Weitere Informationen zu Einsparmaßnahmen aufgrund unsicherer Haushaltslage, s. GR 07.07.2020 und 08.09.2020


Daten angezeigt aus Sitzung:  02. Hauptausschuss, 24.11.2020

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Hauptausschuss (Gemeinde Kirchheim b. München) 02. Hauptausschuss 24.11.2020 ö beschließend 4

Sachverhalt

1. Einführung der Zweitwohnungssteuer:
In der GR-Sitzung am 07.07.2020 hat der Gemeinderat beschlossen, die Einführung der Zweitwohnungssteuer weiter zu verfolgen.
Nach weiteren intensiven Recherchen der Verwaltung sind folgende Gesichtspunkte zu beachten:
Hintergründe
Für die Aufteilung des Steueraufkommens auf die Kommunen werden in der Regel nur die Einwohner mit Hauptwohnung berücksichtigt. Einwohner mit Nebenwohnung werden dabei nicht berücksichtigt, obwohl diese zumindest anteilig auch die vorhandene Infrastruktur (u.a. Straßenverkehr, Stadtpark, subventionierte Einkaufsstraße) nutzen und maximal indirekt durch getätigten Umsatz etwas für die Kommune beitragen. Somit verfolgt eine Zweitwohnungssteuer das federführende Ziel, höhere Einnahmen aus dem Finanzausgleich durch Ummeldungen zu erzielen. Bei Gemeinden und Städten mit viel Tourismus dient die Zweitwohnungssteuer als Ausgleich zu den fehlenden Einnahmen aus dem Finanzausgleichgesetz.
Die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer macht daher nur bei größeren und touristisch geprägten Gemeinden bzw. Städten Sinn.
Steuergegenstand
Es gibt 2 Besteuerungsarten:
1. Nebenwohnsitz
Hier wird der melderechtliche Nebenwohnsitz versteuert.
2. Zweitwohnung
Hier wird von einer Person eine (Zweit-)Wohnung steuerpflichtig, wenn er in einer anderen als Hauptwohnung wohnt.
Beachte:
„Viel-Wohnungsbesitzer“ haben bei einer solchen Steuer das Nachsehen, weil sie für jede Wohnung, welche sie nicht als Hauptwohnung nutzen, theoretisch steuerpflichtig werden. Ferner muss für jede Wohnung eine eigene Steuererklärung abgegeben werden.
Aber: Falls eine Wohnung vermietet ist (Nachweis: Mietvertrag + melderechtliche Anmeldung des Mieters), ist der Steuertatbestand nicht mehr erfüllt und die Zweitwohnungssteuer darf nicht mehr erhoben werden.
Überwiegend wird Besteuerungsart Nr. 2 angewandt. München, z.B. macht von beiden Besteuerungsarten Gebrauch.

Befreiungen
Es gibt folgende gesetzliche und gerichtlich vorgeschriebene/festgesetzte Befreiungen:
  • Berufspendler
Verheiratete, die aus beruflichen Gründen einen Zweitwohnsitz in Kirchheim haben, sich aber mit ihrem Ehepartner einen gemeinsamen Hauptwohnsitz in einem anderen Ort teilen.
(Urteil vom Bundesverfassungsgericht von 2015; AZ 1 BvR 1232/00)
  • Wohnungen von Pflege-, Altenheimen oder therapeutischen Einrichtungen
  • Personen, die sich nur vorübergehend – nicht länger als 6 Monate – an einem Ort aufhalten
  • Geringverdiener (Alleinstehend unter 29.000,- jährlich; Ehegatten oder Lebenspartner unter 37.000,- jährlich)
Nur in Bayern und nur auf Antrag!!
  • Nutzung von gemeinnützigen oder öffentlichen Trägern zu therapeutischen und/oder erzieherischen Zwecke
  • Wohnung, welche an einen Straftäter vermietet ist
  • Minderjährige und Azubis

Verwaltungsaufwand
Folgender Verwaltungsaufwand ist bei einer Einführung zu berücksichtigen:
  • Vorbereitungszeit der Steuereinführung wird auf ca. 3–5 Monate geschätzt, bei einer Arbeitszeit von 20-25 Std./Woche; danach wöchentlicher Arbeitsaufwand von ca. 5 Stunden
  • Eigenes Steuererklärungsformular muss entwickelt werden (ca. 4-6 Seiten)
  • Alle gegebenen Steuererklärungen müssen überprüft werden (u.a. auf Vollständig- und Richtigkeit)
  • Grundsteuerdatenbank müsste anfangs mit Einwohnerdatenbank abgeglichen werden, um herauszufinden, welche Wohnung eine Zweitwohnung ist und wer einen Nebenwohnsitz gemeldet hat (Größenordnung ca. 5.500 Objekte, die abgeglichen werden müssen)
  • Einwohnermeldeamt müsste/sollte in regelmäßigen Abständen über Veränderungen berichten (betrifft Nebenwohnsitz)
  • Unvorhersehbarer Aufwand für Nachbearbeitung und Nachverfolgung von Unterlagen inkl. Bußgeldverfahren
  • Zu erwarten sind Widerspruchsverfahren bis hin zu Klageverfahren – hierbei könnte es passieren, dass aufgrund eines formellen und/oder materiellen Fehlers ein Verwaltungsgericht die Satzung für nichtig erklärt, sofern der Fehler nicht heilbar ist

