Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe (Abstandsflächensatzung)


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Marktgemeinderates, 26.01.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Markt Altomünster) Sitzung des Marktgemeinderates 26.01.2021 ö beschließend 1

Sach- und Rechtslage

Am 01.02.2021 tritt nach einem Beschluss des Bayerischen Landtags vom 02.12.2020 die neue Bayerische Bauordnung (BayBO) in Kraft.

Wesentliche Neuerungen sind
  • die Erleichterung des Dachgeschossausbaus,
  • die Einführung der Typengenehmigung für serielles Bauen,
  • die Aufnahme einer Genehmigungsfiktion für Wohngebäude im vereinfachten Verfahren,
  • die erweiterte Einsatzmöglichkeit des Baustoffes Holz,
  • die Schaffung der rechtlichen Grundlagen für den digitalen Bauantrag,
  • die Verkürzung der Abstandsflächen auf 0,4 H außer in Gemeinden mit mehr als 250.000 Einwohnern (München, Augsburg und Nürnberg),
  • eine Vereinfachung zur Berechnung der Abstandsflächen.


Im Weiteren wird ausschließlich auf die Thematik der Abstandsflächen eingegangen:

Die neue BayBO ermöglicht nicht mehr das sog. 16 m -Privileg. Bisher konnte durch das 16 m-Privileg vor bis zu zwei Außenwänden von nicht mehr als 16 m Länge eine Halbierung der erforderlichen Abstandsflächen gewählt werden, wobei jedoch immer mindestens 3 m einzuhalten waren.

Die Tiefe der Abstandsfläche beträgt nach der neuen BayBO 0,4 H (statt bisher 1,0 H). Dafür werden bei der Berechnung der relevanten Gebäudehöhe Dach- und Giebelflächen nun höher bzw. mit angesetzt und entspricht dabei der Form der Giebelwand (und ist damit nicht mehr standardisiert rechteckig).

Durch die Neuregelung der Abstandsflächen kommen in der Regel wesentlich kleinere Abstände zwischen den Gebäuden und Grundstücksgrenzen zu liegen. Damit soll eine Nachverdichtung von Baugrundstücken und dadurch ein dichteres und damit flächensparendes Bauen ermöglicht werden.

In Bezug auf die Tiefe der Abstandsflächen (nicht die neue Berechnungs- und Anrechnungsregelungen der Wandhöhe H) hat der Gesetzgeber den Gemeinden nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a der Bayerischen Bauordnung (BayBO) die Möglichkeit eingeräumt, durch eine gemeindliche Satzung ein abweichendes Maß dieser Tiefe zu regeln, wenn dies die Erhaltung des Ortsbildes im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebiets bezweckt oder der Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität dient.


Der Markt Altomünster hat die gesetzgeberische Intention des Freistaats Bayern mit den gemeindlichen Zielen zur Erhaltung des Ortsbildes und zur Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität abgewogen und begründet den Erlass einer gemeindlichen Satzung wie folgt:

Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a der Bayerischen Bauordnung (BayBO) eröffnet den Gemeinden die Möglichkeit, das Abstandsflächenrecht abweichend von der gesetzlichen Regelung zu gestalten, wenn dies die Erhaltung des Ortsbildes im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebiets bezweckt oder der Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität dient.

Nach der Rechtsprechung beschränkt sich die Regelungskompetenz des Bauordnungsrechts bei der abweichenden Bestimmung von Abstandsflächen auf im weiteren Sinne sicherheitsrechtliche Zielsetzungen. Abstandsflächen können zur Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke, zur Sicherstellung von Flächen für Nebenanlagen, zur Herstellung des Wohnfriedens und zur Sicherstellung des Brandschutzes abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen geregelt werden. In Bezug auf das Ortsbild sind nur gebäudebezogene Regelungen zulässig, die sich mittelbar auf die Gestaltung des Ortsbildes auswirken.

Die gemeindliche Satzung wird im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage maßgeblich zur Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität erlassen.

Im Gemeindegebiet Altomünster sind nach wie vor viele Bereiche nicht überplant und beurteilen sich planungsrechtlich nach § 34 BauGB. Darüber hinaus sind in Bebauungsplänen überwiegend großzügige Bauräume festgelegt. In diesen Bereichen wird der Abstand von Baukörpern zueinander im Wesentlichen durch das Abstandsflächenrecht geregelt. Der hohe Siedlungsdruck im Gemeindegebiet durch den Zuzug aus dem Großraum München und die immer weiter steigenden Grundstückspreise werden daher dazu führen, dass die Mindestmaße der gesetzlich festgelegten Abstandsflächen weitestgehend ausgenutzt werden. Damit wird sich die Wohnqualität im Gemeindegebiet nachteilig ändern. Eine deutliche Nachverdichtung wird nach Auffassung der Gemeinde auch nachteilige Auswirkungen auf den Wohnfrieden haben.

