Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit in der Ulmer Straße


Daten angezeigt aus Sitzung:  Bau- und Verkehrsausschuss-Sitzung, 16.09.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bau- und Verkehrsausschuss Bau- und Verkehrsausschuss-Sitzung 16.09.2021 ö Beschließend 4

Sachverhalt

Vertreter der SPD-Stadtratsfraktion haben einen Antrag gestellt, die Verkehrssicherheit in der Ulmer Straße zwischen Vöhlin- und Frauenstraße zu erhöhen.

Hintergrund für diesen Antrag war u.a. auch der tragische Unfall, der sich an Ostern 2021 in diesem Straßenabschnitt unmittelbar an dem bestehenden Fußgängerüberweg ereignet hatte.

Nach den Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (FGÜ) gilt zudem folgender Grundsatz:

Wenn sich an einem FGÜ Unfälle mit Personenschaden ereignet haben, ist zu prüfen, welche ergänzenden Maßnahmen gegen die Unfallgefahren geeignet und erforderlich sind. Lassen sich bestehende Gefahren nicht ausreichend durch ergänzende Maßnahmen verringern, ist der FGÜ durch eine andere Querungshilfe zu ersetzen.

Im Ergebnis der Erörterung des Antrages aus der Stadtratsfraktion und in Vollzug des oben genannten Grundsatzes hat die Verwaltung nun die nachstehend dargestellten Möglichkeiten zur Verringerung der Geschwindigkeiten bzw. zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im erwähnten Abschnitt der Ulmer Straße geprüft.

Vorbemerkung:

In den KW 31 und 33 wurde in der Ulmer Straße im Bereich um den bestehenden FGÜ eine interne Verkehrszählung durchgeführt, um Daten über Querungen und Fahrzeugstärke zu erhalten.

Im kurz zusammengefassten Ergebnis ist festzuhalten, dass der bestehende FGÜ zwar eine gewisse „sammelnde Funktion“ hinsichtlich der Querungen hat, aber bei weitem nicht alle Fußgänger am FGÜ queren. Weiter kann festgehalten werden, dass zur stärksten Verkehrszeit (Freitag zwischen 16 und 17 Uhr) einmal 895 Fahrzeuge und 106 querende Fußgänger und andermals 815 Fahrzeuge und 111 querende Fußgänger auftraten.

Die für FGÜ geforderten Mindestzahlen an KfZ und querenden Fußgängern zur selben Stunde sind damit weit überschritten.

Die nachstehenden „Vorteile/Nachteile-Aufzählungen“ erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.



Variante 1 – Belassen der 30 km/h Regel und Aufpflasterung des FGÜ (Beispiel Ortsdurchfahrt Illertissen-Au)

Die Grundsätze, die zu den Richtlinien für die Anlage von FGÜ gelten, beinhalten u.a. auch folgendes:

Die Sicherheit von FGÜ kann durch ergänzende bauliche Maßnahmen … verbessert werden. Derartige Kombinationen empfehlen sich insbesondere, wenn vorrangig Kinder oder ältere oder behinderte Menschen beim Überqueren einer Straße geschützt werden müssen.


Vorteile:
  • Eine Reduzierung der gefahrenen Geschwindigkeiten scheint erreichbar – dies auch nachts, wenn weniger Verkehr ist.
  • Lt. LRA könnte diese Lösung rechtlich gerade noch vertretbar sein (wenngleich der FGÜ in einer Tempo 30 Zone liegt, was nach den Richtlinien für FGÜs zu vermeiden ist, da sie hier entbehrlich sind) – eine Verkehrszählung im August 2021 hat ergeben, dass die geforderten Querungs- und KfZ-Zahlen wie beim FGÜ gefordert, in einzelnen Stunden erreicht bzw. weit überschritten werden (vgl. oben).


