Künftige Baulandstrategie der Stadt Füssen; Vorberatung der Eckpunkte zur Umsetzung eines sozialgerechten Umgangs mit Grund und Boden bei der künftigen Baulandausweisung durch die Stadt Füssen


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Stadtrates, 16.11.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat Sitzung des Stadtrates 16.11.2021 ö beschliessend 5

Sachverhalt

Bei diesem Tagesordnungspunkt wird der Stadtrat über die in der Arbeitsgruppe „Sozialgerechte Bodennutzung“ vorberatenen Eckpunkt zur künftigen Baulandstrategie der Stadt Füssen informiert. Konkret geht es darum, wie künftig die Wohnbedürfnisse der einheimischen Bevölkerung nach zusätzlichem, bezahlbarem bzw. verbesserten Wohnraum in Form von Eigenheimen und Eigentumswohnungen bzw. Mietwohnungen, insbesondere der einkommensschwächeren und kinderreichen Familien, in dem erforderlichen Umfang gedeckt werden können. Dies sowohl dann, wenn die Stadt selbst Eigentümerin von Bauflächen ist, aber auch wenn privaten Eigentümern, Investoren bzw. Bauherren zusätzliches Baurecht verschafft werden soll. 

Dazu werden Regelungen bzw. wird ein Grundsatzbeschluss in den Eckpunkten vorbereitet, der als künftige Handlungsgrundlage die Grundsätze regelt, unter denen die Stadt künftig die Schaffung von bezahlbaren, den örtlichen Bedürfnissen entsprechenden Wohnraum fördert bzw. wie z.B. private Grundstückseigentümer/Bauherren bzw. Investoren an den Kosten und Lasten der Bauleitplanung, z.B. Erschließungskosten (Straßen, Wege, Regenwasser-beseitigungseinrichtungen, Lärmschutz, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen usw.) einerseits und an den Folgekosten für soziale Infrastruktur, insbesondere Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Spielplätze, Sportanlagen usw. beteiligt werden sollen.

Entsprechende Vorschläge werden im Rahmen der Beratung unterbreitet. Dabei sollen die Kernpunkte definiert werden, sodass bis zur nächsten Sitzung im Dezember ein Grundsatzbeschluss bzw. Richtlinien zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt werden können. 

Ebenfalls vorgestellt wird ein Vorschlag eines künftigen Vergabemodells. Dieses betrifft die 

  • Vergabe von subventionierten Baugrundstücken bzw. Wohneinheiten der Stadt Füssen an Personen bzw. Interessenten mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen.

Daneben schlägt die Verwaltung auch vor, zwei weitere Vergabemodelle zu ermöglichen: Nämlich zum einen ein komplett 

  • freies (einfaches) Vergabemodell für nicht subventionierte Bauplätze (ggf. mit Vergaberegelungen, die teilweise oder insgesamt vor allem einen Füssener Bezug haben, wie z.B. Wohnsitz, Arbeitsstelle, Geburtsort usw.) 

und ein weiteres betreffend die 

  • Vergabe von Mehrfamilienwohnhäusern bzw. ähnlichen Wohnformen mit Wohnungsteileigentum. 

Eher theoretisch denkbar wäre auch noch ein sog. 

  • „Sozialmodell“
Grundstücke im Sozialmodell darf erwerben, wer die Einkommensgrenzen des Bayerischen Wohnungsbauprogramms nicht überschreitet. Voraussetzung ist also, dass das Gesamteinkommen des Haushalts die Einkommensgrenzen des Art. 11 des Bayerischen Wohnraumförderungsgesetzes nicht übersteigt. Das heißt: Ein Grundstück im Sozialmodell dürfen nur Haushalte kaufen, deren Gesamteinkommen die Einkommensgrenzen des Art. 11 des Bayerischen Wohnraumförderungsgesetzes nicht übersteigt (diese  Einkommensgrenze beträgt  für  Einpersonenhaushalte  19.000 €,  für  Zweipersonenhaushalte 29.000 €. Die Einkommensgrenze erhöht sich für jede weitere zum Haushalt rechnende Person im Sinn des Art. 4 BayWoFG um 6.500 €. Handelt es sich dabei um ein Kind im Sinn des § 32 Abs. 1 bis 5 des  Einkommensteuergesetzes,  erhöht  sich  die  Einkommensgrenze  zusätzlich  um 1.000 € je Kind; das Gleiche gilt, wenn die Geburt des Kindes oder mehrerer Kinder auf Grund einer bestehenden Schwangerschaft zu erwarten ist.)

