Bürgerbegehren "Wollen wir das: Ein großes Hotel beim Festspielhaus am Forggensee?"; Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens und ggf. Festsetzung des Termins des Bürgerentscheides


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Stadtrates, 09.07.2019

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat Sitzung des Stadtrates 09.07.2019 ö beschliessend 2

Sachverhalt

Der Kreisfischereiverein Füssen, der Bund Naturschutz und der Landesband für Vogelschutz haben gemeinsam gegen das geplante 5*-Hotel am Festspielhaus ein Bürgerbegehren mit der Frage „Wollen wir das: Ein riesiges Hotel am Festspielhaus am Forggensee?“, initiiert.  Die Vertreter des Bürgerbegehrens haben am 25. Juni 2019  die (ersten) Unterstützungsunterschriften abgegeben. Insgesamt wurden (in der Kürze der Zeit) 353 Listen mit 1.777 Unterschriften abgegeben. Die Unterschriftenaktion läuft noch weiter, sodass noch weitere Unterschriften eingehen werden.

Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens hat der Stadtrat unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Einreichung des Bürgerbegehrens zu entscheiden.

Ist die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt, darf bis zur Durchführung des Bürgerentscheids eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung der Gemeindeorgane nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden, es sei denn, zu diesem Zeitpunkt haben rechtliche Verpflichtungen der Stadt hierzu bestanden.

Das Bürgerbegehren der Initiatoren ist formell zulässig:

  • Die Einstellung der Bauleitplanung (Bebauungsplan und Flächennutzungsplan) kann als verfahrensleitende Maßnahme im eigenen Wirkungskreis auch Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein, Art. 18a Abs. 1 GO.
  • Das Bürgerbegehren hat keinen Inhalt zum Gegenstand, der nach Art. 18 a Abs. 2 GO einem Bürgerentscheid entzogen ist.
  • Das Bürgerbegehren wurde ordnungsgemäß bei der Stadt Füssen eingereicht und enthält  eine mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung und eine Begründung. Außerdem sind dort  drei vertretungsberechtigte Personen benannt.
  • Schließlich wurde das Bürgerbegehren von der nach Art. 18 a Abs. 4 GO geforderten Anzahl an Gemeindebürgern unterzeichnet:
Das Ergebnis der Prüfung der eingegangenen Unterschriften lautet wie folgt:
Insgesamt bis zum Stichtag abgegebene Unterschriften:                                1.777
davon insgesamt gültig:                                                                1.650
davon insgesamt ungültig:                                                                   127
Mit dem Eingang der Unterschriften am 25.06.2019 (= Einreichung des Bürgerbegehrens wurden 11.976 stimmberechtigte Gemeindebürger ermittelt. Da ein Bürgerbegehren in Gemeinden mit bis zu 20.000 Einwohnern von mindestens 9 Prozent der Gemeindebürger unterschrieben sein muss, wären für ein erfolgreiches Bürgerbegehren demnach mindestens 1.078 gültige Unterschriften notwendig gewesen. Diese Zahl wurde bei weitem überschritten (Grundlage der Ermittlung ist der Einwohnerstand laut Bayer. Landesamt für Statistik in Höhe von 15.699 zum Stand 30.09.2018).

Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass gestern weitere Unterschriften übergeben worden sind, sodass nun insgesamt 2.050 Unterstützungsunterschriften vorliegen. Die nachgereichten Unterschriften wurden nicht mehr geprüft, da das Quorum ja mit dem Tag der Einreichung schon erreicht war.

Zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens haben wir die Rechtsaufsichtsbehörde der Stadt Füssen, das Landratsamt Marktoberdorf, um rechtsaufsichtliche Prüfung und Stellungnahme gebeten. Per E-Mail vom 2. Juli 2019 teilt das Landratsamt Ostallgäu dazu Folgendes mit:

„…Die formalen Voraussetzungen nach Art. 18a Abs. 4 GO (Fragestellung, Vertreter) sind erfüllt.

In diesem Fall könnte man sich vor allem die Frage stellen, ob die Begründung des Bürgerbegehrens den Anforderungen an die Zulässigkeit genügt.

Zweck der Begründung ist, dass die Unterzeichner zumindest in den Grundzügen wissen, warum eine bestimmte Frage den Bürgern zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Das Gesetz stellt dabei keine besonderen Anforderungen an Inhalt und Form der Begründung. Eine gewisse „Färbung“ der Darstellung durch das Anliegen der Vertreter des Bürgergebegehrens und plakative, zugespitzte Formulierungen sind hinzunehmen. Mittlerweile werden jedoch in der Rechtsprechung aus dem Grundsatz der Abstimmungsfreiheit (bereits bei Abgabe der Unterstützungsunterschrift) gewisse Mindestanforderungen an die Richtigkeit der Begründung hergeleitet.

So hat der BayVGH mit Beschluss vom 17.05.2017 festgestellt: „Die Bürger können nur dann sachgerecht über die Unterstützung eines Bürgerbegehrens entscheiden und von ihrem Eintragungsrecht Gebrauch machen, wenn sie nicht durch den vorgelegten Begründungstext in wesentlichen Punkten in die Irre geführt werden. Es ist daher mit dem Sinn und Zweck eines Plebiszits auch auf kommunaler Ebene nicht vereinbar, wenn in der Begründung des Bürgerbegehrens in einer entscheidungsrelevanten Weise unzutreffende Tatsachen behauptet werden oder wenn die maßgebende Rechtslage unzutreffend bzw. unvollständig erläutert wird“

Der vorliegende Begründungstext ist unter diesem Maßstab nicht unproblematisch:

