Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes für den Bereich Sieghartstraße 20, FlNr. 237, Gemarkung Ebersberg; Fassung des Aufstellungsbeschlusses


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Technischen Ausschusses, 16.06.2020

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Technischer Ausschuss Sitzung des Technischen Ausschusses 16.06.2020 ö beschließend 15

Sachverhalt

In der Sache wird auf die TA-Sitzung vom 12.05.2020 sowie auf den heutigen Ortstermin Bezug genommen. Die Antragstellerin möchte auf den Grundstück Sieghartstraße 20, FlNr. 237, Gemarkung Ebersberg zwei Mehrfamilienwohnhäuser mit insgesamt 14 Wohneinheiten und einer Tiefgarage errichten.
Elf Wohneinheiten sollen im Gebäude direkt an der Straße entstehen, drei weitere Wohneinheiten sind im rückwärtigen, südlichen Gartenbereich vorgesehen. Auf den Sachvortrag zur Sitzung vom 12.05.2020 wird insoweit verwiesen.

Im Zuge der Beratungen zu dem Punkt wurden aus der Mitte des Ausschusses die Aufstellung eines Bebauungsplanes / vorhabenbezogenen Bebauungsplanes  sowie eine Veränderungssperre bzw. eine Zurückstellung des Baugesuches ins Gespräch gebracht.

Derzeit liegt das antragsgegenständliche Grundstück nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes. Die bauplanungsrechtliche Situation beurteilt sich nach § 34 BauGB.
Nördlich der Sieghartstraße grenzt der Bebauungsplan 102 einschließlich seiner ersten Änderung – Sieghartstraße an. Nordöstlich der Sieghart-/Ignaz-Perner-Straße grenzt der Bebauungsplan Nr. 48 Eggerfeld an. Für den Bebauungsplan Nr. 102 wurde ein MI (Mischgebiet) festgesetzt. In den Erdgeschossen wurden nur Ladennutzungen mit max. 150 m² Verkaufsfläche sowie ein Lebensmittelmarkt mit 400 m² Verkaufsfläche zugelassen. Bekanntlich sind diese Nutzungen nicht verwirklicht worden. Vielmehr finden sich dort Arztpraxen (Zahnarzt), Dienstleistungen aller Art.
Im Bereich der Ignaz-Perner-Straße 9 und 9a sind ebenfalls Nutzungen in Form von Wohnen und Arztpraxen, Physiotherapie usw. anzutreffen. Das Gebäude Sieghartstraße 16 wurde nach Aufgabe der gastronomischen und Hotelnutzung kürzlich zu einem reinen Wohngebäude umgebaut. In dem Gebiet überwiegt die Wohnnutzung deutlich, daran ändert auch die Wohnform der Senioreneinrichtung nichts, auch diese zählt zum Wohnen.
Das Quartier hat sich in den letzten Jahren zu einem Gebiet mit vorwiegender Wohnnutzung entwickelt. Alle sonst anzutreffenden Nutzungen wären auch in einem WA – allgemeinen Wohngebiet entweder allgemein oder ausnahmsweise zulässig.

Das Grundstück befindet sich im Geltungsbereich der Sanierungssatzung „Altstadt“, zuletzt geändert durch die 2. Änderungssatzung vom 08.07.1999. Nach § 14 Abs. 4 BauGB sind die Vorschriften über die Veränderungssperre nicht anzuwenden, sofern eine Genehmigugnspflicht nach § 144 Abs. 1 BauGB besteht. So liegt der Fall hier. Die Sanierung erfolgt im vereinfachten Verfahren unter Ausschluss der §§ 152 ff BauGB (Behandlung der sanierungsbedingten Werterhöhungen). § 144 BauGB, der die sanierungsrechtliche Veränderungs- und Verfügungssperre regelt, ist hingegen nicht ausgeschlossen. Somit ist gemäß § 14 Abs. 4 BauGB für die Anwendung der Veränderungssperre kein Raum (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, RdNr. 141 zu § 14 BauGB). In vorliegendem Fall ist die sanierungsrechtliche Genehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde zu erteilen (vgl. § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Diese Genehmigung bedarf des gemeindlichen Einvernehmens. Die Verweigerung des Einvernehmens bzw. die Versagung der sanierungsrechtlichen Genehmigung und damit die Entfaltung der Wirkungen der sanierungsrechtlichen Veränderungssperre, ist nur unter den in § 145 Abs. 2 BauGB genannten Gründen möglich. Es muss also Grund zu Annahme bestehen, dass das Vorhaben oder die damit erkennbar bezweckte Nutzung die Durchführung der Sanierung unmöglich macht oder wesentlich erschwert oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderläuft.
Zunächst ist demnach klärungsbedürftig, welche Ziele und Zwecke mit der Sanierungssatzung verfolgt werden sollen. Solche Ziele und Zwecke können die Sanierung begleitenden Planungen darstellen z. B. ein Sanierungskonzept bzw. das ISEK der Stadt Ebersberg. Andererseits sind die Gründe für den Erlass der Sanierungssatzung heranzuziehen.
Die Fläche liegt nicht im zentralen Versorgungsbereich, so dass nach dem ISEK hier nicht unbedingt ein Schwerpunkt auf Einzelhandelsentwicklung zu legen ist.