Sollte es mehr Bewerbungen als zur Verfügung stehende Grundstücke geben, sollten die Bewerbungen mit dem geringsten Einkommen bevorzugt werden, wobei für jedes Kind 1.000 € vom Einkommen abzuziehen sind. Bewerbungen sind unabhängig von Wohnort und Herkunft der Bewerberinnen und Bewerber.

Rechtliche Bewertung: 
Da es sich um ein Sozialmodell handelt, dürfen die Grundstücke unterhalb des Verkehrswertes verkauft werden. Eine Benachteiligung von EU-Ausländern findet nicht statt. 


Nähere Informationen dazu erfolgten im Rahmen der Beratung.

Dort wurde auch ein erster Entwurf eines Vergabemodells für städtische Baugrundstücke als Grundlage für die weitere Beratung vorgestellt. Die wesentlichen Inhalte sind in der beiliegenden Präsentation zusammengefasst. 

Es wurde darauf hingewiesen, dass sich die Arbeitsgruppe Sozialgerechte Bodennutzung damit nochmals befassen sollte, bevor die endgültige Entscheidung im Stadtrat ansteht.

Beschlussvorschlag

Der Stadtrat der Stadt Füssen betrachtet seit geraumer Zeit die Entwicklungen auf dem Grundstücksmarkt in und um Füssen zunehmend mit Sorge. Einerseits ist es kaum mehr möglich, Flächen zur gemeindlichen Bevorratung zu erwerben, um eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung zu gewährleisten. Andererseits ist es – oft auch aus wirtschaftlichen Gründen - genauso schwierig, private Bauherren, Grundstückseigentümer oder Investoren dafür zu gewinnen, diese Wohnbedürfnisse bei deren Vorhaben besonders zu berücksichtigen. 

Zur Vermeidung von städtebaulich unerwünschten Entwicklungen, wie z.B. 

  • dem Entstehen einseitiger Bevölkerungsstrukturen, 
  • dem Abwandern der einheimischen Bevölkerung, 
  • der Verdrängung bestimmter Bevölkerungsgruppen, insbesondere einkommensschwächerer und kinderreicher Familien, 
  • der Vermeidung von einseitigen Bevölkerungsstrukturen (z.B. Ghettobildungen) usw.

und zur Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung, auch z.B. durch 

  • die Ansiedlung bestimmter Bevölkerungsgruppen und
  • durchmischten Zusammensetzung der Bevölkerung mit allen wesentlichen gesellschaftlichen Schichten und Gruppen

beauftragt der Stadtrat die Verwaltung, einen Grundsatzbeschluss zur sozialgerechten Bodennutzung als künftige Füssener Baustrategie mit im Wesentlichen folgenden Eckpunkten vorzubereiten:

Vorrangiges Ziel der Füssener Baulandstrategie soll die Befriedigung der Wohnbedürfnisse der örtlichen Bevölkerung, hier vor allem der Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen (z.B. Familien mit Kindern, Menschen mit Beeinträchtigungen, Seniorinnen und Senioren usw.) sein. Damit sollen vor allem die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung nach zusätzlichem, bezahlbarem bzw. verbesserten Wohnraum in Form von bezahlbaren Eigenheimen und Eigentumswohnungen bzw. Mietwohnungen, insbesondere der einkommensschwächeren und kinderreichen Familien, in dem erforderlichen Umfang gedeckt werden. 

Ein ähnlich wichtiges Anliegen ist die Versorgung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Wohnraum einschl. der Ansiedlung von einpendelnden Berufstätigen (und dabei sind nicht nur Füssen selbst, sondern auch die umliegenden Gemeinden gemeint) mit adäquaten Wohnraum.