  • „Nach derzeitigem Planungsstand ragen der Hotelbau und die Fläche des Bebauungsplans deutlich in das Landschaftsschutzgebiet hinein und lassen eine massive Veränderung des Landschaftsbildes befürchten“.
    • Kleinflächig betrachtet ragt der Hotelbau in das LSG hinein, in einem größeren Maßstab betrachtet, wird nur ein sehr kleiner Teil des LSG betroffen; bei der befürchteten „massiven“ Veränderung des Landschaftsbildes, geht es um Meinungen und weniger um Tatsachenbehauptungen

  • „Beides verstößt gegen die Landschaftsschutzgebietsverordnung und gegen den Art. 141 der Bayerischen Verfassung“.
    • Die Rechtslage wird hier evtl. nicht ganz vollständig wiedergegeben. Die Landschaftsschutzgebietsverordnung sieht Ausnahmemöglichkeiten vor. Gemäß Verordnung besteht ein Rechtsanspruch auf Ausnahmegenehmigung von den Verboten der Verordnung, wenn das Vorhaben nicht den Schutzzwecken zuwider läuft oder aber die nachteiligen Wirkungen durch Nebenbestimmungen zur Erlaubnis ausgeglichen werden können. Eine Verunstaltung des Landschaftsbilds liegt nach Einschätzung von Fachbehörden nicht vor.

  • „Das betroffene Gebiet ist ein ökologisches Kleinod, ein Auwald an der Mündung der Füssener Ach mit einer reichen Pflanzen- und Tierwelt. So befinden sich dort die Bruthabitate einer Reihe gefährdeter Vögel, deren Zerstörung durch die Bebauung zu befürchten ist. Vor allem würden auch die Unterwasserlebewesen am Ufer der Füssener Ach massiv in Mitleidenschaft gezogen werden. solche Kiesufer gibt es um den gesamten Forggensee nur wenige. Eines der größten ist eben die Mündung der Ach. Es ist zu befürchten, dass es hier zum Verlust wertvoller Biotope für Kies-Laicher, Jungfische, Muscheln und Krebse kommt.
    • Es könnte durchaus geprüft werden, ob hier unzutreffende Tatsachen wiedergegeben werden, wobei es bei Formulierungen wie „ökologisches Kleinod“ oder „reiche“ Pflanzen- und Tierwelt eher um Meinungen bzw. Wertungen gehen könnte. Die Verwendung des Begriffs „Auwald“ wurde bereits öffentlich kritisiert (allerdings ist in der saP durchaus von „typischen Ufer- und Auengehölzen jüngerer Ausprägung“ die Rede); auch lassen die Stellungnahmen der Fischereifachberatung Zweifel an den wertvollen Biotopen für Unterwasserlebewesen zu.
 
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es evtl. durchaus Anhaltspunkte in der Begründung gibt, die Zweifel an der Richtigkeit im Sinne der o.g. Rechtsprechung zulassen. Andererseits sollte ein Bürgerbegehren vor dem Hintergrund, dass von den Initiatoren als verwaltungsrechtlichen und fachlichen Laien keine zu weitgehenden Kenntnisse vorausgesetzt werden können (auch, wenn ggf. das Gegenteil behauptet wird), grundsätzlich immer wohlwollend ausgelegt werden.

…“

Die Verwaltung schlägt angesichts des eindeutigen Votums der Bürgerinnen und der Bürger, mit der die notwendige Stimmenzahl deutlich überschritten wurde, vor,  ungeachtet der juristischen Unebenheiten in der Begründung das Bürgerbegehren zuzulassen und den Bürgerinnen und Bürgern die Entscheidung zu dieser weitreichenden Weichenstellung zu überlassen.

Der Stadtrat müsste sodann den Termin des Bürgerentscheides festlegen.  Der Bürgerentscheid ist an einem Sonntag innerhalb von drei Monaten nach der Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durchzuführen; der Stadtrat kann die Frist im Einvernehmen mit den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens um höchstens drei Monate verlängern.

Wegen der bevorstehenden Ferien- und Urlaubszeit sei die Frist von drei Monaten kaum zu halten; zumal der letzte Sonntag dieser Frist auf den 6. Oktober 2019 fallen würde. Das ist aber das verlängerte Wochenende nach dem Nationalfeiertag am 3. Oktober, den viele zu Kurztrips  nutzen werden. In Abstimmung mit den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens wird deshalb vorgeschlagen, den Bürgerentscheid erst am Sonntag, 20. Oktober 2019 durchzuführen. Die vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens haben dieser Verlängerung mit heutigem Schreiben zugestimmt.

Beschlussvorschlag

Der Stadtrat der Stadt Füssen beschließt, trotz der bestehenden „Unebenheiten“ bei der Begründung zum Bürgerbegehren dem in den Unterstützungsunterschriften zum Ausdruck gebrachten Bürgerwillen Rechnung zu tragen und das Bürgerbegehren als Bürgerentscheid zuzulassen.

Der Termin für den Bürgerentscheid wird im Einvernehmen mit den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens auf den Sonntag, 20. Oktober 2019 festgesetzt.

Beschluss

Der Stadtrat der Stadt Füssen beschließt, trotz der bestehenden „Unebenheiten“ bei der Begründung zum Bürgerbegehren dem in den Unterstützungsunterschriften zum Ausdruck gebrachten Bürgerwillen Rechnung zu tragen und das Bürgerbegehren als Bürgerentscheid zuzulassen.

Der Termin für den Bürgerentscheid wird im Einvernehmen mit den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens auf den Sonntag, 20. Oktober 2019 festgesetzt.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 17, Dagegen: 2

Datenstand vom 26.07.2019 19:49 Uhr