"Josef-Cardijn-Haus"; Nutzungsmöglichkeiten mit Erwerb durch die Stadt Vöhringen; Information und Entscheidung


Daten angezeigt aus Sitzung:  Stadtratssitzung, 29.04.2009

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat Stadtratssitzung 29.04.2009 ö Beschließend 1

Sachverhalt

Die Stadtverwaltung hat im Nachgang zu der bereits im Stadtrat am 18.02.2009 erfolgten konkreten Information zwischenzeitlich evtl. Nutzungsmöglichkeiten im „Josef-Cardijn-Haus“ geprüft. Dabei zeigen sich folgende Möglichkeiten auf:

1. Nutzung durch die Schulen:
1.1 Hauptschule:

Die Uli-Wieland-Volksschule (Hauptschule) Vöhringen beabsichtigt, in den nächsten Jahren Zug um Zug Ganztagesklassen in jeder Jahrgangsstufe anzubieten und eine sog. Praxisklasse einzurichten.
Die Antragstellung für eine erste Ganztagesklasse ab dem neuen Schuljahr 2009/2010 ist bereits erfolgt.
Der Antrag auf Einrichtung einer Praxisklasse ab dem Schuljahr 2009/2010 wird in Kürze folgen.

Dadurch ergibt sich einerseits ein Mehrbedarf an Klassenzimmern und andererseits die Notwendigkeit, ein warmes Mittagsessen für diese Schüler anzubieten. Dieses Angebot kann zunächst in der Schule selbst gedeckt werden. Bei einer Zunahme von Schülern, die hiervon Gebrauch machen werden, bedarf es jedoch der Errichtung einer Mensa.

Denkbar wäre in diesem Zusammenhang die Errichtung einer Mensa im Schulgebäude selbst oder auch die Mitnutzung einer noch einzurichtenden Mensa im „Josef-Cardijn-Haus“.

1.2 Grundschule Süd:

Auch die Volksschule Vöhringen-Süd, Grundschule, hat steigenden Raumbedarf, vor allem dann, wenn die in Aussicht gestellten kleineren Klassenstärken realisiert werden.
Weiterhin steigt die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund vermehrt an, sodass die
Förderung in Gruppen häufig im Schulbereich stattfinden muss und hierfür keine Räume zur Verfügung stehen.
Nachdem die Hauptschule Ganztagesklassen einrichtet, ist davon auszugehen, dass dieses Ansinnen wohl auch bald die Grundschule erreichen wird, mit der Folge, dass auch hier Verpflegungs-, Aufenthalts- und Gestaltungsbedarf entstehen wird.

Im Untergeschoss des Gebäudetrakts der Grundschule ist derzeit die Musikschule Dreiklang untergebracht.
Diese Räume würden für die vorgenannten Zwecke der Grundschule ausreichen.
Dafür müsste die Musikschule dann allerdings anderweitig untergebracht werden.

1.3 Grundschule Nord:

Die Grundschule Vöhringen Nord hat derzeit keinen weiteren Raumbedarf.

1.4 Realschule Vöhringen

Die staatlichen Vorgaben sehen an Bayer. Realschulen derzeit lediglich für die 5. und 6. Jahrgangsstufe ein Ganztagesangebot in offener Form vor.
In der Realschule Vöhringen ist angedacht, dieses Angebot einmal pro Woche für ca.
30 Schüler vorzuhalten.
Soweit dabei ein Mittagsessen verabreicht wird, kann dies über einen Catering-Service
erfolgen.
Denkbar wäre die Verpflegung der ca. 30 Schüler auch im Josef-Cardijn-Haus.
Wie die weitere Entwicklung bei den Ganztagesklassen an Realschulen aussehen wird,
kann derzeit nicht beurteilt werden.

Aufgrund dieser geringen Anzahl für die Mittagsverpflegung werden von Seiten des Landkreises Neu-Ulm derzeit keine baulichen Vorkehrungen im Schulgebäude selbst getroffen. Die Kosten hierfür wären nämlich selbst bei einer reinen Essenausgabe relativ hoch (Lüftung, Warmhaltevorrichtungen etc. ca. 200.000 €) und sie unterscheiden sich von den Ausgaben für eine Küche nicht wesentlich. Sollte sich später ein größerer Bedarf für die Mittagsverpflegung ergeben, wäre dies im Wege einer Ergänzung im Schulgebäude möglich. Die derzeit geplante Erweiterung des Schulgebäudes betrifft lediglich Klassen- bzw. Fachräume und kann aus Gründen eines geordneten Schulbetriebes (zu lange Wegstrecken) nicht in das Josef-Cardijn-Haus verlagert werden.