  1. Unter Berücksichtigung von Gleichbehandlung, Transparenz und Investitionssicherheit wird die Baulandentwicklung und das Wohnbaulandmanagement stärker auf die wichtigen und angesichts der aktuellen Wohnungsmarktsituation notwendigen wohnungs- und sozialstrukturellen Ziele ausgerichtet. Sowohl die Baulandentwicklung durch Bauleitplanung einschl. flankierender öffentlich-rechtlicher Verträge als auch der städtische Grunderwerb und die städtischen Grundstücksvergaben werden auf Basis der bisherigen Praxis neu fokussiert und fortentwickelt. Damit gelten künftig folgende Grundsätze: 

  1. Die Stadt Füssen wird - unter Beachtung des § 1 Abs. 3 BauGB (kommunales Planungserfordernis) - neue städtebauliche Planungen für den Bau neuer Wohnungen einleiten, wenn

  • die Flächen im Eigentum der Stadt Füssen stehen oder 
  • im Außenbereich (§ 35 BauGB) im Wege des kommunalen Zwischenerwerbs vor Schaffung des Planungsrechtes mindestens einen Anteil von 50 % des Bruttobaulandes an die Stadt Füssen veräußert wird (liegenschaftliche Partizipation) und sich die Eigentümer und Investoren verbindlich vertraglich verpflichten, sich an den Kosten und Folgekosten, die mit der Schaffung von Bauland entstehen, zu beteiligen, und/oder 
  • im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes oder im Innenbereich (§§ 30 und 34 BauGB) bei Veränderung des bestehenden Baurechts eine Vereinbarung nach Ziffer 3. zu den wohnungsstrukturellen Zielen, mit Eigentümern/Investoren getroffen wird und sich die Eigentümer/Investoren an den Kosten und Folgekosten, die mit der Schaffung der Wohnbauflächen entstehen, beteiligen, oder 

  1. Die Stadt Füssen wird die von ihr erworbenen Grundstücksflächen vorrangig zur Deckung des Wohnbedarfs der örtlichen Bevölkerung und des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen verwenden.

  1. Im Rahmen der Aufstellung von Bebauungsplänen, die eine (zusätzliche) Wohnnutzung ermöglichen, soll ein Anteil von einem Drittel der für Wohnnutzung neu geschaffenen Geschossfläche mit dem Ziel verwendet werden, damit den Wohnbedarf von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen (siehe oben) zu decken sowie den Erwerb angemessenen Wohnraums durch einkommensschwächere und weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung zu ermöglichen. Soweit es sich um Flächen handelt, die im Eigentum der Stadt steht, soll dieser Anteil nach Möglichkeit 50 % betragen. 

  1. Die in diesem Sinne verstandene sozialgerechte Bodennutzung besteht in der Schaffung von geeigneten Miet- und Kaufangeboten durch die Stadt selbst oder durch den bzw. die jeweils Planungsbegünstigten zugunsten der genannten Bevölkerungsgruppen. 

  1. Für private Baulandentwicklungen im Innenbereich wird für die Mehrfamilienhausbebauung ein Zielwert von je einem Drittel der entstehenden Nettowohnfläche zur anteiligen Errichtung von gefördertem Mietwohnraum sowie von förderfähigem Wohnraum festgelegt. Kann eine anteilige Errichtung von gefördertem Wohnraum an der jeweiligen Stelle nicht realisiert werden, so ist vom Baulandentwickler an anderer Stelle der Stadt eine entsprechende Menge von gefördertem Mietwohnraum sowie von förderfähigen Wohnraum beizubringen. Es bleibt dem Stadtrat bzw. dem zuständigen Gremium überlassen, ob und inwieweit eine Erfüllung des Zielwertes auch über eine Vergaberegelung erfolgt, die vor allem die Ziele unter Ziffer 8 gewährleistet (z.B. soziale und/oder ortsbezogene Kriterien, ggf. auch ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen)

  1. Der planbegünstigte Eigentümer, Bauherr, Investor usw. hat durch die Überplanung seiner Grundstücke der Stadt entstehenden Kosten der Planung (insbesondere für die Aufstellung/Änderung des Bebauungsplans, ggf. der Änderung des Flächennutzungsplans, Kosten der Wettbewerbe, Kosten der planungsbegleitenden Gutachten wie z.B. Immissionsschutz, Verkehr, Bodengutachten, Naturschutz, artenschutzrechtliche Maßnahmen sowie der Rechtsberatung) zu übernehmen. Er hat auch den auf ihn entfallenden Ausgleich für Maßnahmen nach § 1 Abs. 3 BauGB (= Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) grundsätzlich selbst zu erbringen. 

