Dieser Tagesordnungspunkt war bereits Gegenstand der Sitzung des Stadtrates der Stadt Vöhringen vom 22.03.2018.
Zur Namensgebung der neuen Erschließungsstraße hatte die Firma Sanomed den Vorschlag gemacht, die Straße nach dem bekannten Chemiker Otto Hahn, der als erster die Kernspaltung beobachtet hatte und diese auch mit chemischen Verfahren nachweisen konnte, zu benennen.
Allerdings wurde dieser Vorschlag seitens einiger Mitglieder insoweit infrage gestellt, als Herr Otto Hahn im ersten Weltkrieg wohl an der Entwicklung von chemischen Kampfstoffen (Giftgas) beteiligt war.
Otto Hahn gilt als Vater der Kernchemie und zählt zu den bedeutendsten Naturwissenschaftlern des 20. Jahrhunderts.
Diese entwickelte, testete und produzierte Giftgas für Kriegszwecke, schulte das Militär für den Umgang mit Giftgas, bereitete den Einsatz an der Front vor und überwachte die Gasangriffe.
„Hahn hatte zunächst Bedenken, da er glaubte, dass die Verwendung giftiger Gase im Krieg gegen die ‚Haager Konvention‘ verstieß.
Aber er ließ sich von Haber überreden.
Das seine persönliche wie die staatsbürgerliche Erziehung bestimmende Pflicht- und Pflichterfüllungsprinzip und dazu die so ‚humane‘ Begründung, Gas verkürze den Krieg, erhalte also Menschenleben hatte seine Wirkung getan.
30 Jahre später, als mit der gleichen Argumentation der Abwurf der Atombomben in Japan gerechtfertigt werden sollte, musste Otto Hahn schwerer als sonst irgend jemand darunter leiden.
In der Zeit des Nationalsozialismus gehörte Hahn nach Albert Einsteins Urteil zu den „Wenigen, die aufrecht geblieben sind und ihr Bestes taten während dieser bösen Jahre“. Anfang 1934 erklärte Hahn aus Solidarität mit entlassenen jüdischen Kollegen seinen Austritt aus dem Lehrkörper der Universität Berlin.
Es wurde vor dem Hintergrund der Beteiligung Hahns an der Entwicklung von chemischen Kampfstoffen von einem anderen Stadtratsmitglied vorgeschlagen, die Straße nach einem Chemiker zu benennen, der in Vöhringen wohnte, dort einen Betrieb geführt und einige bekannte Arzneimittel, wie z.B. das Mittel „Spolera“, entwickelt hat, nämlich nach Herrn Dr. Gustav Bartels.
Herr Dr. Bartels gründete, so auch die Darstellung in dem von der Stadt Vöhringen herausgegebenen Buch „Vöhringens Handel und Gewerbe 1860 – 1960“ im Jahre 1938/39 in Neu-Ulm eine pharmazeutische Firma.
1945 wurde dieser Betrieb in Vöhringen, in den Fremdarbeiter-Baracken der Fa. Ihle in der Illerberger Straße angesiedelt.
Ergänzend kann angemerkt werden, dass Herr Dr. Bartels am 15.12.1894 in Pointendorf, Parchim / Mecklenburg geboren und ab dem Jahre 1938 in zweiter Ehe mit Frau Lisbeth Johanna Bianka Bartels, geb. Metzner, verheiratet war.
Als Wohnorte innerhalb Vöhringens sind die Adressen „Illerberger Straße 33 und 31 (jew. Ihle), Memminger Straße 36 und zuletzt (jedoch nur für Frau Bartels) die Illerberger Straße 44 genannt.
Herr Dr. Bartels ist aufgrund einer Erkrankung am 31.03.1951 in Vöhringen verstorben.
Sein Betrieb wurde ausweislich des genannten Buches bis zum Jahr 1971 von Bianka Bartels weitergeführt.
Aus Sicht der Stadtverwaltung müsste bei dieser Straßenbenennung nach Herrn Dr. Bartels aber beachtet werden, dass es bislang ein ungeschriebenes Gesetz im Stadtrat war, keine Straßenbenennung nach einem Vöhringer Bürger oder einer Vöhringer Bürgerin vorzunehmen.
Als weiterer Vorschlag zur Straßenbenennung wäre denkbar „Justus-von-Liebig-Straße“.
Liebig erkannte, dass Pflanzen wichtige anorganische Nährstoffe in Form von Salzen aufnahmen und begründete durch seine Forschung die moderne Mineraldüngung und den Beginn der Agrochemie.
Als die Tochter eines Freundes 1852 in seinem Haus an Cholera erkrankte, brachte ihn das auf die Idee, ein „Fleischinfusum“ zu entwickeln, mit dessen Hilfe Personen mit schweren Magen- und Darmerkrankungen vor dem Tod gerettet werden konnten.
Um Säuglinge aus armen, schlecht ernährten Familien, für die aus gesundheitlichen oder anderen Gründen keine Muttermilch und auch keine Amme zur Verfügung stand, vor dem Verhungern zu bewahren, entwickelte Liebig nach längeren Untersuchungen eine „Suppe für Säuglinge“, wie er das Produkt nannte und in Zeitungen empfahl.
Es handelte sich um einen frühen Vorläufer der heutigen Babynahrung.
Bei Herrn von Liebig ließe sich also durchaus ein gewisser Zusammenhang, eine Artverwandtschaft mit der Fa. Sanomed, die ja ebenfalls in der Nahrungsmittelerzeugung tätig ist, herstellen.