Nutzungsänderung: Umwandlung der bestehenden Doppelhaushälfte in ein Ferienhaus mit Vermietung, Abstimmung über die Stellungnahme vom Landratsamt Ostallgäu, Panoramaweg 26, Fl.Nr. 170/2, Gemarkung Hopfen am See


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Bau- und Umweltausschusses, 17.09.2019

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bau- und Umweltausschuss Sitzung des Bau- und Umweltausschusses 17.09.2019 ö beschliessend 1.4.2

Sachverhalt

Der vorliegende Bauantrag wurde in der Sitzung vom 04.06.2019 dem Gremium vorgelegt. Das Einvernehmen zur Nutzungsänderung einer bestehenden Doppelhaushälfte in ein Ferienhaus und die damit verbundene Ausnahme vom Bebauungsplan wurde dazu nicht erteilt. Mit Schreiben vom 05.08.2019 teilte das Landratsamt Ostallgäu der Stadt Füssen mit, dass das LRA die Grundlage für die Erteilung der Ausnahme gegeben sieht. Auf andere, z. T. genehmigte Fälle wurde verwiesen. Die Stadt wird aufgefordert, über die Erteilung des Einvernehmens neu zu entscheiden. Sollte das Einvernehmen nicht bis zum 30.09.2019 erteilt worden sein beabsichtigt das LRA dieses zu ersetzen. Der Erlass einer Satzung zur Regelung der Zweckentfremdung von Wohnraum wurde nahe gelegt. Das Schreiben des Landratsamt Ostallgäu liegt der Sitzungsvorlage bei.

Aus Sicht der Verwaltung ist der Rechtsauffassung des Landratsamtes Ostallgäu aus folgenden Gründen nicht zu folgen und das Einvernehmen weiterhin nicht zu erteilen:

  1. Art der baulichen Nutzung

Der Bebauungsplan (BP) setzt ein WA fest. Ferienwohnungen (FW) fallen unter die nicht störenden Gewerbebetriebe, die nach BP ausnahmsweise zugelassen werden können. Die Nichterteilung einer Ausnahme für FW ist nicht gleichzusetzen mit einer damit verbundenen notwendigen Änderung des BP. Die Beibehaltung der Festsetzung ist bereits dadurch gerechtfertigt, dass unter die nicht störenden Gewerbebetriebe auch andere Nutzungen als FW fallen können. Zudem sind Fallgestaltungen denkbar, in denen z. B. nur ein kleiner Teil eines ganzen Hauses umgenutzt wird (z. B. 30 qm aus einem Wohnhaus mit 160 qm Wohnfläche) und insoweit die Hauptnutzung zum Dauerwohnen erhalten bleibt. Des Weiteren bleiben damit andere nicht störende gewerbliche Nutzungen grundsätzlich möglich und sind aber einer sachlichen Einzelfallbeurteilung unterworfen (vgl. den Fall der Sirupherstellung „AlpenZenzero“ in Kellerräumen eines Wohnhauses am Wolkensteinweg).

  1. Städtebauliche Gründe

Bei der Entscheidung, ob in Baugebieten die (Dauer-) Wohnnutzung als zentraler Schwerpunkt erhalten bleibt, was durch die Nichtbewilligung von Ausnahmen in Bezug auf Nutzungen sichergestellt werden soll, die diesen Zweck zunehmend in Frage stellen, handelt es sich sehr wohl um einen städtebaulichen Belang und Grund. Es handelt sich zudem auch um einen planungsrechtlichen Grund:

Nach § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB sind die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit Kindern, die (auch Wohn-) Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung sowie die Bevölkerungsentwicklung bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen.

Es gehört damit gerade zu den grundlegenden Aufgaben des Bauplanungsrechts, die Entwicklung von Baugebieten über Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung zu steuern. Die Bestimmung, in welchen Bereichen welche Nutzungen angesiedelt werden oder unterbleiben sollen gehört zu den zentralen Befugnissen der Gemeinden im Rahmen der kommunalen Planungshoheit. Die Stadt hat hiervon durch die Aufstellung des Bebauungsplans Gebrauch gemacht und die sachlich differenzierte weitere Steuerung erfolgt durch die Entscheidung über die gesetzlich vorgesehene Nicht-/Zulassung von Ausnahmen. Dies erfolgt nach sachlichen Erwägungen und auf der Grundlage der Gebietskategorien der BauNVO. Entscheidend ist vorliegend, ob die gesetzlich vorgesehene Hauptnutzungsart „Wohnen“ schrittweise durch eine gewerbliche Art mit hoher Verdrängungswirkung ersetzt wird. Dass damit eine Bedarfssteuerung in Bezug auf den Wohnungsmarkt verbunden ist steht der Einstufung als zentralem städtebaulichem und planungsrechtlichem Belang nicht entgegen.

  1. Gleichbehandlungsgrundsatz

Nach Art. 3 Grundgesetz, der den Gleichbehandlungsgrundsatz regelt, hat die Verwaltung ihr Ermessen in gleichliegenden Fällen in gleicher Weise auszuüben. Damit sind gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung kann nur durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden. Dadurch hat sich in der Rechtsprechung und der Literatur der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung entwickelt. Die Verwaltung verstößt gegen die Selbstbindung der Verwaltung, wenn sie ohne sachlichen Grund von ihrer bisherigen Entscheidungspraxis abweicht.