Das ISEK drückt sich hier wie folgt aus:
Ebenso wichtig erscheint die dauerhafte Verbesserung des Wohnungsangebots für junge Menschen, Familien und Senioren.
Kurze Wege zu den Einkaufsmöglichkeiten sowie zum S-Bahnhof machen die Innenstadt
für Wohnnutzungen attraktiv. Durch das Angebot alternativer Wohnformen und die
Schaffung von günstigem Wohnraum insbesondere für junge Familien kann der Wohnstandort Innenstadt weiter gestärkt, einer Verödung nach Ladenschluss vorgebeugt und einer Überalterung entgegengewirkt werden. Vor allem städtische Immobilien sollten in die weiteren Überlegungen mit einbezogen werden.
Eine wichtige Rolle spielen aber auch zentral gelegenen, innenstadtnahe Flächen, wie z.B.
im Bereich der Gärtnereistraße, Dr.-Wintrich-Straße, Münchener Straße. Diese zum Teil
durch „innenstadtfremde“ Nutzungen belegten, mindergenutzten oder brachliegenden
Flächenpotentiale und Immobilien müssen in die strategischen Überlegungen zur kurz-,
mittel- und langfristigen Flächeninanspruchnahme einbezogen werden. Informelle Nutzungskonzepte, die in Ergänzung zu den Aussagen des aktuellen Flächennutzungsplans stehen sind zu entwickeln.
Städtebauliche Entwicklungen müssen immer das Ziel haben die stadträumlichen Qualitäten zu erhalten und den Denkmal- und Ensembleschutz zu achten. Der gewachsene Stadtgrundriss mit seiner typischen Kleinteiligkeit sollte dabei der Maßstab sein. Neben einer ortstypischen Dimensionierung der Straßenräume, Gassen und Wege zählt hierzu auch eine ortsbildgerechte Fassadengestaltungen oder die Wahrung markanter Sichtbezüge in den Landschaftsraum oder auf den Kirchturm von St. Sebastian. Ebenso typisch für Ebersberg ist die Vernetzung/ Verzahnung zwischen Bebauung, Topografie und Naturraum. Dieses Zusammenspiel gilt es unbedingt zu erhalten und weiter auszubauen. Die Lage der Innenstadt am Rand des Siedlungskörpers bzw. am Rand des Naturraums stellt dabei ein besonderes Potential dar.

So spricht für diesen Standort einiges für eine innenstadtnahe Wohnnutzung. Die Grundlagen für das Versagen einer Sanierungsgenehmigung könnten in der Fassadengestaltung, des Eingriffs in den Straßenraum und des kleinteiligen Stadtgrundrisses bestehen. Das Vorhaben hat im zur Sieghartstraße hin orientierten Erdgeschossbereich nur Nebennutzungen, wie Lager-, Abstell- und Fahrradräume vorgesehen. Hier entsteht kein Bezug zum Straßenbereich. Eine nur derart mindergenutzte Erdgeschosszone auf der gesamten Länge des geplanten Gebäudes wirkt sich negativ auf das Quartier aus. Ziel der Stadt war und ist es gerade im Erdgeschossbereich in der Altstadt attraktive Nutzungen für eine Belebung des Straßenbildes zu verwirklichen. Das Vorhaben läuft dieser Überlegung zuwider und gefährdet damit die Sanierungsziele, so dass eine Genehmigung bzw. das Einvernehmen nicht erteilt werden konnte.

Um die Planung entsprechend den Sanierungszielen steuern zu können ist hier ein Bebauungsplan bzw. ein vorhabenbezogener Bebauungsplan erforderlich.
Planungsziele sind die Festsetzung als Wohnstandort (WA) sowie die vertikale Gliederung von Nutzungen in den einzelnen Geschossen, wobei im Erdgeschoss auch gewerbliche Nutzungen gewünscht sind. Die Festsetzung eines Mischgebietes dürfte aufgrund der vorherrschenden Nutzungen, wie eingangs dargestellt wurde, städtebaulich nicht erforderlich sein. Reine Nebennutzung sollen im Erdgeschoss weitgehend ausgeschlossen werden. Weitere Ziele sind die Festlegung des Maßes der baulichen Nutzung sowie die Festlegung der überbaubaren Grundstücksflächen und die Anordnung des ruhenden Verkehrs. Die Gestaltung des Fassadenbildes spielt bei der Planung ebenfalls eine gewichtige Rolle.

Die Stellungnahmen Herrn Molenaar und Herrn Dr. Stegen liegen den Sitzungsunterlagen als Anlage bei; hierauf wird insoweit verwiesen.
 
