Errichtung einer Kindertagesstätte mit Förderzentrum durch die Lebenshilfe Ostallgäu e.V.; Vorstellung der Vorentwurfsplanung, Entscheidung über die Übernahme der Bau- und Betriebsträgerschaft, Grundstücksüberlassung durch Erbbaurechtsvertrag und den Abschluss einer Defizitvereinbarung


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Stadtrates, 25.01.2022

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat Sitzung des Stadtrates 25.01.2022 ö beschliessend 7

Sachverhalt

Vor zwei Jahren hat die Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. auf deren Grundstück der Wertachtal-Werkstätten in der Hiebelerstraße in Füssen eine provisorische Kindertagesstätte errichtet, um dort den nicht in den anderen Einrichtungen abdeckbaren Bedarf an Kindertagesplätzen zu befriedigen. Die Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. hat dazu dort zwei Containeranlagen als schnelle und nur vorübergehende Lösung des Unterbringungsproblems errichtet. Die Kindertagesstättenaufsicht am Landratsamt Ostallgäu hat diesem Provisorium unter der Maßgabe zugestimmt, dass es sich um eine provisorische Lösung handelt, bis zeitnah eine nachhaltige Unterbringung des Kindertagesstättenbedarfs gefunden ist. Vor diesem Hintergrund wurde sowohl die fachaufsichtliche Genehmigung nur jährlich befristet erteilt bzw. die baurechtliche Genehmigung bis Ende 2022 befristet erteilt.

Vor diesem Hintergrund steht die Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. seit Monaten im intensiven Austausch mit der Stadt Füssen mit dem Ziel, dort eine neue Kindertagesstätteneinrichtung zu errichten. Diese soll mit einer Erweiterung der Förderstätte der Wertachtal-Werkstätten und der Frühförderung der Lebenshilfe einhergehen.

Entstehen soll diese Einrichtung im östlichen Anschluss an die bestehende Einrichtung der Wertachtal-Werkstätten. Dazu ist nicht nur der Erwerb bzw. die Überlassung des städtischen Grundstücks Fl.Nr. 1066/65, sondern auch einer ca. 1.000 m2 großen Teilfläche aus dem benachbarten Grundstück der BIMA – Bundesanstalt für Immobilienaufgaben notwendig (siehe Darstellung im nachfolgenden Plan).
 

Die Eigentümerin des betroffenen Grundstücks Fl.Nr.  1044/4 der Gemarkung Füssen, die BIMA, plant östlich angrenzend an den geplanten Standort der Kindertagesstätte die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum. Entsprechende Alternativplanungen wurden im Planungs-, Bau-, Umwelt- und Verkehrsausschuss bereits vorgestellt und auf den Weg gebracht. Die BIMA hat hierzu bereits die grundsätzliche Bereitschaft zur Grundstücksveräußerung an die Stadt bekundet. Der Stadtrat hat zu den Verkaufsbedingungen in der Sitzung am 21. September 2021 bereits grundsätzlich seine Zustimmung erteilt und die Verwaltung ermächtigt, die entsprechenden Vereinbarungen bzw. den notariellen Kaufvertrag zu schließen. Leider haben sich danach baurechtliche Probleme hinsichtlich der geplanten Schaffung von zusätzlichem Wohnraum ergeben, sodass eine Genehmigung der eingereichten Bauvoranfrage bis heute nicht erteilt wurde. Vor diesem Hintergrund hat die BIMA verständlicherweise die notarielle Beurkundung einstweilen zurückgestellt. Dies vor allem auch deshalb, weil die BIMA zugunsten der geplanten Kindertagesstätte auf mehrere Wohnungen verzichtet hatte, um für den Neubau der Kindertagesstätte die Fläche zu ermöglichen. Ansonsten wären auf dem Erwerbsstreifen auch Teile der geplanten Wohngebäude entstanden.

Entsprechend dem Beschluss des Stadtrates vom 21. September 2021 soll der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. die für die Kindertagesstätte benötigte Fläche nicht veräußert, sondern im Wege des Erbbaurechts „überlassen“ werden. Die Bedingungen dazu wurden in der genannten Sitzung festgelegt.

