Ortsrecht - Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe


Daten angezeigt aus Sitzung:  2101. Stadtrat, 27.01.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bauausschuss 2101. Bauausschuss 19.01.2021 ö Vorberatend 2.1
Stadtrat 2101. Stadtrat 27.01.2021 ö Beschließend 2

Beschluss

Der Stadtrat beschließt den Erlass der Satzung über abweichende Maße der Abstandflächentiefe und beauftragt die Verwaltung nach einem Jahr dem Stadtrat über die Erfahrungen zu berichten.


Der Stadtrat beschließt die Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe mit folgendem Wortlaut:

Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe

Präambel:

Der Ministerrat der Bayerischen Staatsregierung hat die Novelle der Bayerischen Bauordnung (BayBO) in seiner Sitzung am 23. Juni 2020 beschlossen. Zu diesem Zweck hat das Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr am 09. Dezember 2020 einen „Gesetzesentwurf zur Vereinfachung baurechtlicher Regelungen und zur Beschleunigung sowie Förderung des Wohnungsbaus“ vorgelegt. Hierbei soll auch das Abstandsflächenrecht reformiert werden. Um ein dichteres und flächensparendes Bauen zu ermöglichen, soll nach Art. 6 Abs. 5 S. 1 BayBO künftig nach neuer Fassung statt 1 H nur mehr eine Abstandsfläche von 0,4 H nötig sein und zwar in allen Gebieten mit Ausnahme von Gewerbe- und Industriegebieten.

Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 lit. A BayBO eröffnet Gemeinden die Möglichkeit, das Abstands-flächenrecht abweichend von der gesetzlichen Regelung zu gestalten, wenn dies die Erhaltung des Ortsbildes im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebiets bezweckt oder der Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität dient.

Nach der Rechtsprechung beschränkt sich die Regelungskompetenz des Bauordnungsrechts bei der abweichenden Bestimmung von Abstandsflächen auf im weiteren Sinne sicherheitsrechtliche Zielsetzungen. Abstandsflächen können zur Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke, zur Sicherstellung von Flächen für Nebenanlagen, zur Herstellung des Wohnfriedens und Sicherstellung des Brandschutzes abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen geregelt werden. In Bezug auf das Ortsbild sind nur gebäudebezogene Regelungen zulässig, die sich mittelbar auf die Gestaltung des Ortsbildes auswirken.


I. Satzungstext


§ 1 Geltungsbereich

Die Satzung gilt für das Gemeindegebiet südlich der Mangfall sowie nördlich der Bahnlinie der Stadt Kolbermoor.


§ 2 Abstandsflächentiefe

1Abweichend von Art. 6 Abs. 5 S. 1 BayBO beträgt die Abstandsfläche im Gemeindegebiet außerhalb von Gewerbe-, Kern- und Industriegebieten, festgesetzten urbanen Gebieten 1 H, mindestens jedoch 3 m. 2Vor bis zu zwei Außenwänden von nicht mehr als 16 m Länge genügen in diesen Fällen 0,5 H, mindestens jedoch 3 m, wenn das Gebäude an mindestens zwei Außenwänden Satz 1 beachtet.


§ 3 Bebauungspläne

1In Bebauungsplänen festgesetzte, abweichende Abstandsflächen bleiben unberührt. 2Ordnen Bebauungspläne, die vor dem 01. Februar 2021 in Kraft traten, gemäß Art. 6 Abs. 5 S. 3 die Geltung der Abstandsflächenvorschriften an, gilt auch für diese § 2 dieser Satzung.



§ 4 Inkrafttreten

Die Satzung tritt am 01. Februar 2021 in Kraft.



Stadt Kolbermoor,

Peter Kloo
Erster Bürgermeister



II. Begründung

Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 lit. a BayBO eröffnet Gemeinden die Möglichkeit, das Abstandsflächenrecht abweichend von der gesetzlichen Regelung zu gestalten, wenn dies die Erhaltung der Ortgestaltung im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebiets bezweckt oder der Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität dient.

