Besteuerung der öffentlichen Hand gem. neuer § 2 UStG; Beschluss über die Beibehaltung der Altregelung bis zum 31.12.2020


Daten angezeigt aus Sitzung:  48. Sitzung des Stadtrates Heilsbronn, 26.10.2016

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat Heilsbronn 48. Sitzung des Stadtrates Heilsbronn 26.10.2016 ö beschliessend 6

Sachverhalt/Begründung/Rechtslage:

Im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2015 vom 02. November 2015 (BStBl. I 2015, S. 1834) wurde bei der Umsatzsteuer eine grundlegende Änderung für juristische Personen des öffentlichen Rechts vorgenommen. Für die Stadt Heilsbronn ergeben sich dadurch erhebliche steuerrechtliche Konsequenzen.

Nach der bisherigen Rechtslagen des § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) waren juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art sowie der von Ihnen unterhaltenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe umsatzsteuerpflichtig. Die Voraussetzungen für die Besteuerung von Tätigkeiten der Stadt Heilsbronn waren somit bislang Umsatz- und Ertragsbesteuerung gleich. Sowohl der hoheitliche Bereich als auch der Bereich der Vermögensverwaltung unterlag folglich bis dato nicht der Umsatzsteuer. Dies galt insbesondere auch für Kooperationen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (sog. Beistandsleistungen), die nach der bisherigen Verwaltungsmeinung zu keinen umsatzsteuerpflichtigen Betrieben gewerblicher Art führten.

