Grundsatzentscheidung zu PV-Anlagen in B-Plänen


Daten angezeigt aus Sitzung:  10. Sitzung des Stadtrates, 25.09.2024

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat (Stadt Lindau) 10. Sitzung des Stadtrates 25.09.2024 ö beschließend 9

Sachverhalt

  1. Ausgangslage

Im Stadtrat vom 15. Mai 2024 wurde von Stadtrat Strauß dafür plädiert, dass bei allen Bebauungsplänen das Thema PV-Anlagen grundsätzlich berücksichtigt wird. Die Verwaltung nimmt dies zum Anlass (Auftrag Frau Dr. Alfons vom 16. Mai 2024 per Mail an das Stadtbauamt) im Stadtrat eine Grundsatzentscheidung zu PV-Anlagen in Bebauungsplänen herbeizuführen.

2023 war das wärmste Jahr seit Beginn der DWD-Aufzeichnungen. Die Temperaturen in Deutschland haben sich deutlich erhöht: von 1881 bis 2021 misst der DWD einen Anstieg von 1,6 Grad. Der Klimawandel führt zu mehr Extremwetterlagen mit Hitzeereignissen, Starkregen und Überflutungen. 

Ende 2015 wurde von der internationalen Staatengemeinschaft in Paris das Ziel beschlossen, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 ° C zu begrenzen. 

Mit dem Klimaschutzplan 2050 vom November 2016 und der Novelle vom 12. Mai 2021 hat sich die deutsche Bundesregierung das Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 65% zu senken und bis zum Jahr 2045 weitgehend treibhausgasneutral zu werden.

Der Freistaat Bayern will gemäß Bayerischem Klimaschutzgesetz Art. 2 (Minderungsziele) Abs. 2 spätestens bis zum Jahr 2040 klimaneutral sein. Bei der Verwirklichung der Minderungsziele kommt u.a. dem Ausbau erneuerbarer Energien gemäß Bayerischem Klimaschutzgesetz Art. 2 Abs. 5 besondere Bedeutung zu.

Klimapolitische Vorgaben und Ziele, wie etwa der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Wärmewende und die Reduktion des Autoverkehrs müssen in den Kommunen umgesetzt werden. 
Der Ausbau der Stromproduktion aus Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) leistet einen Beitrag zur dezentralen Energieversorgung und Reduktion von Energiepreisrisiken. Vor allen Dingen aber ist er ein wichtiger lokaler Beitrag zum Klimaschutz.
In der PV liegt ein großes, einfach nutzbares Potential Strom lokal zu produzieren. Bei der Stromerzeugung durch PV entstehen im Gegensatz zur Stromerzeugung aus Anlagen mit fossilen Brennstoffen weder CO2 noch Luftschadstoff-Emissionen.

Am 27. Oktober 2021 folgte der Stadtrat der Stadt Lindau (B) dem Vorschlag des Klimabeirats und beschloss, dass die Stadt Lindau (B) bereits 2035 klimaneutral sein soll, um einen fairen Beitrag für das 1,5 °C Ziel des Pariser Klimaabkommens zu leisten. Im Beschluss heißt es:
  1. „Der Stadtrat beschließt das Klimaziel „Klimaneutralität bis zum Jahr 2035“ zu erreichen, das im neuen Klimaschutzkonzept aufgenommen wird.“

Das Klimaschutzkonzept der Stadt Lindau (B) 2035 aus dem Jahr 2022 beschreibt einzelne Handlungsfelder mit Maßnahmen. Unter dem Handlungsfeld „Entwicklungsplanung und Raumordnung“ steht: „Eine klimagerechte Bauleitplanung kann einen wichtigen Beitrag leisten Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die Verpflichtung zur Errichtung von PV-Anlagen über Bebauungspläne, Verträge etc. ist dabei ein Baustein.“

Das Solarkataster des Landkreises zeigt, dass auch auf bestehenden Dächern grundsätzlich ein hohes Potential herrscht für „Solarpotenzial (Photovoltaik).

  1. Gesetzliche Grundlagen 

  1. Bund
Eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene für eine Solarpflicht auf Gebäuden besteht nicht. Bereits seit 2004 wurde im BauGB herausgestellt, dass die Aufstellung der Bauleitplanung auch „in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz“ zu erfolgen hat. Seit der Klimaschutznovelle von 2011 gibt es im BauGB die Möglichkeit, Festsetzungen für den verbindlichen Einsatz von Solarenergie zu treffen. Dementsprechend können Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien in Baugebieten verbindlich festgesetzt werden (siehe unten).

  1. Land / Freistaat Bayern
Gemäß Bayerischer Bauordnung besteht teilweise die Pflicht Solaranlagen auf neu zu errichtenden Gebäuden und bei Sanierungsmaßnahmen des Daches zu errichten (siehe Anlage 1) Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 25.07.2023). Dort heißt es (…): 
„Art. 44a regelt die Photovoltaikpflicht (PV-Pflicht) für staatliche Gebäude (Abs. 1) und Nichtwohngebäude (Abs. 2) und sieht eine Empfehlung für die Eigentümer von Wohngebäuden (Abs. 4) vor. Auf geeigneten Dachflächen sind Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie in angemessener Auslegung zu errichten und zu betreiben. Die PV-Pflicht besteht bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kraft Gesetzes. Die PV-Anlagen müssen nicht nur angebracht, sondern auch zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Dazu, wie der erzeugte Strom zu verwenden ist, trifft der Gesetzgeber keine Aussage“.  (…)

  1. rechtliche Möglichkeiten der Stadt Lindau (B) zur Festlegung einer Solarpflicht

  1. Solarsatzung (Solarpflicht als öffentliche Bauvorschrift)
Städte können öffentliche Bauvorschriften erlassen, wenn sie nicht gegen abschließende Regelungen des Bundes verstoßen und es eine landesrechtliche Ermächtigungsgrundlage gibt, das wäre hier die Bayerische Bauordnung. Diese enthält derzeit aber keine Aussagen hierzu. 

