Umsatzsteuerpflicht für Kommunen gemäß § 2b UStG ab 01.01.2021: Sachstandsbericht


Daten angezeigt aus Sitzung:  05. Gemeinderatssitzung, 01.07.2019

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Gemeinde Kirchheim b. München) 05. Gemeinderatssitzung 01.07.2019 ö beschließend 9

Sachverhalt

Umsatzsteuerpflicht für Kommunen gemäß § 2b UStG ab 01.01.2021
Aktueller Sachstand und weiteres Vorgehen
Ab 01.01.2017 gilt der § 2b UStG (§ 2 Abs. 3 UStG wurde aufgehoben), jedoch hat die Gemeinde Kirchheim sinnvollerweise vom Optionsrecht der Verlängerung Gebrauch gemacht, und somit gilt die Umstellung ab dem 01.01.2021  (GR, 07.11.2016, TOP 5).
Durch die Aufhebung des § 2 Abs. 3 UStG unterliegt die öffentliche Hand den allgemeinen Regelungen des UStG; § 2b regelt die Ausnahmen.
Die Umsatzsteuerpflicht für Kommunen trifft künftig für alle Bereiche zu, in denen die Gemeinde außerhalb der Pflichtaufgaben (hoheitliches Tätigwerden) Aufgaben erledigt, die auch von Privaten erbracht werden könnten bzw. Tätigkeiten mit erwerbswirtschaftlichem Charakter sind.
Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt (hoheitlicher Bereich) sind weiterhin von der Umsatzsteuer befreit, sofern keine größeren Wettbewerbsverzerrungen vorliegen.
Für privatrechtliche Tätigkeiten gilt die Unternehmereigenschaft, und die Gemeinde wird bei Einnahmen ab dem ersten Euro umsatzsteuerpflichtig.
Unterschieden wird dies in nicht-steuerbare und steuerbare Angelegenheiten. Die steuerbaren Angelegenheiten wiederum in steuerpflichtige und steuerbefreite. Für manche steuerbefreiten Umsätze besteht die Option, auf die Steuerbefreiung zu verzichten (Vorsteuerabzugspotential).
Zum Teil ist eine klare Abgrenzung der zukünftig umsatzsteuerpflichtigen Bereiche noch nicht abschließend möglich, da bisher kein Anwendungsschreiben des Bundesministeriums für Finanzen vorliegt (wurde ursprünglich für Ende 2017 angekündigt).
Erste ausführlichere Informationen werden vom Bayerischen Gemeindetag, Bayerischen Städtetag und dem BKPV gegeben.
Mit einer Zusammenstellung der verschiedenen gemeindlichen Bereiche, die betroffen sind und diejenigen, die möglicherweise betroffen sein könnten, wurde von der Verwaltung bereits begonnen. Als nächster Schritt erfolgt die Prüfung und Zuordnung in eindeutig nicht-steuerbare und eindeutig steuerbare Tätigkeiten sowie in die nicht eindeutigen Bereiche.
Anschließend werden die eindeutig steuerbaren Tätigkeiten in steuerfreie und steuerpflichtige Tätigkeiten untergliedert. Die nicht eindeutig zuordenbaren Tätigkeiten sollen dann mit dem Finanzamt unter Hilfestellung eines Steuerberaters besprochen werden.
Wie schon bei anderen Projekten gibt es auch hier eine kleine Arbeitsgruppe der Kämmereien von Kirchheim, Aschheim und Feldkirchen, die die Umsetzung der zukünftigen Steuerpflicht in Teilen gemeinsam erarbeitet. Dem Zweckverband weiterführender Schulen im Osten des Landkreises München wurde eine Hilfestellung bei der Umsetzung im Zweckverband angeboten.
Nur um eine grobe Aufstellung zu geben, welche Bereiche der Gemeinde aktuell betroffen sind:
  • Seniorenausflüge und mehrtägige Seniorenreise (Gemeinde ist Reiseveranstalter)
  • Fahrten zu Partnerstädten
  • gewerbliche Vermietungen und Verpachtungen (BML, Mobilfunkmasten usw.)
  • Verkäufe von Büchern, Chroniken, Familienstammbüchern usw.
  • Kulturprogramm
  • Überlassung von Kleinbussen an Vereine und Organisationen (Gemeinde ist Autovermieter)
  • Verleih von Verkaufsbuden, WC-Wagen, Bierzeltgarnituren
  • Feuerwehreinsätze, welche nicht den hoheitlichen Bereich betreffen
  • Kaffee und Kuchenverkauf (z.B. in Schulen, Bücherei, Bajuwarenhof)
  • Kleidercafe
  • Sponsoringeinnahmen
  • Stellplatzvermietung (auch an Mitarbeiter)
  • Spenden, gekoppelt an eine Leistung (Werbeaufdruck, etc.)
  • Fundsachenversteigerung
  • Verkauf gebrauchter Anlagegüter (Drucker, PC, Fahrzeuge, Möblierung usw.)
  • Einnahmen CarSharing Lautlos
  • und noch viele andere Bereiche, die einer genauen Prüfung bedürfen