Fazit
Folgende Gründe sprechen gegen eine Einführung:
  • Einnahmenhöhe unmöglich kalkulierbar (zu viele Faktoren wie u.a. Miethöhe, Befreiungen, Abmeldungen)
  • Mehraufwand für Mitarbeiter hoch – Neueinstellung zwingend erforderlich
  • Vorbereitende Phase wird – ab Einstellungstermin neuer Mitarbeiter – auf mind. 6 Monate + X geschätzt
  • Zweitwohnungssteuer gilt auch als Luxussteuer; könnte „politischem Selbstmord“ gleichen, wenn Einnahmen nach Einführung nur gering ausfallen
  • Vergleich zu einer Stadt mit 41.000 EW (LKR FFB): durchschnittliche jährliche Einnahmen aus der Zweitwohnungssteuer betragen 35.000 Euro

Von der Einführung einer Zweitwohnungssteuer wird aus Gründen des Kosten-Nutzen-Verhältnisses abgeraten.
Ferner muss damit gerechnet werden, dass wir durch die vorgeschriebenen Befreiungen keine Einnahmen generiert werden könnten.
Vergleichswerte Zweitwohnungssteuer
Bad Aibling
Einwohner:        19.000
Steuer:                   2019 -> 15.600,-
                        2020 -> 15.000,- Ansatz im Haushaltsplan

Große Kreisstadt Eichstätt
Einwohner:        ca. 14.000
Steuer:                   2019 -> 0,-

Große Kreisstadt Germering
Einwohner:        ca. 41.000
Steuer:                   2019 -> 34.500,-
                          2020 -> 35.000,- Ansatz im Haushaltsplan

Kreisfreie Stadt Kempten
Einwohner:        70.000
Steuer:                   2018 -> 80.000,-
   2019 -> 63.000,- Ansatz im Haushaltsplan
   2020 -> 88.000,- Ansatz im Haushaltsplan

2. Einführung der Grundsteuer C:
Weiterhin hat der Gemeinderat in der GR-Sitzung am 07.07.2020 die Verwaltung beauftragt, die Einführung der Grundsteuer C zu prüfen:
Die Einführung der Grundsteuer C hängt von der Tatsache ab, ob und wie das zukünftige (bayerische) Grundsteuergesetz gestaltet ist.
In diesem soll verankert werden, ob überhaupt eine Grundsteuer C erhoben werden darf.
Nach der aktuellen Gesetzeslage darf eine Grundsteuer C, wenn überhaupt, erst ab 01.01.2025 erhoben werden.
Zusätzliche Info: Der Bayerische Städtetag hat sich kürzlich wie folgt dazu geäußert:
„Auf Bundesebene besteht nun eine Rechtsgrundlage für einen Hebesatz auf baureife Grundstücke: Mit der Grundsteuer C können die Kommunen ein wichtiges Steuerungsinstrument zur Mobilisierung von Flächen für Wohnungsbau erhalten. Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayr: „Die Grundsteuer C ist ein unverzichtbares Instrument, um Flächen für den Wohnungsbau zu mobilisieren. Damit können baureife Grundstücke, solange sie nicht bebaut sind, mit einem eigenen Hebesatz belegt werden. Der Bayerische Städtetag erwartet, dass der Freistaat diese bundesrechtlich vorgesehene Möglichkeit in Bayern in einem Landesgrundsteuergesetz umsetzt.““

Beschlussvorschlag

  1. Der Hauptausschuss empfiehlt dem Gemeinderat, aufgrund des ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses Abstand von der Einführung der Zweitwohnungssteuer zu nehmen.
  2. Der Gemeinderat empfiehlt dem Gemeinderat, die Verwaltung zu beauftragen, die Prüfung zur Einführung der Grundsteuer C zu gegebenem Zeitpunkt erneut vorzulegen, sobald die Gesetzeslage dies zulässt.

Datenstand vom 10.02.2021 07:20 Uhr