Ortsrecht der Stadt Vöhringen Satzung über die Erhebung von einmaligen Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen und Parkplätzen (Straßenausbaubeitragssatzung) Neufassung


Daten angezeigt aus Sitzung:  Stadtratssitzung, 23.11.2017

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Haupt- und Umweltausschuss Haupt- und Umweltausschuss-Sitzung 06.11.2017 ö Vorberatung 1
Stadtrat Stadtratssitzung 23.11.2017 ö Beschließend 3

Sachverhalt

Der Straßenausbau bzw. die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen führte in der Vergangenheit immer wieder zu Diskussionen.
Zum einen lag und liegt dies darin begründet, dass es bezüglich der Deckung
des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen und Parkplätzen unterschiedliche landesgesetzliche Regelungen gab und gibt.
Zum anderen wurde auch im Land Bayern die Erhebung dieser Beiträge in der Praxis sehr unterschiedlich umgesetzt und teilweise sogar davon abgesehen.
Diese unterschiedliche Handhabung in der Praxis und die Darstellung völlig überzeichneter Einzelfälle in den Medien führte teilweise zu einem einseitigen Bild, was wiederum den Landesgesetzgeber fraktionsübergreifend dazu veranlasst hatte, hier mit einer neuen gesetzlichen Regelung Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu schaffen.
Hierbei stand vor allem im Vordergrund, die berechtigten Interessen der Anlieger und der Gemeinden in einen gerechten Ausgleich zu bringen.
Grundsätzlich bestand aber dahingehend Konsens, an der Beitragsfinanzierung der kommunalen Infrastruktur festzuhalten.
Um die finanzielle Belastung der Grundstückseigentümer zu reduzieren, hatte der Bayerische Landtag bereits im Sommer 2014 eine neue Regelung in das Kommunal-abgabengesetz aufgenommen, die es den Kommunen erlaubt, Straßenausbaubeiträge
zu verrenten und damit auf mehrere Raten zu verteilen.
Am 1. April 2016 ist denn ferner die letzte KAG-Novelle, die sich insbesondere mit der Reform des Erschließungs- und Straßenausbaubeitrages auseinandersetzt, in weiten Teilen in Kraft getreten.
Auch künftig sollen demgemäß Bayerns Kommunen Beiträge für den Ausbau und die Sanierung innerörtlicher Straßen erheben.
Dem stehen jedoch erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten zur Entlastung des einzelnen Bürgers gegenüber.
Es bringt insbesondere mit der Einführung der wiederkehrenden Beiträge als Alternative zum herkömmlichen Straßenausbaubeitrag grundlegende Änderungen im Beitragsrecht.
Außer Frage steht, dass Straßenausbaubeiträge ein unverzichtbares Finanzierungsinstrument zur Erhaltung und Verbesserung des kommunalen Straßennetzes sind.
Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist auch notwendig.
Das Straßennetz könnte ohne Straßenausbaubeiträge nicht so aufrechterhalten werden, dass ein sicherer Verkehrsfluss gewährleistet ist.
Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist sinnvoll, weil dadurch eine kontinuierliche Erneuerung und Verbesserung des Straßennetzes sichergestellt wird.

Der Bayerische Landtag hat mit der Novelle zum KAG zwar auch die Option zur Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen eröffnet.
Die Unterzeichner wie auch die Vertreter des Bayerischen Städtetages
und viele Fachexperten versprechen sich davon allerdings keinen wesentlichen Beitrag zur Akzeptanzsteigerung.
Vielmehr könnten durch eine jährlich wiederkehrende Zahlungspflicht Erwartungen geweckt werden, die sich nicht erfüllen lassen.