Die Satzung trägt der Tatsache Rechnung, dass in der Stadt Kolbermoor ein Bedürfnis besteht, die Nachverdichtung einerseits zu ermöglichen, andererseits aus ortsgestalterischen Gründen und zur Erhaltung und Verbesserung der Wohnqualität gegenüber der am 01. Februar 2021 in Kraft tretenden neuen Abstandsflächentiefe größere Abstände zwischen den Gebäuden zu erhalten.
Die Stadt ist sich auch bewusst, dass die Verlängerung der Abstandsflächen gegenüber der gleichzeitig in Kraft tretenden gesetzlichen Verkürzung derselben Auswirkungen auf die bauliche Ausnutzbarkeit von Grundstücken haben kann und damit auch Eigentümerinteressen nachteilig betroffen werden können. Allein aus den neuen Berechnungsmodalitäten für die Errechnung der Gebäudehöhe, die nicht Gegenstand dieser Satzung sind, sondern nach der Neuregelung der Bayerischen Bauordnung zur Anwendung kommen, ergibt sich mit vorliegendem Satzungsrecht teilweise eine Verschärfung der Abstandsflächen gegenüber der bestehenden Rechtslage. Die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Wohnqualität im Stadtgebiet rechtfertigt indes mögliche Eigentumseinschränkungen. Sie rechtfertigt insbesondere diese Einschränkung. In Bezug auf Bestandsgebäude kann über Abweichungen gemäß Art. 63 BayBO reagiert und ein Ausgleich gefunden werden.
Die Stadt Kolbermoor mit ihren Ortsteilen ist von einem übermäßig starken Siedlungsdruck geprägt. Die Ziele „Erhaltung des Ortsbildes, des traditionellen Siedlungscharakters und der Wohnqualität“ wären ohne diese Satzung in der Stadt Kolbermoor nachhaltig gefährdet.
Nach der Rechtsprechung beschränkt sich die Regelungskompetenz des Bauordnungsrechts bei der abweichenden Bestimmung von Abstandsflächen auf im weiteren Sinne sicherheitsrechtliche Zielsetzungen. Abstandsflächen können zur Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke, zur Sicherstellung von Flächen für Nebenanlagen, zur Herstellung des Wohnfriedens abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen geregelt werden. In Bezug auf das Ortsbild sind nur gebäudebezogene Regelungen zulässig, die sich mittelbar auf die Gestaltung des Ortsbildes auswirken.

Vorstehende Satzung wird im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage maßgeblich zur Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität erlassen.

Im Gemeindegebiet sind nach wie vor viele Bereiche nicht überplant und beurteilen sich planungsrechtlich nach § 34 BauGB. Darüber hinaus sind in Bebauungsplänen zum Teil großzügige Baugrenzen festgelegt. In diesen Bereichen wird der Abstand von Baukörpern zueinander im Wesentlichen durch das Abstandsflächenrecht geregelt. Der hohe Siedlungsdruck im Gemeindegebiet und die immer weiter steigenden Grundstückspreise werden daher dazu führen, dass die Mindestmaße der gesetzlich festgelegten Abstandsflächen weitestgehend ausgenutzt werden. Damit wird sich die Wohnqualität im Gemeindegebiet nachteilig ändern. Eine solche, über verkürzte Abstände erwirkte, Nachverdichtung wird nach Auffassung der Gemeinde auch nachteilige Auswirkungen auf den Wohnfrieden haben.

Die Wohnqualität ist im Gemeindegebiet in vielen Bereichen durch größere Abstände zwischen den Gebäuden geprägt. Gerade im Gemeindegebiet werden Wohnformen angeboten, die im urbanen Raum nicht bzw. nur noch selten anzutreffen sind. Das Wohnen ist geprägt durch Abstand zum Nachbarn. Freibereiche um die Gebäude stellen insoweit einen wesentlichen Bestandteil der Wohnqualität dar, insbesondere auch für Kinder. Die Stadt Kolbermoor möchte mit dieser Satzung die Wohnqualität, die durch größeren Abstand zwischen den Gebäuden geprägt ist, erhalten und gegebenenfalls im Rahmen der Neubebauung von Grundstücken verbessern. Dies führt auch zu einer Verbesserung von Belichtung und Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke.

Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung der Abstandsflächen in Art. 6 Abs. 5 BayBO die Untergrenze des zulässigen Gebäudeabstands festgelegt. Die Stadt möchte für ihr Gemeindegebiet höhere Standards als vom Gesetzgeber vorgesehen festlegen.

Gleichzeitig werden über größere Abstandsflächen auch notwendige Flächen für Nebenanlagen gesichert. Der Bedarf an Flächen zur Unterbringung von Gartengeräten, Spielgeräten für Kinder, von Fahrrädern und natürlich von Kfz ist größer als in der Stadt. Durch die Verlängerung der Abstandsflächen wird auch insoweit ausreichend Raum auf den Baugrundstücken gesichert.

Die Geltung der Satzung bezieht sich auf Gebiete, in denen zumindest auch eine Wohnnutzung zulässig ist. Sie sichert damit insgesamt für Wohnnutzungen eine ausreichende Wohnqualität.

Die Stadt Kolbermoor bezieht in ihre Überlegungen durchaus ein, dass der Gesetzgeber mit der Abstandsflächenverkürzung zu einer Innenverdichtung und einer Verringerung der neuen Inanspruchnahme von Flächen beabsichtigt. Die Stadt hält aber die Erhaltung und Verbesserung der Wohnqualität in ihrem Gemeindegebiet für vorrangig. Dem Gebot der Innenverdichtung kann auch durch ein höheres Maß baulicher Nutzung erreicht werden, etwa durch höhere Gebäude, welche die Abstandsflächen einhalten. Dies wird die Stadt in ihren Planungen berücksichtigen. In Bezug auf das Maß der Regelung der Abstandsflächentiefen hat sich die Stadt im Wesentlichen am bisherigen Abstandsflächenrecht orientiert, da dieses nach ihrer Auffassung eine ausreichende Wohnqualität sicherte. Ihr ist dabei bewusst, dass in Bezug auf die Berechnung der Abstandsflächentiefen Änderungen eingeführt werden und es gerade nicht zur Fortgeltung des bisherigen Abstandsflächenrechts insgesamt kommt.

Unabhängig von dieser Satzung wird die Stadt Kolbermoor insbesondere für bereits verdichtete Bauflächen prüfen, ob eine weitere, verdichtete Bauweise aus städtebaulichen Gründen möglich ist. Diese Flächen sollen dann über ein Bauleitplanverfahren mit städtebaulich motivierten Engstellungen überplant werden.

In Bezug auf den Geltungsbereich hat sich die Stadt Kolbermoor dazu entschieden, die abweichenden Abstandsflächen für das Gemeindegebiet südlich der Mangfall sowie nördlich der Bahnlinie anzuordnen. Zwar gibt es im Gemeindegebiet unterschiedliche Siedlungsstrukturen und Bauweisen. Das vorrangige Ziel einer Erhaltung und Verbesserung der Wohnqualität soll generell im Gemeindegebiet verfolgt werden und damit auch Grundlage der Abstandsflächenbemessung sein. Ohnehin kommt die Satzung dort nicht zum Tragen, wo bereits aus planungsrechtlichen Gründen an die Grundstücksgrenze gebaut werden muss oder darf.

Die Regelung der Abstandsflächentiefe nach dieser Satzung soll auch für die Bebauungspläne gelten, für die vor dem 01.02.2021 die Geltung der Abstandsflächen gem. Art. 6 Abs. 5 S. 3 BayBO angeordnet wurde. Die am 01.02.2021 durch Änderung der Bayerischen Bauordnung in Kraft tretende Abstandsflächenverkürzung soll für diese Bebauungspläne nicht zum Tragen kommen. Für Bebauungspläne, die selbst eigene Abstandsflächentiefen festsetzen, bleibt es bei dieser Festsetzung. Führt die Neuregelung der Abstandsflächen unter Anwendung der in der Neufassung der Abstandsflächen festgelegten Berechnungsmodalitäten dazu, dass bestehende Gebäude, die genehmigt sind, nicht mehr die Abstandsflächenvorschriften einhalten, kann über Abweichungen gemäß Art. 63 BayBO reagiert werden.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 24, Dagegen: 1

Datenstand vom 02.02.2021 10:52 Uhr