Nutzungsänderung einer Wohnung in eine Ferienwohnung, Abstimmung über die Stellungnahme vom Landratsamt Ostallgäu, Im Venetianerwinkel 34c, Fl.Nr. 943/6, Gemarkung Füssen


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Bau- und Umweltausschusses, 17.09.2019

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bau- und Umweltausschuss Sitzung des Bau- und Umweltausschusses 17.09.2019 ö beschliessend 1.4.5

Sachverhalt

Der vorliegende Bauantrag wurde in der Sitzung vom 04.06.2019 dem Gremium vorgelegt. Das Einvernehmen zur Nutzungsänderung einer Wohnung in eine Ferienwohnung und die damit verbundene Ausnahme von der BauNVO wurde dazu nicht erteilt. Mit Schreiben vom 06.08.2019 teilte das Landratsamt Ostallgäu der Stadt Füssen mit, dass das LRA die Grundlage für die Erteilung der Ausnahme gegeben sieht. Auf andere Fälle wurde verwiesen. Die Stadt wird aufgefordert, über die Erteilung des Einvernehmens neu zu entscheiden. Sollte das Einvernehmen nicht bis zum 30.09.2019 erteilt worden sein beabsichtigt das LRA dieses zu ersetzen. Der Erlass einer Satzung zur Regelung der Zweckentfremdung von Wohnraum wurde nahe gelegt. Das Schreiben des Landratsamt Ostallgäu liegt der Sitzungsvorlage bei.

Aus Sicht der Verwaltung ist der Rechtsauffassung des Landratsamt Ostallgäu aus folgenden Gründen nicht zu folgen und das Einvernehmen weiterhin nicht zu erteilen:

  1. Art der baulichen Nutzung

Das Baugebiet entspricht einem reinen Wohngebiet (WR). Ferienwohnungen (FW) fallen unter die kleinen Betriebe des Beherbergungsgewerbes, die ausnahmsweise zugelassen werden können. Städtebauliches Ziel hier ist die Beibehaltung des Dauerwohnens als Hauptnutzung. Ziel der Baugebietsentwicklung war hier ausdrücklich von Beginn an die Entwicklung von familiengerechtem preisgünstigem Wohnraum. Dies war seinerzeit wesentliches Zuschlagskriterium des Bundes als vormaligem Eigentümer beim Verkauf des Areals an die Stadt. Der Gebietscharakter konnte bisher beibehalten werden. Von einem gewissen Vertrauensschutz der Bewohner in dieser Richtung ist auszugehen.

  1. Städtebauliche Gründe

Bei der Entscheidung, ob in Baugebieten die (Dauer-) Wohnnutzung als zentraler Schwerpunkt erhalten bleibt, was durch die Nichtbewilligung von Ausnahmen in Bezug auf Nutzungen sichergestellt werden soll, die diesen Zweck zunehmend in Frage stellen, handelt es sich um einen städtebaulichen Belang und Grund. Es handelt sich zudem auch um einen planungsrechtlichen Grund:

Nach § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB sind die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit Kindern, die (auch Wohn-) Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung sowie die Bevölkerungsentwicklung bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen.

Es gehört damit gerade zu den grundlegenden Aufgaben des Bauplanungsrechts, die Entwicklung von Baugebieten über Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung zu steuern. Die Bestimmung, in welchen Bereichen welche Nutzungen angesiedelt werden oder unterbleiben sollen gehört zu den zentralen Befugnissen der Gemeinden im Rahmen der kommunalen Planungshoheit. Die Stadt hat hiervon durch die Aufstellung des BP Gebrauch gemacht und die sachlich differenzierte weitere Steuerung erfolgt durch die Entscheidung über die gesetzlich vorgesehene Nicht-/Zulassung von Ausnahmen. Dies erfolgt nach sachlichen Erwägungen und auf der Grundlage der Gebietskategorien der BauNVO. Entscheidend ist vorliegend, ob die gesetzlich vorgesehene Hauptnutzungsart „Wohnen“ schrittweise durch eine gewerbliche Art mit hoher Verdrängungswirkung ersetzt wird. Dass damit eine Bedarfssteuerung in Bezug auf den Wohnungsmarkt verbunden ist steht der Einstufung als zentralem städtebaulichem und planungsrechtlichem Belang nicht entgegen.

  1. Gleichbehandlungsgrundsatz

Nach Art. 3 Grundgesetz, der den Gleichbehandlungsgrundsatz regelt, hat die Verwaltung ihr Ermessen in gleichliegenden Fällen in gleicher Weise auszuüben. Damit sind gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung kann nur durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden. Dadurch hat sich in der Rechtsprechung und der Literatur der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung entwickelt. Die Verwaltung verstößt gegen die Selbstbindung der Verwaltung, wenn sie ohne sachlichen Grund von ihrer bisherigen Entscheidungspraxis abweicht.

In der Rechtsprechung ist aber auch anerkannt, dass die Behörden die Möglichkeit haben, sich für die Zukunft von einer in der Vergangenheit geübten Entscheidungspraxis zu lösen und für künftige Fälle ihr Ermessen in anderer Weise auszuüben.