Für die Realschule Vöhringen würde derzeit somit allenfalls einen sehr geringen Bedarf für die Mitnutzung des Josef-Cardijn-Hauses in Form der Mittagsverpflegung für ca. 30 Schüler an einem Tag in der Woche bestehen. Diese Essenausgabe könnte aber auch genauso gut in der Realschule selbst erfolgen.

2. Nutzung durch die Musikschule

Die Musikschule Dreiklang hat vor allem dann Bedarf für eine neue Unterbringung, wenn, wie in Ziff. 1.1 und 1.2 aufgezeigt, der Raumbedarf für die Hauptschule und Grundschule selbst wächst. Das „Josef-Cardijn-Haus“ wäre nach Überprüfung durch die Schulleitung
der Musikschule grundsätzlich geeignet. Der Flächenbedarf würde bei ca. 670 qm liegen.
D.h. das Gebäude „Josef-Cardijn-Haus“ würde, bis auf die Räume der Stadtbücherei,
ollständig von der Musikschule selbst beansprucht werden. Umbaumaßnahmen wären in einem gewissen Umfang erforderlich (Schalldämmung, spezieller Boden und Spiegel für
den Ballettraum, Raumteiler für die Abtrennung von einzelnen Zimmern).

3. Nutzung durch Vereine

An die Stadtverwaltung werden immer wieder Raumwünsche von Vereinen herangetragen, die zu Probenzwecken, für die Unterbringung von Utensilien oder für Ausstellungen benötigt werden (z.B. von der Stadtkapelle, vom Verein für Stadtgeschichte). Auch hierfür würde sich das „Josef-Cardijn-Haus“ grundsätzlich gut eignen.
Inwieweit sich die einzelnen Vereine jeweils aber finanziell einbringen könnten, wäre gesondert abzuklären.

4. Nutzung als Ergänzung zum Kulturzentrum „Wolfgang-Eychmüller-Haus“

Denkbar wäre ferner, dass das „Josef-Cardijn-Haus“ als ergänzende Einrichtung zum
„Wolfgang-Eychmüller-Haus“, insbesondere für Tagungen oder kleinere Veranstaltungen (z.B. Kleinkunstbühne, Lesungen) oder auch für Hochzeiten genutzt wird.
Der Bedarf hierfür ist jedoch sehr gering und kann weitestgehend im Kulturzentrum selbst gedeckt werden.

Zusammenfassende Wertung:

Für die Nutzung des „Josef-Cardijn-Hauses“ durch die drei benachbarten Schulen besteht derzeit nur ein geringer Bedarf.
Die Einrichtung einer Mensa würde einen sehr großen finanziellen Aufwand verursachen
(ca. 250.000 € bis 500.000 €). Bei einer derartigen Nutzung würde auch nicht das gesamte Gebäude, sondern überwiegend nur das Obergeschoss benötigt werden.
In den Schulgebäuden könnten selbst auch eigenständige und finanziell wohl günstigere Lösungen für die Mittagsverpflegung- und Betreuung gefunden werden.

Auch für die Nutzung des „Josef-Cardijn-Hauses“ als ergänzende Einrichtung zum Kulturzentrum besteht nur eine geringe Nachfrage.


Größerer Bedarf wäre sowohl für die Musikschule Dreiklang als auch u.U. für örtliche Vereine gegeben.

Es stellt sich somit die Frage, ob angesichts des großen Finanzierungsaufwandes in
Höhe von ca. 3,1 Mio. € bzw. 3,6 Mio. € und der zukünftigen laufenden Unterhaltskosten
der Erwerb des „Josef-Cardijn-Hauses“ grundsätzlich getätigt werden soll. Im Hinblick auf
die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise wird dies als äußerst problematisch gesehen.

Es ist zu befürchten, dass die Gewerbesteuer zumindest im Jahr 2010 drastisch einbricht.
Die Kommunen werden die Folgen dieser erwähnten weltweiten Finanz- und Konjunkturkrise 2010 unmittelbar und mit aller Wucht zu spüren bekommen.