Die Wohnqualität ist im Gemeindegebiet in vielen Bereichen durch größere Abstände zwischen den Gebäuden geprägt. Gerade im Gemeindegebiet werden Wohnformen angeboten, die im städtischen bzw. baulich verdichteten Raum nicht bzw. nur noch selten anzutreffen sind. Das Wohnen ist geprägt durch Abstand zu Nachbarn. Freibereiche um die Gebäude stellen insoweit einen wesentlichen Bestandteil der Wohnqualität dar, insbesondere auch für Kinder. Der Markt Altomünster möchte mit dieser Satzung die Wohnqualität, die durch größeren Abstand zwischen den Gebäuden geprägt ist, erhalten und ggf. im Rahmen der Neubebauung von Grundstücken verbessern. Dies führt auch zu einer Verbesserung von Belichtung, Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke sowie ggf. auch zu einer Verbesserung des Brandschutzes.

Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung der Abstandsflächen in Art. 6 Abs. 5 BayBO die Untergrenze des zulässigen Gebäudeabstands festgelegt. Der Markt Altomünster möchte für sein Gemeindegebiet höhere Standards, als vom Gesetzgeber vorgesehen, festlegen.

Gleichzeitig werden über größere Abstandsflächen auch notwendige Flächen für Nebenanlagen gesichert. Der Bedarf an Flächen zur Unterbringung von Gartengeräten, Spielgeräten für Kinder, von Fahrrädern und natürlich von Kraftfahrzeugen ist größer als in der Stadt. Durch die Verlängerung der Abstandsflächen wird auch insoweit ausreichend Raum auf den Baugrundstücken gesichert.

Der Markt Altomünster bezieht in seine Überlegungen durchaus ein, dass der Gesetzgeber mit der Abstandsflächenverkürzung einer Innenverdichtung und einer Verringerung der neuen Inanspruchnahme von Flächen beabsichtigt. Der Markt Altomünster hält aber die Erhaltung und Verbesserung der Wohnqualität in seinem Gemeindegebiet für vorrangig.

Um trotzdem einen Ausgleich zwischen dem gesetzgeberischen Ziel der Innenverdichtung einerseits und der Wohnqualität andererseits zu erreichen, wird das Maß der Abstandsflächentiefe mit 0,8 H festgesetzt und die Möglichkeit der Erhöhung auf bis zu 1,0 H nicht vollständig ausgeschöpft.

Die bisher mögliche Verkürzung der Abstandsflächen vor bis zu zwei Außenwänden von nicht mehr als 16 m Länge wird mit einer Abstandsflächentiefe von 0,4 H ermöglicht. So wird wiederum dem gesetzgeberischen Ziel der Innenverdichtung Rechnung getragen, ohne dabei das Ziel der Erhaltung und Verbesserung der Wohnqualität aus den Augen zu verlieren.

Das Gebot der Innenverdichtung kann auch durch ein höheres Maß baulicher Nutzung erreicht werden, etwa durch höhere Gebäude, welche die Abstandsflächen einhalten. Dies wird die Gemeinde in ihren Planungen berücksichtigen.

Für die Entscheidung über den Geltungsbereich der Satzung wurden alle Ortsteile einzeln betrachtet. Im Ergebnis hat sich der Markt Altomünster dazu entschlossen, die Satzung im gesamten Gemeindegebiet anzuwenden. Zwar gibt es im Gemeindegebiet unterschiedliche Siedlungsstrukturen und Bauweisen, jedoch ist im Wesentlichen die vorhandene Baustruktur in allen Ortsteilen (bis auf kleinere Orte und dem Ortskern von Altomünster) aber vergleichbar. Im Bereich des Ortskerns von Altomünster sind zwar einzelne Teile von Straßenzügen mit sehr dichter Bebauung durch Altbestände bzw. Ersatzbauten vorhanden, diese halten weder die neuen noch die alten Abstandsflächen ein. Hier gilt bei genehmigungspflichtigen Änderungen weiterhin die Möglichkeit der Abweichung von den Abstandsflächen (Art. 63 BayBO) oder ggf. die baurechtliche Beurteilung als planungsrechtlich an der Grenze zulässige Bebauung (Art. 6 Abs. 1 S. 3 BayBO) durch die Bauaufsichtsbehörde.

Abweichungen nach Art. 63 BayBO sollen auch mit einer Abstandsflächensatzung zugelassen werden, da bei Neubauten und Umbauten weiterhin im Einzelfall abweichende Abstandsflächen unter Berücksichtigung der in Art. 63 Abs. 1 BayBO genannten Anforderungen im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde weiterhin erteilt werden sollen.

Die Satzung findet keine Anwendung in
  • Gewerbe-, Kern-, Industrie- und klassenurbanen Gebieten
  • Bebauungsplangebieten (, die nach 1994 in Kraft getreten sind, soweit darin nicht Regelungen zum Abstandsflächenrecht enthalten sind. Das ist in den vorliegenden Bebauungsplänen nicht der Fall).