In der Rechtsprechung ist aber auch anerkannt, dass die Behörden die Möglichkeit haben, sich für die Zukunft von einer in der Vergangenheit geübten Entscheidungspraxis zu lösen und für künftige Fälle ihr Ermessen in anderer Weise auszuüben.

Untersagt ist lediglich ein willkürliches Abweichen von ihrer in vergleichbaren Fällen ausgeübten Verwaltungspraxis. Eine Änderung der Verwaltungspraxis muss durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt sein (z. B. VG Würzburg, Urteil vom 21.08.2012 - W 4 K 11.446 in openJur 2012, 128602 unter Verweis auf Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 40 RdNr. 26). Es kommt allein darauf an, dass die Neuausrichtung der Verwaltungspraxis für die Zukunft eine allgemeine ist und nicht nur für den einen zur Entscheidung stehenden Fall vorgenommen wird (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 40 RdNr. 31).

Das LRA verweist auf zwei genehmigte Bezugsfälle in dem Baugebiet mit lt. Angabe 120 Gebäuden. Die Genehmigungen stammen aus den Jahren 1982 und 2015. Das LRA stellt selbst in Frage, ob drei andere Fälle genehmigt sind.

Zunächst liegen bei beiden Fällen keine gleichen Sachverhalte vor, weil es sich bei dem aktuellen Antrag erstmalig um eine Doppelhaushälfte handelt. Dies ist schon insoweit nicht unbeachtlich, weil hier durch die angrenzende Haushälfte eine andere (größere) Nachbarbetroffenheit besteht als bei einem freistehenden Haus. Es ist anerkannt, dass eine FW-Nutzung einen höheren Grad der Störung der Wohnruhe aufweist als eine typische Dauerwohnnutzung. Zwar hat die Eigentümerin der zweiten Haushälfte die Pläne unterschrieben; die Nachbarunterschriften des westlich benachbarten Gebäudes Hs.Nr. 28 sind jedoch nicht vollständig.

Die beiden Bezugsfälle liegen auch weder im gleichen Straßenzug noch wie angegeben in unmittelbarer Nähe, sondern in Entfernungen von ca. 200 und 250 m Luftlinie an der Höhenstraße.
Diese Entfernungen und die Lage in einem anderen Straßenzug sind bereits für sich geeignet, eine andere Betrachtungsweise zugrunde zu legen.

Dies kann aber dahin gestellt bleiben. Maßgeblich ist, dass die Stadt Füssen mit den Beschlüssen aus 2019 klar gestellt hat, dass eine konsequente Abkehr von der vormaligen Entscheidungspraxis erfolgt. Dies ist sachlich begründet, weil

  1. nach wie vor ein Wohnraumdefizit insbesondere im Hinblick auf bezahlbaren und familiengerechten Wohnraum und dabei besonders im Bereich der Mietwohnungen besteht;
  2. die Baugebietsausweisungen der letzten Jahre bisher noch nicht in ausreichendem Umfang zu einer Behebung dieser Problematik geführt haben und
  3. anhaltend der Trend zur Verdrängung des ohnehin zu knapp bemessenen Wohnraums durch die Einrichtung von Ferienwohnungen besteht.

Um dies zu erreichen wird von den dafür vorgesehenen gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht: Regelung in neuen Bebauungsplänen (z. B. O 65, W 64 und W 27 zweite Änderung) und Änderung von anderen BP (O 38, erste Änderung); daneben eben durch die konsequente Abkehr von der Befürwortung von Ausnahmen und Befreiungen. Im Rahmen einer Arbeitsgruppe mit Vertretern des Stadtrates wurde dies ebenfalls thematisiert. Der Erlass einer Satzung zur Regelung der Zweckentfremdung wird geprüft und in Erwägung gezogen. Die nähere Beratung erfolgt in der Sitzung des Stadtrates am 24.09.2019.

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt damit nicht vor und ein aktueller Antragsteller kann sich hierauf nicht mehr mit Erfolg berufen.

Sollte das Landratsamt Ostallgäu diese Begründung nicht anerkennen und das kommunale Einvernehmen ersetzen ist aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Thematik eine Klage gegen den Freistaat Bayern in Erwägung zu ziehen.

Aus der Sitzungsvorbesprechung mit den Vertretern des Landratsamtes Ostallgäu am 12.09.2019 ergab sich folgendes:

  • Es ich nicht damit zu rechnen, dass das LRA zu einer anderen Einschätzung kommen wird.
  • Zu empfehlen ist eine rechtssichere Regelung durch Änderung des Bebauungsplanes mit
  • Absicherung durch den Erlass einer Veränderungssperre und
  • den Erlass der Zweckentfremdungssatzung.

Beschluss

Der Bau- und Umweltausschuss hält an seinem Beschluss vom 04.06.2019 fest und erteilt aus den im Sachverhalt dargestellten Gründen auch weiterhin nicht das Einvernehmen zu einer Ausnahme vom Bebauungsplan. Dem Stadtrat wird zusätzlich folgende Vorgehensweise empfohlen:

  • Änderung des Bebauungsplanes
  • mit Absicherung durch den Erlass einer Veränderungssperre und
  • den Erlass der Zweckentfremdungssatzung.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 13, Dagegen: 0

Datenstand vom 01.06.2021 09:24 Uhr