Nachteile:
  • Diese Variante erscheint bedenklich (auch lt. LRA) wegen der sich entwickelnden Lärmbelästigung für die Anwohner – die Straße ist hier sehr stark befahren. Wegen der befürchteten Lärmbelästigungen (auch und vor allem nachts) sollte diese Variante vor deren Umsetzung von einem Fachbüro auch vor dem Hintergrund „Haftungsaussschluss für die Stadt“ geprüft werden.
  • Es würde sich um eine aufwändige Umbaumaßnahme handeln, da auch der Gehweg in einem recht umfangreichen Bereich angehoben werden müsste, Stichwort: entstehende Unebenheiten z.B. auch für Rollstuhlfahrer und Benutzer von Rollatoren.
  • Es werden Probleme beim Winterdienst gesehen. 
  • Die Haltbarkeit der Aufpflasterung ist wegen des hohen Verkehrsaufkommens (bis zu 895 Kfz/Std.) als eher gering einzustufen.



Variante 2 – Reduzierung der Geschwindigkeit auf 20 km/h (verkehrsberuhigter Geschäftsbereich Zeichen 274-1-20 = Zone 20) mit Entfernung des FGÜ

Vorteile:
  • Der ohnehin rechtlich fragwürdige bestehende FGÜ würde/müsste entfallen, da die übrigen Verkehrsteilnehmer in einem verkehrsberuhigten Geschäftsbereich überall mit Fußgängern auf der Fahrbahn rechnen müssen.
  • Da keine sichtbare „Querungshilfe“ (wie z.B. ein Zebrastreifen) vorhanden wäre, würde auch die Aufmerksamkeit der querenden Fußgänger erhöht, was der Steigerung der Verkehrssicherheit sicher dienlich sein würde.
  • Nach einer Definition, die in Wikipedia gefunden wurde, ist der verkehrsberuhigte Geschäftsbereich als Bindeglied zwischen Tempo-30-Zone und verkehrsberuhigtem Bereich insbesondere dazu geeignet, (…) Innenstadtbereiche hinsichtlich des Verkehrs flächig zu beruhigen. Durch die geringen Geschwindigkeiten verbessert sich die Verkehrssicherheit für Fußgänger. Im Allgemeinen erhöht sich die Aufenthaltsqualität der Verkehrsflächen für Fußgänger in dem Maße, in dem sich die Fahrgeschwindigkeit verringert. 

Nachteile:

  • Es besteht das rechtl. Problem, dass in diesem Bereich der Ulmer Straße wohl überwiegend Durchgangsverkehr herrscht, der überwiegende Verkehr in einem solchen Bereich sollte der Verkehr von und zu den Geschäften/Wohnungen sein – dieser ist hier jedoch auch relativ hoch anzusiedeln (zahlreiche Wohnungen und Geschäfte, die nur über die Ulmer Straße angefahren werden können – es ist keine rückwärtige Erschließung vorhanden).


Fazit: Diese Variante erscheint aus rechtlicher Sicht (auch lt. LRA) als die wohl am möglichsten erscheinende Lösung.
Die PI Illertissen favorisiert aus ihrer Sicht ebenfalls diese angedachte Lösung hinsichtlich Realisierbarkeit, rechtlicher und tatsächlicher Umsetzung sowie Verkehrssicherheit.


Anmerkung: Sollte diese Variante umgesetzt werden, sollte sich der verkehrsberuhigte Geschäftsbereich sinnvollerweise von vor „Ulmer Straße 19“ also noch vor der Einmündung von Silcher- und Frauenstraße bis zum Minikreisel an der Vöhlinstraße erstrecken. 

Zu diesem Bereich sollte ein Teil der Silcher- und Frauenstraße, jeweils vor der Einmündung in die Ulmer Straße (auch um den Bereich Eisdiele-Bach wirksam einzubeziehen) mit in den Bereich aufgenommen werden, ebenso wie die Bahnhofstraße ab Einmündung der Baderstraße bis zur Einmündung in die Ulmer Straße.

Dadurch müsste auch der FGÜ in der Bahnhofstraße an der Einmündung in die Ulmer Straße entfallen.


