Urban-Gardening - Förderung gärtnerischer Initiativen im Stadtgebiet


Daten angezeigt aus Sitzung:  3. Sitzung des Werkausschusses GTL, 29.07.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Werkausschuss Garten- und Tiefbaubetriebe Lindau (Stadt Lindau) 3. Sitzung des Werkausschusses GTL 29.07.2021 ö beschließend 4

Sachverhalt

Die Wurzeln des „Urban Gardening“ - zu Deutsch „Städtischer Gartenbau“ - liegen in vergangenen Jahrhunderten, als die Versorgungslage städtischer Gebiete aufgrund der Lager- und Transportbedingungen deutlich schwieriger war. Daraufhin haben sich innerstädtische oder stadtnahe private als auch gewerbliche Anbauflächen entwickelt, die insbesondere den Bedarf an verderblichen Lebensmitteln bedienen konnten. Grundlegende Umwälzungen in der Agrarwirtschaft aber auch in der Lager- und Transporttechnik, insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, haben diese Art des Gartenbaus deutlich zurückgedrängt. Flächen innerhalb der Städte und in deren unmittelbaren Umgebung fielen brach oder wurden städtebaulich entwickelt. In den vergangenen Jahrzehnten setzte bei weiten Bevölkerungsteilen, insbesondere in den Städten eine Rückbesinnung auf eine Versorgung mit regionalen, nachhaltig produzierten Lebensmitteln ein.

Unter anderem aus dieser Sichtweise heraus entwickelte sich das sogenannte „Urban Gardening“, welches unterschiedliche Ausprägungen besitzt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff häufig für eine (gemeinschaftliche) Bewirtschaftung innerstädtischer, landwirtschaftlicher Flächen und Gärten oder die gärtnerische Umnutzung von Flächen und Gebäuden verwendet. Die Bandbreite des „Urban-Gardening“ beinhaltet per Definition aber auch den klassischen innerstädtischen Schrebergarten und reicht bis hin zum „Guerilla Gardening“.

Auch innerhalb Lindaus wächst das Bedürfnis nach einer Eigenversorgung mit selbstangebautem Obst, Gemüse und Kräutern sowie allgemein nach gärtnerischem Schaffen, verbunden mit dem Wunsch nach Begegnung, Gemeinschaft und Engagement für den eigenen Stadtteil.

Erfolgreiches Beispiel hierfür ist das temporäre Projekt, welches derzeit im Rahmen einer Sondernutzung am Reichsplatz von engagierten Bürgern betrieben wird. Hierfür wurden die bisher auf dem Reichsplatz angesiedelten Nutzungen mit geringem Aufwand neu geordnet und 20 substratgefüllte Pflanzbehälter aufgestellt, welche von den Beteiligten individuell bepflanzt werden konnten.

Die bisher gemachten Erfahrungen waren durchweg positiv, das Interesse von vorbeikommenden Bürgern und Besuchern ist groß. Bisher kam es zu keinem nennenswerten Schaden durch Vandalismus oder Diebstahl. Im Gegenteil werden die Flächen mit Respekt und Wertschätzung behandelt.

Fachliche Bewertung

Zielsetzung der Garten- und Tiefbaubetriebe Lindau (GTL) ist es, vergleichbaren Vorhaben Raum zu geben, aber auch die Bereitschaft von Bürgern wie auch ortsansässigen Vereinen und Unternehmen zu unterstützen, öffentliche Flächen mit zu gestalten und Verantwortung für diese zu übernehmen.

Folgende mögliche Einzelmaßnahmen wurden daher einer fachlichen Bewertung unterzogen und auf ihre Umsetzbarkeit überprüft.

  1. Mobile Gärten - Aufstellung von Pflanzbehältern an unterschiedlichen Standorten 

Mit der Vorhaltung von etwa 50 Pflanzbehältern, vergleichbar mit denen die bereits mit Gehölzen und Stauden bepflanzt aus dem Gartenschaujahr bekannt sind, können gärtnerische Initiativen unterstützt werden. 

Die hölzernen Pflanzkisten werden durch die GTL mit Substrat befüllt und an geeignete Standorte verbracht.

