Um dem Beschluss des TA vom 16.03.2021 „Prüfung Solarpflicht für Bebauungspläne“ gerecht zu werden, soll in den Bebauungsplanentwurf Nr. 200 – Friedenseiche VIII nun noch folgende Festsetzung aufgenommen werden:
Die Solarpflicht wird so realisiert, dass diese nur dann verpflichtend ist, wenn sich ein Drittanbieter (z.B. Energiegenossenschaft, PV-Projektierer) findet, der die Anlage realisieren würde (bei 1.- Euro Dachpacht). Das Bauvorhaben ist als verfügbare Dachfläche auf einer Dachflächenbörse für Photovoltaik (z.B. https://www.energieatlas.bayern.de/thema_sonne/solarflaechenboerse.html) für mind. 3 Monate anzubieten. Zusätzlich erfolgt zu Beginn der Veröffentlichung ein Rundschreiben an Drittanbieter durch die Stadt. Wenn kein Drittanbieter Interesse an dem Dach zeigt, ist von keiner wirtschaftlichen Maßnahme auszugehen und die Pflicht muss nicht erfüllt werden. Ist Interesse vorhanden, kann der Bauherr entscheiden, ob er selbst tätig wird oder das Dach verpachtet. Die besonderen Anforderungen des Energiefachrechts, speziell des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sind zu beachten.
Nachdem das Thema planungsrechtlich noch nicht geklärt ist (keine Rechtsprechung) und einen Eingriff in die Wahlfreiheit des Bauherrn und damit ein Eingriff in Art. 14 GG darstellt, hat die Verwaltung eine diesbezügliche Anfrage an das Bauministerium (Herrn Dr. Parzefall) gestellt und um Bekanntgabe der dortigen Sichtweise gebeten.
In einem Telefonat vom 19.10.2021 teilte Herr Dr. Nuber vom Bauministerium folgendes mit:
Das Ministerium kann sich in der Frage nicht eindeutig festlegen, da dies rechtliches Neuland ist und bislang keine Rechtsprechung zu dieser Frage vorliegt.
Festsetzungen zur Errichtung von PV-Anlagen sind nach § 9 BauGB möglich; jedoch kann im Bebauungsplan keine Benutzungspflicht von solchen Anlagen vorgeschrieben werden - dies ist nur über einen städtebaulichen Vertrag möglich.
Auch eine zivilrechtliche Nutzungspflicht (Kaufvertrag) wäre denkbar.
Die Pachtregelung wird seitens des Ministeriums als interessant und sinnvoll eingeschätzt.
Bei nicht wirtschaftlicher Zumutbarkeit sollte im Bebauungsplan eine Ausnahme festgesetzt werden.
Verwiesen wurde in diesem Zusammenhang auf die aktuelle Ausgabe der Planungshilfen 2020/2021.
Die Stellungnahme des Ministeriums weist daraufhin, dass eine entsprechende Festsetzung rechtlich möglich ist und von § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. b) BauGB gedeckt ist, wenn nachstehende Ausführungen beachtet werden. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. b) BauGB können im Bebauungsplan auch Gebiete festgesetzt werden, in denen bei der Errichtung von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche oder sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen. Dies beinhaltet aber noch nicht die Pflicht zur Nutzung der für den Einsatz der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung vorgenommene Maßnahmen (zum Anschluss- und Benutzungszwang vgl. § 9 Abs. 6 BauGB). Die Festsetzung kann auch aus allgemeinen klimapolitischen Gründen erfolgen, da städtebauliche Gründe im Sinne des § 9 Abs. 1 BauGB wegen § 1 Abs. 5 S. 2 BauGB und § 1a Abs. 5 BauGB auch allgemeine klimapolitische Gründe sind. Es kann also genügen, die Festsetzung allgemein mit der angestrebten Reduktion des Ausstoßes klimaschädlicher Stoffe zu begründen.
Die Festsetzung muss allerdings auch in einem solchen Fall den Anforderungen des Abwägungsgebots entsprechen. Sie muss erforderlich, durchführbar, geeignet und verhältnismäßig sein. Hinsichtlich der Anforderungen an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist insbesondere die wirtschaftliche Zumutbarkeit zu berücksichtigen und es sind dementsprechend gegebenenfalls Ausnahmeregelungen (§ 31 Abs. 1 BauGB) in der Festsetzung vorzusehen. Zu beachten sind ferner besondere Anforderungen des Energiefachrechts, speziell des Gebäudeenergiegesetzes (GEG).