Die Kindertagesstätte wäre zum einen der Ersatz für die provisorisch dort errichteten beiden Kita-Gruppen. Darüber hinaus würde diese den künftig zu erwartenden Bedarf abdecken (z.B. aus den Wohnungsbauvorhaben sowohl der Stadt wie z.B. dem geplanten neuen Baugebiet, den Nachverdichtungen aber auch den privaten Wohnungsbauvorhaben wie z.B. Füssen-West, Guggemos-Wiese, Tennishalle Wiedemann, Borhochstraße, usw.). Bauherr würde die Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. sein. Die Stadt würde die Investitionen für die Kindertagesstätte (und nur diesen Anteil) mit Baukostenzuschüssen fördern, deren Höhe noch festzulegen wäre. Die Betriebskosten würde die Stadt im Rahmen der üblichen Defizitvereinbarungen mit finanzieren.

Die übrigen Einrichtungen (z.B. Förderstätte, Frühförderung) verblieben unter der Trägerschaft und der ausschließlichen Finanzierung der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. 

Bedarf an zusätzlichen Kindertagesplätzen

Hierzu wurde bereits in der Sitzung am 21. September 2021 zunächst auf die Fortschreibung der Bedarfsplanung für die Kindertagesstätten verwiesen, die vom Landratsamt Ostallgäu erstellt und den Kommunen mit Schreiben vom 17. Juni 2021 zur Verfügung gestellt wurde. Zusammenfassend kommt das Landratsamt für Füssen darin zu folgendem Ergebnis:

Die Jugendhilfe am Landratsamt Ostallgäu hat mit Schreiben vom 17. Juni 2021 den aktuellen Planungsbericht zur Fortschreibung der gemeindlichen Bedarfsplanung für die Kindertagesstätten vorgelegt. 

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass nach den aktuellen Hochrechnungen 

  • mit 103 Plätzen ausreichend Krippenplätze vorliegen. Der zukünftige Platzbedarf ist abhängig von der weiteren Geburtenentwicklung, dem Nachfrageverhalten der Eltern sowie weiteren Zuzügen.

  • Bei den Kindergartenplätzen zeichnen sich bei gleichbleibender Inanspruchnahme fehlende Plätze ab. Dieser Bedarf sollte jedoch durch die neue AWO-Kita im Weidach abgedeckt werden können.  In diesem Neubau können ab Mitte September anstelle des AWO-Kindergartens in der Spitalgasse (35 Plätze) neben einer Krippengruppe (15 Plätze) in 3 Gruppen 75 Kindergartenplätze angeboten werden (insgesamt 90 Plätze). Ein weiterer Ausbau von Kindergartenplätzen kann sich durch die Ausweisung von Baugebieten und Neubau von Wohnungen ergeben.

Abschließend wurde auf das zunehmende Nachfrageverhalten von Eltern bzgl. überlangen oder ganztägigen Betreuungsplätzen hingewiesen. Im Zuge der Verbesserung der Raumsituation sollten auch die Öffnungszeiten bedarfsgerecht angepasst werden.

Auch wenn hier der erste Eindruck entstehen könnte, dass kein zusätzlicher Bedarf besteht, dürfen hier die wohnbaulichen Entwicklungen nicht unberücksichtigt bleiben. Diese wurden in der nichtöffentlichen Sitzung am 21. September 2021 ausführlich anhand der genehmigten bzw. bekannten Anträge zusammengestellt. Zusammenfassend werden danach in den nächsten Jahren bis zu 400 Wohnungen und rund 50 – 70 Wohnhäuser neu entstehen. Ob und inwieweit durch die Änderung der Zweitwohnungssteuer Zweitwohnungen künftig mehr dauervermietet werden, bleibt abzuwarten. Da zumindest in den städtischen Wohnungszuschnitten auch und gerade der Bedarf von Familien gedeckt werden soll, wird der Bedarf an Kindertagesplätzen deutlich steigen. Dies belegen auch die eindeutigen Aussagen und Prognosen in der Wohnraumbedarfsanalyse für die Stadt Füssen.

Natürlich gilt es auch zu berücksichtigen, dass die Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. derzeit zwei provisorische Kita-Gruppen betreibt und dass im Pastoralen Begegnungszentrum im Füssener Westen eine neue Kindertagesstätte mit dann 5 - 6 Kindergartengruppen und 2 Kinderkrippengruppen geplant ist. Letztere stellt aber keine neuen bzw. zusätzlichen Plätze zur Verfügung, sondern ist der Ersatz für die bestehende, in die Jahre gekommene Einrichtung der Kirche.