Schon für das Jahr 2009 zeichnet sich ein Rückgang bei den Gewerbesteuereinnahmen ab.
Einige Kommunen haben deshalb bereits eine Haushaltssperre verhängt.
Allein durch den befürchteten Anstieg der Arbeitslosigkeit dürften auch die Einnahmen aus der Einkommensteuer dann weit spärlicher zu verzeichnen sein als bislang.

Gerade vor diesem Hintergrund ist der potentielle Erwerb des „Josef-Cardijn-Hauses“ sicherlich mit zu würdigen.

Leider wurde das Objekt in der letzten Sitzung des Stadtrates am 12.03.2009 entgegen dem Vorschlag der Stadtverwaltung auch aus der Prioritätenliste für die energetische Sanierung im Rahmen des Konjunkturpaktes II herausgenommen.
Insoweit besteht nun keine Chance mehr, an die zumindest theoretisch vorhandene Möglichkeit einer hohen staatlichen Bezuschussung (87,5%) zu kommen.

Was für einen möglichen Erwerb des „Josef-Cardin-Hauses“ spricht, ist die städtebaulich äußerst interessante Lage des Grundstücks und die zumindest potentiell gegebene Gefahr der nicht kalkulierbaren Nutzung im Falle der Veräußerung durch die Kirche an einen Dritten.

Die sofortige Sanierung oder der Umbau des Gebäudes ist angesichts des hohen Kostenaufwands (2,4 Mio. € bzw. 2,9 Mio. €) und der aufgezeigten geringen Nutzungsmöglichkeiten nach Auffassung der Stadtverwaltung zumindest derzeit nicht finanziell darstellbar.
Im aktuellen städtischen Haushalt 2009 sind hierfür keine Mittel veranschlagt.

Das Gebäude könnte allerdings auch ohne grundlegende Sanierung noch einige Jahre
genutzt werden.

Auch bezüglich des konkreten Kaufpreispreises für das Objekt bzw. das Grundstück müsste in diesem Fall noch einmal abschließend mit der Kirche verhandelt werden, zumal die Stadt im Jahre 1967 die für den Bau des „Josef-Cardijn-Hauses“ benötigte Fläche (472 qm) der Kirche unentgeltlich überlassen und den Bau des Pfarrzentrums finanziell bezuschusst hat.

Empfehlung

Ein Beschlussvorschlag wird in der Stadtratsitzung unterbreitet.

Diskussionsverlauf

Bürgermeister Janson gibt zu Beginn dieses Tagesordnungspunktes zunächst allgemeine Erläuterungen an die sehr zahlreich anwesenden Zuhörer. Er führt insbesondere aus, dass der Grund für die vorangegangene nicht-öffentliche Sitzung in der Geheimhaltungsbedürftigkeit von Grundstücksgeschäften liegt. Nachdem aber die Diözese selbst bereits die wesentlichen Eckdaten der Verkaufskonditionen der Presse bekannt gegeben hat, erschien es vertretbar, die Entscheidung über den evtl. Erwerb des „Josef-Cardijn-Hauses“ auch im öffentlichen Teil der heutigen Sitzung zu behandeln. Die Frage der möglichen Nutzung des Gebäudes unterliege ohnehin nicht der Geheimhaltung. Weiterhin weist er die Zuhörer darauf hin, dass sie in der Sitzung selbst kein Rederecht haben, sondern nur die Stadtratsmitglieder.

Danach informiert Bürgermeister Janson darüber, dass die bei der kürzlichen Veranstaltung im „Josef-Cardijn-Haus“ von einzelnen Stadträten geäußerte Kritik, dass die konkreten Verkaufskonditionen nicht bekannt gewesen seien, nicht der Richtigkeit entspreche. Die Stadtverwaltung habe hierüber bereits in der Stadtratssitzung am 18.02.2009 detailliert informiert.

Den auf die Stadt evtl. zukommenden Kostenanteil gibt Bürgermeister Janson sodann wie folgt an:
?        Finanzierungsaufwand Grundstück        ca. 700.000 € bis     875.000 €
?        Evtl. notwendige Sanierungskoten                            ca. 1.900.000 €
?        Evtl. Umbaukosten                        ca. 500.000 € bis  1.000.000 €
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      Gesamtkostenaufwand                        ca. 3.1 Mio. €  bis  3,6 Mio. €

Beim Erwerb über den Alternativweg „Erbbaupacht“ statt Grundstückskauf kämen auf die Stadt Vöhringen jährliche Aufwendungen in Höhe von ca. 15.000 € bis 22.000 € zu.