Interessierte Bürger, Bildungseinrichtungen, Vereine oder Initiativen können sich mit einem Konzept bewerben und bekämen eine limitierte Anzahl an Behältern gestellt. Von derartigen Initiativen zusätzlich benötigte Behälter können eigenfinanziert oder beispielsweise mithilfe von Sponsoren ergänzt werden.

Die Finanzierung erfolgt über den Erfolgsplan der GTL.

  1. Growroom

Weiterer Bestandteil der Bemühungen eine gemeinschaftliche und verantwortungsvolle Nutzung öffentlichen Raums zu fördern, ist der sogenannte „Growroom“. Dieser wurde bereits als Prototyp hergestellt und am Therese-von-Bayern-Platz aufgestellt.

Es handelt sich um eine kugelförmige, begehbare Holzkonstruktion, welche individuell z. B. wie derzeit geschehen, mit Duftkräutern und Blumen bepflanzt werden kann. Die Konstruktion ist in transportfähige Bauteile zu zerlegen und damit flexibel nutzbar.

Durch die Herstellung weiterer „Growrooms“ sollen temporäre Anziehungspunkte etwa im Rahmen von Veranstaltungen oder auch für Bürgerinformations- oder Beteiligungsverfahren geschaffen werden. Auch soll beispielsweise für Unternehmen die Möglichkeit gegeben werden, durch einen solchen Anziehungspunkt ihre Flächen zumindest zeitweise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies kann vorerst in einem Auswahl- und Leihsystem geschehen und dann mit fachlicher Unterstützung der GTL in einer eigenen baulichen Umsetzung münden.

Die Kosten für die Herstellung von vorerst zwei weiteren städtischen „Growrooms“ belaufen sich auf rund 15.000 Euro brutto.

  1. Obstbauflächen - Urbanes Gärtnern und Teilhabe

Obstbau hat in der Region eine lange Tradition. Neben spezialisierten Anbauverfahren und einem modernen Sortiment (Tafelobst) finden sich im Stadtgebiet aber auch Zeugnisse weniger spezialisierter Nutzungsformen (Obstwiesen) mit dem dazugehörigen Sortenspektrum. Besonders landschaftsbildprägend sind die mächtigen Mostbirnenbäume.

Durch die Bereitstellung von öffentlicher Anbaufläche sollen zwei Zielsetzungen verfolgt werden. So sollen zum einen Wissen, Zusammenhänge und Fertigkeiten vermittelt werden (Umweltbildung, Obstbaukurse, Führungen), zum anderen sollen Nutzung und Erhalt der städtischen Obstwiesen und Einzelbäume durch Engagement der Bevölkerung gesichert werden (Bestandspflege, Ernteaktionen, Verarbeitung etc.).

Als erstes Projekt soll eine „Obstlehrwiese“ in der Senftenau entstehen. Im Umfeld dieses zentralen und gut erreichbaren Standortes befinden sich u.a. verschiedene Schulen, welche das Angebot im Rahmen Ihrer Umweltbildung nutzen können. Zudem ist auf den vorhandenen Flächen eine thematische Erweiterung etwa durch Gemeinschaftsgärten denkbar.

Als weitere Bausteine zur Entwicklung entsprechender Flächen werden u.a. folgende Maßnahmen vorgeschlagen:
Durch Hinweistafeln aber auch QR-Codes an städtischen Obstbäumen bzw. Anbauflächen sollen Interessierte Informationen zu Standorten, Sorten, Verwendung, Reifezeitpunkt etc. erhalten. In einem weiteren Schritt können diese Informationen in einer interaktiven Karte gebündelt werden.

Für die Umsetzung des ersten Projektschrittes in der Senftenau werden nach derzeitiger Schätzung Mittel in Höhe von 25.000 € benötigt.

  1. Kosten und Finanzierung

Die Kosten belaufen sich in Summe auf 40.000 €. Die Finanzierung der Teilprojekte soll im Vermögenshaushalt 2022 eingeplant werden.

  1. Zusammenfassung / Fazit

An mehreren Standorten im Stadtgebiet soll durch verschiedene Formen des Urban Gardening ein zusätzliches Angebot für gartenbauliche Aktivitäten geschaffen werden. Mit dem Projekt Urban Gardening sollen durch gemeinsames gärtnerisches Schaffen, Begegnung in bzw. Identifikation mit den Stadtteilen und eine anwendungsbezogene Umweltbildung unterstützt werden. 