Variante 3: – Bedarfsampel 

Grundsätzliches: „Die Regelung des Verkehrs durch Lichtzeichen setzt eine genaue Prüfung der örtlichen Gegebenheiten baulicher und verkehrlicher Art voraus und trägt auch nur dann zu einer Verbesserung des Verkehrsablaufs bei, wenn die Regelung unter Berücksichtigung der Einflüsse und Auswirkungen im Gesamtstraßennetz sachgerecht geplant wird. Die erforderlichen Untersuchungen müssen von Sachverständigen durchgeführt werden.“ (Zitat aus den Richtlinien für Lichtsignalanlagen (RiLSA) Ausgabe 2015)

Vorteile:
  • Die wohl (allein) für im Ampelbereich querenden Fußgänger sicherste der aufgezeigten Varianten (s.u.).
  • Diese Lösung dürfte (unter Beachtung von „Grundsätzliches“ rechtlich gerade noch vertretbar sein, da bei einer Verkehrszählung im August 2021 Zahlen wie beim FGÜ gefordert, in einzelnen Stunden erreicht wurden (s.u.).


Nachteile:
  • Ein rechtl. Problem wird allerdings darin bestehen, dass die Ampel dann (wie beim FGÜ) in einer Tempo 30 Zone liegt, was sowohl für den FGÜ als auch die Ampel, die eine besondere Form des FGÜ darstellt, schwierig ist.
  • Die Gefahr des Rückstaus bei hohem Verkehrsaufkommen besteht – neben Rückstau bis zum Minikreisel auch in die andere Richtung bis zur Eisdiele, wo dann eine sehr unübersichtliche Situation für die dort zum Bach querenden Personen entstünde (Kreuzung) – neue Gefahrensituation.
  • Radfahrer könnten bei Rot über die Gehwege ausweichen – kein Hochbord – Gefahr für Fußgänger auf den Gehwegen – weitere neue Gefahrensituation.
  • Evtl. sehr lange Wartezeiten für ausparkende Autos und den ausfahrenden Anliegerverkehr – bis sich der Rückstau an der Ampel wieder aufgelöst hat, auch würde der zufahrende Anliegerverkehr deutlich beim (Links-)Abbiegen in die jeweilige Grundstückszufahrt behindert was beim Freiwerden zum schnellen Queren der Fahrbahn mit entspr. Geschwindigkeit auf dem Gehweg führen kann – noch eine mögliche neue Gefahrensituation.
  • Fußgänger würden wohl eher nicht an der Ampel queren, da Umwege in Kauf genommen werden müssten (wie beim bestehenden FGÜ), sie würden sich dann möglicherweise zwischen den an der Ampel wartenden Autos „durchzwängen“, was beim Anfahren der Kfz problematisch werden würde – weitere neue Gefahrensituation durch die in der Realität wohl nicht eintretende Sammelwirkung der Ampel.
  • Die geschilderten möglichen neuen Gefahrensituationen zusammengenommen lassen in diesem Bereich bei Installation einer Ampel eine gefährlichere Gesamtsituation als bisher erwarten.

Die PI Illertissen teilt ganz eindeutig die oben genannten Bedenken und spricht sich gegen die Ampellösung aus.



Variante 4: (nur der Vollständigkeit halber) – Verkehrsberuhigter Bereich

Da verkehrsberuhigte Bereiche per Definition Straßen mit überwiegender Aufenthaltsfunktion, Erschließungsfunktion und geringem KfZ-Verkehr sind, scheidet diese Variante hier schon aus, da die Ulmer Straße in diesem Bereich eine stark befahrene Straße mit relativ hohem Durchgangsverkehr (vgl. oben) ist.

Auch die bauliche Gestaltung mit den deutlich erkennbaren „unterschiedlichen und getrennten Verkehrsflächen“ für KfZ und Fußgänger spricht gegen die Legalität eines verkehrsberuhigten Bereiches in diesem Abschnitt.

Empfehlung

Um Entscheidung wird gebeten.

Diskussionsverlauf

Bürgermeister Neher nimmt auf den Antrag der SPD-Fraktion zur Erhöhung der Verkehrssicherheit in der Ulmer Straße nach dem schrecklichen Unfall an Ostern diesen Jahres Bezug und berichtet, dass hierfür weder eine Geschwindigkeitsüberschreitung noch Alkohol oder Drogen die Ursache gewesen sei. Er bittet angesichts der Tragik des Geschehens um eine sachliche Diskussion dieser sehr komplizierten Angelegenheit.