Er hat ferner auch die durch seine Planungen bzw. Realisierung ausgelösten öffentlichen infrastrukturellen Folgekosten (z.B. Kindertagesstätten, Schulen, Spielplätze usw.) selbst zu tragen.

Schließlich hat er die Kosten der Erschließung des Plangebietes zu tragen (einschl. der damit verbundenen Nebenkosten).

Er hat sich gegenüber der Stadt Füssen zur zeitnahen Realisierung des durch die Planung geschaffenen Baurechts zu verpflichten (Bauverpflichtung). Die Stadt kann zur Absicherung der Bauverpflichtung angemessene Sicherheiten (z.B. in Form von Ankaufsrechten, Dienstbarkeiten bzw. Bürgschaften) verlangen.

Art, Inhalt und Umfang der Verpflichtungen zur sozialgerechten Bodennutzung werden unter Berücksichtigung insbesondere des von der Stadt festgestellten Bedarfs und der geplanten Struktur des Planungsgebietes jeweils im Einzelnen festgelegt und vor Durchführung des Verfahrens nach den §§ 3 Abs. 2 und 4 Abs. 2 BauGB vertraglich über städtebauliche Verträge mit den Planungsbegünstigten vereinbart.

Der Stadtrat bzw. das dazu bestellte Gremium entscheidet über das weitere Vorgehen, wenn ein vom Stadtrat bzw. einem beschließenden Ausschuss eingeleitetes Planungsvorhaben wegen fehlender Vereinbarungen oder nicht ausreichender Angebote zur Lastenübernahme nicht fortschreitet oder wenn hinsichtlich Umfang und Art der Verpflichtungen von den Verfahrensgrundsätzen abgewichen werden soll

  1. Für städtische Ein-/Mehrfamilienhausgrundstücke (z.B. städtische Baugebiete) finden die Richtlinien für die Vergabe städtischer Grundstücke bzw. Miet- und/oder Eigentumswohnungen zur Förderung der Eigentumsbildung - städtische Vergaberichtlinien - Anwendung (besondere kommunale Selbstverpflichtung). Zur Verwirklichung der Ziele der sozialgerechten Bodennutzung bleibt es der Stadt jeweils überlassen, in welchem Umfang die einleitend angeführten Ziele

  1. angemessene Deckung der Bedürfnisse der Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen (z.B. Familien mit Kindern, Menschen mit Beeinträchtigungen, Seniorinnen und Senioren usw.)
  2. Befriedigung der Wohnbedürfnisse der örtlichen Bevölkerung,
  3. Ansiedlung bestimmter Bevölkerungsgruppen und
  4. Schaffung von städtebaulichen Bevölkerungsstrukturen (mit allen wesentlichen gesellschaftlichen Schichten und Gruppen)
  5. Usw.

zugrunde gelegt werden. Die Verwaltung wird Modalitäten für die Ausschreibung und die Vergabe städtischer Grundstücke zur Errichtung von Ein- und/oder Mehrfamilienhäusern, Doppel-, Reihenhäusern bzw. sonstigen Wohnformen insbesondere auch unter differenzierten wohnungspolitischen Zielsetzungen entwickeln und dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorlegen. 

Der Stadtrat hat jeweils rechtzeitig vor der Vergabe von Grundstücken bzw. Wohnungen die entsprechenden Entscheidungen baugebietsbezogen zu treffen.

  1. Der Stadtrat nimmt zur Kenntnis, dass die in Anlage _ dargestellten Flächen mit bereits eingeleiteten Planungen bzw. Planverfahren nicht unter den Geltungsbereich dieser Grundsätze fallen. Als bereits eingeleitete Planungen oder Planverfahren gelten Vorhaben, für die der Stadtrat einen Beschluss zur Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplanes gefasst hat. 