Neubau einer Kindertagesstätte

Die Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. plant auf dem Grundstück neben einer Kindertagesstätte auch ein Förderzentrum. Die Gesamtkosten wurden vorab auf ca. 10 Millionen Euro geschätzt. Davon würden auf die Kindertagesstätte rund 53 %, d.h. ca. 5 Millionen Euro entfallen. Geplant wäre eine 4-gruppige Kindertagesstätte inklusive einer Kinderkrippengruppe (d.h. ca. 90 Kindertagesstättenplätze). Die entsprechende Konzeption wird im Rahmen der Beratung vorgestellt. 

Ähnlich wie in der Kindertagesstätte St. Gabriel sollte sich die Stadt an den Baukosten mit einem noch festzulegenden Baukostenzuschuss beteiligen. Bauherr wäre die Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. Je nach Höhe und nach förderfähiger Fläche würde die Stadt auf den Baukostenzuschuss dann eine FAG-Förderung erhalten, die abhängig von der Finanzkraft voraussichtlich bei 55 % liegen würde. Die voraussichtlich zu erwartende Förderung beträgt demnach bei einem Baukostenzuschuss von 80 % der Baukosten ca. 1.200.000 €. Finanziell könnte sich dieses Vorhaben für die Stadt dann wie folgt darstellen:

Ausgaben
Voraussichtliche Kosten
Grunderwerb
420.000 €
80 % Baukostenzuschuss zu den voraussichtlichen, anteiligen Baukosten für die Kindertagesstätte in Höhe von (geschätzt) 5.000.000 €
4.000.000 €
Dafür voraussichtliche FAG-Förderung (angenommen 55 %, förderfähige Fläche ca. 530 m2), ggf. Erhöhung bei integrativen Anteilen
1.200.000 €
Verbleibender Investitionsanteil der Stadt
3.220.000 €

Um den für Realisierung des Vorhabens aufwändigen Prozess zu starten, hat die Lebenshilfe Ostallgäu e.V. mit beiliegendem Schreiben vom 23. November 2021 um die finalen Entscheidungen zur Einleitung der weiteren Schritte gebeten. 

Umso überraschender war insofern die Überlegung des Stadtrates im Rahmen der Haushaltskonsolidierung am 6. Dezember 2021, dieses Projekt zu streichen. Angesichts der oben dargestellten Genehmigungssituation einerseits und der Bedarfssituation an Kindertagesstätten dürfte die Notwendigkeit mittlerweile unstrittig sein, sodass nun die weiteren Schritte in die Wege geleitet werden sollten. Diese wären insbesondere:

  • Abschluss des Grunderwerbs von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) bezüglich der Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. 1044/4 der Gemarkung Füssen
  •        Zweckgebundene Überlassung des städtischen Grundstück FlNr. 1066/65 und der Erwerbsfläche aus Fl.Nr. 1044/4, beide der Gemarkung Füssen, über einen Erbbaurechtsvertrag an die Lebenshilfe Ostallgäu e.V.
    • Inhalte dieses Erbbaurechtsvertrages
    •        Laufzeit des Erbbaurechtsvertrags 50 Jahre
    • Zweckbindung Kindertagesstätte und Förderzentrum (zumindest innerhalb der Bindefrist der Zuwendungen)
    • Heimfall-Regelung
    •        Vorkaufsrecht
    •        Bedingungen entsprechend dem Beschluss des Stadtrates vom 21. September 2021
  •        Aufstellungs-/Änderungsbeschluss zur Änderung des Bebauungsplans W 20 zur Schaffung der baurechtlichen Voraussetzung für die Errichtung der Kindertagesstätte mit Förderstätte und Frühförderung (Sondergebiet) und parallel Änderung bzw. Anpassung des Flächennutzungsplans
  •        Abschluss einer Bau-, Betriebs- und Defizitvereinbarung über den Neubau dieser Kindertagesstätte mit der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. 
  •        Kernpunkte dieser Vereinbarung:
  • Bauherr ist die Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V.
  • Stadt beteiligt sich an den anteiligen Baukosten für die Kindertagesstätte mit einem Baukostenzuschuss in Höhe von 80 % und beantragt hierfür die Zuwendungen nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG)
  • Stadt trägt 90 % des Defizits des laufenden Kindertagesstättenbetriebes. Weitere Informationen erfolgen im Rahmen der Beratung.