Es wird auch befürchtet, dass bei der Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen erhebliche rechtliche Probleme etwa bei der Bildung von Abrechnungseinheiten und einen hohen Verwaltungsaufwand bei der Ermittlung und Bewertung der zum wiederkehrenden Beitrag heranzuziehenden Anlieger entstehen.
Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist  auch sozial vertretbar.
Die bisherige Gesetzeslage wie auch die Gesetzeslage nach der Novellierung halten ausreichend Instrumente zur Vermeidung unbilliger Härten vor.
Bei erheblicher Härte sah das Gesetz schon bisher die Möglichkeit der Stundung
und im Einzelfall sogar einen Erlass vor. 2014 wurden die vorgenannten Möglichkeiten um die Verrentung des einmalig erhobenen Beitrags erweitert.
Hohe Einmalbeiträge können nach Art. 5 Abs. 10 KAG bei Vorliegen einer unbilligen Härte in wiederkehrende Raten umgewandelt werden.
Darüber hinaus können die Gemeinden in satzungsmäßig bestimmten Fällen eine Ratenzahlung gewähren.
Damit stellte bereits das bestehende KAG ein geeignetes Instrument der Verrentung
zur Verfügung.

Gegen die Einführung wiederkehrender Beiträge sprechen gewichtige Argumente. Diese Bedenken beziehen sich vor allem für Städte und Gemeinden, die bereits einmalige Beiträge erheben sowie für Städte und Gemeinden mit mehreren, nicht klar abgrenzbaren oder heterogenen Ortsteilen.
Anwohner an klassifizierten Straßen (Bundes-, Landes-, Kreisstraßen) werden
u.U. voll zum wiederkehrenden Beitrag herangezogen, ohne jemals selbst aus diesem Topf einen Straßenbau zu erhalten.
Dennoch werden nicht alle Anlieger im Abrechnungsgebiet erfasst.
In die Solidargemeinschaft miteinbezogen werden können nur Anlieger öffentlicher, zum Anbau bestimmter und endgültig hergestellter Straßen, während Anlieger von Außenbereichswegen oder von Straßen, denen der letzte Schliff einer endgültigen Herstellung fehlen, keinen Beitrag leisten.
Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass die anfängliche Euphorie und Akzeptanz schnell verfliegt, zumal eine höhere Gesamtbelastung der Grundstücks-eigentümer trotz einer Verteilung des Aufwands auf mehrere Schultern zu befürchten ist.
Ein Systemwechsel würde dem Stadtrat auch keine Gestaltungsfreiheit mehr geben
und dessen Flexibilität nehmen.
Die Abrechnung wiederkehrender Beiträge erfolgt zudem durch Spitzabrechnung nach den in der Abrechnungseinheit im Beitragsjahr tatsächlich entstandenen Kosten oder auf Grundlage eines bis zu fünf Jahren im Voraus festgelegten Investitionsprogramms durch Abrechnung der Durchschnittskosten mit einem späteren Ausgleich.
Die Festlegung eines langjährigen Investitionsprogramms begründet eine
faktische Bindung des Stadtrats und erschwert eine Zurückstellung einzelner Ausbaumaßnahmen zugunsten anderer, dringender Investitionen, die sich eventuell kurzfristig ergeben.

Der wiederkehrende Beitrag ist kein Vorfinanzierungsinstrument.
Erforderliche Mittel müssen von der Gemeinde verauslagt werden, sofern nicht angemessene Vorauszahlungen – mit entsprechendem Aufwand – von allen Grundstückseigentümern einer Abrechnungseinheit verlangt werden.

