Hintergrund:
Am 10. April 2018 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Grundsteuer wegen veralteter Einheitswerte nicht mehr verfassungsgemäß ist. Bundestag und Bundesrat haben daher im November 2019 unter hohem Zeitdruck ein Bundesgesetz zur Reform der Grundsteuer beschlossen. Außerdem hat der Bundesgesetzgeber durch eine Grundgesetzänderung eine Öffnungsklausel für die Bundesländer für eine eigene landesgesetzliche Grundsteuerregelung geschaffen. Der Freistaat Bayern hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und für Bayern einen flächenbezogenen Ansatz für die Bemessung der Grundsteuer gewählt. Das Bayerische Grundsteuergesetz wurde vom Landtag am
23. November 2021 beschlossen. Die aktuellen Hebesätze für die Grundsteuer treten mit Wirkung zum 31. Dezember 2024 außer Kraft.
Auf Basis der Grundsteuererklärungen von den Eigentümerinnen und Eigentümern werden die neuen Berechnungsgrundlagen seit dem 1. Juli 2022 von den Finanzämtern ermittelt und den Städten und Gemeinden mittels elektronischem Datenabruf zur Verfügung gestellt. Auf dieser Grundlage bestimmen die Städte und Gemeinden die jeweiligen Grundsteuerhebesätze. Jede bayerische Stadt oder Gemeinde muss ihre Grundsteuerhebesätze ab dem Jahr 2025 neu festlegen. Die Grundsteuer mit den neuen Berechnungsgrundlagen wird bei den Grundsteuerpflichtigen erstmalig ab 2025 zahlungswirksam.
Bundes- und Landespolitik haben eine Aufkommensneutralität ausgerufen und damit an die Gemeinden appelliert, dass sich IN SUMME deren Aufkommen aus der Grundsteuer durch die neue Berechnung der Messbeträge nicht ändern soll. Dies ist jedoch aus Gründen des verfassungsrechtlich normierten Selbstverwaltungsrecht der Kommunen nicht rechtsverbindlich. In Summe bedeutet, dass es im Einzelfall schon zu mitunter erheblichen Steuererhöhungen oder auch Steuersenkungen kommen kann. Dies liegt in der Natur der Sache bzw. im Sinne der Kläger, die beim Bundesverfassungsgericht eine Änderung des bisherigen Grundsteuerrechts erstritten. Ein Beispiel: Je länger die bisherige Bewertung her ist (ggf. bis 1964 zurück), desto geringer war bisher im Verhältnis mit neueren vergleichbaren Grundstücken mit Bebauung auch der Messbetrag. Dies wird nun mit neuen Bewertungs- und Bemessungsregeln gleichgezogen.
Grundsteuer A: Forst- und landwirtschaftliche Betriebe
Grundsteuer B: Sonstige bebaute und unbebaute Grundstücke
Derzeitige Datenlage und Berechnung für Ebersberg:
Grundsteuer
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A
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B
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Gesamt
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Steuer
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Fälle 2024:
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355
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5.294
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5.649
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Fälle 2025:
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341
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4.728
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5.069
|
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Fehlen:
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14
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566
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Fehlen %:
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3,94%
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10,69%
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400%:
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MB 2024:
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18.018,06
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489.642,83
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507.660,89
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2.030.643,56
|
MB 2025:
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8.507,19
|
441.009,50
|
449.516,69
|
1.798.066,76
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zzgl. Fehlende (wie 2024)
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349,27
|
48.280,01
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48.629,28
|
194.517,12
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MB 2025 gesamt gerechnet:
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8.856,46
|
489.289,51
|
498.145,97
|
1.992.583,88
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Diff MB 2025 zu 2024
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-9.161,60
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-353,32
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-9.514,92
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-38.059,68
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Diff %
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49,2%
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99,9%
|
98,1%
|
98,1%
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Hebesatz aufkommensneutral:
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407,6%:
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Gegenprobe:
|
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498.145,97
|
2.030.442,97
|
Zu Berechnung Fehlende: Dazu wurden die Objekte betrachtet, für die in 2024 als auch 2025 ein Messbetrag vorlag. In Summe entsprach hier der Messbetrag 2025 zu 99,92% dem Messbetrag 2024. Vereinfacht wurde deshalb bei den fehlenden Messbeträgen für 2025 der Messbetrag aus 2024 zugrunde gelegt.
Die Grundsteuer A ist eingebrochen, da der Wohnteil bei den Höfen bisher der Grundsteuer A unterlag, nun jedoch der Grundsteuer B zugerechnet wird. Deshalb ist – ein gleicher Hebesatz für Grundsteuer A und B wie bisher unterstellt – es auch sinnvoll, die Summe aus Grundsteuer A und B bei der Findung eines Hebesatzes zu betrachten.
Auch deshalb werden nachfolgend nur die größeren prozentualen Abweichungen bei der Grundsteuer B betrachtet:
Rückgang des Messbetrags um
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Rückgang Fälle
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Anstieg des Messbetrags um
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Anstieg
Fälle
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Mehr als 90 %
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58
|
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Mehr als 1000%
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34
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75-90 %
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37
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500%-1.000 %
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42
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50-75 %
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110
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400%-600%
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70
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25-50 %
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2.023
|
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200%-400%
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301
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Der prozentuale Rückgang oder Anstieg ist jedoch nicht gleichzusetzen mit auch effektiv erheblichen Mehr- oder Minderbelastung.
