Vollzug der Straßenverkehrsordnung (StVO); Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30 und Vorfahrtsänderung im Stadtteil Gottmannsdorf


Daten angezeigt aus Sitzung:  3. Sitzung des Bau-, Umwelt- und Klimaausschuss, 16.09.2020

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bau-, Umwelt- und Klimaausschuss 3. Sitzung des Bau-, Umwelt- und Klimaausschuss 16.09.2020 ö beschliessend 4

Sachverhalt/Begründung/Rechtslage:

Sachverhalt:
Im März diesen Jahres erreichte die Stadtverwaltung Heilsbronn eine Anfrage der Bürgerinnen und Bürger aus Gottmannsdorf, in der die Anordnung einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h für den Ortsbereich und die Beseitigung der vorfahrtsregelnden Schildern beantragt wurden.
Zusätzlich dazu wurde eine Unterschriftenliste mit 66 Unterschriften eingereicht.
Anlässlich dieser Anfrage wurde eine Stellungnahme der Polizeiinspektion Heilsbronn eingeholt.
Der Verkehrssachverständige der Polizeiinspektion Heilsbronn nimmt in seiner Stellungnahme Bezug auf eine bereits im Jahr 2016 gefertigte Stellungnahme zu ähnlicher Thematik und führt aus, dass die Begrenzung der Geschwindigkeit im gesamten Ortsbereich und die Änderung der Vorfahrtsregelung zwar grundsätzlich zur Verbesserung der allgemeinen Verkehrssituation möglich, aber nicht dringend geboten seien.

Insbesondere wird vorgetragen, dass die Änderung der Vorfahrt an der Kreuzung in der Ortsmitte, speziell im Anfangsstadium, zu gefährlichen Situationen führen kann und deshalb über einen langen Zeitraum besonders gekennzeichnet werden müsste.

In den letzten fünf Jahren wurden im Ortsbereich Gottmannsdorf durch die Polizeiinspektion Heilsbronn insgesamt drei Verkehrsunfälle aufgenommen, wobei es sich bei zwei Unfällen um Vorfahrtsverletzungen an besagter Kreuzung in der Ortsmitte handelte. Das Unfallgeschehen wird seitens des Verkehrssachverständigen der Polizeiinspektion Heilsbronn als völlig unauffällig bezeichnet.

Mit E-Mail vom 08.08.2020 wurde von den Antragstellern eine Zählliste des Autoverkehrs überreicht. Die Zählung wurde am Samstag, den 18.07.2020, durchgeführt und ergab bei einer Gesamtmesszeit von sechs Stunden (08:30-12:00 Uhr und 13:00-15:30 Uhr) 153 durchfahrende PKWs.

Rechtslage:

Tempo 30 Begrenzung:

Die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung richtet sich nach den gesetzlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 StVO. Demnach sind Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Insbesondere Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter erheblich übersteigt.

Erforderlich sind folglich besondere örtliche Verhältnisse und eine darauf basierende, das allgemeine Risiko übersteigende, hinreichend konkretisierende Gefahrenlage.
Für die erhebliche Risikoüberschreitung müsste eine gegenüber durchschnittlichen Verhältnissen deutlich erhöhte Zahl in Bezug auf Unfallhäufigkeit und eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes bei ungehindertem Fortgang vorliegen. Die Betrachtung wird durch eine Prognoseentscheidung vorgenommen. Dabei sind alle tatsächlichen Umstände und Tatsachen relevant, die zum Zeitpunkt der Entscheidung zur Verfügung stehen, nicht theoretische Tatsachen und Umstände eines Dritten oder die bloß entfernte Möglichkeit eines Schadeneintrittes.