Finanzielle Auswirkungen


einmalig
laufend
Finanzielle Auswirkungen:
40 T€
     
Mittel stehen (nicht) zur Verfügung
Haushaltsstelle/
Deckungsvorschlag
Verbesserung Grünanlagen
58000.95900





Diskussionsverlauf

Die Mitglieder des Werkausschusses verzichten auf einen Sachvortrag.

Oberbürgermeisterin   D r.   A l f o n s   führt kurz in das Thema ein. Sie geht insbesondere auf die Punkte „Nachbarschaftsinitiative“, „Teambuilding“ und „Kooperation mit dem Kulturamt im Rahmen der Biennale“ ein.

Herr   W r a g g e   , Fachbereichsleiter Stadtgärtnerei, berichtet darüber, bzgl. der Umsetzung weiterer Growrooms zweigleisig zu fahren. Zum einen besteht Kontakt mit dem Kulturamt bzgl. Sponsoren. Zum anderen wird vorgeschlagen, mit dem Knowhow der GTL zwei zusätzliche Growrooms in Workshops mit Schulen etc. baulich umzusetzen. 

Stadtrat   B ü c h e l e   findet den Ansatz gut, dass die Bürger und Vereine in die Pflicht genommen werden. Dadurch steigt auch der Wert und es wird besser auf die Anlagen geachtet. Er hat allerdings bedenken bzgl. der Wasserversorgung und den damit verbundenen Kosten. Die GTL sind schon am Anschlag. 
Herr   W r a g g e   , Fachbereichsleiter Stadtgärtnerei, teilt mit, dass es am Reichsplatz sehr gut funktioniere und dort nicht von der GTL gegossen wird.

Stadträtin   N o r f f   berichtet, dass sich das Projekt am Reichsplatz gut entwickelt hat. Das Interesse war da. Denn es bringt nichts, wenn niemand ein solches Projekt will (Umsetzung/ Pflege). Es muss nicht groß und/ oder teuer sein und es entsteht da, wo Bedarf da ist. Es ist ein spannendes Projekt, bei dem es auch die Möglichkeit gibt, sich gegenseitig kennenzulernen. Sie plädiert für die Umsetzung.

Stadträtin   D r.   L o r e n z - M e y e r   hält das für eine tolle Initiative. Es werden dadurch Menschen unterstützt, die aktiv werden wollen. 

Stadträtin   M a y e r   spricht ein Kompliment an Stadträtin Norff für das Projekt am Reichsplatz aus. Für die Umsetzung der gemeinschaftlichen Projekte fehlen Ihr die Standorte.
Stadträtin   N o r f f   erklärt, dass das Projekt dort entsteht, wo es die Leute wollen.
Stadträtin   M a y e r   erläutert, dass der Standort auch von einer Wasserversorgung in der Nähe abhängig sein sollte. Für Sie sind ein paar Punkte, wie Einlagerung der Pflanzbehälter im Winter, Winterdienst etc. noch nicht geklärt. 
Oberbürgermeisterin   D r.   A l f o n s   ergänzt, dass die Umsetzung dort erfolgt, wo sich die Leute engagieren.
Herr   W r a g g e   , Fachbereichsleiter Stadtgärtnerei, fügt hinzu, dass die Pflanzbehälter schneller nicht mehr ansehnlich aussehen, wenn diese im Winter im Freien stehen. Sein Vorschlag wäre, dass diese mit einer Folie abgedeckt werden, sollte das Projekt über ein Jahr hinausgehen. Des Weiteren erläutert er, dass ein möglicher Standort beim Musikpavillon in der Rickenbacher Straße sein könnte. Es ist entscheidend, dass Bürger gefunden werden, die es selber betreiben.