Beispiel Stellplatz: Bisher ca. 2,50 €, künftig 10 € = 400 % oder auch künftig 0,20 € = 8%
Den Messbetrag betrachtet liegen jeweils die größten 10 effektiven
- Minderbelastungen zwischen 567,31 € und 9.205,67 € weniger.
- Mehrbelastungen liegen zwischen 997,77 € und 12.923,69 € mehr.
Die Stadt ist nicht Beteiligte bei der Festsetzung des Messbetrages. Wir können allenfalls dem Finanzamt Hinweise geben, aber keine Änderung des Messbetrags verlangen. Das kann nur durch das Finanzamt bzw. auf Antrag durch den Steuerpflichtigen geschehen. Letztlich muss die Stadt auch jeden Messbetrag 1:1 in einen Grundsteuerbescheid umsetzen.
Das Steueramt hat alle Fälle mit einer Steigerung von mehr als 400% - mindestens jedoch 50 € Messbetrag - angeschrieben und darum gebeten, den Messbescheid des Finanzamts zu überprüfen und ggf. eine Berichtigung dort zu beantragen. Ziel ist dabei, dass bereits vor Ausfertigung des Grundsteuerbescheids bei diesen Extremfällen eine Korrektur auf den Weg gebracht wird.
Bei extremen Rückgängen oder sonstigen erheblichen Unstimmigkeiten wurde bzw. wird das Finanzamt vom Steueramt um Überprüfung gebeten.
Es ist damit zu rechnen, dass sich die größeren Differenzen erst bis Mitte 2025 bereinigen und weitere im Laufe des Jahres 2025. Aufgrund der fehlenden Messbeträge als auch der Vielzahl von erheblichen Abweichungen kann erst dann eine finale Aussage über einen aufkommensneutralen Hebesatz getroffen werden.
Nach derzeitigem Stand der Dinge und vorstehender Berechnung wäre für Ebersberg ein Hebesatz von 407,6 % insgesamt aufkommensneutral.
Dazu ein Blick in andere Landkreisgemeinden: Die Struktur des Gebäudebestandes und somit der Auswirkung der Grundsteuerreform ist örtlich teilweise sehr verschieden. Poing erhöht den Hebesatz von bisher 385% auf nun 505 %, um in etwa das gleiche Grundsteueraufkommen wie bisher zu erreichen. Manch andere Gemeinden berichten von aufkommensneutralen rechnerischen Hebesätzen in etwa der Höhe des bisherigen Hebesatzes. München hat zur Herstellung der Aufkommensneutralität den Hebesatz 2025 von bisher 535 % auf 824% angehoben.
Auch wenn der Haushalt für 2025 noch in der Planung ist, an der äußerst schwierigen finanziellen Lage der Stadt wird sich nichts maßgebliches ändern: Die Schulden werden auf 50 bis 60 Mio. € in den nächsten Jahren steigen und die Ausgaben für den Schuldendienst stellen die Stadt in den nächsten Jahrzehnten vor sehr großen Herausforderungen. Die eingeleitete Konsolidierung mit dem Ziel einer notwendigen Zuführung vom Verwaltungshaushalt in den Vermögenshaushalt von 4 bis 5 Mio. € (bisher etwa 2 Mio. €) zeigt noch nicht die erforderlichen Ergebnisse. Dazu müssen neben erheblichen Ausgabenstreichungen und Einsparungen auch die Einnahmen erhöht werden. Die Kämmerei empfiehlt deshalb wie bereits zum Haushalt 2024, den Hebesatz für die Grundsteuer auf 450% zu erhöhen. Das würde für das Grundsteueraufkommen Folgendes bedeuten:
Messbetrag 2025 insgesamt voraussichtlich: 498.145,97 €
Aufkommen bei 400% Hebesatz (wie bisher) 1.992.583,88 €
Aufkommen bei 407,6% Hebesatz (aufk.neutr.) 2.030.442,97 €
Aufkommen bei 450% Hebesatz 2.241.656,87 € (+10,4%)
Im Übrigen kann bis 30.06.2025 der Hebesatz für die Grundsteuer 2025 nach oben und bis Ende des Jahres auch nach unten geändert werden (§25 Abs. 3 GrStG).
Aufgrund der Änderung des Grundsteuerrechts zum 01.01.2025 muss noch in 2024 eine Hebesatzsatzung mit Wirkung ab 01.01.2025 verabschiedet werden. Es empfiehlt sich, darin auch den Hebesatz für die Gewerbesteuer festzulegen. Mit der vorgeschlagenen Erhöhung beider Hebesätze wäre etwa ein Viertel der notwendigen Konsolidierung erbracht.
Im Übrigen wird sich das neue Grundsteuerrecht auch auf den kommunalen Finanzausgleich – sprich Steuerkraft und daraus resultierende Kreisumlage – auswirken. Die Grundsteuerkraftzahlen nach altem Recht werden für drei Jahre eingefroren, d.h. die Grundsteuerkraftzahlen für 2026 (aus Ergebnis 2024) gelten auch für den kommunalen Finanzausgleich 2027 bis 2029, da die Datengrundlagen noch nicht vollständig vorliegen und auch die Hebesatzentwicklungen volatil sein werden. Erst dann wird aufgrund der neuen Zahlen der kommunale Finanzausgleich neu gestaltet.
Der Ausschuss für Finanzen, Wirtschaft und Digitales hat dem Stadtrat in seiner Sitzung am 26.11. mit 6 zu 5 Stimmen empfohlen, in der Hebesatzsatzung für die Grundsteuer A als auch für die Grundsteuer B einen Hebesatz von 450 % ab 01.01.2025 festzusetzen.