Ein Systemwechsel bringt vor allem aber Rechtsunsicherheit, keine Beitragsgerechtigkeit.
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederkehrende Straßenausbaubeiträge
zwar für zulässig erklärt (Beschl. v. 25. Juni 2014 – 1 BvR 668/10, 1 BvR 2104/10), zugleich aber der Praxis einer großzügigen Bildung einheitlicher Abrechnungseinheiten auf dem Gemeindegebiet eine klare Absage erteilt.
Selbst der Städtetag Rheinland-Pfalz rät derzeit seinen Mitgliedern von einem Systemwechsel ab.
Ein Systemwechsel sorgt ferner für mehr Verwaltungsaufwand, nicht für höhere Verwaltungseinnahmen.
Die wiederkehrende Beitragserhebung ist insbesondere für Städte und Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet und mit heterogener Siedlungsstruktur wie die Gemarkung Vöhringen nicht geeignet.
In diesen Städten und Gemeinden müssen nach der obergerichtlichen Rechtsprechung mehrere Abrechnungseinheiten gebildet werden.
Verbleiben kleinere, von dem restlichen Ortsgebiet losgelöste Ortsteile, die sich wegen ihrer Größe für eine wiederkehrende Beitragserhebung nicht eignen, müssten in diesem Ortsteil einmalige Beiträge erhoben werden.
Dies wäre mit dem Gleichheitssatz nur schwer vereinbar, da in diesen Ortsteilen Anwohner klassifizierter Straßen nicht zum Beitrag herangezogen würden.
Angesichts dieser differenzierenden Vorgaben ist in Städten und Gemeinden mit mehreren, nicht klar abgrenzbaren oder heterogenen Ortsteilen dringend von der Einführung wiederkehrender Beiträge abzuraten.
Letztlich, und dies wäre unbedingt zu beachten, es gäbe keinen Weg zurück
zu einer anderen Möglichkeit und Alternative der Beitragserhebung.
Entscheidet sich eine Stadt oder Gemeinde für die wiederkehrende Beitragserhebung, ist ein Weg zurück zur einmaligen Erhebung (faktisch) ausgeschlossen.

Ergänzend zu diesen grundsätzlichen Ausführungen dürfen vorab noch folgende konkrete Modifizierungen bzw. Tatbestände des anliegenden Satzungsentwurfes angesprochen werden:

(1) Selbständige Grünanlagen
Diese wurden wohl bayernweit – auch in Vöhringen – in der Vergangenheit nie abgerechnet.
Dies vor allem deshalb, weil der Kreis der Nutzer, die einen den Beitrag rechtfertigenden Vorteil aus der Anlage ziehen können, regelmäßig nicht hinreichend eindeutig bestimmbar war und ist.

(2) Beitragsfähigkeit von Werk- und Dienstleistungen des kommunalen Personals
Bezüglich der nunmehrigen Beitragsfähigkeit von Werk- und Dienstleistungen des gemeindlichen Personals für die technische Herstellung der Einrichtung – Straße ist anzumerken,  dass diese Regelung kraft Gesetzes (KAG) wirkt und somit zwingend anzuwenden ist.
Sie wird demgemäß zu einer gewissen geringen Erhöhung der Beitragslast für die Bürger führen, da diese Kosten bislang nicht in Ansatz gebracht wurden.

(3) Tiefenbegrenzung
Bezüglich der bisherigen starren 50 m Grenze zur Tiefenbegrenzung von Grundstücken, die in den baurechtlichen Außenbereich übergehen, würde die Bauverwaltung empfehlen,  die als Alternative zu einer Meter-Regel auch mögliche Formulierung „Tiefenbegrenzung bis dahin, wo das Grundstück in den Außenbereich übergeht“, zu wählen.
Dies erfordert im Abrechnungsfalle zwar mehr Aufwand wegen Einzelfallfeststellungen, erscheint jedoch auf das gesamte Stadtgebiet bezogen als gerechtere und praktikablere Lösung.

(4) Vollgeschosse
Da bayernweit wohl in immer mehr Bebauungsplänen nicht mehr die Anzahl der
höchst zulässigen Vollgeschosse festgelegt wird, war eine alternative Berechnungsweise, wie aus anderen Angaben (neben der Baumassenzahl nun auch die Wand- und Firsthöhe der Gebäude) die Anzahl der der Beitragsberechnung zugrunde zu legenden Vollgeschosse ermittelt werden kann, notwendig.
Da die Definition des Vollgeschosses bei einer der letzten Änderungen
der Bayerischen Bauordnung aus dieser entfernt wurde und nur noch als Übergangsvorschrift in der BayBO unter Verweis auf die Baunutzungsverordnung existent war, erscheint es sinnvoll, diese Definition nun direkt in die Beitragssatzung aufzunehmen.