  1. Regelung in Kaufverträgen / Erbbaurechtsverträgen
Die Stadt Lindau (B) hätte die Möglichkeit bei der Veräußerung von Flächen aus ihrem Eigentum, die als Wohn- oder Gewerbegrundstücke dienen sollen, eine Solarpflicht in den Kaufvertrag bzw. in den Erbbaurechtsvertrag mitaufzunehmen. 

  1. Verpflichtung über städtebauliche Verträge
In Bebauungsplanverfahren werden oft mit den Grundstückseigentümern städtebauliche Verträge bzw. Durchführungsverträge geschlossen. Gegenstand eines städtebaulichen Vertrages kann gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 BauGB insbesondere sein:
„Entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung.“

  1. Festsetzungen im Bebauungsplan
Gemäß § 9 (1) Nr. 23 b) BauGB können im Bebauungsplan Gebiete aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden, „in denen bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen“. Hierunter fallen dem Wortlaut nach sowohl Photovoltaik als auch Solarthermie.
Voraussetzung für die Festsetzung zu einer Solarpflicht ist, dass sie städtebaulich gerechtfertigt ist. Der Städtebau hat dabei die besonderen örtlichen Verhältnisse zu beachten (z.B. Topografie, angrenzende Nutzung). Es muss eine schlüssiges, städtebauliches Konzept mit Begründung vorliegen, welches die Nutzung erneuerbarer Energien vorsieht. Solarfestsetzungen müssen gut verständlich formuliert werden und nachvollziehbar städtebaulich begründet werden. Die hervorgerufenen Eingriffe, einschließlich der Baufreiheit, müssen verhältnismäßig sein. 


  1. Ausnahmen von einer Solarpflicht

Von der Pflicht können Ausnahmen zugelassen werden. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn aufgrund der Verschattung von Gebäuden oder angrenzenden Gehölzbeständen eine Solaranlage nicht wirtschaftlich betrieben werden kann. Zudem können z.B. Ausnahmen erteilt werden, wenn der Denkmalschutz dagegen spricht, oder die Gebäudeausrichtung für eine Nutzung von Solarenergie nicht geeignet ist. 
Eine Dachbegrünung steht dagegen nicht im Widerspruch zu einer Solarpflicht und ist dementsprechend kein Grund für eine Ausnahme. Bei der Planung der Solaranlage auf einem begrünten Dach müssen die Anforderungen für beide Nutzungen aufeinander abgestimmt werden. 

Fachliche Bewertung

Die Verwaltung schlägt vor, in Bebauungsplänen zukünftig prinzipiell die Verpflichtung zur Errichtung von PV-Anlagen vorzuschreiben. Für jeden Bebauungsplan muss dabei geprüft werden, ob die städtebaulichen Voraussetzungen dafür vorliegen.

Umgang mit laufenden B-Plan-Verfahren
Die Verpflichtung zur Festsetzung der Nutzung von Solarenergie soll auch in laufenden B-Plan-Verfahren Eingang finden, bei denen der Stadtrat noch keinen Beschluss zur Offenlage gefasst hat. Laufende B-Plan-Verfahren, mit bereits eingeleiteter Offenlage werden nicht nachträglich mit Festsetzungen zur PV-Pflicht ausgestattet, um eine erneute öffentliche Auslegung zu vermeiden.

Diskussionsverlauf

Stadtrat Prof. Dr. Schöffel spricht sich dafür aus, die Bevölkerung nicht ständig zu bevormunden.

Oberbürgermeisterin Dr. Alfons betont, dass es ohnehin möglich ist, Befreiungen zu erteilen. Sie betont weiterhin, dass in diesem Gremium immer wieder bemängelt wurde, dass PV-Anlagen fehlen und man hier nun von Haus aus welche einfordert. 

Auch Stadtrat Büchele ist der Auffassung, den Bürger hier nicht zu verpflichten und ihm Freiheit zu lassen. 

Stadtrat Kaiser merkt an, dass teilweise Farben vorgegeben werden und hier kein solcher Aufschrei erfolgt. Zudem besteht die Möglichkeit, zu begründen, wieso eine PV-Anlage nicht gewollt ist. 

Stadtrat Obermayr findet den Beschlussvorschlag eine sinnvolle und gute Sache. 

Angesichts des vorherigen Vortrages fehlt es Stadträtin Dr. Lorenz-Meyer an Verständnis der vorgebrachten Argumente der Bevormundung. 

Bürgermeisterin Dorfmüller merkt an, dass dies schon lange eine Forderung des Klimabeirates ist und verweist auch auf Ausnahmenregelungen. 

Beschluss

  1. Grundsätzlich soll das Installieren von PV-Anlagen in Bebauungsplänen, städtebaulichen Verträgen und Verträgen über die Veräußerung städtischer Grundstücke verpflichtend geregelt werden.
  2. Ausnahmen hiervon können nur bei Vorliegen gewichtiger städtebaulicher Gründe in Aussicht gestellt werden (z.B. Verschattung durch zu erhaltende Großbäume).

Abstimmungsergebnis
Dafür: 21, Dagegen: 5

Dokumente
Anlage_1_24_baybo-vollzugshinweise_2023-44a (.pdf)

Datenstand vom 22.10.2024 06:51 Uhr