Untersagt ist lediglich ein willkürliches Abweichen von ihrer in vergleichbaren Fällen ausgeübten Verwaltungspraxis. Eine Änderung der Verwaltungspraxis muss durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt sein (z. B. VG Würzburg, Urteil vom 21.08.2012 - W 4 K 11.446 in openJur 2012, 128602 unter Verweis auf Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 40 RdNr. 26). Es kommt allein darauf an, dass die Neuausrichtung der Verwaltungspraxis für die Zukunft eine allgemeine ist und nicht nur für den einen zur Entscheidung stehenden Fall vorgenommen wird (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 40 RdNr. 31).

Das Landratsamt Ostallgäu verweist auf vorhandene, aber wohl nicht genehmigte andere Fälle in dem Baugebiet.

Echte Bezugsfälle, die zu einer Bindung der Entscheidung führen würden, liegen aber aus folgenden Gründen nicht vor:

Zunächst liegen in den anderen Fällen keine gleichen Sachverhalte vor, weil es sich bei dem aktuellen Antrag erstmalig um eine Wohnung in einem der großen Mehrfamilienhausblöcke handelt. Dies ist schon insoweit nicht unbeachtlich, weil hier durch die direkt angrenzenden Wohnungen eine andere, nämlich wesentlich größere Betroffenheit der Mitbewohner besteht als bei einem anderen Haus. Es ist anerkannt, dass eine FW-Nutzung einen höheren Grad der Störung der Wohnruhe aufweist als eine typische Dauerwohnnutzung. Von anderen Eigentümern liegt bereits der Hinweis vor, dass die bereits betriebene Nutzung zu erheblichen Störungen der Wohnruhe führt. Der Umstand, dass es privatrechtlich lt. Angabe keiner Zustimmung der anderen Eigentümer oder des Verwalters bedarf führt in diesem Zusammenhang zu keinem anderen Ergebnis. Im öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren ist im Rahmen der Ermessensentscheidung dieser Umstand dennoch zu berücksichtigen.

Dies kann aber dahin gestellt bleiben. Maßgeblich ist, dass die Stadt Füssen mit den Beschlüssen aus 2019 klar gestellt hat, dass eine konsequente Abkehr von der vormaligen Entscheidungspraxis in anderen Gebieten erfolgt. Dies ist sachlich begründet, weil

  1. nach wie vor ein Wohnraumdefizit insbesondere im Hinblick auf bezahlbaren und familiengerechten Wohnraum und dabei besonders im Bereich der Mietwohnungen besteht;
  2. die Baugebietsausweisungen der letzten Jahre bisher noch nicht in ausreichendem Umfang zu einer Behebung dieser Problematik geführt haben und
  3. anhaltend der Trend zur Verdrängung des ohnehin zu knapp bemessenen Wohnraums durch die Einrichtung von Ferienwohnungen besteht.

Um dies zu erreichen wird von den dafür vorgesehenen gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht: Regelung in neuen Bebauungsplänen (z. B. O 65, W 64 und W 27 zweite Änderung) und Änderung von anderen BP (O 38, erste Änderung); daneben eben durch die konsequente Abkehr von der Befürwortung von Ausnahmen und Befreiungen. Im Rahmen einer Arbeitsgruppe mit Vertretern des Stadtrates wurde dies ebenfalls thematisiert. Der Erlass einer Satzung zur Regelung der Zweckentfremdung wird geprüft und in Erwägung gezogen.

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt damit nicht vor und ein aktueller Antragsteller kann sich hierauf nicht mehr mit Erfolg berufen.

Im vorliegenden Fall würde erstmalig ein Präzedenzfall in diesem Baugebiet und insbesondere in den großen Mehrfamilienhausblöcken geschaffen. Damit droht die Gefahr der Ausweitung auf das gesamte Baugebiet.

Sollte das Landratsamt Ostallgäu diese Begründung nicht anerkennen und das kommunale Einvernehmen ersetzen ist aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Thematik eine Klage gegen den Freistaat Bayern in Erwägung zu ziehen.

Aus der Sitzungsvorbesprechung mit den Vertretern des Landratsamtes Ostallgäu am 12.09.2019 ergab sich folgendes:

  • Es ich nicht damit zu rechnen, dass das LRA zu einer anderen Einschätzung kommen wird.
  • Zu empfehlen ist eine rechtssichere Regelung durch Änderung des Bebauungsplanes mit
  • Absicherung durch den Erlass einer Veränderungssperre und
  • den Erlass der Zweckentfremdungssatzung.

Beschluss

Der Bau- und Umweltausschuss bleibt bei seinem Beschluss vom 04.06.2019 und erteilt auch weiterhin nicht das Einvernehmen zur Nutzungsänderung einer Wohnung in eine Ferienwohnung. Dem Stadtrat wird zusätzlich folgende Vorgehensweise empfohlen:

  • Änderung des Bebauungsplanes
  • mit Absicherung durch den Erlass einer Veränderungssperre und
  • den Erlass der Zweckentfremdungssatzung.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 13, Dagegen: 0

Datenstand vom 01.06.2021 09:24 Uhr