Mobilfunk Weißensee; Festlegung des Geltungsbereichs des aufzustellenden Teilflächennutzungsplans


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Stadtrates, 27.05.2025

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat Sitzung des Stadtrates 27.05.2025 ö beschliessend 5

Sachverhalt

Der in der letzten Sitzung am 29.04.2025 beschlossene Zurückstellungsantrag wurde am 30.04.2025 beim Landratsamt Ostallgäu gestellt. Der Eingang wurde bestätigt. 

In jedem Fall muss der Geltungsbereich für den zur Aufstellung beschlossenen Teil-Flächennutzungsplan festgelegt werden. Eine positive Standortbestimmung, wo Mobilfunkanlagen zulässig sein sollen, ist während des Verfahrens zu entwickeln. 

Seitens der Fraktion Freie Wähler wurde vorgeschlagen, als Geltungsbereich den Außenbereich der Gemarkung Weißensee festzulegen. Eine planerische Darstellung ist erforderlich. 


Schreiben des Landratsamts Ostallgäu vom 22.05.2025:

Die Stadt Füssen hat mit Schreiben vom 20.01.2025 mitgeteilt, dass das gemeindliche Einvernehmen für das Bauvorhaben nicht erteilt wird. 

Der Bauantrag wurde von uns eingehend geprüft. Wir können aus nachstehenden Gründen die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens für das Bauvorhaben nicht stützen. Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 des Baugesetzbuches (BauGB) darf das Einvernehmen der Gemeinde nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen (planungsrechtliche Gründe) versagt werden. 

Das Baugrundstück liegt weder im Geltungsbereich eines rechtskräftigen Bebauungsplanes, noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles der Stadt Füssen und ist demnach baupla-nungsrechtlich dem Außenbereich nach § 35 des Baugesetzbuches (BauGB) zuzuordnen. Es wird hier zwischen privilegierten (§ 35 Abs. 1 BauGB) und sonstigen Bauvorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB) unterschieden. Im Außenbereich ist ein privilegiertes Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Be-lange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist. 

Die Errichtung von Mobilfunkanlagen im Außenbereich ist privilegiert zulässig, § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB – Anlagen, die der Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen.

Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung verlangt über den Wortlaut des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB hinaus für alle Vorhaben einen spezifischen Standortbezug. Dieser entfällt, wenn der Standort im Vergleich mit anderen Standorten zwar Lagevorteile bietet, das Vorhaben aber nicht damit steht oder fällt (BVerwG Urteil v. 20.06.2013 – 4 C 2/12). Für Mobilfunkanlagen hat das Bundesverwaltungsgericht das Kriterium der Ortsgebundenheit auf eine Raum- bzw. Gebietsgebundenheit erweitert. 

Um dem Willen des Bundesgesetzgebers, den Außenbereich grundsätzlich von Bebauung freizuhalten, auch bei dieser Erweiterung des Standortsbezugs gerecht zu werden, fordert das Bundesverwaltungsgericht ein Korrektiv bei der Standortwahl für Mobilfunkanlagen (BVerwG Urteil v. 20.06.2013 – 4 C 2/12; vgl. VGH München Beschluss v. 04.03.2015 – 15 CS 15.361). Danach steht die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Standorts im Außenbereich unter dem Vorbehalt, das dem Bauherrn ein Ausweichen auf einen Standort im Innenbereich nicht zugemutet werden kann. Dies ist der Fall, wenn geeignete Innenbereichsstandorte aus tatsächlichen (z. B. der Grundstückseigentümer lässt die Errichtung der Anlage nicht zu) oder rechtlichen (z. B. die Errichtung einer Mobilfunksende-anlage an einem geeigneten Standort ist bauplanungsrechtlich oder aufgrund örtlicher Bauvorschriften unzulässig) Gründen nicht zur Verfügung stehen. 