In der sich entwickelnden längeren Aussprache wird deutlich, dass neben der Verwaltung auch die  Mitglieder des Bau- und Verkehrsausschusses mit keiner der dargestellten Varianten wirklich zufrieden sind, nachdem aus rechtlicher Sicht die gewünschte Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h und ein Fußgängerüberweg wohl 1) nicht kombinierbar sind und dies jedenfalls von Teilen der Räte als sicherste Möglichkeit für alle Verkehrsteilnehmer angesehen würde.

Im Gremium besteht Einigkeit, dass in der Ulmer Straße ein sehr hohes Verkehrsaufkommen herrscht und dabei die Ulmer Straße auch erheblich durch Durchgangsverkehr belastet ist, der jedenfalls in Teilen auf die Ostumfahrung gehören würde. Es wird die Ansicht vertreten, dass es mit einer Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf 20 km/h eventuell gelingen könnte, dem einen oder anderen Autofahrer die Ulmer Straße zu verleiden. Auch dürfte dann ein Überqueren der Ulmer Straße in den vom Fußgängerweg relativ weit entfernten Bereichen wie insbesondere beim Eiscafe „Cortina“ sicherer möglich sein. Außerdem wäre es Radfahrern grundsätzlich möglich, in etwa die zugelassene Höchstgeschwindigkeit zu fahren, so dass die heute zu beobachtenden Überholmanöver mit teils überhöhter Geschwindigkeit wohl weitgehend entfallen würden.

Im Verlauf der weiteren Diskussion wird von Bürgermeister Neher die Frage gestellt, ob es nicht einen Versuch wert wäre, einen „Verkehrsberuhigten Geschäftsbereich“ (Zone 20) einzurichten und die auf 20 km/h reduzierte Höchstgeschwindigkeit verstärkt durch die Kommunale Verkehrsüberwachung kontrollieren zu lassen. Sollte der gewünschte Effekt nicht eintreten, könnte immer noch beispielsweise über eine (zusätzliche) Aufpflasterung nachgedacht werden oder auch die heutige Entscheidung revidiert werden.

Der Vorschlag wird zwar grundsätzlich positiv gesehen, von einigen Mitgliedern des Bau- und Verkehrsausschusses allerdings aber nur in Kombination mit der Beibehaltung des Fußgängerüberweges, weil ansonsten insbesondere für die Senioren eine Verschlechterung der Gesamtsituation befürchtet wird.

Bürgermeister Neher erwidert, dass in einem „Verkehrsberuhigten Geschäftsbereich“ (Zone 20) ein Fußgängerüberweg rechtlich wohl 1) nicht zulässig ist, weswegen er einen entsprechenden Beschluss der Rechtsaufsicht im Landratsamt Neu-Ulm zur Prüfung vorlegen würde.

Nachdem alle Gremiumsmitglieder nur eine Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit anstreben, welche den rechtlichen Vorgaben grundsätzlich entspricht, soll diese Ansinnen nicht weiter verfolgt werden.

Schließlich zeichnet sich ab, dass es wohl für einen „Verkehrsberuhigten Geschäftsbereich“ (Zone 20) gegebenenfalls mit Unterstützung der Geschwindigkeitsbeschränkung beispielsweise durch Schweller eine Mehrheit geben könnte, weswegen Bürgermeister Neher einen entsprechenden Beschlussvorschlag formuliert.


1): gestrichen lt. Genehmigung der Niederschrift in der Sitzung des Stadtrates vom 23.09.2021 – TOP 1.3

Beschluss

„Die Ulmer Straße wird im Bereich zwischen dem Minikreisel an der Vöhlinstraße sowie dem Kreuzungsbereich mit der Frauenstraße sowie der Silcherstraße als „Verkehrsberuhigter Geschäftsbereich“ (Zone 20) ausgewiesen.

Der in diesem Bereich vorhandene Fußgängerüberweg wird entfernt.

Die Stadtverwaltung wird beauftragt, mechanische Maßnahmen zur Reduzierung der Geschwindigkeit (z. B. Schwellen, Fahrbahnvertiefungen, sonstige Einbauten in die Fahrbahn usw.) in diesem Bereich zu prüfen.
Nach dieser Prüfung ist das Gremium entsprechend zu informieren.“

Abstimmungsergebnis
Dafür: 11, Dagegen: 2

Datenstand vom 22.10.2021 07:20 Uhr