Mit dem LRA Ebersberg wurde die weitere Vorgehensweise in der Sache besprochen. Folgendes wurde hierzu vereinbart:

In einer telefonischen Besprechung bittet das Landratsamt um Darlegung der Gründe die zur Ablehnung des gemeindlichen Einvernehmens geführt haben. Nach Vorlage der städtischen Stellungnahme wird das Landratsamt den Antrag weiter prüfen.
 

 

Diskussionsverlauf

StR Gressierer beurteilte die eingangs der Sitzung vom Antragsteller vorgelegten Planänderungen als positiv. Die Fassade im Nordwesten sollte unterbrochen werden. Die Ansichten sollten den Stadträten zur Verfügung gestellt und nochmals beraten werden.
StR Münch bat die Verwaltung nochmals um Erläuterung der rechtlichen Lage.
Die Verwaltung erläuterte, dass eine Veränderungssperre wegen der Lage des Grundstücks im Geltungsbereich der Sanierungssatzung gem. § 14 Abs. 4 BauGB nicht möglich sei. Innerhalb des Sanierungsgebietes bedürfen Vorhaben der sanierungsrechtlichen Genehmigung nach § 144 Abs. 1 BauGB. Diese Genehmigung konzentriert sich in einem Bauantragsverfahren bei der Bauaufsichtsbehörde, die für ihre Entscheidung das Einvernehmen der Stadt benötigt. Durch die Verweigerung sowohl des planungsrechtlichen als auch des sanierungsrechtlichen Einvernehmens in der Sitzung vom 12.05.2020 geht die Stadt davon aus, dass bereits die Wirkungen einer sanierungsrechtlichen Veränderungssperre eingetreten sind. Die Stellungnahme Stegen wäre nach Ansicht des Stadtbauamtes eine gute und tragfähige Grundlage für den Erlass eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes.

Für Ersten Bürgermeister Proske war das Hauptgebäude in Ordnung. Das Gartenhaus müsste noch optimiert werden.
StR Otter zitierte aus der Stellungnahme Stegen und wies auf das Verfahren „Hölzerbräu“ hin. Vorliegend sei ein unabhängiger Architekt notwendig. Für ihn war die Platzgestaltung wichtig; hier sollte die Stadt ihre Planungshoheit nutzen. Er regte eine größere Tiefgarage an und wies auf die Einhaltung der Abstandsflächen hin. Er gestand dem Vorhaben eine gewisse Dichte zu. Im Erdgeschoss sollten möglichst viele Nutzungen (z. B. Büros, Praxen gewerbliche Einheiten) geschaffen werden, da Arbeitsplätze im Zentrum Autoverkehr vermeiden würden.
StR Fritsch sprach sich dafür aus, die Entscheidung aufgrund der neuen Eindrücke zu vertagen.
Erster Bürgermeister Proske warnte davor, Planungsänderungen zulasten der Grundrisse vorzunehmen. Der Bauwerber sollte nicht für vergangenes büßen müssen.
StR Otter stellte fest, dass aktuell ein sehr wirtschaftlich geplantes Objekt vorliege. Der städtische Raum in der Umgebung müsse jedoch auch dazu passen.
StR Münch stellte eine Vertagung der Entscheidung in Frage.
Für StR Gressierer war die Verhandlungsbereitschaft des Antragstellers als Voraussetzung für die Vertragung des Beschlusses wichtig. Ansonsten müsste man über die Aufstellung eines Bebauungsplanes beschließen.
Herr Architekt Garbe als Vertreter des Antragstellers stellte nochmals die Verhandlungsbereitschaft klar. Man sei willens die Planung anzupassen. Dies hätte bereits der heutige Vortrag deutlich gemacht.
StR Mühlfenzl regte an die Abstandsflächen nochmals zu verifizieren.
StR Riedl regte an in den Fraktionen nochmals mit den Antragsteller gemeinsam über das Vorhaben zu sprechen.
StR Otter sprach sich nochmals für die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes sowie für eine gemeinsame Besprechung mit dem Antragsteller aus.

In der anschließenden Abstimmung wurden folgende Beschlüsse gefasst:

Beschluss

  1. Für das Bauvorhaben Sieghartstraße 20 soll ein vorhabenbezogener Bebauungsplan aufgestellt werden. Parallel dazu soll mit dem Antragsteller, den Fraktionsvertretern und dem Büro Salm & Stegen eine gemeinsame Besprechung abgehalten werden.

    Abstimmungsergebnis:        1: 10

  2. Die Fraktionen beraten nochmals intern über das Bauvorhaben Sieghartstraße 20 im Rahmen eines Workshops zusammen mit dem Antragsteller und dem Büro Salm & Stegen. Das Vorhaben wird weiterhin nach § 34 BauGB beurteilt.

    Abstimmungsergebnis:        10: 1

Abstimmungsergebnis
Dafür: 0, Dagegen: 0

Datenstand vom 19.08.2020 10:15 Uhr