Die vorgenannte Einschränkung gilt jedoch ausweislich der Begründung des Baulandmobilisierungsgesetzes (BT-Drs. 19/24838 S. 20) nicht, wenn die Mobilfunkanlage gerade oder zumindest auch der Herstellung eines stabilen Mobilfunknetzes im Außenbereich z.B. mit Blick auf die Versorgung von Verkehrswegen (Straßen und Bahnstrecken) dienen soll und insoweit schon aus technischen Gründen ein geeigneter Standort im Innenbereich nicht in Betracht kommt. Diese technischen Gründe sind vom Mobilfunkbetreiber im Einzelfall zu belegen. Für den Beleg wird es im Regelfall ausreichen, dass der Bauherr nachweist, dass es sich bei dem gewählten Standort um einen sog. „White-Spot-Standort“ handelt und/oder es sich um einen nach dem Bayerischen Mobilfunkförderprogramm geförderten Mobilfunkmasten handelt. 

Die Alternativprüfung für geeignete Standorte im Innenbereich entfällt, wenn die Mobilfunkanlage zumindest auch der Versorgung des Außenbereichs dient (Vgl. VG München, Beschluss vom 24.08.2022 – M 1 SN 22.2804 Rn. 36 ff.). Die Mobilfunkanlage dient gemäß den vorgelegten und nachgereichten Unterlagen des Antragsstellers schwerpunktmäßig der Versorgung des Außenbe-reichs und der Verkehrswege, als auch der Versorgung des Innenbereichs. Eine Prüfung eines Alternativstandorts im Innenbereich ist daher nicht erforderlich. 

Dem privilegierten Vorhaben stehen auch keine öffentlichen Belange entgegen. Die am Verfahren beteiligten Träger der öffentlichen Belange haben dem Vorhaben zugestimmt. Die Erschließung ist gesichert. 

Das Einvernehmen der Gemeinde darf nur aus planungsrechtlichen Gründen (siehe § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB) versagt werden. Der Erteilung einer Baugenehmigung stehen aus den oben genannten Gründen jedoch keine Versagungsgründe nach § 36 Abs. 2 Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB) entgegen. 

Mit E-Mail vom 30.04.2025 beantragte die Stadt Füssen die Zurückstellung des Bauantrags da der Stadtrat beschlossen hat, einen Teilflächennutzungsplan für den betroffenen Bereich aufzustellen. 
Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB für einen Zeitraum bis zu längstens einem Jahr nach Zustellung der Zurückstellung des Baugesuchs auszusetzen, wenn die Gemeinde beschlossen hat, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen, mit dem die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erreicht werden sollen, und zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. 

Die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung kann nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht mehr völlig offen sind; absolutes Mindestmaß ist, dass sich die Planung nicht als bloße (verbotene) Negativ- oder Alibiplanung darstellt. 

Vorliegend handelt es sich um eine bloße und damit verbotene Negativplanung der Stadt Füssen. Die Unterlagen (hier Antrag der Fraktion Freie Wähler Füssen vom 17.04.2025) die dem Aufstellungsbeschluss zugrunde liegen, lassen darauf schließen, dass lediglich der Standort für die Mobilfunkanlage verhindert werden soll. Eine Positivplanung, insbesondere eine Aussage an welcher Stelle Konzentrationsflächen für Mobilfunkanlagen ausgewiesen werden, ist nicht vorhanden. 

Solange die Planung nicht über die Angabe des gesetzlich vorgezeichneten Planungsziels hinausgeht, insbesondere solange die räumliche Dimension der Planung noch völlig offen ist, weil Lage und Umfang der beabsichtigten Konzentrationszonen noch nicht einmal in einem Mindestmaß konkretisiert worden ist, kommt eine Zurückstellung nicht in Betracht (OVG Münster Beschl. v. 17.12.2020 – 8 B 1317/20, NVwZ-RR 2021, 289 Rn. 12 ff.; VGH München Beschl. v. 20.3.2015 – 22 CS 15.58, BeckRS 2015, 54529 Rn. 33 ff.; OVG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 1.2.2017 – OVG 11 S 31.16, BeckRS 2017, 101585 Rn. 15 ff.). (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Stock, 157. EL November 2024, BauGB § 15 Rn. 85, BAYERN.RECHT) 

Die Voraussetzungen für eine Zurückstellung gemäß § 15 Abs. 3 BauGB liegen somit nicht vor. 