Im konkret vorliegenden Fall stehen zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung die polizeiliche Stellungnahme, insbesondere auch die Informationen zu Unfallmeldungen, die eingereichte Zählliste bezüglich der Autobewegungen und eine Messung mittels Geschwindigkeitsmessgerät im Mai 2020 zur Verfügung.
An der Zählliste lässt sich bereits erkennen, dass mit 153 PKWs grundsätzlich kein außergewöhnlich hoher Durchgangsverkehr in Gottmannsdorf zu verzeichnen ist.
Die Geschwindigkeitsmessung wurde am Ortseingang von Gottmannsdorf aus Heilsbronn kommend durchgeführt und erfasste in drei Tagen 708 Fahrzeuge. Durchschnittsgeschwindigkeit betrug bei erlaubten 50 km/h nur 41 km/h.
Die polizeiliche Stellungnahme führt zur Geschwindigkeitsbegrenzung nur aus, dass diese nicht dringend geboten, aber zur Verbesserung der allgemeinen Verkehrssituation möglich sei.

Eine dringende Gebotenheit müsste aber nach Einschätzung der Verwaltung bei Einhaltung der aktuellen Gesetzeslage und Rechtsprechung vorliegen. Da es sich um eine Beschränkung des fließenden Verkehrs handelt, darf diese nur angeordnet werden, wenn dies aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse notwendig ist und aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist.

Die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30 wird folglich aus Sicht der Verwaltung im Hinblick auf die Einhaltung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften als kritisch angesehen.
Die Entscheidung über den Antrag obliegt dem Bau-, Umwelt- und Klimaausschuss, die Verwaltung weist aber darauf hin, dass gegebenenfalls ein Bezugsfall geschaffen wird, sodass in gleich gelagerten Fällen in den Stadtteilen ebenfalls über Geschwindigkeitsbegrenzungen entschieden werden müsste.  


Änderung der Vorfahrtsregelung:

Gemäß der polizeilichen Stellungnahme aus dem Jahr 2016 wäre von der Änderung der Vorfahrtsregelung hauptsächlich die Kreuzung in der Ortsmitte (Ortseingang aus Richtung Müncherlbach) betroffen. Die restlichen Einmündungen sind bereits mit „Rechts-vor-Links“ geregelt.

In den Verwaltungsvorschriften zu § 8 StVO „Vorfahrt“ ist geregelt, dass an Kreuzungen der „Rechts-vor-Links“-Grundsatz nur gelten soll, wenn die kreuzenden Straßen annähernd gleiche, geringe Verkehrsbedeutung haben, keine der Straßen ihrem ortsfremden Benutzer den Eindruck geben kann, er befinde sich auf der wichtigeren Straße, die Sichtweite nach rechts aus allen Kreuzungszufahrten etwa gleich groß ist und in keiner der Straßen in Fahrstreifen nebeneinander gefahren wird.        

Dies ist nach Einschätzung der Verwaltung in Bezugnahme auf die polizeilichen Stellungnahmen aus dem Jahr 2016 und vom 22.07.2020 vorliegend nicht der Fall.
Insbesondere ist von unterschiedlich hoher Verkehrsbedeutung und Verkehrsbelastung auszugehen. Der Hauptverkehr führt von Heilsbronn in Richtung Raitersaich und umgekehrt, weshalb diese Ader nach aktueller Beschilderung auch als Vorfahrtsstraße gekennzeichnet ist.

Allein die unübersichtliche Gesamtsituation aufgrund der fünf Adern erfordert aus Sicht der Verwaltung die Beibehaltung der bestehenden Vorfahrtsregelung.

Beschluss 1

1. Für den Ortsbereich des Stadtteiles Gottmannsdorf wird eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30 angeordnet.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 7, Dagegen: 0

Beschluss 2

2. Die bestehende Vorfahrtsregelung an der Kreuzung am Ortseingang von Gottmannsdorf von Müncherlbach kommend wird aufgehoben. Anstelle dessen soll an allen Kreuzungen der „Rechts-vor-links“-Grundsatz gelten.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 1, Dagegen: 6

Datenstand vom 11.11.2020 15:16 Uhr