Der bisher gültige Grundsatz, dass die Stadt Heilsbronn nur im Rahmen ihrer (ertragsteuerlich relevanten) Betriebe gewerblicher Art Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist, gilt nach der Neuregelung nur noch bis 31.12.2016.
Entgegen den Regularien in § 2 Abs. 3 UStG sieht die europäische Mehrwertsteuersystemrichtlinie eine deutlich umfassendere Unternehmereigenschaft für juristische Personen des öffentlichen Rechts vor und schließt nur für bestimmte öffentlich - rechtliche Tätigkeiten / Bereiche die Unternehmereigenschaft aus.
Infolgedessen ging der Bundesfinanzhof in der Rechtsprechung dazu über, insbesondere bei Tätigkeiten im Rahmen der Vermögensverwaltung stets von einer unternehmerischen Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts auszugehen. Aber auch im Bereich der öffentlich-rechtlichen Tätigkeiten sowie der sog. „Beistandsleistungen“, bei denen die öffentliche Hand kein explizites Monopol vorweisen konnte, wurden von der Rechtsprechung entsprechende Konsequenzen in der Umsatzbesteuerung vorgenommen.
Die verschärfte Betrachtungsweise der Rechtsprechung hätte aus kommunaler Sicht insbesondere fatale Folgen im Bereich der interkommunalen Kooperationen ausgelöst und diese in vielen Fällen unwirtschaftlich gemacht. Dankenswerterweise wurde in einem ersten Schritt von der Finanzverwaltung erklärt, dass die bisher geltende Verwaltungsauffassung bis zum Abschluss eines entsprechenden Reformprozesses weiterhin gültig sei. Die nunmehr vorliegende gesetzliche Regelung schließt diesen Reformprozess ab. Insbesondere werden erneut optionale Übergangsfristen eingeräumt, um den Kommunen einen geordneten Übergang auf das neue Umsatzsteuerrecht zu ermöglichen.
Für die Umsatzbesteuerung der durch juristische Personen des öffentlichen Rechts erbrachten Leistungen ergeben sich dadurch nunmehr folgende Neuerungen:
Tätigkeiten auf privatrechtlicher Grundlage:
Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind nach der Neuregelung des § 2b Abs. 1 UStG umsatzsteuerlicher Unternehmer, wenn sie nicht „im Rahmen der öffentlichen Gewalt“ tätig werden. Die Handlungsform auf Grundlage des Privatrechts ist in der Folge stets unternehmerisch und regelmäßig auch der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Die Besteuerungspflicht greift ab dem ersten Euro.
Zu prüfen ist letztlich nur noch die Frage nach dem im Einzelfall anzuwendenden Umsatzsteuersatz bzw. ob für einzelne Tätigkeiten aus dem Katalog des § 4 UStG eine entsprechende Umsatzsteuerbefreiung in Anspruch genommen werden kann. Für den Fall einer Umsatzsteuerpflicht der entsprechenden Umsätze kann im Gegenzug auf der Kostenseite ggf. eine Entlastung durch den sog. Vorsteuerabzug in Anspruch genommen werden. Ob die Tätigkeiten ertragsteuerlich im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art erbracht werden, ist demnach in Zukunft für die umsatzsteuerliche Würdigung ohne Bedeutung. Insbesondere die „generelle Nichtbesteuerung“ der Umsätze aus der Vermögensverwaltung (z.B. die Vermietung von Immobilien) entfällt zukünftig.
Tätigkeiten auf öffentlich-rechtlicher Grundlage:
Nach der neuen Rechtslage des § 2b Abs. 1 UStG sind juristische Personen des öffentlichen Rechts nur dann nicht als Unternehmer anzusehen, wenn sie auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig sind und gleichzeitig die Nichtbesteuerung nicht zu „größeren Wettbewerbsverzerrungen“ führt.
Wettbewerbsrelevante Tätigkeiten:
Führt die Nichtbesteuerung von öffentlich-rechtlichen Leistungen zu „größeren Wettbewerbsverzerrungen“, ist abweichend vom allgemeinen Grundsatz eine Umsatzbesteuerung vorzunehmen (und zwar gleichgültig, ob der Leistung eine eigentlich hoheitliche Tätigkeit zugrunde liegt oder nicht). Hier hat der Gesetzgeber insbesondere die Bereiche vor Augen, für die eine juristische Person des öffentlichen Rechts kein Monopol besitzt (also Bereiche, in denen Private auf Basis von gesetzlichen Öffnungsklauseln bzw. Regelungslücken handeln können).
Die Umsätze aus derartigen Leistungen sind somit in Zukunft – sofern nicht eine der gesetzlichen Ausnahmeregelungen greift – auch der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Im Gegenzug kann ggf. auch hier eine Entlastung auf der Kostenseite durch den Vorsteuerabzug geltend gemacht werden.
Nicht-wettbewerbsrelevante Tätigkeiten :
Die Konsequenz der Umsatzbesteuerung bei auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbrachten Leistungen wird jedoch dann wiederum nicht ausgelöst, wenn die Nichtbesteuerung zu keiner größeren Wettbewerbsverzerrung führt. Was unter „größeren Wettbewerbsverzerrungen“ zu verstehen ist, lässt der Gesetzestext offen. Vielmehr wird in § 2b Abs. 2 und 3 UStG lediglich klargestellt, wann „größere Wettbewerbsverzerrungen“ gerade nicht vorliegen sollen – wobei es sich hierbei allerdings um keine abschließende Aufzählung handelt (vgl. BT – Drucksache 18 / 6094, S. 95).
Inkrafttreten der neuen Rechtslage:
Die vorstehend dargestellten Änderungen bedeuten eine Zeitenwende in der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und eine Übergangsregelung geschaffen.
Gemäß § 27 Abs. 22 UStG gilt der neue § 2b UStG ab dem 1. Januar 2017. Juristische Personen des öffentlichen Rechts haben allerdings die Möglichkeit das bisherige Recht bis zum 31. Dezember 2020 fortzuführen, wenn sie bis zum 31. Dezember 2016 einen formlosen Antrag bei ihrem zuständigen Finanzamt einreichen.
Eine Option zur Fortführung des bisherigen Rechts ist nur für den kompletten Tätigkeitsbereich (d.h. insbesondere nicht für einzelne Leistungen) zulässig. Ist ein Antrag zur Fortführung der bisherigen Rechtslage gestellt worden, soll dann aber doch vor dem 1. Januar 2021 das neue Recht Anwendung finden, so besteht die Möglichkeit den Antrag mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen.
Die Gesetzesänderung führt zu einer deutlichen Ausweitung der Umsatzsteuerpflicht der öffentlichen Hand. Für die Stadt Heilsbronn bedeutet dies, dass sie zunächst möglichst zeitnah die unter die gesetzliche Neuregelung fallenden Tätigkeiten der städtischen Abteilungen identifizieren und die sich dadurch ergebenden Auswirkungen prüfen muss. Zudem sind die bestehenden vertraglichen Gestaltung und deren steuerlichen Implikationen nach neuem Recht zu prüfen und ggf. anzupassen (Vertragsinventur). Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere die Loslösung der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft vom ertragsteuerlichen Begriff des „Betriebes gewerblicher Art“ und die damit verbundene Ausweitung des unternehmerischen Bereiches auf die Sphäre der Vermögensverwaltung bzw. den hoheitlichen Tätigkeitsbereich (sowie die damit einhergehenden Auswirkungen auf den anteiligen Vorsteuerabzug). Hinzu treten Fragen der Ausgestaltung sowohl bestehender als auch geplanter Kooperationen mit anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Fazit:
Es muss gegenüber dem Finanzamt bis 31.12.2016 eine schriftliche Erklärung abgegeben werden, aus der hervorgeht, dass die Stadt Heilsbronn § 2 Abs. 3 UStG a.F. für sämtliche ausgeführte Leistungen weiterhin anwenden will.
Der Antrag beim Finanzamt würde folgendermaßen lauten:
 
Hiermit machen wir von unserem Wahlrecht nach § 27 Abs. 22 UStG Gebrauch und erklären, dass für sämtliche nach dem 31. Dezember 2016 und vor dem 01. Januar 2021 ausgeführten Leistungen der Stadt Heilsbronn die umsatzsteuerliche Sachbehandlung weiterhin nach den Regelungen des § 2 Absatz 3 UStG in der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung erfolgen soll und verweisen auf das BMF-Schreiben vom 19. April 2016.
 
Es ist uns bewusst, dass eine Beschränkung der Erklärung auf einzelne Tätigkeitsbereiche oder Leistungen nicht zulässig ist.“

Der Stadtrat wird über das Ergebnis der Prüfungen informiert.

Beschluss

Der Stadtrat ermächtigt die Verwaltung einen Antrag beim Finanzamt Ansbach u.a. auf Option zur Nutzung der Übergangsfrist (bis 31.12.2020) gemäß § 27 Abs. 22 UStG zum neuen § 2b UStG zu stellen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 17, Dagegen: 0

Datenstand vom 24.11.2016 09:48 Uhr