Beschlussvorschlag

Der Stadtrat der Stadt Füssen begrüßt das Angebot der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. auf Errichtung einer viergruppigen Kindertagesstätte (Kindergarten und Kinderkrippe) auf den Grundstücken Fl.Nr. 1066/65 und einer Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. 1044/4 der Gemarkung Füssen (Hiebelerstraße).

Der Stadtrat stimmt dem Abschluss einer Bau- und Betriebsvereinbarung mit der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. über den Bau einer Kindertageseinrichtung bei den Wertachtal-Werkstätten, Hiebelerstr. 17 in Füssen zu und ermächtigt die Verwaltung, die Einzelheiten zu vereinbaren und die Vereinbarung entsprechend abzuschließen. Die Stadt Füssen wird sich mit 80 % an den Baukosten für die Kindertageseinrichtung beteiligen; die restlichen 20 % der Baukosten trägt die Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren  e.V. als Bauherr. 

Im Weiteren beauftragt der Stadtrat den Ersten Bürgermeister bzw. die Verwaltung, die hierfür nötigen weiteren Schritte wie z.B. den Grunderwerb zu tätigen, einen Erbbaurechtsvertrag mit der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V.  bzw. die Änderung des Bebauungsplans W 20 in die Wege zu leiten.

Gemeinsam mit der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. sind außerdem die vorübergehende Verlängerung der Baugenehmigung für die vorhandene Container-Anlage und die fachliche Betriebserlaubnis befristet bis zum Neubau der Kindertagesstätte zu beantragen.

Diskussionsverlauf

Aus der Mitte des Stadtrates wird gefordert, dass weiterhin am Kindergarten St. Gabriel mit Hochdruck gearbeitet werden sollte. Auch der Kindergarten in Weißensee müsse bleiben. Außerdem schlägt Erich Nieberle vor, auf die Kosten einen Deckel bei z.B. 4 Mio. Euro zu machen. Barbara Henle schlägt vor, auch Kinder von außerhalb aufzunehmen (3: 1 im Verhältnis) nicht nur die Krippenkinder. 

Bürgermeister Eichstetter antwortet bezüglich der Deckelung, dass diese in die Bauträgervereinbarung aufgenommen werden müsse und es jetzt hierfür noch zu früh sei.

Beschluss

Der Stadtrat der Stadt Füssen begrüßt das Angebot der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. auf Errichtung einer viergruppigen Kindertagesstätte (Kindergarten und Kinderkrippe) auf den Grundstücken Fl.Nr. 1066/65 und einer Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. 1044/4 der Gemarkung Füssen (Hiebelerstraße).

Der Stadtrat stimmt dem Abschluss einer Bau- und Betriebsvereinbarung mit der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. über den Bau einer Kindertageseinrichtung bei den Wertachtal-Werkstätten, Hiebelerstr. 17 in Füssen zu und ermächtigt die Verwaltung, die Einzelheiten zu vereinbaren und die Vereinbarung entsprechend abzuschließen. Die Stadt Füssen wird sich mit 80 % an den Baukosten für die Kindertageseinrichtung beteiligen; die restlichen 20 % der Baukosten trägt die Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren  e.V. als Bauherr. 

Im Weiteren beauftragt der Stadtrat den Ersten Bürgermeister bzw. die Verwaltung, die hierfür nötigen weiteren Schritte wie z.B. den Grunderwerb zu tätigen, einen Erbbaurechtsvertrag mit der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V.  bzw. die Änderung des Bebauungsplans W 20 in die Wege zu leiten.

Gemeinsam mit der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren e.V. sind außerdem die vorübergehende Verlängerung der Baugenehmigung für die vorhandene Container-Anlage und die fachliche Betriebserlaubnis befristet bis zum Neubau der Kindertagesstätte zu beantragen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 21, Dagegen: 0

Datenstand vom 20.05.2022 09:43 Uhr