  1. Der Stadtrat nimmt schließlich auch zur Kenntnis, dass zur Umsetzung der Sozialgerechten Bodennutzung in Füssen organisatorische und personelle Maßnahmen erforderlich werden können. Die Verwaltung unterbreitet gegebenenfalls dem Stadtrat zu einem späteren Zeitpunkt nähere Vorschläge.

Die Stadträte danken der Verwaltung sowie den Kollegen bei Sobon. Hier wurde konstruktiv gearbeitet. Zu prüfen wäre allerdings noch Ziffer 4, der Anteil von einem Drittel und für eigen Grundstücke 50 % sowie bei privaten Baulandentwicklungen heißt es je ein Drittel. Außerdem müsse auch über Mietwohnungen gesprochen werden, auch seitens der Stadt. Wurde bei den Vergabepunkten auch Mehrgenerationenwohnen berücksichtigt. 

Beschluss

Der Stadtrat der Stadt Füssen betrachtet seit geraumer Zeit die Entwicklungen auf dem Grundstücksmarkt in und um Füssen zunehmend mit Sorge. Einerseits ist es kaum mehr möglich, Flächen zur gemeindlichen Bevorratung zu erwerben, um eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung zu gewährleisten. Andererseits ist es – oft auch aus wirtschaftlichen Gründen - genauso schwierig, private Bauherren, Grundstückseigentümer oder Investoren dafür zu gewinnen, diese Wohnbedürfnisse bei deren Vorhaben besonders zu berücksichtigen. 

Zur Vermeidung von städtebaulich unerwünschten Entwicklungen, wie z.B. 

  • dem Entstehen einseitiger Bevölkerungsstrukturen, 
  • dem Abwandern der einheimischen Bevölkerung, 
  • der Verdrängung bestimmter Bevölkerungsgruppen, insbesondere einkommensschwächerer und kinderreicher Familien, 
  • der Vermeidung von einseitigen Bevölkerungsstrukturen (z.B. Ghettobildungen) usw.

und zur Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung, auch z.B. durch 

  • die Ansiedlung bestimmter Bevölkerungsgruppen und
  • durchmischten Zusammensetzung der Bevölkerung mit allen wesentlichen gesellschaftlichen Schichten und Gruppen

beauftragt der Stadtrat die Verwaltung, einen Grundsatzbeschluss zur sozialgerechten Bodennutzung als künftige Füssener Baustrategie mit im Wesentlichen folgenden Eckpunkten vorzubereiten:

Vorrangiges Ziel der Füssener Baulandstrategie soll die Befriedigung der Wohnbedürfnisse der örtlichen Bevölkerung, hier vor allem der Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen (z.B. Familien mit Kindern, Menschen mit Beeinträchtigungen, Seniorinnen und Senioren usw.) sein. Damit sollen vor allem die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung nach zusätzlichem, bezahlbarem bzw. verbesserten Wohnraum in Form von bezahlbaren Eigenheimen und Eigentumswohnungen bzw. Mietwohnungen, insbesondere der einkommensschwächeren und kinderreichen Familien, in dem erforderlichen Umfang gedeckt werden. 

Ein ähnlich wichtiges Anliegen ist die Versorgung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Wohnraum einschl. der Ansiedlung von einpendelnden Berufstätigen (und dabei sind nicht nur Füssen selbst, sondern auch die umliegenden Gemeinden gemeint) mit adäquaten Wohnraum.

  1. Unter Berücksichtigung von Gleichbehandlung, Transparenz und Investitionssicherheit wird die Baulandentwicklung und das Wohnbaulandmanagement stärker auf die wichtigen und angesichts der aktuellen Wohnungsmarktsituation notwendigen wohnungs- und sozialstrukturellen Ziele ausgerichtet. Sowohl die Baulandentwicklung durch Bauleitplanung einschl. flankierender öffentlich-rechtlicher Verträge als auch der städtische Grunderwerb und die städtischen Grundstücksvergaben werden auf Basis der bisherigen Praxis neu fokussiert und fortentwickelt. Damit gelten künftig folgende Grundsätze: 