(5) Gemeindeanteil
Die Abweichungen der Gemeindeanteile bei den umlagefähigen Kosten zur
Mustersatzung ergeben sich aus dem Willen des Stadtrates im Jahre 2003, der schon beim damals notwendigen Neuerlass einer Ausbaubeitragssatzung keine Änderung in den Umlagesätzen – vor allem zu Lasten der Beitragspflichtigen – wollte.

Deshalb wurden die vor diesem Neuerlass gültigen Umlagesätze beibehalten
und lediglich um die damals neu eingeführten Teileinrichtungen der Straße (Beispiel „Mehrzweckstreifen“) ergänzt.

Weiterer ergänzender Sach- und Rechtsvortrag erfolgt in der Sitzung.

Empfehlung

Der Stadtrat erlässt die Neufassung der Satzung über die Erhebung von einmaligen Beiträgen zur Deckung des Aufwands für Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen und Parkplätzen (Ausbaubeitragssatzung - ABS) der Stadt Vöhringen (Anlage 1). Die Satzung tritt am 01.01.2018 in Kraft. Sie ist wesentlicher Bestandteil dieses Beschlusses.

Diskussionsverlauf

Herr Bürgermeister Janson nimmt Bezug auf die ausführliche Sitzungsvorlage und die Vorberatung dieses Tagesordnungspunktes in der Sitzung des Haupt- und Umweltausschusses vom 06.11.2017. Er erläutert nochmals ausführlich die Grundzüge der wesentlichen Modifizierungen des Kommunalen Abgabengesetzes (KAG) vom April 2016 und zeigt hierbei auch die Möglichkeit auf, wiederkehrende Beiträge zu erheben.
Dies empfehle sich seiner Ansicht jedoch nicht für Kommunen, die schon bislang einmalige Beiträge erhoben haben, wie dies in Vöhringen der Fall sei. Im Übrigen ist dieser Systemwechsel auf die wiederkehrenden Beiträge schwierig, rechtssicher zu gestalten. Auch die kommunalen Spitzenverbände würden aufgrund der damit verbundenen Umsetzungsprobleme jedoch weiterhin für einmalige Beiträge plädieren. Dieser Meinung schließen sich auch die Stadtratsmitglieder an.

Hierauf schließt sich eine eingehende Aussprache zur Abrechnung von bisher
einseitig bebauten Straßen, z.B. der Reiherstraße, Riedstraße sowie zum neu gestalteten Dorfplatz Illerberg an, in der Herr Bürgermeister Janson und Herr Vrkoslav ausführlich über die Rechtslage informieren.
Sie führen in diesem Zusammenhang auch aus, dass in den Dezembersitzungen die
Thematik „Straßenausbau“ und damit verbunden die Abrechnung von sog. „Altfällen“ auf die Tagesordnung komme. Vom Gesetzgeber ist hier eine „Verjährung“ nach 25 Jahren eingeführt worden. Ein Gremiumsmitglied regt in diesem Zusammenhang an, die Reiherstraße evtl. nur minimal auszubauen, da durch das neue Baugebiet künftig eine neue Erschließungsstraße durchführt, die beidseitig bebaut wird.

Ein Gremiumsmitglied bittet um Erstellung einer Übersicht über die von den Anliegern und der Stadt in den letzten fünf Jahren angefallenen Erschließungskosten und Straßenausbaubeiträge. Herr Bürgermeister Janson sichert dies zu (vgl. hierzu Anlage).

Im Ergebnis der Beratungen ergeht sodann folgender

Beschluss

Der Stadtrat erlässt die Neufassung der Satzung über die Erhebung von einmaligen Beiträgen zur Deckung des Aufwands für Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen und Parkplätzen (Ausbaubeitragssatzung - ABS) der Stadt Vöhringen (Anlage 1). Die Satzung tritt am 01.01.2018 in Kraft. Sie ist wesentlicher Bestandteil dieses Beschlusses.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 22, Dagegen: 0

Datenstand vom 14.12.2017 16:52 Uhr