Firmen in das Gewerbegebiet Vöhringen Nord“ mit Schreiben vom 12. August 2015 wird gleichfalls zurückgewiesen.
Das Bürgerbegehren ist rechtlich unzulässig.

Diskussionsverlauf

Herr Bürgermeister Janson weist nach Feststellung der ordnungsgemäßen Ladung und
Beschlussfähigkeit vorab darauf hin, dass während der Sitzung keine Ton- und Bildaufnahmen gemacht werden dürfen und auch keine Beifalls- oder Missbilligungsäußerungen zulässig sind.

Sodann führt Bürgermeister Janson unter Hinweis darauf, dass es in dieser Sondersitzung nicht um das Bauvorhaben selbst gehe, aus, dass nach unserem Grundgesetz, unserer Verfassung und der darin garantierten Religionsfreiheit auch das Recht der Muslime auf den Bau würdiger Moscheen gehöre. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gewährleiste und schütze die Religionsfreiheit als Menschenrecht uneingeschränkt.
In den vergangenen Jahren habe es gleichwohl in einzelnen Städten Diskussionen, manches Mal auch heftigen Streit um den Bau von Moscheen gegeben, so auch in Vöhringen.
Auch wenn explizit das Wort „Moscheebau“ bei beiden heute auf der Tagesordnung stehenden Bürgerbegehren nicht genannt werde, sei dieser geplante Moscheebau doch der tatsächliche Hintergrund der beiden Bürgerbehrensanträge.

Sodann geht Bürgermeister Janson gleichwohl noch kurz auf das Bauvorhaben ein.
Das gegenständliche und für den Bau der Moschee vorgesehene Grundstück habe entgegen anderslautender Behauptungen eine Fläche von lediglich ca. 2.500 m. Das Bauvorhaben sei modern ausgerichtet. Das Bauvorhaben sei städtebaulich nicht prägend sichtbar. Es sei nicht ins Zentrum der Stadt gerückt. Der Moscheebau sei architektonisch nicht an die Traditionen der Herkunftsländer angelehnt. Er signalisiere über die religiös-funktionell bedingten Gestaltungserfordernisse hinaus keine Fremdheit. Vorgesehen seien 31 Stellplätze. Das geplante „Minarett“ habe eine Höhe von 16 m und einen Durchmesser von lediglich 1,5 m. Es sei nicht begehbar. Es habe rein symbolischen Charakter. Es sei auch keine Beschallung vom Minarett vorgesehen und gestattet.

Zur Sache selbst erklärt Bürgermeister Janson, dass sich bei der Prüfung bezüglich der Zulässigkeit der beiden Bürgerbegehrensanträge einige rechtliche Bedenken ergeben hätten, weshalb man Herrn Rechtsanwalt Dr. Lipinski mit der rechtsgutachterlichen Beurteilung beauftragt habe. Dieser werde nun die wesentlichen Schwerpunkte der rechtlichen Prüfung darstellen.

Herr Rechtsanwalt Dr. Lipinski greift im Weiteren folgende vier Schwerpunkte auf, die allein aufgrund der Schwere der rechtlichen Mängel bereits zur Unzulässigkeit der Bürgerbegehren führen.

Es sind dies:

1.        Rücknahmemöglichkeit der Bürgerbegehren „bis zum Beginn der Versendung der
Abstimmungsbenachrichtigung“

Hier liege bei beiden Bürgerbegehren ein Verstoß gegen die städtische Bürgerbegehrenssatzung vor, wonach der Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids (nur) bis zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zurückgenommen werden darf.

2.        Verstoß gegen Art. 18 a Abs. 3 der Bayer. Gemeindeordnung

Diese Vorschrift nehme insbesondere Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung aus dem Anwendungsbereich der kommunalen direkten Demokratie heraus. Beide Bürgerbegehren zielen aber darauf ab, anstelle des für die Erteilung oder Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens zuständigen Bau- und Verkehrsausschusses die Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses herbeizuführen.


3.        Ungültigkeit der Abänderungsermächtigung zu Gunsten der Vertreter der
Bürgerbegehren

Dies komme einer Blankovollmacht nach. Für die Unterzeichner der ursprünglichen Fragestellung und der Ermächtigung der beiden Bürgerbegehren sei in keiner Weise abschätzbar, welche Veränderungen gegenüber der ursprünglichen Fragestellungen ggf. vorgenommen werden.

4.        Verstoß des Bürgerbegehrens „Firmen in das Gewerbegebiet Vöhringen Nord“
gegen das bundesrechtlich vorgeschriebene kommunale Abwägungsgebot des
§ 1 Abs 7 BauGB
       
       Durch den ersten Teil der Fragestellung des Bürgerbegehrens sollen kirchliche,
kulturelle und soziale Zwecke im aufzustellenden Bebauungsplanänderungsverfahren ausgeschlossen werden. Die Frage lasse gerade keine Abwägung mehr zu, sondern schreibe dem Gemeinderat, der die Bebauungsplanänderung initiieren soll, das
Endergebnis der Abwägung vor.

Daneben liegen nach den Worten von Herrn Rechtsanwalt Dr. Lipinski zahlreiche weitere Verstöße vor, die er aber aus Zeitgründen nicht mehr explizit mündlich vorträgt. Schon die vier aufgezeigten Verstöße seien aber so schwerwiegend, dass beide Bürgerbegehren vom Stadtrat für unzulässig zu erklären sind. Im Falle einer anderweitigen Entscheidung des Stadtrates müsste Herr Bürgermeister Janson den Vollzug der Beschlüsse aussetzen und eine  Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde herbeiführen.

Nachdem sich aus dem Gremium keine Rückfragen mehr ergeben und die wesentlichen Gesichtspunkte in der Sitzungsvorlage ausführlich dargestellt sind, bringt Herr Bürgermeister Janson sodann nachfolgende Beschlüsse zur Abstimmung:

Beschluss

1. Der Antrag auf Durchführung eines Bürgerbegehrens
„Keine Veräußerung städtischer Grundstücke für nicht-gewerbliche Zwecke“
mit Schreiben vom 12. August 2015 wird zurückgewiesen.
Das Bürgerbegehren ist rechtlich unzulässig.

2. Der Antrag auf Durchführung eines Bürgerbegehrens
„Firmen in das Gewerbegebiet Vöhringen Nord“ mit Schreiben vom 12. August 2015 wird gleichfalls zurückgewiesen.
Das Bürgerbegehren ist rechtlich unzulässig.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 20, Dagegen: 2

Datenstand vom 24.09.2015 08:32 Uhr