Anpassung der Grundsteuer; 1. Änderungssatzung zur Hebesatzsatzung


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Hauptverwaltungs-, Finanz- und Personalausschusses, 12.11.2019

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Hauptverwaltungs-, Finanz- und Personalausschuss Sitzung des Hauptverwaltungs-, Finanz- und Personalausschusses 12.11.2019 ö vorberatend 2

Sachverhalt

Diskussionswürdig ist aktuell aus Sicht der Kämmerei die Höhe des Grundsteuerhebesatzes:
Dieser beträgt in Füssen seit dem Jahr 2006 415 v.H. Wie dem Inflationsrechner von finanzen-rechner.net (https://www.finanzen-rechner.net/inflationsrechner.php) entnommen werden kann, hat die Inflation in diesem Zeitraum zu einem Wertverlust von knapp 17 % geführt, d.h. 1.000 Euro Grundsteuer entsprechen heute nur noch einer Kaufkraft von 830,34 Euro.

Wollte man für den städtischen Haushalt diesen Kaufkraftverlust ausgleichen, müsste die Grundsteuer auf einen Hebesatz von 500 v.H. angehoben werden. Die Mehreinnahmen für den städtischen Haushalt würden dann ca. 620.000 Euro p.a. betragen. Rückblickend betrachtet (und grob bereinigt um Anpassungen der Messbeträge) sind dem städtischen Haushalt in den Jahren 2007 – 2019 allein durch den unterlassenen Inflationsausgleich Einnahmen von ca. 5.000.000 Euro entgangen.

Eine inflationsbedingte Anpassung des Grundsteuerhebesatzes ist daher aus Sicht der Kämmerei dringend angezeigt, insbesondere auch vor dem Hintergrund der künftigen Finanzierungsaufgaben auf Grund der Sanierung der Grund- und Mittelschule.

Dieser Inflationsausgleich ist im Übrigen nichts Ungewöhnliches: „Im Zeitvergleich haben die Kommunen davon (dem Hebesatzrecht, Anm. des Verf.) vor allem mit Blick auf die Grundsteuer B Gebrauch gemacht. Zwischen 2005 und 2015 stiegen die Hebesätze dieser Steuer bundesweit um etwa 16 Prozent. Da die Bemessungsgrundlage der Grundsteuer jedoch über die Zeit hinweg vergleichsweise stabil geblieben ist, diente die Anhebung der Hebesätze insbesondere auch einem Inflationsausgleich.“


Auswirkungen für die Bürger:
Die Landeshauptstadt München hat in einer Sitzungsvorlage (Quelle: https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/DOK/SITZUNGSVORLAGE/2042467.pdf) 2010 die finanziellen Auswirkungen einer Hebesatzerhöhung von 490 v.H. auf 535 v.H., also um 45%-Punkte ermittelt. Dabei wurden Mehrbelastungen von durchschnittlich
- 28 Cent/m² für Einfamilienhäuser,
- 26 Cent/m² für Wohnungseigentum (WEG),
- 20 Cent/m² für Zweifamilienhäuser und
- 19 Cent/m² für Mietwohngrundstücke pro Jahr ermittelt.
Für Geschäftsgrundstücke lag die Steigerung bei 44 Cent/m², wobei die Grundsteuer bei der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer nach § 4 Abs. 4 EStG als Betriebsausgabe geltend gemacht werden kann.
Auf Grund der geringeren Bemessungsgrundlagen im Vergleich zur Landeshauptstadt wird sich selbst eine prozentual höhere Steigerung in Füssen in absoluten Beträgen deutlich geringer auswirken.

Ein praktisches Beispiel zur objektiven Beurteilung der Größenordnung:

Wohnung mit 76m², 2 Personen.
Nebenkosten ohne Heizung und Warmwasser = 1,16 €/m² = 88,16 monatlich.
Darunter Anteil der Grundsteuer:        0,22 €/m² = 16,72 € monatlich, bei der vorgeschlagenen Erhöhung auf 500 v.H. wären es        0,27 €/m² = 20,52 € monatlich (+ 3,80 €).
Die Heizkosten incl. Warmwasser betragen in diesem Beispiel 0,97 €/m²= 73,72.

Die Gesamtnebenkosten würden sich in diesem Beispiel von 2,13 €/m² auf 2,18 €/m² und damit von 161,88 € monatlich auf 165,68 € monatlich erhöhen.

Für die Folgejahre ist das Ziel der Kämmerei eine regelmäßige Anpassung an die Inflation, um derartige Sprünge zu vermeiden und den Anstieg sanfter zu gestalten. Vorgesehen wäre dafür ein 3-Jahres-Rhythmus, die nächste Anpassung also zum 01.01.2023. Auf Grund der künftig häufiger vorgesehenen Anpassungen kann aus Sicht der Kämmerei eine Anpassung auf 500 v.H. zum jetzigen Zeitpunkt unterbleiben und diese mit 485 v.H. moderater ausfallen.

