Vollzug des Bayerisches Straßen- und Wegegesetzes; Neufestlegung eines Straßennamens für die Erschließungsstraße im Bereich des Bebauungsplanes "Gewerbegebiet Vöhringen Nord-Ost I an der Staatsstraße 2031" in Vöhringen


Daten angezeigt aus Sitzung:  Haupt- und Umweltausschuss-Sitzung, 09.04.2018

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Haupt- und Umweltausschuss Haupt- und Umweltausschuss-Sitzung 09.04.2018 ö 1

Sachverhalt

Dieser Tagesordnungspunkt war bereits Gegenstand der Sitzung des Stadtrates der Stadt Vöhringen vom 22.03.2018.

Zur Namensgebung der neuen Erschließungsstraße hatte die Firma Sanomed den Vorschlag gemacht, die Straße nach dem bekannten Chemiker Otto Hahn, der als erster die Kernspaltung beobachtet hatte und diese auch mit chemischen Verfahren nachweisen konnte, zu benennen.
Allerdings wurde dieser Vorschlag seitens einiger Mitglieder insoweit infrage gestellt, als Herr Otto Hahn im ersten Weltkrieg wohl an der Entwicklung von chemischen Kampfstoffen (Giftgas) beteiligt war.

Otto Emil Hahn, geboren am 8. März 1879 in Frankfurt am Main; verstorben am 28. Juli 1968 in Göttingen, war ein deutscher Chemiker und ein Pionier der Radiochemie. Für die Entdeckung und den radiochemischen Nachweis der Kernspaltung des Urans (Ende 1938) und des Thoriums (Anfang 1939) wurde ihm 1945 der Nobelpreis für Chemie des Jahres 1944 verliehen.
Otto Hahn gilt als Vater der Kernchemie und zählt zu den bedeutendsten Naturwissenschaftlern des 20. Jahrhunderts.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Otto Hahn zum Militärdienst einberufen.
Zunächst diente er von August bis Dezember 1914 als Offiziersstellvertreter in zwei Regimentern an der Westfront, danach wurde er Offizier (Leutnant) und Mitglied der von Fritz Haber geleiteten Spezialeinheit für chemische Kriegsführung.
Diese entwickelte, testete und produzierte Giftgas für Kriegszwecke, schulte das Militär für den Umgang mit Giftgas, bereitete den Einsatz an der Front vor und überwachte die Gasangriffe.
„Hahn hatte zunächst Bedenken, da er glaubte, dass die Verwendung giftiger Gase im Krieg gegen die ‚Haager Konvention‘ verstieß.
Aber er ließ sich von Haber überreden.

Das seine persönliche wie die staatsbürgerliche Erziehung bestimmende Pflicht- und Pflichterfüllungsprinzip und dazu die so ‚humane‘ Begründung, Gas verkürze den Krieg, erhalte also Menschenleben hatte seine Wirkung getan.
30 Jahre später, als mit der gleichen Argumentation der Abwurf der Atombomben in Japan gerechtfertigt werden sollte, musste Otto Hahn schwerer als sonst irgend jemand darunter leiden.

In der Zeit des Nationalsozialismus gehörte Hahn nach Albert Einsteins Urteil zu den „Wenigen, die aufrecht geblieben sind und ihr Bestes taten während dieser bösen Jahre“. Anfang 1934 erklärte Hahn aus Solidarität mit entlassenen jüdischen Kollegen seinen Austritt aus dem Lehrkörper der Universität Berlin.
Seit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 gehörte er zu den schärfsten Kritikern der nuklearen Aufrüstung der Großmächte und der durch unkontrollierte Atomtests fortschreitenden radioaktiven Verseuchung der Erde.
Otto Hahn wurde nach dem Zweiten Weltkrieg eine der angesehensten Persönlichkeiten in Europa und zudem einer der einflussreichsten Vorkämpfer für globale Völkerverständigung und internationale Entspannungspolitik, der für seinen aktiven Pazifismus seit 1957 mehrfach für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde.

Es wurde vor dem Hintergrund der Beteiligung Hahns an der Entwicklung von chemischen Kampfstoffen von einem anderen Stadtratsmitglied vorgeschlagen, die Straße nach einem Chemiker zu benennen, der in Vöhringen wohnte, dort einen Betrieb geführt und einige bekannte Arzneimittel, wie z.B. das Mittel „Spolera“, entwickelt hat, nämlich nach Herrn Dr. Gustav Bartels.