Um der Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit gerecht zu werden, soll die Festsetzung bzw. die Pflicht zu Errichtung einer PV-Anlage eben nur dann bestehen, wenn sich auch ein Drittanbieter findet, der die Anlage unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten realisieren würde. Zeigt kein Drittanbieter Interesse, wird die Errichtung der PV-Anlage als nicht wirtschaftlich angesehen und der jeweilige Bauwerber wird von der Pflicht frei. Die Errichtung auf freiwilliger Basis bleibt dadurch allerdings unberührt.
Beabsichtigt die Gemeinde, flankierend zu einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. b BauGB, die Grundstückseigentümerinnen bzw. –Eigentümer auch zur Nutzung erneuerbarer Energie zu verpflichten (z. B. Nutzungspflicht von PV-Anlagen), kann sie dies durch städtebaulichen Vertrag gem. § 11 Abs. 1Satz 2 Nr. 4 BauGB erreichen. Mit dem Instrument des städtebaulichen Vertrags kann die Gemeinde ihre energiepolitischen und lokalen energiewirtschaftlichen Vorstellungen über die Nutzung erneuerbarer Energien konkretisierend umsetzen (z. B. auf Grundlage eines kommunalen Energiekonzepts, s. Kapitel I 3 / 17 Energiekonzept). Dies setzt selbstverständlich eine Einigung der Gemeinde mit den Vertragsbeteiligten voraus. Auch setzen vertragliche Vereinbarungen auf Grundlage des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BauGB einen Zusammenhang „mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken“ voraus. Außerdem hat die Gemeinde wie bei allen städtebaulichen Verträgen das Gebot der Angemessenheit und das Kopplungsverbot zu beachten (vgl.
§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB, Art. 56 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG). Für die Umsetzung der Pflicht zur Nutzung erneuerbarer Energien kann die Gemeinde alternativ auch auf ein Zwischenerwerbsmodell zurückgreifen, bei dem sie die neu zu bebauenden Flächen erwirbt und anschließend an Bauinteressierte mit entsprechenden vertraglichen Regelungen und insbesondere unter Wahrung des Gebots der Angemessenheit und des Kopplungsverbots weiterverkauft.
Dies wäre vorliegend der Fall, da die Grundstücke von der Stadt verkauft werden und so über die Kaufverträge eine entsprechende Nutzungspflicht festgeschrieben werden kann.
Eine Regelung der Pflicht PV-/Solarthermieanlagen zu errichten, in den Kaufverträgen zu regeln, wird seitens des Stadtbauamtes nicht empfohlen, da sich hier die Sanktionsmöglichkeiten (Vertragsstrafen) als schwierig gestalten. Mit einer Vertragsstrafe kann man den Pflichtigen nicht zwingen, die Anlage zu errichten. Es wird nur das vertragswidrige Verhalten sanktioniert. Die Handlungspflicht selbst müsste in jedem Einzelfall durch zivilrechtliche Klage durchgesetzt werden, was einen enormen Aufwand darstellt.
Nachdem die Regelung rechtliches Neuland darstellt, kann nicht prognostiziert werden, ob die Festsetzung im Falle einer Normenkontrollklage bzw. einer Verpflichtungsklage gegen eine nicht erteilte Befreiung halten wird. Es ist im Falle einer Stattgabe der Klage allerdings nicht davon auszugehen, dass dann der gesamte Bebauungsplan unwirksam wird, da der Rest des Bebauungsplans (auch ohne Solarpflicht) noch planungsrechtlich Sinn ergibt.
Bei einer Bebauungsplanfestsetzung tritt im Bauvollzug jedoch folgende Fragestellung auf:
Sollte ein Bauantrag ohne PV-Anlage eingereicht werden, würde dieser Antragsteller eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes benötigen. Ein Freistellungsverfahren ist dann nicht mehr möglich. Der Vorgang wird ins herkömmliche Genehmigungsverfahren eingeleitet. Ob ausreichende Gründe für eine Befreiung vorgetragen werden, kann nur im jeweiligen Einzelfall entschieden werden und würde (ähnlich wie im Richardisweg) zahlreiche Präzedenzfälle nach sich ziehen (wird einmal eine Befreiung deswegen erteilt, müssen alle andere, gleichgelagerten Fälle, auch befreit werden; derjenige der sich an die Festsetzungen bis zur ersten Befreiung gehalten hat, hat sozusagen das Nachsehen!)
Die Empfehlung des Stadtbauamtes lautet, das Aufbringen von PV-Anlagen auf den Dächern durch eine Festsetzung im Bebauungsplan nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 lit. b) BauGB nach o. g. Vorschlag zu regeln. Die Festsetzung soll in den aktuell vorliegenden Entwurf noch aufgenommen und dann ausgelegt werden. Spätere Änderungen machen wiederum eine erneute Auslegung erforderlich. Zumindest ist dann jedem interessierten Bewerber/Bewerberin klar, was auf sie zukommt.