  1. Die Stadt Füssen wird - unter Beachtung des § 1 Abs. 3 BauGB (kommunales Planungserfordernis) - neue städtebauliche Planungen für den Bau neuer Wohnungen einleiten, wenn

  • die Flächen im Eigentum der Stadt Füssen stehen oder 
  • im Außenbereich (§ 35 BauGB) im Wege des kommunalen Zwischenerwerbs vor Schaffung des Planungsrechtes mindestens einen Anteil von 50 % des Bruttobaulandes an die Stadt Füssen veräußert wird (liegenschaftliche Partizipation) und sich die Eigentümer und Investoren verbindlich vertraglich verpflichten, sich an den Kosten und Folgekosten, die mit der Schaffung von Bauland entstehen, zu beteiligen, und/oder 
  • im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes oder im Innenbereich (§§ 30 und 34 BauGB) bei Veränderung des bestehenden Baurechts eine Vereinbarung nach Ziffer 3. zu den wohnungsstrukturellen Zielen, mit Eigentümern/Investoren getroffen wird und sich die Eigentümer/Investoren an den Kosten und Folgekosten, die mit der Schaffung der Wohnbauflächen entstehen, beteiligen, oder 

  1. Die Stadt Füssen wird die von ihr erworbenen Grundstücksflächen vorrangig zur Deckung des Wohnbedarfs der örtlichen Bevölkerung und des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen verwenden.

  1. Im Rahmen der Aufstellung von Bebauungsplänen, die eine (zusätzliche) Wohnnutzung ermöglichen, soll ein Anteil von einem Drittel der für Wohnnutzung neu geschaffenen Geschossfläche mit dem Ziel verwendet werden, damit den Wohnbedarf von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen (siehe oben) zu decken sowie den Erwerb angemessenen Wohnraums durch einkommensschwächere und weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung zu ermöglichen. Soweit es sich um Flächen handelt, die im Eigentum der Stadt steht, soll dieser Anteil nach Möglichkeit 50 % betragen. 

  1. Die in diesem Sinne verstandene sozialgerechte Bodennutzung besteht in der Schaffung von geeigneten Miet- und Kaufangeboten durch die Stadt selbst oder durch den bzw. die jeweils Planungsbegünstigten zugunsten der genannten Bevölkerungsgruppen. 

  1. Für private Baulandentwicklungen im Innenbereich wird für die Mehrfamilienhausbebauung ein Zielwert von je einem Drittel der entstehenden Nettowohnfläche zur anteiligen Errichtung von gefördertem Mietwohnraum sowie von förderfähigem Wohnraum festgelegt. Kann eine anteilige Errichtung von gefördertem Wohnraum an der jeweiligen Stelle nicht realisiert werden, so ist vom Baulandentwickler an anderer Stelle der Stadt eine entsprechende Menge von gefördertem Mietwohnraum sowie von förderfähigen Wohnraum beizubringen. Es bleibt dem Stadtrat bzw. dem zuständigen Gremium überlassen, ob und inwieweit eine Erfüllung des Zielwertes auch über eine Vergaberegelung erfolgt, die vor allem die Ziele unter Ziffer 8 gewährleistet (z.B. soziale und/oder ortsbezogene Kriterien, ggf. auch ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen)

  1. Der planbegünstigte Eigentümer, Bauherr, Investor usw. hat durch die Überplanung seiner Grundstücke der Stadt entstehenden Kosten der Planung (insbesondere für die Aufstellung/Änderung des Bebauungsplans, ggf. der Änderung des Flächennutzungsplans, Kosten der Wettbewerbe, Kosten der planungsbegleitenden Gutachten wie z.B. Immissionsschutz, Verkehr, Bodengutachten, Naturschutz, artenschutzrechtliche Maßnahmen sowie der Rechtsberatung) zu übernehmen. Er hat auch den auf ihn entfallenden Ausgleich für Maßnahmen nach § 1 Abs. 3 BauGB (= Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) grundsätzlich selbst zu erbringen. 

