Auf dem vorgenannten Grundstück ist die Errichtung einer Lamellenpergola (6 x 3 m = 18 m²) als Terrassenüberdachung beantragt.
Das Bauvorhaben ist von einem Nachbarn mit Bedenken bzgl. einer baurechtlichen Genehmigung des Vorhabens am 06.10.2020 bei der Stadt Ebersberg angezeigt worden und am 07.10.2020 der zuständigen Bauaufsichtsbehörde weitergeleitet worden. Die Bauaufsichtsbehörde hat das Bauvorhaben mit dem Bescheid vom 15.10.2020 bis zur Überprüfung der Genehmigungsfähigkeit eingestellt und auf die Erforderlichkeit einer Genehmigung des Bauvorhabens hingewiesen.
Bauplanungsrechtlich befindet sich das Bauvorhaben im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 124 – Augrund II und überschreitet die Baulinie in seinen gesamten Ausmaßen.
Nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe g) BayBO ist die Errichtung einer Terrassenüberdachung mit einer Fläche bis zu 30 m² und einer Tiefe von bis zu 3 m grundsätzlich genehmigungsfrei, würde aber eine isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes nach § 31 Abs. 2 BauGB erfordern.
Von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes kann gem. § 31 Abs. 2 BauGB nur befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, die Abweichung städtebaulich vertretbar ist und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die festgesetzte Baulinie ist hier als Grundzug der Planung zu sehen.
Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung Spannungen hineinträgt oder erhöht, die nur durch eine Planung zu bewältigen sind. Was den Bebauungsplan in seinen „Grundzügen“, was seine „Planungskonzeption“
verändert, lässt sich nur durch (Um-)Planung ermöglichen und darf nicht durch einen
einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden. Die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Stadt und nicht der
Bauaufsichtsbehörde (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.2.2012 - 4 C 14.10).
Von Bedeutung für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im
Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, können auch Auswirkungen des
Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung sein
(vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2008 - 4 B 11.08 - ZfBR 2008, 797 = juris Rn. 4).
Gemessen an diesen Grundsätzen scheidet eine Befreiung von der festgesetzten Baulinie für die Terrassenüberdachung aus, weil es sich hierbei um einen Grundzug der Planung handelt. Eine Bebauung entsprechend dem Bauantrag mit einer 5,85 m breiten und 3,00 m außerhalb der Baulinie liegenden Terrassenüberdachung, widerspricht der im Bebauungsplan deutlich gewordenen Planungskonzeption. Der Bebauungsplan regelt durch die Baugrenzen- und insbesondere durch die Baulinienfestsetzungen an der Westseite des Plangebietes sowie durch die Festsetzungen der Nebenanlagen die überbaubaren Grundstücksflächen abschließend. Die übrigen Flächen sind von Bebauung freizuhalten.
Die Festsetzung der Baulinie ist im Bebauungsplan aufgrund der Abgrenzung zum Außenbereich und mit dem freien Blick aus der Karwendelstraße auf die Bergkette begründet worden. Aus diesem Grund wurde auf den westlichen Gartenflächen der westlichen Grundstücke des Baugebietes eine Bebauung mit Nebenanlagen explizit ausgeschlossen. Die vorhandenen Pflanzen sind baurechtlich nicht relevant und müssen so behandelt werden, als ob sie nicht vorhanden wären. Somit hat dieser Grundzug der Planung bauplanungsrechtlich weiterhin Bestand.
Aufgrund der vorliegenden Planungskonzeption ist auch eine städtebauliche Vertretbarkeit der Befreiung nicht gegeben, da dieses Bauvorhaben allenfalls im Wege einer geänderten Bauleitplanung für alle im westlichen Planbereich gelegenen Grundstücke rechtlich ermöglicht werden könnte. Insofern fehlt es hier an der bodenrechtlichen Sonderlage für das antragsgegenständliche Grundstück.
Nachdem die Befreiung von der festgesetzten Baulinie ausscheidet, kommt es auf die Frage, ob die Abweichung nach § 31 Abs. 2 unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den sonstigen öffentlichen Belangen vereinbar wäre, nicht mehr an.
Nach Auskunft des Bauherrn wurde die alte Markise aufgrund mehrerer Gründe durch die Lamellenpergola ausgetauscht und eine Notwendigkeit einer Genehmigung nicht erkannt, da der Bebauungsplan nicht bekannt war (vgl. beiliegende Begründung).
Für die Errichtung von Nebenanlagen ist eine Anbauzone im Süden des Grundstückes mit einer Beschränkung auf maximal 10 m² vorgesehen. Demnach könnte eine Terrassenüberdachung mit einer Fläche von maximal 10 m² auf der Südseite des Gebäudes errichtet werden.
Die Legalisierung des beantragten Bauvorhabens kann in diesem Bereich allenfalls mit einer Bebauungsplanänderung erreicht werden. Dabei ist grundsätzlich zu überlegen, ob die ursprünglichen Planungsziele (Erhalt des Ortsrandes; Erhalt der Blickbeziehungen in Richtung Nord/Süd) aufgegeben werden sollen, oder ob man weiterhin an den getroffenen Regelungen festhalten möchte. Ein Rechtsanspruch auf Bebauungsplanänderung besteht nicht. Die in der Begründung des Antragstellers aufgeführten wirtschaftlichen Gründe sind bei der Beurteilung der Erforderlichkeit ohne Belang.
Die Verwaltung schlägt vor, alle betroffenen Eigentümer hinsichtlich einer möglichen Bebauungsplanänderung sowie der Bereitschaft der Kostentragung zu befragen. Bei einem positiven Ergebnis wird die Sache erneut vorgelegt.