Zu überlegen wäre darüber hinaus, ob eine Angleichung der Grundsteuer A (Hebesatz bisher historisch bei 330 v.H.) und B erfolgen sollte, wie bspw. München (siehe o.g. Sitzungsvorlage) das bereits seit Jahrzehnten praktiziert. Für Füssen ergäbe sich dadurch ein Aufwuchs beim Aufkommen um ca. 16.000 Euro bzw. von 31.000 Euro auf 46.000 Euro. Bei der vorgeschlagenen Anpassung auf 435 v.H. würde der Abstand zwischen Grundsteuer A und B in einer ersten Stufe von 85 %-Punkten auf 50 %-Punkte verringert.

Blick über den Tellerrand:
Der gewogene Durchschnittshebesatz (dabei wird das gesamte Istaufkommen durch alle Messbeträge dividiert) betrug in Bayern 2016:
       347,7 v.H. bei der Grundsteuer A und
       338,2 bei der Grundsteuer B.

Im Landkreis Ostallgäu lag der durchschnittliche (nicht gewogene) Hebesatz 2017 bei:
364,8 v.H. bei der Grundsteuer A (300 v.H. in Schwangau, Halblech / 450 v.H. Lechbruck)
355,3 v.H. bei der Grundsteuer B (300 v.H. in Germaringen, Halblech, Wald / 450 v.H. Lechbruck)

In Bayern lag der Durchschnitt bei:
347,8 v.H. bei der Grundsteuer A (150 v.H. in Gundremmingen / 650 v.H. in Gnotzheim, Meinheim)
345,3 v.H. bei der Grundsteuer B (150 v.H. in Gundremmingen / 650 v.H. in Oberickelsheim,                                                                                  Gnotzheim, Meinheim)


Füssen läge mit dem vorgeschlagenen Hebesatz deutlich über allen Durchschnitten. Leider aber ja auch bei der Verschuldung: „Die Gesamtverschuldung der Stadt Füssen steigt zum Ende des Haushaltsjahres gegenüber dem ursprünglichen Stand um 133.000 € auf rund 24,6 Mio. €. Dies entspricht weiterhin dem 2,3-fachen des aktuellen Landesdurchschnitts der Pro-Kopf-Verschuldung.

Der Schuldendienst liegt mit 2,45 Mio. € bei etwa 6,9 %des Volumens des Verwaltungshaushalts.
Nach der Definition in der Schriftenreihe der Bayer. Verwaltungsschule, Gilbert F. Raith, Seiten 57 und 58: „Kommunale Finanzwirtschaft der Gemeinden in Bayern nach den Grundsätzen der Kameralistik" liegt in einem solchen Fall eine Überschuldung im Sinne des Art. 61 Abs. 1 Satz 2 GO vor“ (Stellungnahme des LRA OAL im Förderverfahren Kindertagesstätte Weidach).

Unter dem Durchschnitt liegt Füssen auf der anderen Seite bei der Steuer- bzw. Umlagekraft. Diese betrug 2019 im Landesdurchschnitt 1.235,85 Euro, in Füssen mit 1.090,19 Euro jedoch nur knapp 87 % (2018: 86 %) davon.

Auswirkung der Grundsteuerreform:
Das erste Jahr, in dem sich die aktuell diskutierte Grundsteuerreform tatsächlich auswirken wird, wird 2025 sein. Bei allen bekannten Berechnungsmodellen wird es dabei zu Verschiebungen zwischen einzelnen Objekten kommen. Die Kämmerei wird jedoch bestrebt sein, den neuen Grundsteuerhebesatz in Summe aufkommensneutral auszugestalten.

Inflationsausgleich in der Gewerbesteuer?
Im Gegensatz zur Grundsteuer nimmt die Gewerbesteuer automatisch an der allgemeinen Preisentwicklung teil, da die besteuerten Gewerbeerträge mit der Inflation (und dem Wirtschaftswachstum) zunehmen. Bei der Gewerbesteuer sind im Zeitablauf folglich keine Hebesatzerhöhungen notwendig, um das Aufkommen inflationsbereinigt konstant zu halten.

Beschluss 1

Der Haupt-, Finanz- und Personalausschuss empfiehlt dem Stadtrat eine Anpassung des
Hebesatzes der Grundsteuer B (sonstige Grundstücke) auf                                450 v.H.

Beschluss 2

Der Haupt-, Finanz- und Personalausschuss empfiehlt dem Stadtrat eine Anpassung des
Hebesatzes der Grundsteuer A (land-und forstwirtschaftliche Grundstücke) auf                350 v.H.

Die Verwaltung wird beauftragt, eine 1. Änderungssatzung zur Hebesatzsatzung vorzubereiten.

Datenstand vom 05.12.2019 11:09 Uhr