Unabhängig von den durch das Covid-19-Virus veränderten Rahmenbedingungen muss ein funktionierender Stadt- und Lebensraum zur Grundvoraussetzung von touristischer Entwicklung gemacht werden. Der so genannte „Overtourism“ steht im Spannungsfeld zu den übrigen Zielen der Stadtentwicklung, unabhängig davon, ob er durch den Binnenmarkt oder ausländische Gäste vorangetrieben wird. Erst wenn eine hohe Lebensqualität gegeben ist, kann eine attraktive Erlebnisqualität für Gäste geschaffen werden. Die Marktentwicklungen der Vergangenheit, haben diese Basis gesamtstädtisch und teilräumlich belastet.
Füssen besitzt einen angespannten Wohnungsmarkt, der sich aufgrund der kontinuierlichen Konkurrenz zwischen den Wohnnutzungen und Dauervermietungen mit den touristischen Nutzungen ergibt. Der hohe Anteil privater Ferienwohnungen, die lokal agglomeriert zu einer zunehmenden Verdrängung von Wohn- und Geschäftsräumen geführt haben, verstärkt dabei die angespannte Lage des Wohnungsmarktes mit all den verbundenen Konsequenzen für Stadt- und Lebensraumqualität.
Weiterhin werden sowohl der konjunkturelle Aufschwung vor Covid-19 als auch die aktuellen Stabilisierungsversuche für die Wirtschaft von einer aktiven Niedrigzinspolitik begleitet. Dies rückt Füssen, als eine der beliebtesten touristischen Destinationen Deutschlands, in den Fokus von Investoren aus dem Beherbergungssektor. Diese, häufig durch Ketten betriebenen Vorhaben, stehen vielfach im Widerspruch zu den Inhalten des Stadtimages und der gewollten qualitätsbasierten touristischen Entwicklung der Stadt.
Zudem haben diese Investoren einen starken räumlichen Fokus auf die touristischen Hot-Spots in der Kernstadt, Bad Faulenbach und Hopfen am See sowie verkehrsgünstige Standorte. Dies ist zu einem gewissen Grad auch gewollt (u.a. Nähe von Quellen und Zielen). Es darf allerdings nicht dazu führen, dass wichtige touristische Destinationen im Umland oder die Grundversorgung mit Treffpunkten und Beherbergungsangeboten in den Stadtteilen abseits der Hot-Spots, gefährdet werden.
Aus dieser Gemengelage von städtebaulichen Effekten ergibt sich ein gestiegener Bedarf an städtebaulicher Steuerung. Für eine gezielte räumliche Steuerung der Entwicklung von Nutzungen, die der touristischen Beherbergung dienen, bedarf es einer von Einzelfällen unabhängigen übergeordneten, städtebaulich begründeten Konzeption, mit der eine einheitliche und rechtssichere Beurteilungsgrundlage für den Umgang mit derartigen Nutzungen in der Stadt Füssen geschaffen wird. Diese schafft sowohl innerhalb der Stadtverwaltung als auch bei den privaten Akteuren (Immobilieninhaber, Beherbergungsstätteninhaber, Ferienwohnungsanbieter; aber auch betroffene Bürger und Gewerbetreibende) Planungs- und Investitionssicherheit. Wichtig hierbei ist, dass sowohl die marktseitige Nachfrage als auch das städtebauliche Steuerungserfordernis beurteilt werden. Dies soll mit dem vorliegenden Beherbergungskonzept künftig erfolgen.
Basis für eine Konzeption der zukünftig zu erwarteten Neuverteilungen und Veränderungen der Beherbergungsangebote in Füssen, ist eine umfassende Analyse des Bestandes und der Rahmenbedingungen im Stadtgebiet. Das Beherbergungskonzept empfiehlt – auf Basis der Analyse und den hieraus abgeleiteten Zielsetzungen – Standorte und Marktsegmente, an denen Beherbergungsnutzungen ausnahmsweise und gemäß einem standardisierten und transparenten Prüfraster zugelassen oder ausgeschlossen werden soll-ten. Das Konzept kann der Stadt im Anschluss dazu dienen, ihre Bauleitplanung rechtssicher, entsprechend der Erfordernisse der Stadtentwicklung, anzupassen. Ein Ausschluss von Beherbergungsnutzungen kann allerdings nur durch Überführung der informellen Empfehlungen in einen Bebauungsplan erfolgen.
