Antrag der FDP/Gemeinderatsmitglied Kleiber vom 14.11.2019: "Bessere Teilhabe an Gemeinderats- und Ausschusssitzungen"- Fortsetzung 28.01.2020


Daten angezeigt aus Sitzung:  01. Gemeinderatssitzung, 27.01.2020

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Gemeinde Kirchheim b. München) 01. Gemeinderatssitzung 27.01.2020 ö beschließend 10

Sachverhalt

Gemeinderatsmitglied Kleiber hat mit Schreiben vom 14.11.2019 beantragt, eine bessere Teilhabe an Gemeinderats- bzw. Ausschusssitzungen zu ermöglichen. Der Antrag liegt dem Sachvortrag als Anlage bei, wir dürfen insofern darauf verweisen.

Der Bayerische Gemeindetag (nachfolgend kurz: BayGT) hat sich in seiner Zeitschrift (Nr. 03/2014, 135/141) zum Thema folgendermaßen geäußert:

Aufgrund der in der Beratungspraxis zunehmenden Anfragen wurde im Rahmen der Überarbeitung der Geschäftsordnungsmuster auch das Thema Live-Übertragungen von Gemeinderatssitzungen erörtert. Der Bayerische Gemeindetag hat sich bewusst dagegen entschieden, in seinen Geschäftsordnungsmustern eine ausdrückliche Regelung hierzu aufzunehmen, und rät aus verschiedenen Gründen hiervon ab.

Aus kommunalverfassungsrechtlicher Sicht ist zunächst klarzustellen, dass Art. 52 Abs. 2 GO lediglich die sog. „Saalöffentlichkeit“ gewährleistet. Jeder Interessierte hat danach die Möglichkeit und das Recht, in der öffentlichen Gemeinderatssitzung anwesend zu sein und sich unmittelbar zu informieren. Dagegen folgt aus Art. 52 Abs. 2 GO kein Anspruch auf „Transparenz“ durch Herstellung der sog. „Medienöffentlichkeit“, auch wenn in diesem Zusammenhang oftmals argumentiert wird, dass die Bürgerinnen und Bürger dann bequem von zu Hause aus die Beratungen des Gemeinderats verfolgen könnten und dies einer zeitgemäßen Interpretation des „Öffentlichkeitsgrund -satzes“ entspräche.

Zur datenschutzrechtlichen Beurteilung von Live-Übertragungen öffentlicher Sitzungen im Internet hat sich der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz bereits mehrfach geäußert. Unter Hinweis auf die Tatsache, dass bei einer Live-Übertragung im Internet Bild und Ton weltweit von einer unbegrenzten Zahl von Personen abgerufen, aufgezeichnet, ggf. sogar verändert und ausgewertet werden können, fordert dieser zwingend eine Einwilligung der betroffenen Personen.

Diese Einwilligung müsse ohne Entscheidungsdruck eingeholt und der betreffenden Person aufgrund der Tragweite der Entscheidung eine angemessene Überlegungsfrist eingeräumt werden. Folglich sei der Zuhörerbereich von einer Übertragung generell auszunehmen, da eine entsprechende Frage in den Zuhörerraum vor Beginn der Sitzung diesen Anforderungen an eine datenschutzrechtliche Einwilligung nicht gerecht werden könne. Die Bestimmungen in § 21 Abs. 2 Sätze 3 und 4 genügen diesen Anforderungen erkennbar nicht. Zum einen sieht Satz 3 lediglich ein Widerspruchsrecht (nicht: Einholung einer Einwilligung) des einzelnen Gemeinderatsmitglieds vor, zum anderen ist der vom Datenschutzbeauftragten geforderte Ausschluss des Zuhörerbereichs nicht klar formuliert.

Eine Live-Übertragung von Gemeinderatssitzungen wird aus folgenden – teilweise auch vom Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz2  angestellten – Erwägungen
nicht empfohlen:


  • Der Gemeinderat ist ein aus ehrenamtlichen Mitgliedern bestehendes Gremium, kein mit hauptberuflichen Politikern besetztes Parlament. Er trifft lokal bedeutsame Sach-entscheidungen. Ein Erfordernis für eine weltweite Übertragung von Sitzungen wird nicht gesehen;

  • interessierte Bürgerinnen und Bürger können öffentliche Gemeinderatssitzungen im Sitzungssaal mitverfolgen und/oder die Niederschriften hierzu einsehen;

  • es steht zu befürchten, dass durch das Bewusstsein einer weltweiten Übertragung der Wortbeiträge die Diskussionskultur und letztlich die Funktionsfähigkeit des Gremiumsbeeinträchtigt wird;

  • die Einholung einer Einwilligung der einzelnen Gemeinderatsmitglieder ohne Entscheidungsdruck dürfte in der Praxis nur schwer möglich sein, zumal die Entscheidung hierzu in öffentlicher Sitzung (mit entsprechender Medienberichterstattung) zu treffen ist;

  • der Ausschluss des Zuhörerbereichs im Rahmen der Live-Übertragung dürfte schon aufgrund des baulichen Zuschnitts vieler Sitzungssäle schwerlich oder nur mit großem Aufwand zu bewerkstelligen sein;

  • der Kosten-Nutzen-Aufwand ist fragwürdig. Dem Vernehmen nach fallen in einer kreisfreien Stadt mittlerer Größe für die Live-Übertragungen jährliche Kosten in Höhe von 15.000 € an. Die Zahl der Nutzer sei von anfänglich mehreren Hundert auf zwischenzeitlich zwischen 30 und 50 pro Sitzung gefallen. Wie viele dieser Nutzer dabei der Stadtverwaltung selbst zuzuordnen sind, ist nicht bekannt.

Entscheidet sich ein Gemeinderat dennoch für eine Live-Übertragung seiner öffentlichen Sitzungen im Internet, ist dringend die Aufnahme einer eindeutigen Regelung in die Geschäftsordnung zu empfehlen, wonach eine solche Übertragung nur mit vorheriger ausdrücklicher Einwilligung jedes einzelnen Sitzungsteilnehmers zulässig und der Zuhörerbereich insgesamt von der Übertragung auszunehmen
ist.“

Die Verwaltung teilt die Auffassung des BayGT, wonach die Live-Übertragung von öffentlichen Sitzungen in der Geschäftsordnung geregelt werden sollte. Insofern wird vorgeschlagen, dass sich der Gemeinderat der Wahlperiode 2020/2026 mit dem Thema bzw. Antrag im Zuge der Beratungen über die Geschäftsordnung befasst und insofern auch eine Sachentscheidung trifft.

Beschlussvorschlag

Der Gemeinderat nimmt Kenntnis vom Antrag von Gemeinderatsmitglied Kleiber vom 14.11.2019 und beschließt eine Vertragung in die Wahlperiode 2020/2026.  

Dokumente
Antrag von Gemeinderatsmitglied Gerd Kleiber vom 14.11.2019: "Bessere Teilhabe an Gemeinderats- und Ausschusssitzungen" (.pdf)

Datenstand vom 22.09.2020 08:52 Uhr