Er hat ferner auch die durch seine Planungen bzw. Realisierung ausgelösten öffentlichen infrastrukturellen Folgekosten (z.B. Kindertagesstätten, Schulen, Spielplätze usw.) selbst zu tragen.

Schließlich hat er die Kosten der Erschließung des Plangebietes zu tragen (einschl. der damit verbundenen Nebenkosten).

Er hat sich gegenüber der Stadt Füssen zur zeitnahen Realisierung des durch die Planung geschaffenen Baurechts zu verpflichten (Bauverpflichtung). Die Stadt kann zur Absicherung der Bauverpflichtung angemessene Sicherheiten (z.B. in Form von Ankaufsrechten, Dienstbarkeiten bzw. Bürgschaften) verlangen.

Art, Inhalt und Umfang der Verpflichtungen zur sozialgerechten Bodennutzung werden unter Berücksichtigung insbesondere des von der Stadt festgestellten Bedarfs und der geplanten Struktur des Planungsgebietes jeweils im Einzelnen festgelegt und vor Durchführung des Verfahrens nach den §§ 3 Abs. 2 und 4 Abs. 2 BauGB vertraglich über städtebauliche Verträge mit den Planungsbegünstigten vereinbart.

Der Stadtrat bzw. das dazu bestellte Gremium entscheidet über das weitere Vorgehen, wenn ein vom Stadtrat bzw. einem beschließenden Ausschuss eingeleitetes Planungsvorhaben wegen fehlender Vereinbarungen oder nicht ausreichender Angebote zur Lastenübernahme nicht fortschreitet oder wenn hinsichtlich Umfang und Art der Verpflichtungen von den Verfahrensgrundsätzen abgewichen werden soll

  1. Für städtische Ein-/Mehrfamilienhausgrundstücke (z.B. städtische Baugebiete) finden die Richtlinien für die Vergabe städtischer Grundstücke bzw. Miet- und/oder Eigentumswohnungen zur Förderung der Eigentumsbildung - städtische Vergaberichtlinien - Anwendung (besondere kommunale Selbstverpflichtung). Zur Verwirklichung der Ziele der sozialgerechten Bodennutzung bleibt es der Stadt jeweils überlassen, in welchem Umfang die einleitend angeführten Ziele

  1. angemessene Deckung der Bedürfnisse der Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen (z.B. Familien mit Kindern, Menschen mit Beeinträchtigungen, Seniorinnen und Senioren usw.)
  2. Befriedigung der Wohnbedürfnisse der örtlichen Bevölkerung,
  3. Ansiedlung bestimmter Bevölkerungsgruppen und
  4. Schaffung von städtebaulichen Bevölkerungsstrukturen (mit allen wesentlichen gesellschaftlichen Schichten und Gruppen)
  5. Usw.

zugrunde gelegt werden. Die Verwaltung wird Modalitäten für die Ausschreibung und die Vergabe städtischer Grundstücke zur Errichtung von Ein- und/oder Mehrfamilienhäusern, Doppel-, Reihenhäusern bzw. sonstigen Wohnformen insbesondere auch unter differenzierten wohnungspolitischen Zielsetzungen entwickeln und dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorlegen. 

Der Stadtrat hat jeweils rechtzeitig vor der Vergabe von Grundstücken bzw. Wohnungen die entsprechenden Entscheidungen baugebietsbezogen zu treffen.

  1. Der Stadtrat nimmt zur Kenntnis, dass die in Anlage _ dargestellten Flächen mit bereits eingeleiteten Planungen bzw. Planverfahren nicht unter den Geltungsbereich dieser Grundsätze fallen. Als bereits eingeleitete Planungen oder Planverfahren gelten Vorhaben, für die der Stadtrat einen Beschluss zur Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplanes gefasst hat. 

  1. Der Stadtrat nimmt schließlich auch zur Kenntnis, dass zur Umsetzung der Sozialgerechten Bodennutzung in Füssen organisatorische und personelle Maßnahmen erforderlich werden können. Die Verwaltung unterbreitet gegebenenfalls dem Stadtrat zu einem späteren Zeitpunkt nähere Vorschläge. 

Abstimmungsergebnis
Dafür: 17, Dagegen: 0

Datenstand vom 13.12.2021 10:47 Uhr