Der Markt Altomünster ist sich bewusst, dass die Verlängerung der Abstandsflächen gegenüber der gleichzeitig in Kraft tretenden gesetzlichen Verkürzung Auswirkungen auf die bauliche Ausnutzbarkeit von Grundstücken haben kann und damit auch Eigentümerinteressen nachteilig betroffen werden können. Die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Wohnqualität im Gemeindegebiet rechtfertigt indes mögliche Eigentumseinschränkungen.


Es wird folgender Satzungstext vorgeschlagen:

(Anmerkung:
Der Baujurist des Landratsamtes Dachau rät vom Festhalten des 16 m-Privilegs in einer Satzung ab, da dieses aus verfassungsrechtlicher Sicht äußerst problematisch zu beurteilen sei. Die Wahlmöglichkeit des Bauherrn zu welchem Nachbarn „nur“ die reduzierte Abstandsfläche und zu welchem die ganze Abstandsfläche eingehalten werden, sei bereits mehrfach durch (außerbayerische) Verfassungsgerichte kritisiert worden und habe daher auch schon in insgesamt 10 Bundesländern zu einer Abschaffung des 16 m-Privilegs geführt.)


Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe
vom 27.01.2021

Aufgrund der Art. 23 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. S. 796, BayRS 2020-1-1-I), die zuletzt durch § 3 des Gesetzes vom 24. Juli 2020 (GVBl. S. 350) geändert worden ist und Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a der Bayerischen Bauordnung (BayBO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 2007 (GVBl, S. 588, BayRS 2132-1-B) die zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2020 (GVBl. S. 633) geändert worden ist, erlässt der

Markt Altomünster
folgende

Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe


§ 1
Geltungsbereich

Die Satzung gilt für das gesamte Gebiet des Marktes Altomünster.


§ 2
Abstandsflächentiefe

  1. Abweichend von Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO beträgt die Abstandsfläche im Gemeindegebiet außerhalb von Gewerbe-, Kern- und Industriegebieten sowie festgesetzten urbanen Gebieten 0,8 H, mindestens jedoch 3 m.
 
  1. Vor bis zu zwei Außenwänden von nicht mehr als 16 m Länge genügen in diesen Fällen 0,4 H, mindestens jedoch 3 m, wenn das Gebäude an mindestens zwei Außenwänden Satz 1 beachtet.


§ 3
Bebauungspläne

  1. Abweichende, in Bebauungsplänen festgesetzte Abstandsflächen bleiben unberührt.

  1. Ordnen Bebauungspläne, die vor dem 01.02.2021 in Kraft traten, gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 3 BayBO die Geltung der jeweils geltenden Abstandsflächenvorschriften an, gilt auch für diese Bebauungspläne § 2 dieser Satzung.


§ 4
Abweichungen

Von den Anforderungen dieser Satzung können Abweichungen nach Art. 63 BayBO zugelassen werden.


§ 5
Inkrafttreten

Diese Satzung tritt am 01.02.2021 in Kraft.

In den Anlagen sind anhand von zwei Beispielen Abstandsflächenberechnungen für den Satzungsentwurf, der neuen BayBO und der bisherigen BayBO dargestellt.

Beschluss

Der Markt Altomünster beschließt die nachstehende

Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe
vom 27.01.2021

Aufgrund der Art. 23 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. S. 796, BayRS 2020-1-1-I), die zuletzt durch § 3 des Gesetzes vom 24. Juli 2020 (GVBl. S. 350) geändert worden ist und Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a der Bayerischen Bauordnung (BayBO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 2007 (GVBl, S. 588, BayRS 2132-1-B) die zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2020 (GVBl. S. 633) geändert worden ist, erlässt der

Markt Altomünster
folgende

Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe


§ 1
Geltungsbereich

Die Satzung gilt für das gesamte Gebiet des Marktes Altomünster.


§ 2
Abstandsflächentiefe

  1. Abweichend von Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO beträgt die Abstandsfläche im Gemeindegebiet außerhalb von Gewerbe-, Kern- und Industriegebieten sowie festgesetzten urbanen Gebieten 0,8 H, mindestens jedoch 3 m.
 
  1. Vor bis zu zwei Außenwänden von nicht mehr als 16 m Länge genügen in diesen Fällen 0,4 H, mindestens jedoch 3 m, wenn das Gebäude an mindestens zwei Außenwänden Satz 1 beachtet.


§ 3
Bebauungspläne

  1. Abweichende, in Bebauungsplänen festgesetzte Abstandsflächen bleiben unberührt.

  1. Ordnen Bebauungspläne, die vor dem 01.02.2021 in Kraft traten, gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 3 BayBO die Geltung der jeweils geltenden Abstandsflächenvorschriften an, gilt auch für diese Bebauungspläne § 2 dieser Satzung.

§ 4
Abweichungen

Von den Anforderungen dieser Satzung können Abweichungen nach Art. 63 BayBO zugelassen werden.


§ 5
Inkrafttreten

Diese Satzung tritt am 01.02.2021 in Kraft.
 

Abstimmungsergebnis
Dafür: 14, Dagegen: 5

Datenstand vom 29.01.2021 10:58 Uhr