Gemäß Art. 67 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzt werden. Nach Art. 67 Abs. 4 Satz 1 BayBO ist die Gemeinde vor Erlass der Genehmigung anzuhören. Dabei ist ihr Gelegenheit zu geben, binnen angemessener Frist erneut über das gemeindliche Einvernehmen zu entscheiden. Dieses Schreiben dient gemäß Art. 28 Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) gleichzeitig der Anhörung vor Erlass des Bescheides unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens. 

Sollte die Stadt Füssen das gemeindliche Einvernehmen nicht bis zum 25.06.2025 erteilen, beab-sichtigt das Landratsamt Ostallgäu, das rechtswidrig versagte Einvernehmen zu ersetzen (§ 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB, Art. 67 BayBO).


Stellungnahme 

Die Einleitung einer Teiländerung des Flächennutzungsplans ist eine gesetzlich vorgesehene Lösung und auch im vorliegenden Fall dem Grunde nach zulässig. 

Zum Aufstellungsbeschluss führt die Kommentierung zum Baugesetzbuch aus: 

„An die Beschlussfassung und die ortsübliche Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses für den Flächennutzungsplan werden dieselben Anforderungen wie bei der Bebauungsplanung gestellt. Das zuständige Gemeindeorgan muss einen ausdrücklichen oder Beschluss mit dem Inhalt gefasst haben, einen Flächennutzungsplan aufzustellen. Um wirksam zu werden, bedarf der Planaufstellungsbeschluss zusätzlich der ortsüblichen Bekanntmachung (§ 2 Abs. 1 Satz 2). Die Bekanntmachung sollte vor Stellung des Aussetzungsantrages erfolgt sein. Der Wortlaut des Satzes 1 schließt einen Aussetzungsantrag vor Bekanntmachung indes nicht aus. Ist der Beschluss aber zum Zeitpunkt der Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde immer noch nicht bekannt gemacht, fehlen ein rechtswirksamer Aufstellungsbeschluss und damit eine Voraussetzung für die Aussetzung des Verfahrens.

Der Planaufstellungsbeschluss muss den räumlichen Geltungsbereich der künftigen Planung bezeichnen. Der Planbereich muss zumindest Flächen im Außenbereich erfassen. Die zusätzliche Einbeziehung von Flächen nach den §§ 30 und 34 ist unschädlich, denn die Planung braucht sich nicht auf das eine, für § 15 Abs. 3 bedeutsame Ziel zu beschränken. Liegt der Planbereich jedoch nur in Gebieten mit Bebauungsplänen oder im nicht qualifiziert beplanten Innenbereich, kann die von § 15 Abs. 3 Satz 1 als Planungsziel genannte Herbeiführung der Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 nicht erreicht werden.

Der Planaufstellungsbeschluss muss klar zu erkennen geben, dass mit der Änderung etc. des Flächennutzungsplans die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 erreicht werden sollen (OVG Münster Beschl. v. 5.5.2022 – 7 B 1783/21.AK, BauR 2022, 1166 = BeckRS 2022, 10171 Rn. 8; siehe aber → Rn. 72a). Inhaltliche Aussagen zu der Richtung der Planung sind im Zeitpunkt des Planaufstellungsbeschlusses noch nicht erforderlich (so auch Lemmel in Berliner Komm. zum BauGB, § 15 Rn. 18; Schiller in Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 9. Aufl. 2022, Rn. 21.161; aA Hinsch NVwZ 2007, 770 (773)). Sie müssen jedoch zur Entscheidung über einen Zurückstellungsantrag vorliegen und nachgewiesen werden können.“

(Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Stock, 157. EL November 2024, BauGB § 15 Rn. 79-79a, beck-online).

Dies spricht dafür, dass mit planlicher Bestimmung des Geltungsbereichs und dem (nochmaligen) Verweis auf § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB die Mindestanforderungen an einen wirksamen Aufstellungsbeschluss erfüllt werden. Erhöht würde die Sicherheit der Wirksamkeit, wenn bereits erste Aussagen zu räumlichen Lösungen getroffen werden könnten.  