Bürgermeister   H o t z   findet die Ansätze gut. Er bezieht sich auf die städtische Obstbaufläche am Standort „Senftenau“ und erkundigt sich, ob diese Maßnahme in Höhe von 25 T€ für den Haushalt 2022 sein muss. Eventuell ist dies auch anders über das Öko-Konto möglich. Aufgrund des Zeitpunkts und für den Haushalt 2022 kann er die Maßnahme schwer empfehlen, wenn die Mittel dann bei den Haushaltsberatungen wieder rausfallen.
Oberbürgermeisterin   D r.   A l f o n s   kann dies nachvollziehen. Es sollte aber berücksichtigt werden, dass es sich hierbei um ein nachhaltiges Projekt, anders als bei den Wertstoffinseln, handelt.

Stadträtin   N o r f f   informiert darüber, dass es sich um ein „upcycling-Projekt“ handelt, welches nicht mehr als 2,5 T€ kostet. Diese Kosten könnten auch über Spenden etc. wieder eingenommen werden. Es ist zudem ein temporäres Projekt, das sich eigentlich selbst betreut und das Gemeinschaftsgefühl wird dadurch gestärkt. 

Oberbürgermeisterin   D r.   A l f on s   erkundigt sich nach der Einschätzung von Herrn   W r a g g e   , Fachbereichsleiter Stadtgärtnerei, wie viele Mittel mindestens benötigt werden, um die Workshops für die Growrooms etc. durchführen zu können. Er erläutert, dass die zwei Growrooms auf einen Growroom reduziert werden könnten. Die Kosten liegen dann bei ca. 7,5 T€. Ebenfalls könnten die Kosten für die Pflanzkisten auf 10 T€ begrenzt werden.

Stadtrat   B ü c h e l e   informiert darüber, dass er als Landwirt sehr günstig (ca. 10 - 20 €) an Pflanzkisten kommen könnte. Er kann in diese Richtung gerne behilflich sein. Ggf. steigen auch andere Landwirte ein, die auch den Transport übernehmen könnten. Zur Obstbaufläche am Standort „Senftenau“ teilt er mit, dass es viele städtische Flächen gibt, die nicht gepflegt werden. Bevor ein neues Projekt gestartet wird, sollten andere, schon vorhandene Sachen genutzt werden.
Herr   W r a g g e   , Fachbereichsleiter Stadtgärtnerei, findet das Angebot von Stadtrat Büchele super. Die Pflanzkisten stehen bereits zur Verfügung. Ein Großteil wäre somit schon erledigt. Es würden dann nur noch Materialien wie Humus, Dünger etc. fehlen.

Stadtrat   F e h r e r   spricht sich für den Moment gegen die „Deluxe-Lösung“, mit den Growrooms und der Obstbauwiese aus. Es sollte lediglich eine kleine Lösung (Beschlussvorschlag 1) umgesetzt werden.

Zum Schluss fasst Oberbürgermeisterin   D r.   A l f o n s   den Diskussionsverlauf zusammen.

Es wird sich darauf verständigt, dass die Umsetzung der Mobilen Gärten durch die Verwendung der vorhandenen Kisten sowie den Transport durch die Landwirte erfolgt. Die fehlenden Materialen wie Humus, Dünger etc. werden aus dem Erfolgsplan der GTL finanziert.

Beschluss 1

Der Werkausschuss beauftragt die Werkleitung mit der Umsetzung der Mobilen Gärten und empfiehlt dem Finanzausschuss, die erforderlichen Mittel in der Haushaltsplanung 2022 einzuplanen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 3, Dagegen: 10

Beschluss 2

Der Werkausschuss beauftragt die Werkleitung mit der Herstellung von zwei Growrooms und empfiehlt dem Finanzausschuss, die erforderlichen Mittel in der Haushaltsplanung 2022 einzuplanen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 1, Dagegen: 12

Beschluss 3

Der Werkausschuss beauftragt die Werkleitung mit der Herstellung eines Growrooms und empfiehlt dem Finanzausschuss, die erforderlichen Mittel in der Haushaltsplanung 2022 einzuplanen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 4, Dagegen: 9

Beschluss 4

Der Werkausschuss beauftragt die Werkleitung mit der Planung und Umsetzung einer städtischen Obstbaufläche am Standort „Senftenau“ und empfiehlt dem Finanzausschuss, die erforderlichen Mittel in der Haushaltsplanung 2022 einzuplanen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 2, Dagegen: 11

Datenstand vom 07.09.2023 10:09 Uhr