Im Gegenzug besteht für die Kirche selbst ein Flächenbedarf gegenüber der Stadt im Bereich der Parkplätze bei der Wasserachse, wenn anstelle des derzeitigen Benefiziatenhauses ein neues Pfarrzentrum errichtet werden soll.

Für die Stadt Vöhringen, so Bürgermeister Janson weiter, stelle die Frage des evtl. Erwerbs des „Josef-Cardijn-Hauses“ eine sehr schwierige Entscheidung dar. Einerseits handle es sich städtebaulich um ein sehr interessantes Ensemble „Kirchen, Schulen, Jugendhaus, Rathaus, Kulturzentrum“ und biete somit eine große Chance. Andererseits erfordere der Kauf einen großen finanziellen Kraftakt, da aufgrund der weltweiten Wirtschafts- und Konjunkturkrise ein gravierender Einbruch bei der Gewerbesteuer und auch ein deutlicher Rückgang bei der Einkommensteuer zu erwarten ist. Hinzu komme, dass für die Stadt selbst kein zwingendes Nutzungsbedürfnis für das Objekt bestehe. Es liegen allenfalls Wünsche für die Nutzung vor. Er geht hierzu detailliert auf die im Vorfeld untersuchten Nutzungsmöglichkeiten durch die örtlichen Schulen, die Musikschule, Vereine, das Kulturzentrum ein (s. Sitzungsvorlage).

Bürgermeister Janson stellt dar, dass aufgrund der hohen Investitions- und Folgekosten und des geringen Nutzungsbedarfs durchaus auch möglich sei, das „Josef-Cardijn-Haus“ im Falle eines Erwerbs durch die Stadt Vöhringen evtl. abzureißen und nur das Grundstück selbst zu nutzen. Er gibt weiter bekannt, dass Teile des Grundstücks seinerzeit unentgeltlich von der Stadt an die Kirche übergegangen sind und die Stadt zum Bau des „Josef-Cardijn-Hauses“ auch Zuschüsse geleistet habe. Er werde dies in Absprache mit den Stadtratsmitgliedern in der heute vorangegangenen nicht-öffentlichen Sitzung zum Anlass nehmen, mit den Kirchenvertretern erneut zu verhandeln und versuchen, dass der potentielle Erwerb des Objektes auch für die Stadt Vöhringen finanziell vertretbar ist. Weiterhin wird er mit der Diözese auch noch einmal über die Verringerung des Flächenumfangs für das neue Pfarrzentrum sprechen.

Im Ergebnis dieser Information ergeht folgender

Beschluss:

Bürgermeister Janson wird beauftragt, noch einmal mit der Katholischen Pfarrkirchenstiftung „St. Michael“ bzw. der Diözese Augsburg bezüglich des potentiellen Erwerbs des „Josef-Cardijn-Hauses“ durch die Stadt Vöhringen und der damit evtl. verbundenen Beanspruchung von Teilflächen aus dem Parkplatz bei der Wasserachse zu verhandeln, mit dem Ziel, das Angebot der Kirche vom Oktober 2008 unter Berücksichtigung der unentgeltlichen Überlassung von Teilflächen an die Kirche und des gewährten Zuschussleistungen der Stadt Vöhringen zum Bau des „Josef-Cardijn-Hauses“ deutlich nach unten zu bewegen.

Abstimmungsergebnis:        22 : 0        angenommen

Beschluss

Bürgermeister Janson wird beauftragt, noch einmal mit der Katholischen Pfarrkirchenstiftung „St. Michael“ bzw. der Diözese Augsburg bezüglich des potentiellen Erwerbs des „Josef-Cardijn-Hauses“ durch die Stadt Vöhringen und der damit evtl. verbundenen Beanspruchung von Teilflächen aus dem Parkplatz bei der Wasserachse zu verhandeln, mit dem Ziel, das Angebot der Kirche vom Oktober 2008 unter Berücksichtigung der unentgeltlichen Überlassung von Teilflächen an die Kirche und des gewährten Zuschussleistungen der Stadt Vöhringen zum Bau des „Josef-Cardijn-Hauses“ deutlich nach unten zu bewegen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 22, Dagegen: 0