Hinsichtlich Art. 18 Abs. 4 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) hat sich folgender neuer Wortlaut ergeben, der zum 01. Januar 2024 in Kraft getreten ist:
- Die Bürgerversammlung findet in einem der Allgemeinheit zugänglichen Raum statt.
- Ergänzend kann die Gemeinde durch Satzung oder durch Beschluss des Gemeinderats eine Echtzeitübertragung der Bürgerversammlung in Ton und Bild über das Internet zulassen.
- Ein Redebeitrag einer teilnehmenden Person darf nur übertragen werden, wenn sie dafür eine Einwilligung erteilt hat.
- Kameras sind so einzurichten, dass nur die Versammlungsleitung sowie die redenden Personen erfasst werden
- Die Gemeinde informiert bei der Einladung zur Bürgerversammlung sowie vor Beginn über eine Echtzeitübertragung nach Satz 2.
- Die Gemeinden können durch Satzung zulassen, dass Personen nicht persönlich anwesend sein müssen, um sich nach Abs. 3 zu beteiligen, sondern sich dazu auch über das Internet zuschalten können.
- In der Satzung ist das Nähere zu den Voraussetzungen und zur Ausübung des Äußerungs- und Stimmrechts durch die zugeschalteten Personen zu regeln.“
Über das Ob und das Wie eines Livestreams entscheidet nach Art. 18 Abs. 4 Satz 2 GO die Gemeinde durch Satzung oder durch Beschluss des Gemeinderats.
Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind bei der Umsetzung des Livestreams zu berücksichtigen.
Zum Schutz der Rechte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzt Art. 18 Abs. 4 Satz 3 GO eine stets widerrufbare Einwilligung für die Übertragung von Redebeiträgen voraus (Art. 6 Abs. 1
UAbs. 1 Buchst. a der Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO).
Durch die Kameras dürfen nach Art. 18 Abs. 4 Satz 4 GO auch nur die Versammlungsleitung und die redenden Personen erfasst werden. Übersichtsaufnahmen oder die Übertragung von Abstimmungen sind nicht zulässig, damit Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürger nicht von der Teilnahme an der Bürgerversammlung abgehalten werden.
Bei der Einladung und zu Beginn der Bürgerversammlung ist zudem nach Art. 18 Abs. 4 Satz 5 GO auf die Echtzeitübertragung hinzuweisen.
Die Ermächtigung im neuen Abs. 4 von Art. 18 GO dient dazu, Gemeinden u.a. Livestreams der Bürgerversammlungen zu ermöglichen. Livestreams können stärker das Interesse eines anderen, auch jüngeren Publikums für Kommunalpolitik und die Entwicklungen in den Gemeinden wecken, als dies bei reinen Präsenzveranstaltungen der Fall ist.
Schon bisher galt der Öffentlichkeitsgrundsatz für Bürgerversammlungen. Im Rahmen der Kapazitäten hatten auch Ortsfremde Zugang.
Durch einen Livestream wird die Öffentlichkeit lediglich potenziell vergrößert. Nachdem bei Bürgerversammlungen in erster Linie Bürgerinnen und Bürger das Wort erhalten, bedarf bereits die bloße Übertragung eines gewissen organisatorischen Aufwands, etwa unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Themen vorabzufragen, Einwilligungen einzuholen oder sicherzustellen, dass Beiträge und Anfragen durch den Versammlungsleiter verlesen werden, falls eine Bürgerin oder ein Bürger eine Frage nicht selbst vortragen will.
Hinsichtlich der Thematik rund um die Zulassung hybrider Bürgerversammlungen in einer Gemeinde wird auf den Bericht zur Evaluation der Bürgerversammlungen 2023 verwiesen.
1.11.2 Livestream und Mediathek
Art. 52 Abs. 4 Satz 2 GO sieht nun die Möglichkeit der Echtzeitübertragung in Ton und Bild im Internet (Livestream) und die Aufzeichnung in einer Sammlung audiovisueller Medien (Mediathek) vor. Die Regelung zu Livestreams hat dabei nur klarstellenden Charakter, während die zu Mediatheken konstitutiv ist.
Die Aufzeichnungen können in der Mediathek grundsätzlich für eine Dauer von sechs Wochen zum Abruf für jedermann bereitgestellt werden. Da aber grundsätzlich ein öffentliches Interesse insbesondere an der aktuellen Gremiensitzung besteht, verlängert sich dieser Zeitraum auf die Dauer bis zur nächsten Sitzung, falls diese erst nach mehr als sechs Wochen stattfindet (Satz 3). Danach sind die Aufzeichnungen jeweils zwingend zu löschen (Satz 4).
Aufgrund der Persönlichkeitsrechte der an der Sitzung teilnehmenden Personen (insbesondere Gemeinderatsmitglieder, Gemeindebedienstete, von der Gemeinde hinzugezogene Personen, Sachverständige, Behördenvertreter) bei einer weltweiten Liveübertragung ist eine Übertragung, Aufzeichnung und Speicherung nur mit stets widerruflicher Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. a DSGVO) möglich (Satz 6).
Eine andere, nicht ausschließlich selbstbestimmte Veröffentlichung könnte Ratsmitglieder von der Wahrnehmung eines kommunalpolitischen Amtes abhalten. Dies gilt aber nicht für die Vorsitzende oder den Vorsitzenden, d. h. im Regelfall die erste Bürgermeisterin oder den ersten Bürgermeister, deren Ton und Bild stets übertragen, aufgezeichnet und gespeichert werden dürfen. Ohne Ton und Bild dieser sitzungsleitenden Person wären ein Livestream und auch eine Aufzeichnung in der Mediathek weitgehend nutzlos. Die Wichtigkeit der Aufgabe der Sitzungsleitung wirkt sich bei ihnen auch auf die Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht aus und rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung.
Unbeteiligte identifizierbare Personen und Besucher dürfen im Bild nur in Übersichtsaufnahmen oder im Hintergrund bei der Aufnahme von Sitzungsteilnehmerinnen und Sitzungsteilnehmern
gezeigt werden und dies auch nur, falls die räumlichen Verhältnisse entsprechende Aufnahmen ohne unbeteiligte Personen nicht zulassen (Satz 7). In allen anderen Fällen geht der Schutz des
Die Übertragung von Abstimmungen ist auch bei Gemeinderatssitzungen nicht zulässig. Andernfalls würde Art. 54 Abs. 1 Satz 2 GO umgangen. Nach dieser Vorschrift enthält die Niederschrift grundsätzlich nur das Abstimmungsergebnis, das persönliche Abstimmungs-verhalten eines einzelnen Mitglieds hingegen nur auf Verlangen. Eine insgesamt namentliche Abstimmung setzt in den meisten Gemeinden einen Beschluss des Gremiums voraus.
Persönlichkeitsrechts dieser Personen vor. Gleiches gilt für die Aufzeichnung und Speicherung der Bilder in einer Mediathek.
Der Art. 52 Abs. 4 GO ist nachfolgend tabellarisch zusammengestellt:
Livestream? ja
Mediathek? ja, befristet
Festlegung? Stadtratsbeschluss am 26.11.24
qualifizierte Mehrheit erforderlich? zwei Drittel der Abstimmenden
Einwilligungen erforderlich ja, außer Vorsitz
Kameraeinstellungen? grundsätzlich Gremium
Hintergrundaufnahmen? ja, eingeschränkt
Speicherung zu Dokumentationszwecken? Mediathek 30 Tage