Neben einer detaillierten Analyse und einer rechtssicheren Fachkonzeption, spielt die Sensibilisierung und fachliche Information der Entscheider und Akteure vor Ort eine wichtige Rolle. Sie ist daher immanenter Bestandteil des Konzeptes. Bei der Genehmigung von Nutzungen handelt es sich häufig um ein emotional diskutiertes Thema, das grundsätzlich einer sachlich aufbereiteten Basis bedarf. Es müssen städtebauliche Gründe identifiziert werden, anhand derer die Eignung von Standorten objektiv geprüft und bewertet wer-den kann. Hierbei ist immer zu berücksichtigen, welche Bedeutung das Beherbergungswesen in vielfältiger Hinsicht für die Stadt Füssen hat. Neben direkten und indirekten Wertschöpfungseffekten sowie Arbeitsplätzen, nimmt es maßgeblich Einfluss auf das Stadtbild, die Wahrnehmung der Attraktivität und Qualität eines Standortes oder auf das Angebot an sozialen Treffpunkten.
Zusammenfassend kommt das Beherbergungskonzept zu folgendem Ergebnis bzw. Fazit:
- Der qualitativ hochwertige Tourismus ist und bleibt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für den nationalen und internationalen Tourismusstandort Füssen im Allgäu. Die angebotenen Beherbergungsleistungen dienen nicht nur dem Tourismus, sondern sind auch wichtiger unterstützender Standortfaktor für andere Wirtschaftszweige im Stadtgebiet und dienen der Bevölkerung auch zur Deckung von Funktionen der Daseins-vorsorge (Treffpunkte, Gastronomie…).
- Die Entwicklungen der vergangenen Jahre hat allerdings gezeigt, dass es trotz Prädikatisierungsstrategie zunehmend zu Nutzungskonkurrenzen zwischen den touristischen Funktionen und den übrigen Belangen der Stadtentwicklung kommt. Die Entwicklungen finden im gesamten Stadtgebiet in unterschiedlichen Ausprägungen statt. Dabei führt sowohl ein erhöhtes Grundangebot in weniger touristischen Lagen als auch eine potenziell ins Ungleichgewicht zu geratene Nutzungsmischung in Hot-Spot-Lagen zu städtebaulichen Problemen. Selbst zurückhaltende Prognosen lassen zudem sogar noch einen Anstieg der Nachfrage und damit eine Verschärfung der Nutzungskonkurrenzen erwarten. Eine städtebauliche Steuerung zur Vermeidung von weiteren Fehlentwicklungen wird daher erforderlich.
- Der vor Corona andauernde Aufschwung in einer Phase der Niedrigzinspolitik hat Füssen ebenso wie andere Top-Destinationen in Deutschland in den Fokus, u. a. von Investoren großer Hotelketten, gerückt. In Anbetracht der weiter steigenden Übernachtungszahlen bis zum Jahr 2030, auch im gehobenen Segment, sind moderate Angebotsanpassungen durch Erweiterungen oder auch Ergänzungen, neben einer besseren Verteilung von Nachfrage innerhalb des Bestandes, wahrscheinliche Entwicklungen. Sie sind aber, wenn sie zu schnell und räumlich zu konzentriert erfolgen, auch ein Risikofaktor, der ungewollte Marktanpassungen nach sich ziehen kann. Zu benennen sind hier beispielsweise der Verlust an Angeboten in den Randstadt-teilen und im Umland, die Verdrängung von inhabergeführten, kleinen und mittleren Unternehmen und ein zunehmendes Konfliktpotenzial mit den übrigen städtebaulichen und baukulturellen Erfordernissen der Stadtentwicklung, insbesondere in der Altstadt. Um erforderliche Marktanpassungen einzuleiten und gleichzeitig nicht gewollte Fehlentwicklungen zu vermeiden, ist eine stärkere städtebauliche Steuerung, insbesondere vor der Dynamik der kommenden Jahre zu empfehlen.
- Durch die zunehmende, teilweise nicht legale Vermietung von privatem Wohnraum als Ferienunterkunft und den bereits heute hohen Anteil von Zweitwohnsitzen, verschärft sich das Problem weiter. Die Anbieter orientieren sich stark an den touristischen Lagequalitäten, so dass die Angebote, ebenfalls räumlich konzentriert, parallel zu den Angeboten des Beherbergungssektors auftreten. Der Verlust von Wohnraum in einem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt sowie eine erhöhte Anzahl von Störungen im Wohnumfeld, sind nur einige der Konsequenzen. Die hohen Voraussetzungen für die Einführung einer Zweckentfremdungsverbotssatzung sind erst nach der Ausschöpfung der übrigen Instrumente einer aktiven Städtebaupolitik zweifelsfrei gegeben. Die Kontrolle der Einhaltung vorhandenen Baurechts und der anlassbezogene bauleitplanerische Ausschluss bzw. die Begrenzung von Nutzungsmöglichkeiten in besonders belasteten Lagen, sind daher Steuerungsmöglichkeiten, die in der Stadt Füssen in erster Linie zur Anwendung kommen sollten. Aufgrund der hohen Dichte von legalen und illegalen Fremdenbeherbergungsnutzungen insbesondere in einigen Lagen der Altstadt sowie Bad Faulenbach, Hopfen am See und Weißensee wird ergänzend empfohlen, die Vorrausetzungen für eine Zweckentfremdungsverbotssatzung teilräumlich und auf die Nutzung für Fremdenbeherbergungsnutzungen begrenzt zu prüfen. Die gilt auch für Satzungen, die Kurzzeitvermietungen (zu beachten: neue Urteile des EuGHs noch nicht in nationales Recht umgesetzt) und die Bildung von Nebenwohnsitzen unter einen Genehmigungsvorbehalt stellen.