Es ist dabei gerade die Aufgabe eines Aufstellungsverfahrens, in diesem Zusammenhang die näheren Inhalte auszuarbeiten. Hierzu gehört auch die Prüfung, welche Standorte zur Erfüllung des Versorgungsauftrags in Frage kommen und die Bewertung, ob es bessere Standorte gibt als der bisher beantragte. Mögliches Ergebnis ist dabei, dass keine besseren Standortalternativen vorhanden sind und doch der beantragte Standort realisiert wird. 

Insoweit ist der Zurückstellungsantrag als vorrangig gegenüber der Nichterteilung des Einvernehmens zu sehen. 

Sollte sich das Landratsamt Ostallgäu dem nicht anschließen wird dies dazu führen, dass mit der beschlossenen Bauleitplanung das angedachte Ziel nicht zu erreichen ist. 



Hinweis auf die Entscheidung bei Suchkreisanfragen 2021 und Haftungsrisiko

In diesem Zusammenhang hat der Stadtrat am 29.06.2021 in öffentlicher Sitzung beschlossen:

„Der Stadtrat der Stadt Füssen beschließt, dass die Stadt im Rahmen des Kommunalen Beteiligungsverfahrens die Standortalternative „5B“ auf einem der Privatgrundstücke Fl.Nrn. 57, 59, 56, 57/1 der Gemarkung Weißensee dem Netzbetreiber Telefonica (O2) vorschlägt, sofern die Stadt die Vermietungsbereitschaft der Eigentümer für den Maststandort inkl. der Gestattungen für die Zuwegung geklärt hat. 
Nach positiver funktechnischer und wirtschaftlicher Prüfung durch die Telefonica (O2) soll die Standortalternative „5B“ realisiert werden. 
Der Bürgermeister wird ermächtigt, die entsprechenden Verhandlungen zu führen und ggf. entsprechende Vereinbarungen abzuschließen.“
 
Abstimmungsergebnis 21 : 1 

Es ist davon auszugehen, dass sich die Antragsteller des Bauvorhabens bei der Ausarbeitung ihrer Planung auf diesen Beschluss berufen. Wenn der Standort nun aber nachträglich wieder verhindert werden soll, ist dies in sich widersprüchlich bzw. bedarf es einer stichhaltigen Argumentation, warum das nicht der Fall ist.  
 Die Verwaltung weist darauf hin, dass es ein nicht auszuschließendes Haftungsrisiko im Hinblick auf evtl. Schadensersatzforderungen (insbesondere Planungskosten, Einnahmeausfall und entgangener Gewinn) darstellen kann, wenn der auf Fl.Nr. 59 beantragte Standort aufgrund aktiver Planungen der Stadt Füssen nachträglich ausgeschlossen wird!

Beschlussvorschlag

Alternative 1:
Der Stadtrat beschließt, als Geltungsbereich für den zur Aufstellung beschlossenen Teil-Flächennutzungsplan zur Steuerung der zulässigen Mobilfunkstandorte im Weißensee den gesamten Außenbereich der Gemarkung Weißensee festzulegen (Umgriff der Gemarkung Weißensee siehe Anlage im Ratsinformationssystem). Mit der Änderung des Flächennutzungsplans sollen die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erreicht werden. Die Verwaltung wird beauftragt, den Aufstellungsbeschluss umgehend bekannt zu machen. 

Alternative 2:
Der Stadtrat beschließt, vor dem Hintergrund des Schreibens des Landratsamts Ostallgäu und des Beschlusses vom 29.06.2021 die zur Aufstellung beschlossene Teilflächennutzungsplanänderung nicht weiterzuverfolgen und das kommunale Einvernehmen zu erteilen.

Dokumente
2021-09-06 Beschluss StR zu Suchkreisanfragen (.pdf)
FW_Begruendung 22.05.2025 (.pdf)
Plan Gemarkung Weißensee M 1-35000 (.pdf)

Datenstand vom 27.05.2025 15:09 Uhr