Herr Dr. Bartels gründete, so auch die Darstellung in dem von der Stadt Vöhringen herausgegebenen Buch „Vöhringens Handel und Gewerbe 1860 – 1960“  im Jahre 1938/39 in Neu-Ulm eine pharmazeutische Firma.
1945 wurde dieser Betrieb in Vöhringen, in den Fremdarbeiter-Baracken der Fa. Ihle in der Illerberger Straße angesiedelt.

Ergänzend kann angemerkt werden, dass Herr Dr. Bartels am 15.12.1894 in Pointendorf, Parchim / Mecklenburg geboren und ab dem Jahre 1938 in zweiter Ehe mit Frau Lisbeth Johanna Bianka Bartels, geb. Metzner, verheiratet war.
Als Wohnorte innerhalb Vöhringens sind die Adressen „Illerberger Straße 33 und 31 (jew. Ihle), Memminger Straße 36 und zuletzt (jedoch nur für Frau Bartels) die Illerberger Straße 44 genannt.

Herr Dr. Bartels ist aufgrund einer Erkrankung am 31.03.1951 in Vöhringen verstorben.

Sein Betrieb wurde ausweislich des genannten Buches bis zum Jahr 1971 von Bianka Bartels weitergeführt.

Aus Sicht der Stadtverwaltung müsste bei dieser Straßenbenennung nach Herrn Dr. Bartels aber beachtet werden, dass es bislang ein ungeschriebenes Gesetz im Stadtrat war, keine Straßenbenennung nach einem Vöhringer Bürger oder einer Vöhringer Bürgerin vorzunehmen.

Als weiterer Vorschlag zur Straßenbenennung wäre denkbar „Justus-von-Liebig-Straße“.

Justus Liebig, seit 1845 Freiherr von Liebig, geboren am 12. Mai 1803 in Darmstadt, verstorben am 18. April 1873 in München, war ein deutscher Chemiker und Universitätsprofessor in Gießen und München.
Liebig erkannte, dass Pflanzen wichtige anorganische Nährstoffe in Form von Salzen aufnahmen und begründete durch seine Forschung die moderne Mineraldüngung und den Beginn der Agrochemie.
Als die Tochter eines Freundes 1852 in seinem Haus an Cholera erkrankte, brachte ihn das auf die Idee, ein „Fleischinfusum“ zu entwickeln, mit dessen Hilfe Personen mit schweren Magen- und Darmerkrankungen vor dem Tod gerettet werden konnten.
Aus diesem Infusum hat er später „Liebigs Fleischextrakt“ entwickelt.

Um Säuglinge aus armen, schlecht ernährten Familien, für die aus gesundheitlichen oder anderen Gründen keine Muttermilch und auch keine Amme zur Verfügung stand, vor dem Verhungern zu bewahren, entwickelte Liebig nach längeren Untersuchungen eine „Suppe für Säuglinge“, wie er das Produkt nannte und in Zeitungen empfahl.
Es handelte sich um einen frühen Vorläufer der heutigen Babynahrung.

Bei Herrn von Liebig ließe sich also durchaus ein gewisser Zusammenhang, eine Artverwandtschaft mit der Fa. Sanomed, die ja ebenfalls in der Nahrungsmittelerzeugung tätig ist, herstellen.

Empfehlung

Um Entscheidung wird gebeten.

Diskussionsverlauf

Herr Bürgermeister Janson nimmt Bezug auf die Stadtratssitzung vom 22.03.2018 in der die Stadtverwaltung beauftragt worden ist, nähere Informationen zum Vorschlag der Straßenbenennung nach dem Vöhringer Chemiker Dr. Gustav Bartels einzuholen und verweist hierzu auf die ausführlichen Darstellungen in der Sitzungsvorlage zur heutigen Sitzung.

Das Gremium schließt sich im Ergebnis der Beratungen dem Vorschlag von Herrn Bürgermeister Janson an, die Erschließungsstraße im Gewerbegebiet „Vöhringen Nord-Ost I“ in „Otto-Hahn-Straße“ zu benennen, so wie es auch die sich dort ansiedelnde Firma vorgeschlagen hat.

Abstimmungsergebnis:        13 : 0 angenommen

Ein Gremiumsmitglied regt an, die bisherige Praxis einmal grundsätzlich erneut zu
überdenken, wonach die Straßen nicht nach bekannten Vöhringer Bürgern benannt werden sollen.

Datenstand vom 27.04.2018 07:19 Uhr