- Aus diesen und weiteren im Konzept beschriebenen Gründen, liefert das vorliegende Beherbergungskonzept eine Grundlage für ein städtebauliches Entwicklungskonzept durch die Fachgebiete der Stadt Füssen. Durch Beschluss der Stadt Füssen ist das Konzept als öffentlicher Belang bei allen laufenden und künftigen Bauleitplanverfahren abwägungsrelevant zu berücksichtigen. Es dient als Richtschnur für die weitere An-siedlungspolitik und bietet einen stadtweiten einheitlichen Bewertungsrahmen für Beherbergungsstätten jeglicher Art. Nur durch eine Überführung in die Bauleitplanung entfaltet das Beherbergungskonzept auch eine verbindliche Wirkung außerhalb der Verwaltung. Eine Erstellung oder Änderung der Bauleitplanung sollte allerdings nur anlassbezogen und mit einem besonderen Fokus auf wesentlich vorbelastete Räume geprüft werden. Das Beherbergungskonzept liefert mit den Zielen für die künftige Entwicklung, den städtebaulichen Begründungen auf Stadtteilebene – die in einer Standortmatrix zusammengefasst sind – einer Empfehlung für ein Prüfraster und der Ausweisung von Eignungsräumen (ausnahmsweise Zulässigkeit) die erforderlichen Argumentationsgrundlagen, um eine Begründung in der Bauleitplanung zu erleichtern. Nur durch eine Überführung der Inhalte in die Bauleitplanung erhält das Beherbergungskonzept einen rechts-verbindlichen Charakter. Darüber hinaus wird erwartet, dass allein durch den Beschluss des Beherbergungskonzeptes und den regelmäßigen Verweis bei allgemeinen und informellen Anfragen, die Nachfrage an ungeeigneten Standorten zurückgehen wird.
Mit dem Beschluss des Beherbergungskonzeptes erhält die Stadt Füssen ein neues Instrumentarium, um die sehr dynamische Entwicklung des Beherbergungssektors in der Stadt in gewollte Bahnen zu steuern – ohne dabei gewollte Marktanpassungen gänzlich auszuschließen. Während in den Bereichen der Einzelhandelsentwicklung oder der Steuerung von Vergnügungsstätten städtebauliche Entwicklungskonzepte inzwischen deutschlandweit erprobt sind, ist der Einsatz dieses Instrumentes im Bereich des Beherbergungswesens noch neu (Modellcharakter). Aus diesem Grund sollte die Funktionalität in den kommenden Jahren überprüft und ggf. erforderliche Anpassungen durch eine (Teil-)Fortschreibung erfolgen. Um aktuelle Herausforderungen und Anpassungsbedarfe erfassen zu können, sollte das Konzept mindestens alle sieben bis zehn Jahre fortgeschrieben werden.
Weiteres Vorgehen:
Die Einzelheiten des Beherbergungskonzeptes, das gemeinsam mit einer Steuerungsgruppe aus den verschiedenen Akteuren erarbeitet und mit diesen abgestimmt wurde, werden im Rahmen der Beratung vorgestellt und erläutert. Danach besteht Gelegenheit für den Stadtrat, dieses zu beraten und zu diskutieren bzw. entsprechende Fragen zu stellen. Eine Beschlussfassung ist für den 23. Februar 2021 nicht geplant. Stattdessen sollte der Entwurf des Beherbergungskonzeptes dann in den Fraktionen beraten und ggf. entsprechende Änderungswünsche eingereicht werden.
Parallel dazu wäre vorgesehen, den örtlichen Akteuren (vor allem den Gastronomen, Hotelliers und den privaten und gewerblichen Vermietern) den Entwurf des Konzeptes vorzustellen und Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Erst danach sollte das Konzept dem Stadtrat zur Verabschiedung vorgelegt werden. Damit hat der Stadtrat dann ein städtebauliches Konzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB in der Hand, das bei Maßnahmen der Bauleitplanungen entsprechend berücksichtigt werden kann bzw. muss und als Grundlage für städtebauliche Steuerungsmaßnahmen dient.
Der Entwurf des Beherbergungskonzeptes liegt den Sitzungsunterlagen bei. Darauf wird verwiesen.