Je nach Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses können gleiche Tätigkeiten unterschiedlich steuerlich beurteilt werden.
Wird die Tätigkeit über eine Gebührensatzung definiert, und werden die Gebühren als Gebührenbescheid abgerechnet, gilt eine öffentlich-rechtliche Grundlage und ist somit umsatzsteuerbefreit. Ausnahme: wettbewerbsrelevante Tätigkeit mit Umsätzen größer 17.500 Euro = größere Wettbewerbsverzerrung.
Es ist jedoch ebenso eine privatrechtliche Ausgestaltung möglich. In einigen Bereichen hat die Gemeinde eine gewisse Gestaltungsfreiheit.
Ein zusätzlicher Zeitaufwand umfasst die Ermittlung der vorsteuerabzugsberechtigten Aufwendungen, um die Umsatzsteuerzahllast zu minimieren. Beispielsweise ist die „Gebühr“ für Beglaubigungen bereits als eindeutig steuerbar und steuerpflichtig seitens der Finanzämter festgestellt worden. Damit können alle Aufwendungen, die in diesem Zusammenhang entstehen (Büroausstattung, IT, Unterhalt Rathaus [Reinigung, Strom, Versicherung, Bauunterhalt, Wasser, Heizung]) anteilig ermittelt und als Vorsteuer geltend gemacht werden.
Für privatrechtliche Bereiche sind Rechnungen zu erstellen, die Buchhaltung wird zukünftig zweigeteilt nach öffentlich-rechtlich und privatrechtlich unterschieden müssen. Alle Mitarbeiter, welche Rechnungen stellen, müssen beurteilen können, ob sie diese mit Umsatzsteuer stellen müssen. Hierzu bedarf es Schulungen der Mitarbeiter oder alternativ jeweils Rücksprache mit der Kämmerei. Eine vermeintlich gleiche Leistung kann je nach Sachverhalt unterschiedlich steuerpflichtig sein:
  • Kopiergeld in Schulen: Kopien für Unterrichtszwecke (nicht-steuerbar), private Kopien (steuerbar)
  • Leistungen der Feuerwehr: Entfernung eines Baumes von Straße (nicht-steuerbar) oder aus privatem Garten (steuerbar)

Hierbei sind Mahnläufe, Fristen und dergleichen für den privatrechtlichen Bereich parallel neu aufzubauen.
Je nach Umsatzsteuerzahllast kann sich die aktuell jährliche Abgabe der Umsatzsteuererklärung ändern:
  • Monatliche Abgabepflicht: Die Umsatzsteuerzahllast im Vorjahr größer 7.500 €.
  • Vierteljährliche Abgabepflicht: Die Umsatzsteuerzahllast im Vorjahr 1.000 € - 7.500 €.
  • Umsatzsteuerjahreserklärung: Die Umsatzsteuerzahllast im Vorjahr kleiner 1.000 €.
Die im Einsatz befindliche Finanzsoftware soll dafür technisch vorbereitet sein, die Meldungen sollen zukünftig aus dem Verfahren heraus online erfolgen.
Parallel zur Umstellung auf § 2b UStG sollte ein TCMS (Tax Compliance Management System) bzw. IKS (innerbetriebliches Kontrollsystem für Steuern) aufgebaut werden, um sicherzustellen, dass die Steuergesetze eingehalten werden und sich rechtmäßig verhalten wird. Auch kann das IKS gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit bei einer Steuerverkürzung sprechen.

Weiterer Zeitablauf:
Mitte 2019 bis Anfang 2020:
  • Abschluss der Prüfung und Wertung aller betroffenen Bereiche
  • Ggfs. Entscheidung des Gemeinderats, welche der betroffenen Bereiche auch mit dem zukünftig zusätzlichen Verwaltungsaufwand einer Steuerpflicht fortgeführt werden sollen und wie bei Bereichen mit Gestaltungsspielraum verfahren werden soll

Anfang bis Mitte 2020:
  • Aufstellung der notwendigen Satzungen, Benutzungsordnungen usw. in den Bereichen mit Gestaltungsspielraum, die zukünftig weiter öffentlich-rechtlich betrieben werden können und sollen
  • abschließende Klärung der zukünftig steuerpflichtigen Bereiche mit Finanzamt/Steuerberater
  • Aufstellung einer Dienstanweisung (Tax Compliance)

Mitte bis Ende 2020:
  • Vorbereitung des HH 2021 mit den zusätzlichen Haushaltsstellen für Vorsteuer/Umsatzsteuer
  • Aufbau der steuerrelevanten Buchhaltung/Kassenverwaltung mit Umstellung der bisherigen Nettoeinzahlungen auf Bruttoeinzahlungen (Information aller Rechnungssteller)
  • Aufbau der programmseitigen monatlichen Steuerermittlung und –verwaltung

Bisher hat sich in der Kämmerei überwiegend eine Person neben anderen Aufgaben im Steuerbereich mit der Planung der zukünftigen Umsetzung beschäftigt.
Da hier der Zeitaufwand ab Mitte 2019 größer wird, um die verpflichtende Umsetzung ab 01.01.2021 gewährleisten zu können, werden in dieser Zeit kaum noch weitere zusätzliche Aufgaben bewältigt werden können.
Es wird allerdings die Unterstützung und Mithilfe sämtlicher Abteilungen und Referate benötigt. Alternativ könnte die Umsetzung der Umsatzsteuerpflicht theoretisch auch zu den üblichen Stundensätzen überwiegend an eine externe Steuerkanzlei ausgelagert werden. Hier müsste grob geschätzt mit einem Zeitaufwand zwischen 500 und 1.000 Stunden zu einem Honorar zwischen etwa 140,- € und 230,- € pro Stunde (netto) auf jeden Fall gerechnet werden. Aber auch hier werden Zuarbeiten seitens der Kämmerei notwendig, um die gemeindeeigenen Tätigkeiten spezifizieren zu können.
Zusätzliche Infos, welche alle Kolleg*innen ebenfalls bereits von der Finanzverwaltung erhalten haben, liegen als Anlage bei.

Beschlussvorschlag

- zur Information und Kenntnis -

Dokumente
Steuerpflicht der Gemeinde allgemeine Informationen (.pdf)

Datenstand vom 22.09.2020 08:26 Uhr